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Reaktionen auf GroKo-Einigung "Scheußlicher als erwartet"

Bei Union und SPD herrscht nach der Einigung in den Koaltionsverhandlungen Erleichterung.  Opposition und Wirtschaft kritisieren den Vertrag. Und auch die Jusos sind nicht zufrieden.
Koalitionsverhandlungen in der CDU-Zentrale

Koalitionsverhandlungen in der CDU-Zentrale

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ AFP

Klar, bei den Großkoalitionären in spe ist man zufrieden. Erschöpfte, aber erleichterte Gesichter sind am Mittwoch bei Vertretern von CDU, CSU und SPD zu sehen. Das war zu erwarten - genauso wie die Kritik der Opposition.

Umso überraschender, dass Grünen-Chef Robert Habeck erst einmal ein Lob verteilt. "Erstmal Respekt vor den Verhandlern. Wir wissen, wie hart das Ringen um Kompromisse ist. Politik heißt auch, mal was geben zu können, sonst können Regierungsbündnisse nicht funktionieren", sagte Habeck dem SPIEGEL. An einigen Stellen würde einzelne Probleme gelöst: Zum Beispiel die Finanzierung der Bildung, und Ladepunkte für E-Autos.

Aber dann folgte die Kritik. Habeck kritisierte den Koaltionsvertrag als "Frickelwerk". Er gebe keine Antworten auf grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft. "Diese Leerstellen müssen wir Grünen füllen: Deutschland braucht Bewegung, Zusammenalt und Zukunftslust. Wenn nicht aus der Regierung, dann machen wir das halt aus der Opposition heraus. Wir stehen bereit."

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem SPIEGEL, dass es in einzelnen Maßnahmen gute Schritte gebe, aber: "Im Großen fehlt aber jedes Aufbruchssignal". Union und SPD hätten sich auf ein lustloses Durchwursteln geeinigt. "Die großen Herausforderungen unserer Zeit werden nicht angegangen: kein konsequenter Klimaschutz, kein fixer Kohleausstieg, kein Einstieg in den grünen Verkehr der Zukunft, bei der Landwirtschaft ein einfaches Weiter-So des Schlechten".

Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Aus schlechten Kompromissen wird keine gute Politik. Diese Koalition hat keine Vision, keine Zukunft und schon jetzt keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung." Sie hoffe nun auf einen negativen Mitgliederentscheid. "Dieser Vertrag ist für einen überzeugten Sozialdemokraten nicht zustimmungsfähig", sagte auch Wagenknechts Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Kritik kommt auch aus der FDP. "Die neue GroKo müsste ehrlicherweise GeKo heißen. Denn sie ist nicht groß, sondern eine Koalition des Gestern", sagte Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann dem SPIEGEL. So sei ein Heimatministerium wichtiger als ein Digitalministerium. Es gehe Union und SPD vor allem um Selbsterhaltung, nicht um die Gestaltung.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer twitterte:

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Auch den GroKo-kritischen SPD-Nachwuchs kann der Koalitionsvertrag wenig überraschend nicht überzeugen:

Die Wirtschaft kann der Einigung von Union und SPD ebenfalls nicht viel abgewinnen. Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Oliver Zander sagte: "Das ist kein Dokument des Aufbruchs, sondern eine Dokumentation des Scheiterns. Die vereinbarten Inhalte sind noch scheußlicher als erwartet", sagte er. Die Vereinbarung enthalte sozialpolitische Versprechen, die zu weiten Teilen von Leistungsträgern aus der Mitte der Gesellschaft erbracht werden müssten.

Der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, kritisierte: "In der Gesamtschau ist die deutsche Industrie mit dem Koalitionsvertrag unzufrieden. Beim Geldausgeben besteht eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung", sagte er. In der Steuerpolitik fehle der Mut zu spürbaren Entlastungen, obwohl die wirtschaftliche Lage gut sei. Auch in der Digitalisierung sei der große Wurf nicht erkennbar.

Zufrieden äußerte sich der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Oliver Malchow, mit dem Verhandlungsergebnis. Die wichtige Forderung nach der Erhöhung des Personals sei in Berlin angekommen: "Nun kommt es darauf an, dass den angestrebten Verbesserungen bei den Sicherheitsbehörden und ihren Beschäftigten in Bund und Ländern zügig entsprechende Taten folgen", sagte er.

vh