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Exzellent geht anders

Forschung Top, Lehre Flop?

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Noch lächelt er: StuRa-Mann Bernd Hahn kritisiert die sächsische Hochschulpolitik.

Ende Juni durfte sich die TU Chemnitz über die Ernennung eines Exzellenzclusters im Strukturleichtbau freuen. Damit fließen bis 2017 bis zu 38 Millionen Euro an Fördergeldern in die Forschung der TU. Bernd Hahn, Vertreter der Studentenschaft, möchte sich darüber jedoch nicht so recht freuen. Michael Chlebusch sprach mit ihm über goldene Dachziegel, Mängel in der Lehre und sinnlose Gebühren.

Freust du dich über die Vergabe des Exzellenzclusters an die TU?
Nicht wirklich. Man versucht, über diese Initiative hochspezialisierte Forschung zu fördern. Natürlich ist das schön für Professor Kroll und seine MitarbeiterInnen. Aber was passiert nach 2017? Forschung gehört zur Universität genauso wie die Lehre. Doch das Bundesministerium investiert in goldene Dachziegel, während Unland und Schorlemmer in Dresden den Presslufthammer ansetzen und das Fundament der Universitäten abbauen. Da werden Personalkürzungen beschlossen, die jeder Grundlage entbehren. Solang das so ist, kann ich mich nicht über so eine Forschungsförderung freuen.


Also wird es an der TU in zehn Jahren nicht mehr so exzellent hergehen?
Jede Förderung hat ihre Grenzen. Das Ziel sollte eine dauerhaft gesicherte Grundfinanzierung der Universitäten[nbsp] und Hochschulen sein. Und da gehört Lehre genauso wie Forschung rein.


Warum hält die Landesregierung trotz steigender Studierendenzahlen und gut gefüllter Kassen an den Streichungen fest?
Das oberste Ziel der CDU/FDP-Regierung ist der Schuldenabbau, damit das Land Sachsen in Zukunft keine zusätzlichen Belastungen wie Zinsen tragen muss. Dieses Ziel ist durchaus nachvollziehbar, jedoch wird diesem Ziel alles untergeordnet. Dass die Zahl der Studierenden jetzt ansteigt, ist eine Tatsache, die in den Ministerien für Finanzen, Wissenschaft und Kunst gern ignoriert wird. Man hält daran fest, 300 Stellen im nächsten Doppelhaushalt zu kürzen. Da ist auch die Ausnahme der TU Dresden eine Mogelpackung. Man nimmt dort dauerhafte Stellen weg und gibt der Uni eine äquivalente Zahl an befristeten Stellen. Man nimmt also Arbeitsplätze und setzt dafür prekäre Beschäftigungsverhältnisse ein.


Wie sieht es damit an der Chemnitzer TU aus?
In Chemnitz sind es etwa 40 Stellen, die gestrichen werden sollen und von denen niemand weiß, wo man sie hernehmen kann. Wenn diese aus dem normalen Lehrpersonal genommen werden, wird die Universität kollabieren. Zusätzlich wird in einem Jahr die Grundschullehramtsausbildung nach Chemnitz kommen, für die auch zusätzliche Stellen gebraucht werden.


Können die Uni und ihre Studenten da etwas tun?
Wenn man mal ganz oben anfängt, ist Bildung ein Menschenrecht und im Grundgesetz eine Berufsfreiheit verankert. Leider ist es so, dass der Protest der Studierenden und Professoren und Professorinnen nicht so groß ist, wie er sein könnte. Wenn man die Zustände häufiger nach außen tragen würde, würde sich auch mehr drehen.
Da gab es vor drei Jahren mit dem Bildungsstreik einen Höhepunkt, der scheint aber inzwischen vergessen.
Es sind einige grundlegende Probleme angefasst worden, aber das wurde nicht verstetigt. Das Gesamtbild in der Lehre ist noch immer katastrophal. Man hat nicht genügend Lehrkräfte um sämtliche Seminare abzusichern. Mit 60 Teilnehmern in einem Seminar kann nichts herauskommen, weil die Gruppengröße viel zu hoch ist. Das sind Probleme, die vor allem in Studiengängen herrschen, die für die Universität nicht prestigeträchtig sind. Großes Beispiel ist die Pädagogik, da werden 400 Studenten und Studentinnen immatrikuliert und das Fach bekommt nicht die Ressourcen für Personal und Ausstattung.


Sind diese Studenten zu wenig engagiert?
Seit der Umstellung auf die neuen Studiengänge entstand eine große Prüfungslast und die Studis haben teilweise einfach Angst, dass sie ihr Studium nicht mehr schaffen, wenn sie sich zu viel engagieren. Das gilt für eine Fahrt nach Dresden zur Demo ebenso wie für die Mitarbeit in Gremien.


Auch die derzeit verhandelte Novellierung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes kam in eurer sechsseitigen Stellungnahme nicht besonders gut weg. Habt ihr damit Einfluss?
Wir haben die Kommentierung den Parteien zur Anhörung im Landtag eingereicht, um unsere Meinung vernehmbar zu machen. Der Senat hat das auch getan, dort haben wir erstmals Paragraph für Paragraph ein Gesetz behandelt und eine Stellungnahme abgegeben. Ich hoffe darauf, dass viele Abgeordnete auch der Regierungsfraktionen auf ihren gesunden Menschenverstand hören und die kritischen Änderungen nicht beschließen.


Welche Themen siehst du im Gesetz besonders kritisch?
Hochschulsteuerung ist darin ein besonders heißes Thema. Da wird ermöglicht, dass das Ministerium für Finanzen und das Wissenschaftsministerium direkt in die Hochschulen regieren – ohne interne Gremien einzubeziehen. Dazu Studiengebühren für Langzeitstudierende. Es sind extrem wenige, die diese Zahl an Semestern überhaupt erreichen, meist die, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Die würden dann ihr Studium wahrscheinlich abbrechen. Die Gebührenzahler wären so wenige, dass sie nicht einmal den Verwaltungsaufwand zur Eintreibung rechtfertigten.


Gibt es deiner Meinung nach auch eine positive Entscheidung in der aktuellen Hochschulpolitik?
Ja! Die Anerkennung von extern erbrachten Leistungen. Innerhalb des Bolognaprozesses gibt es die Lissabonkonvention, die besagt, dass Leistungen, die irgendwo erbracht worden sind, auf ein Hochschulstudium angerechnet werden können. Wenn etwas nicht anerkannt wird, muss es die Hochschule begründen. Momentan muss der Studi begründen, warum es anerkannt werden soll. Das wird nun geändert.


Im Zweifel bleibt den Studenten also die Flucht an andere Unis?
Ja. Wobei nicht gesagt ist, dass in Sachsen alles schlecht ist und woanders alles gut. Es hat jedes Bundesland so seine Probleme, wir sind in Sachsen nur leider gerade dabei, unsere zu verschärfen.


Danke für das Gespräch.

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Bernd Hahn (23) studiert im 10. Semester Chemie auf Diplom und im 2. Semester Maschinenbau auf Bachelor. Er ist studentischer Vertreter im Senat der TU Chemnitz, Referent für Lehre und Studium sowie Referent für Verkehr des Studentenrats und außerdem Mitglied im Fachschaftsrat Chemie.

Interview / Foto: Michael Chlebusch


Erschienen im Heft 06/12

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