Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens I – Märtyrer und Heilige

Bert Gerresheim, 1935 in Düsseldorf geboren, orientiert sich mit seinen gegenständlichen Bronzeplastiken an einer „orts- und geschichtsbezogenen Kunst“ und bezieht sich damit thematisch zumeist auf lokale Ereignisse.  In seinem künstlerischen Werk fragt Gerresheim vor allem was das Wesen des Menschen ausmacht. Die künstlerische Methode, mit der Gerresheim sich dieser Frage nähert, bezeichnet er selbst als „vexieren“, was so viel wie zerreißen, plagen, verzerren bedeutet. Gerresheim stellt die meist bekannten Personen in seinem Werk nicht naturgetreu dar, sondern versucht durch  den Prozess des Vexierens die tieferen Schichten ihrer Biografie offen zu legen. „Befreiung von der banalen Sichtbarkeit“, nennt der Künstler selbst sein Anliegen, in seiner Kunst zum Wesen der Erscheinung vorzudringen, in der sich Abbild und Vorstellung vereint.

Ende der 1950er Jahre studierte Gerresheim bei dem Maler und Bildhauer Otto Pankok an der Kunstakademie in Düsseldorf. 1963 bestand er die Prüfung für das Lehramt in Deutsch und Kunst an der Universität Köln. Bis 1990 unterrichte Bert Gerresheim an einem Gymnasium in Düsseldorf.
Gerresheim hält seine Inspirationenn in Plastiken und Zeichnungen fest. Seine künstlerischen Vorbilder findet er in Michelangelo, Rodin und Giacometti. Dabei zeigt er eine Vorliebe für das Groteske. Fabelwesen, die auf paradoxe Weise Grauenvolles und Komisches miteinander kombinieren, sind in seinen Arbeiten all gegenwärtig. Die Freude, Unvereinbares in einer Figur zu vereinen wird dabei deutlich.

Der Künstler ist im katholischen Glauben verwurzelt. Er ist Mitglied des weltlichen Franziskanerordens. Viele seiner Arbeiten stehen im unmittelbaren Zusammenhang zum katholischen Glauben, andere widmen sich Heiligen und Märtyrern.

Gerresheim nimmt in seiner Kunst oft auf die Geschichte Bezug.. Sein Interesse gilt weniger den Herrschenden, lieber erinnert er an jene, die im Opposition zu ihnen standen. Eine seiner bekanntesten Arbeiten ist die Christus-Figur am Turm der St. Rochus-Kirche in Düsseldorf. Sie trägt als Erinnerungszeichen die Auschwitz-Tätowierung des deutsch-polnischen Paters Maximilian Kolbe. Kolbe hatte 1941 sein eigenes Leben geopfert, um dadurch das eines anderen Mannes zu retten.

Bert Gerresheim: "Kolbe-Kreuz am Turm der St. Rochus-Kirche in Düsseldorf.
Bert Gerresheim: „Kolbe-Kreuz“ am Turm der St. Rochus-Kirche in Düsseldorf.

Die Brückenfigur der  Johannes-Nepomuk-Statue an der rechtsrheinischen Rampe der Oberkasseler Brücke ist als Mahnmal des schweigenden Widerstandes gedacht. Es erinnert an den Priester Jerzy Popiełuszko, der während der Militärregierung in Polen einen ähnlichen Tod wie der Heilige fand. Johannes Nepomuk oder Johannes von Pomuk war ein böhmischer Priester und Märtyrer. Er wurde 1729 von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen und gilt als „Brückenheiliger“. Er wurde gefoltert und ins Wasser geworfen. Der Name Hilarius Gilges und die Jahreszahl 1933 auf einem Balken unter dem rechten Fuß des Heiligen erinnern an einen farbigen Künstler und Kommunisten. Nationalsozialisten schlugen den 24-jährigen im Juni 1933 in der Nähe der Oberkasseler Brücke tot.

Mit der St.-Josef-Skulptur, eine  überlebensgroße Figurengruppe, die dem Namenspatron der Pfarrkirche St. Josef gewidmet ist, verbindet der Bildhauer Bert Gerresheim stadtgeschichtliche, kirchengeschichtliche und sozialgeschichtliche Aspekte des Stadtteils Oberbilk zu einem komplexen Narrationsgeflecht. Geweiht ist das Monument  dem Josef von Nazareth, dem Schutzpatron der katholischen Kirche und dem Patron der Arbeiter. Die Figur trägt das Antlitz des verstorbenen Kölner Kardinals Joseph Höffner.
Rechts der Josefsfigur ist die seliggesprochene Ordensfrau Maria Katharina Kasper dargestellt, die 1859 ihre erste Kongregation der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Oberbilk gründete. Sie übergibt einen Rosenkranz und ein Geldstück an einen wandernden Handwerksgesellen. Eine weitere Zweiergruppe widmet sich der Person des in Oberbilk wirkenden Pastors Johannes Lefahrt. Er kam 1945 durch Artilleriefeuer ums Leben, als er Sterbenden zur Hilfe eilte. Dahinter ist die Figur eines Stahlarbeiters dargestellt, sie zeigt sich in bizarrer Weise verstümmelt, und Risse durchziehen Kopf und Korpus.
Die Figur des Stahlarbeiters nimmt Bezug auf die Historie Oberbilks als einem stahlverarbeitenden Standort bis in die 70er Jahre hinein. Die Geschichte des Stadtteils ist auch die Geschichte der Arbeiter, der politischen Aufbrüche und ihrer Niederschlagungen. Hiervon berichten 15 Bodenreliefs, die um die Figurengruppe herum angeordnet sind. Es finden sich Verweise auf die Spartakisten, deren letzter Aufstand im April 1919 auf dem Oberbilker Markt zahlreiche blutige Opfer unter den Arbeitern forderte. Ein Hakenkreuz erinnert an die NS-Vergangenheit, Straßenzüge liegen in Schutt und Asche, ausgemergelte und gepeinigte Gestalten mühen sich beim Wiederaufbau der Ruinen. Die Bodenreliefs zeigen Persönlichkeiten aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und des Stadtteils. Sie sind nebst den anderen Figuren um den Hl. Josef herum gruppiert und scheinen seine Zuständigkeit als Patron der Arbeiter zu bestätigen. (Auszug aus d:kult)

Bert Gerresheim: St.-Josef-Skulptur
Bert Gerresheim: St.-Josef-Skulptur

Die Skulpturengruppe vor der Rochus Kirche in Düsseldorf (2001-2002) von Bert Gerresheim erzählt anschaulich und mit Liebe zum Detail die Legende des Kirchenpatrons. Rochus stammte aus Frankreich kümmerte sich auf der Pilgerfahrt nach Rom um Pestkranke, erkrankte selbst, wurde von einem Engel gepflegt und von einem Hund mit Brot versorgt, bis er wieder gesund wurde.

Bert Gerresheim: St. Rochus
Bert Gerresheim: St. Rochus

 

Auch interessant:

Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens I – Märtyrer und Heilige

Bert Gerresheim: die Kunst des Vexierens II – Heinrich-Heine-Monument

Bert Gerresheim: Die Kunst des Vexierens III – Denkmale in der Düsseldorfer Altstadt