BILDERGALERIE

Das blaue Wunder

Still ruht das Wasserbecken inmitten des Rosengartens, Teil der Gartenanlage am Rande des Kölner Vorgebirgsparks. Die Wasserfläche spiegelt die ruhende, die bewegte und atmosphärische Umwelt – und einen golden leuchtenden Hasen, der, überlebensgroß, auf einer hohen roten Säule hockt. Seerosenblätter schwimmen auf dem Wasser, in ihm jedoch kein Fisch. Dennoch: es grenzt an das beliebte Wunder im Märchen, das auch der Schöpfer des bronzenen Hasen, Heinrich Brummack, so mag: Der goldfarbene Mümmelmann hat an seiner ausgestreckten Angel einen großen blauen Fisch hängen – aus Plastik. Doch das Materielle muss man nicht wissen, es stört nur die Illusion, dass sich im Rosengarten etwas Wunderbares ereig¬net.
Heinrich Brummack versteht es anerkennenswert, vorgefundene Orte, Plätze, Landschaften, Gärten, in Oasen des Phantastischen und Märchenhaften zu verwandeln. Manchmal durch archaische Behausungen oder eingegrenzte Räume aus rustikalen Feldsteinen, wie „Im Tal“ des Westerwälder Skulpturenparks zu Werkhausen-Hasselbach, dann mittels mathematische Idealwelten und irrationale Zauberwelten konfrontierender Säulenskulpturen auf dem Schulhof des Kölner Gymnasium Kreuzgasse, aber auch durch kurze Gastspiele phantastischer Objekte an alltäglichen Plätzen, die Brummacks Inszenierungstalent immer zu den „richtigen“ werden lässt. So ein Wunder gelang ihm auch im Rosengarten.
Heinrich Brummacks Säulenhase – man kennt ähnliche, golden verpackt, aus Schokolade zur Osterzeit – ist plastisch wirklich und phantastisch unwirklich zugleich. Die unmittelbare räumliche Wirklichkeit fügt sich seiner skurrilen Surrealität und färbt sich dank unserer Imagination phantastisch ein.

Sie wird zur realen, vom Betrachter begehbaren Bühne des angelnden Tieres, wenn wir uns als Komparsen vorstellen können. Wer nüchterner sieht, wird zumindest anerkennen, dass Brummack mit seinem trivialen Säulenhasen der Phantasie ein ganz und gar unpathetisches Denkmal gesetzt hat.Ein Phantast mag sich vielleicht an das Kaninchen aus Alices Wunderland erinnern. Doch Brummacks goldener Hase übertreibt nicht, er ist ziemlich naturgetreu gebildet, trägt nicht vermenschlichende Kleidung. Vor allem hat er es nicht eilig, schaut nicht unentwegt auf die Uhr, sondern hockt seelenruhig hoch oben auf seiner leuchtendroten Säule – und hat einen blauen Plastikfisch geangelt.
Ein farbiges Bildwerk der Idylle an einem Ort der Naherholung. Brummack signalisiert: Hier kann man Entspannung finden, fern dem unfernen Alltagsgetriebe seiner Phantasie freien Lauf lassen, sinnieren und bei der Betrachtung des goldenen Hasen eventuell mehr sehen als es real zu sehen gibt. Der Hase wird zum Vorbild.
Der Goldhase soll kein animalischer Säulenheiliger, nicht hektisch albernde Comicfigur sein, eigentlich auch kein Wunder. Wer will denn auch glauben, dass ein Karrottengourmet zum Fischesser mutiert? Wäre so etwas im Wunderland möglich? Ist der Rosengarten etwa ein Wunderland, in das wir imaginär eintauchen, wie in eine Parallelwelt zur Wirkllichkeit? Wie und was wir sehen, hängt bekanntlich von unserer Phantasie ab. Hat der goldene Hase auf der roten Säule mit dem blauen Fisch an der Angel nicht einfach Urlaub vom Bilderbuch genommen, ist in unsere Realität gereist und hat aus der Gedankenwelt, der er entstammt, eine Prise Illusion mitgebracht? Ist sein Bildwerk nicht von gleicher Unwirklichkeit wie sein wirkliches Spiegelbild im Wasser? Er ist absichtlich fremd hier und passt doch hierhin. Und wer ihn nicht mag? – Bald ist er fort, angelt an einem anderen Ort!
Gerhard Kolberg

VITA

1936                      geboren in Trenhofen, Neumark
1956-64                 Bildhauereistudium an der Hochschule für Bildende Künste Berlin
1959-60                 Bildhauereistudium an der Academie de la Grand Chamiere Paris
seit 1982                Professur an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Kunst und Design

Preise

1966                       Villa-Massimo-Preis, Rom
1966                       Junge Generation, Berlin
1969                       Villa-Romana-Preis, Florenz
1972                       Preis im Wettbewerb ‚Projekt‘ des Westdeutschen Künstlerbundes

Ausstellungen (Auswahl bis 2001)

1982                       Artothek, Köln (E)
1985                       Galerie Willbrand, Köln (E)
1987                       Documenta, Kassel
1988                       Kunsthalle, Kon, Zehn und Zehn
1990                       Hannover, „BIS JETZT“
1994                       Galerie Jaspers, München (E)
1994                       „Privatgrün“, Fuhrwerkswaage Köln
1995                       Skulpturenprojekt Gotha
1996                       Künstlernekropole Kassel-Hab.
1997                       Tuchfühlung, Langenberg
1998                       Zwischenraum, Münster
1998                       Westfälischer Friede, Münster
1998/99        –        Stadtgalerie Osnabrück
2001                       Künzelsau (Museum Würth)

Werke im öffentlichen Besitz (Auswahl bis 2001)

Neue Nationalgalerie, Berlin
Wilhelm-Lehmbruck Museum, Duisburg
Karl Ernst Osthaus Museum, Hagen
Museum Wiesbaden
Neue Galerie, Kassel
Kunstgewerbe-Museum, Hamburg
Katsumi Kawamura Museum, Tokyo
Museum Würth, Künzelsau
Flughafen Berlin-Tegel
U-Bahnhof, Köln-Ehrenfeld
WestLB, Düsseldorf
Osaka, Japan
Nykosia, Cypern

Adresse
Haus Cappeln 1
49492 Westercappeln