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Verbrechen der Roten Khmer: Kambodschas Killing Fields

Foto: CLAUDE JUVENAL/ AFP

Völkermord in Kambodscha Was wurde aus den Roten Khmer?

Es war eines der schlimmsten Verbrechen nach 1945: der Massenmord durch die Roten Khmer in Kambodscha. Vor einem internationalen Gericht müssen sich Ex-Kader der Steinzeit-Kommunisten verantworten - bald wird wohl das letzte Urteil fallen.

Ein hochgewachsener Baum, geschützt von brauner, riffeliger Rinde. Durchmesser des Stamms: etwa ein Meter. Daran ist ein Schild angebracht, zweisprachig: "Gegen diesen Baum haben Henker Kinder geschlagen".

Der Baum ist einer von mehreren, die mit diesem Hinweisschild versehen auf den kambodschanischen Killing Fields stehen. Sie werden bald schon die letzten Zeugen der Verbrechen der Roten Khmer sein. Die ultramaoistischen Revolutionäre töteten zwischen 1975 und 1979 fast zwei Millionen Menschen. Damals mussten die Täter lachen, wenn sie die Kinder gegen den Stamm totschlugen, um sich nicht selbst verdächtig zu machen. Heute fotografieren sich Touristen davor mit ihren Smartphones.

Die Gräueltaten der kommunistischen Schreckensherrschaft sind in dem südostasiatischen Land zur Folklore geworden. Dabei zählt - zumindest nach westlichem Verständnis - zur Vergangenheitsbewältigung nicht nur die Aufklärung über das Geschehene, sondern auch eine politische Distanzierung und juristische Bewertung.

Letztere sollte das sogenannte Rote-Khmer-Tribunal bringen, das von der kambodschanischen Regierung gemeinsam mit den Vereinten Nationen eingesetzt wurde. Es nahm 2006 seine Arbeit auf. Der berüchtigte Anführer der Roten Khmer, Pol Pot, der Kambodscha in einen Agrarstaat umwandeln wollte und dafür Jagd machte auf die Intellektuellen im Land, muss sich nicht mehr verantworten; er starb 1998. Seine ausgemachten Gegner waren etwa Journalisten oder Wissenschaftler, aber auch Lehrer; schon das Tragen einer Brille konnte Menschen zu Opfern machen.

Zu den wenigen, denen wegen der Verbrechen an der Bevölkerung der Prozess gemacht wird, zählt "Bruder Nummer 2", Nuon Chea, 91 Jahre alt. In den kommenden Monaten wird das zweite Urteil gegen ihn und Khieu Samphan erwartet, den ehemaligen Staatschef. Der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden sie bereits schuldig gesprochen. Damit wird zumindest die juristische Aufarbeitung wohl abgeschlossen sein. Was hat sie gebracht?

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Verbrechen der Roten Khmer: Kambodschas Killing Fields

Foto: CLAUDE JUVENAL/ AFP

Drei Schuldsprüche; neben Nuon Chea und Khieu Samphan sah das Gericht auch die Täterschaft von Kaing Guek Eav, Spitzname "Duch", als erwiesen an. Er leitete das Foltergefängnis Tuol Sleng, auch bekannt unter der Abkürzung S-21. Dort wurden schätzungsweise 17.000 Menschen gequält und umgebracht; die Maßgabe war, die Festgenommenen erst psychisch, und dann physisch zu vernichten. Nichts sollte von ihnen übrigbleiben außer erfolterten Geständnissen. "Keine Antwort konnte den Tod verhindern. Niemand, der zu uns kam, hatte eine Chance, sich zu retten", sagte Duch vor einigen Jahren in einem Interview. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Zwei weitere der ursprünglich fünf Angeklagten starben, bevor das Urteil über sie gefällt werden konnte. Insgesamt haben die Prozesse bislang 300 Millionen Dollar gekostet. Dabei kommen die meisten Täter des Regimes ohne Verurteilung davon. Die "Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia", die aus kambodschanischen und internationalen Richtern bestehen, befassen sich nur mit den hochrangigen Ex-Führern. Die Angeklagten stritten jegliche Verantwortung bislang ab.

Auch heute noch sind viele Massengräber nicht ausgehoben und die Toten nicht angemessen bestattet, berichtet das Documentation Center of Cambodia, das unzählige Akten und Zeugenberichte zu den Verbrechen der Roten Khmer zusammengesucht hat. Immer noch spült der Regen Kleidungsfetzen und Knochen aus dem Boden der Killing Fields, alle paar Monate werden sie eingesammelt. Manche Gebeine werden öffentlich ausgestellt. Darunter sollen auch ungewöhnlich lange Knochen sein - vermutlich von Ausländern.

Doch außerhalb des Tribunals werden sich keine Gerichte mit den Fällen beschäftigen, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme der internationalen Kammer. Es sei zwar zweifelsfrei schwer für die Öffentlichkeit und Opfer zu akzeptieren, dass Täter, die darum wetteiferten, wer mehr Menschen umbringt, nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Das sei aber eine politische Entscheidung gewesen, um die ehemaligen Roten Khmer leichter in die heutige Gesellschaft integrieren zu können.

Einer von ihnen ist der heutige Premierminister des Landes, Hun Sen. Er stellt sich gegen weitere Ermittlungen und Prozesse; diese würden in einen Bürgerkrieg münden, sagt er. Seine Regierung fürchte, ihre eigenen Führungskräfte auf der Anklagebank wiederzufinden, schrieb Ostasien-Experte Oskar Weggel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sie habe die Verfahren aber letztlich zugelassen, um nicht auf die wirtschaftliche Hilfe westlicher Geberstaaten verzichten zu müssen.

Dabei bringen auch die Prozesse nicht zwingend Genugtuung für die Hinterbliebenen. Nuon Chea etwa, der wegen Rückenbeschwerden selbst kaum an dem Verfahren gegen ihn teilnimmt, sagte in einem Interview, das vor Gericht gezeigt wurde, er bereue die Morde nicht. Für ihn hat sich der Völkermord nie abgespielt, der sei ein reines Propaganda-Gespinst, in die Welt gesetzt von der vietnamesischen Regierung. Sein Anwalt ließ wissen: "Nuon Chea könnte es kaum weniger interessieren, ob er noch ein zweites Mal zu lebenslanger Haft verurteilt wird."

Für einen Großteil der Bevölkerung hat die Aufarbeitung ohnehin keine Priorität. Mehr als die Hälfte der 15 Millionen Einwohner kamen erst auf die Welt, nachdem Pol Pot 1979 durch vietnamesische Truppen vertrieben worden war. Von denjenigen, die Leid erfahren haben, ist den meisten der Gedanke nach Sühne fremd, bilanziert die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die kalifornische Universität Berkeley führte 2010 - die ersten Verfahren liefen bereits - eine Umfrage zur Wahrnehmung des Tribunals unter Kambodschanern durch. 83 Prozent der Befragten gaben an, das Geld solle lieber für etwas anderes ausgegeben werden.