www.bikeamerica.de - Reisebericht über unsere Panamericana-Tour 6

Hochkulturen und Dschungelfeeling

Von México City nach Guatemala

México City ist, verglichen mit europäischen Maßstäben, eigentlich eine recht junge Siedlung. Die Azteken, auch Mexicas genannt, haben die Stadt 1325 unter dem Namen Tenochtitlán gegründet. Sie waren der letzte einer Reihe kriegerischer Nomadenstämme aus dem Norden, die so gegen 1200 n. Chr. nach und nach die Städte auf der Hochebene überfielen. Nach Verheißung ihres Priesters und Kriegsgotts Huitzilopochtli sollten sie sich dort niederlassen, wo sie einen auf einem Kaktus sitzenden Adler erblicken, der eine Schlange frisst – daraus resultiert auch das mexikanische Staatswappen.

Staatswappen Tenochtitlán

Auf jeden Fall, zwei sumpfige Inseln mitten im Texcocosee waren seinerzeit the place to settle down; unter dieser Baugrund-Wahl hat México City heute noch zu leiden – der mittlerweile ausgetrocknete Seeboden ist alles andere als stabil. So musste man beispielsweise Ende der 90er-Jahre etliche Tonnen von Beton unter die dramatisch schief hängende Kathedrale (und unter andere wichtige Gebäude) pumpen, um diese vor dem Einsturz zu bewahren. Der blöde Adler hätte seine Schlange wirklich auch, sagen wir mal, in Querétaro fressen können.

Vorher gab es natürlich schon andere indigene Völker auf dem Gebiet des heutigen mexikanischen Staats. Da waren in Nordméxico z.B. seit 1200 v. Chr. die Olmeken, die als erste Hochkultur Mittelamerikas gelten. Die Olmeken hinterließen monumentale Steinköpfe mit bis zu drei Metern Höhe, Jaguardarstellungen und ein perfekt ausgeklügeltes System der Zeitrechnung, das sogar die Zahl 0 mit einschloss, was sie aber nicht daran hinderte, so gegen 700 v. Chr. wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Warum, das weiß keiner.

Nicht weniger geheimnisumwittert ist die Stätte der zweiten Hochkultur: Teotihuacán, nur wenige Kilometer nordöstlich von México City gelegen. Das war die erste Großstadt auf mesoamerikanischen Boden, so ab 500 v. mit Blütezeit von 200-500 n. Chr. mit bis zu zwanzig Quadratkilometern Ausdehnung und einer Population von rund 200.000 Menschen. Gigantische steinerne Bauwerke zeugen heute noch von dieser Epoche, die dann so gegen 900 n. Chr. von den Tolteken beendet wurde (Tula). Dann gab es noch die Mixteken, die Zapoteken, die Chichimeken – eine verwirrende Völkervielfalt. Und, last but noch least, gab es noch die Mayas, die Hochkultur drunten auf Yucatán, entstanden schon zu Zeiten der Olmeken. Aus bislang nicht ersichtlichen Gründen war die Maya-Kultur schon bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert selbsttätig am Verkümmern – aber so entstehen Legenden, und damit gibt es für uns bei unserem Südméxico-Trip kulturell bestimmt so einiges zu entdecken, und landschaftliche Highlights natürlich sowieso.

Unseren Kultur-Trip beginnen wir mit einer Busfahrt nach Teotihuacán. Dazu fahren wir zuerst mal mit der Metro zum Terminal del Norte hinaus – ein Wahnsinnsding, fast so groß wie ein Flughafen mit -zig Ticketschaltern und bestimmt so einiges über 1000 Abfahrten täglich. Dort gibt es Läden, eine Hotelvermittlung, Reisebüro, Internetservice und VIP- Lounges sowie Hostessen, die den Weg zum richtigen Schalter weisen. Das Bussystem in México ist wirklich sagenhaft und fährt fast stündlich bis in die letzten Winkel des Landes. Nach Teotihuacán geht sogar alle zehn Minuten ein Bus; wir dürfen uns die Plätze auf dem Touchscreen-Bildschirm selbst aussuchen und werden schon bald zügig vom üblichen Macho-Busfahrer und bei Unterhaltung durch marodierende Gitarrenspieler und Kojotenfettverkäufer die 50 Kilometer zu den Pyramiden hinausgeschaukelt.

Teotihuacán ist wirklich eine der tollsten Ruinenstätten, die wir bislang gesehen haben. Seine Hauptachse ist die zwei Kilometer lange Calzada de los Muertos, die Straße der Toten. Sie gilt als eine der längsten urbanen Achsen der Menschheitsgeschichte überhaupt! An ihr liegen die Sonnen- und die Mondpyramide, Tempel, Wohn- und Handwerkerviertel. Die Stadt war ein geistiges und religiöses Zentrum und zusätzlich eine Domäne des Fernhandels. Teotihuacán war Hauptlieferant für die weithin begehrten Messer aus Obsidian, einem sehr harten, glasartigen Vulkangestein, das in der Nähe abgebaut wurde und sehr schwer zu bearbeiten war. Es gibt übrigens auch Theorien, dass nicht allein die Tolteken für den Niedergang Teotihuacáns verantwortlich waren, sondern vor allem veränderte Marktbedingungen, der Bruch des Obsidianmonopols, das Auftreten von Handelskonkurrenten – tja, die Liberalisierung des Welthandels.... Aber vermutlich gab es auch eine Bauernrevolte.

Teotihuacán

Die Sonnenpyramide ist ein gigantischer Steinhaufen, von der Grundfläche her fast exakt so groß wie die Cheops-Pyramide in Ägypten, allerdings mit 70 Metern nur etwa halb so hoch. Sie diente rituellen Zeremonien und der Beobachtung der Gestirne; die Priester stiegen hier symbolisch zum Himmel empor. Wenn die Sonne im Zenit steht wirft die Sonnenpyramide keinen Schatten. Bei der Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. März klettern noch heute Tausende Menschen ameisengleich die Stufen hinauf. Sie glauben, dass in der Pyramide übersinnliche Kraft und Ur-Energie gespeichert ist, die man vom magischen Punkt der Spitze mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne in sich aufnehmen könne.

Wir hingegen besteigen lieber die etwas niedrigere Mondpyramide. Kernige Stufen führen hinauf, die gut 30 cm hoch sein dürften. Trotz guter Radlerlunge müssen wir ordentlich schnaufen, aber von oben entschädigt eine monumentale Rundsicht und die Achse der Stadt liegt scheinbar unendlich vor uns.

Am interessantesten aber finden wir den Palast des Quetzalcóatl, der gefiederten Schlange. Das war die zentrale Figur der gesamten mittelamerikanischen Götterwelt, der Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit. Bis hin zu den Azteken und Mayas wurde Quetzalcóatl verehrt – besonders schön sind die Darstellungen hier in Teotihuacán; wir haben den grinsenden, krokodilähnlichen Kopf mit seinem fetzigen Federkragen gleich ins Herz geschlossen.

auf der Mondpyramide Quetzalcóatl

Der Legende nach musste Quetzalcóatl vor barbarischen Übergriffen fliehen, sodass er eines Tages, prächtig herausgeputzt, seine Untertanen verließ und sich mit seinem Schlangenfloß aufs Meer begab. Er versprach jedoch, eines Tages weißhäutig, bärtig und prächtig vom Meer her zurückzukehren – ein folgenschweres Versprechen, wie sich zeigte, denn 1519 kam dann Hernán Cortés, der spanische Eroberer, mit seinem wilden Haufen in Veracruz an. In seiner schimmernden Rüstung wurde er vom Aztekenherrscher Moctezuma für Queztalcóatl gehalten, was ihm die Einnahme von Teotihuacán wesentlich erleichterte....

Am nächsten Tag dann stehen wir pünktlich um neun bei Budget auf der Matte und holen unseren vorgebuchten Mietwagen ab. Wir kriegen einen hübschen Ford Ka, ganz neu, noch keine 3000 Kilometer gelaufen – damit düsen wir durch den dichten Stadtverkehr Richtung Aeropuerto – Puebla und hoffen, dass uns keiner platt macht. Die Mexis machen aus den vorhandenen zehn Fahrspuren gerne vierzehn, und während man mit dem Fahrrad immer noch irgendwie durchpasst, muss man en coche schon aufpassen, dass man nicht in die Zange genommen wird. Vor allem im nicht so guten Vorort Netzahualcóyotl geraten wir voll in die Stampede der Microbus-Desperados, aber schließlich sind wir mittlerweile gut angepasst, Schlenker rechts, Schlenker links – wir schwimmen gut mit.

Amecameca

Zuerst besuchen wir mal Amecameca am Fuß des Popocatépetl. Das ist ein nettes Städtchen mit viel Charme, aber seit 1991, wo wir hier schon mal übernachtet haben, hat sich doch einiges verändert. Im Hotel San Carlos, wo uns seinerzeit hinter der Rezeption eine zahnlose Großmutter mit gezückter Knarre eine Rolle Klopapier aus dem Safe holte, haben sie jetzt eine Glasfassade und unten drin einen Bankomat. Aber den Sargladen nebenan gibt es noch; er hat sogar vergrößert und stellt seine Ware jetzt auf der Straße aus, und auf dem Markt verkaufen sie jetzt neben Äpfeln und Kartoffeln auch kunsthandwerkliche Artikel für Touristen. The times, they are a-changin’!

Don Gregorio, wie die Einheimischen den Popocatépetl nennen, war mit seinen 5452 Metern schon immer ein heiliger Berg und gilt heute als einer der gefährlichsten Vulkane der Welt. ’91 konnten wir ihn noch teilweise besteigen; wir übernachteten damals auf 3900 Metern Höhe in der Berghütte von Tlamacas – nie werden wir den tollen Blick von dort oben auf das nächtliche Puebla vergessen! Aber seit 1994 ist Don Gregorio wieder aktiv, ein bedrohlicher Ausbruch mit großen Lavamengen ereignete sich im Dezember 2000, etliche Dörfer mussten damals evakuiert werden. In jedem Pueblo hängen seither Fluchtpläne aus und der Popo wird durch zahlreiche Spezialsensoren mit Satellitenunterstützung überwacht; im Internet kann man sich ständig über den derzeitigen Stand informieren. Und besteigen kann man ihn seit ’94 nicht mehr, nur die Straße über den Cortés-Pass darf man benützen.

Popocatépetl Dezember 2000   © siehe hier

Natürlich machen wir uns trotzdem an die Auffahrt. Die Straße führt durch alle Vegetationszonen (Ackerflächen, dann immer dünner werdender Wald) mit mäßiger Steigung stetig bergauf – mit dem Rad hätte das bestimmt riesig Spaß gemacht! An einem nett angelegten Rastplatz machen wir Mittag – Picknickplätze gab es hier früher auch noch nicht. Ein paar Köter warten schon, dass uns die Wurst vom Brot falle, desgleichen zwei etwa Achtjährige, die beritten sind und ihre ganzen Englischkenntnisse auspacken (Hey, Mister, money, money, cigarettes, gift!). Aber die gewundene Straße durch die Nadelwälder ist noch immer schön wie eh und je, und bald stehen wir dann am Cortés-Pass, dem Sattel zwischen Itzaccihuatl und Popocatépetl auf 3600 m Höhe. Doch dort hindern uns eine Schranke und ein Militärposten an der Weiterfahrt nach Tlamacas. Selbst Cortés, der 1519 auf seinem Marsch gen Tenochtitlán hier verbeizog und dem Pass seinen Namen gab, hätte heute keine Chance mehr. Der schickte damals ein paar seiner Männer zum Krater hinauf, um Schwefel für die Schießpulverherstellung zu gewinnen. Wir haben aber wenigstens einen schönen Blick auf die verschneiten Gipfel und machen ein paar Erinnerungsfotos.

Popocatépetl

Die Ostrampe des Passes ist landschaftlich auch sehr schön, wenngleich nicht asphaltiert. Wir holpern über Stock und Stein, Waschbrett und durch Sandkuhlen hinunter Richtung Puebla, und jedes überholende Auto überzieht unseren kleinen Ford mit einer solchen Staubschicht, dass man bald kaum noch die Farbe erkennen kann.

In Cholula steigen wir auf die total eingewachsene Tepanapa-Pyramide hinauf, deren Spitze von einer Wallfahrtskirche gekrönt wird. Ist mal wieder ein sehr nettes Erlebnis, dazu hat man von oben einen wirklich traumhaften Blick auf Popo und Itza, die zwar ihre Häupter teilweise in Wolken hüllen, aber trotzdem unheimlich beeindruckend anzusehen sind. Und fast genauso beeindruckend sind, als wir uns nach kleinem Stadtbummel im Innenhof eines Cafés niederlassen, a) der Preis des Cappuccinos und b) der Zustand der Toilette, sodass wir uns, das erste und wirklich einzige Mal in México, die Gabe von Trinkgeld heute verkneifen.

Waschstraße

Dann geht es auf der Autopista über Cuernavaca in Richtung Acapulco. Die ist landschaftlich sehr schön und auch gut angelegt. Alle paar Kilometer kommen zudem Notruftelefone und schöne Wasserfässer, gedacht zum Auffüllen der brüchigen Kühler betagter mexikanischer Laster. Und an einem solchen Fass waschen wir, auf dem Seitenstreifen stehend, unser verdrecktes Auto mit Hilfe von Sybilles alten Socken blitzblank, mitten auf der Autobahn – Viva México!

Immer einen Abstecher wert ist Taxco, wo wir einen sehr netten Nachmittag und Abend verbringen. Das Städtchen, ein wenig abseits der Hauptstraße, könnte man fast als Pendant zu Guanajuato sehen – es war die zweite große Silbermetropole Méxicos. In den engen, verwinkelten Gassen gibt es heute noch -zig Silberschmiede, die ganze Stadt steht unter Denkmalschutz und hat viel Atmosphäre. Am Zócalo gibt es die übliche verschwenderisch ausgestattete Kolonialkirche (San Sebastian y Santa Prisca), davor viel buntes Treiben, Stände mit Kunsthandwerk, Schuhputzer, Bettler und Touristen.

Miriachis in Taxco

Wir lassen für 3 $ die Mariachis spielen (Ay, ay, ay, ay, cánta y no llores...), und den Abend verbringen wir bei hervorragender Pizza und ein paar Bierlein auf dem Balkon des Restaurants Bora Bora mit schönem Blick auf den Platz. Im Gegensatz zu Mazatlán cruisen hier die Sammeltaxis – das haben wir auch noch nicht gesehen: 9 Plätze hat ein VW-Bulli normalerweise, und hier haben sie bis zu 16 auf selbstgeschweißten Eisenbänken.

Schon am früher Nachmittag sind wir anderntags in Acapulco, gut 400 km seit Cholula und 270 km seit Taxco. So schnell geht das ohne Rad, fast kommt man ins Staunen, aber Spaß macht es nicht. Auf jeden Fall beschließen wir, die Mietwagen-Einlagen auf dem weiteren Panamericana-Trip so kurz wie möglich zu halten – der Tribut an den gestressten Zeitplan geht einher mit einem gewaltigen Verlust an Reisespaß. Und nach der lächerlichen Pizza und den paar Bieren gestern müssen wir schon heute den Hosengürtel ein Loch weiter stellen – also, ein Bike Trip hat doch unbedingt in jeder Hinsicht seine Qualitäten.

Acapulco, das ist der einzige Ort in México, dessen Besuch wir uns echt hätten schenken können. Aber die berühmte Bucht mit ihrem feinsandigen Strand, dahinter den bekanntesten Ferienort der Welt, das will man eben mal gesehen haben. Auf der Avenida Costera Miguel Alemán fahren wir kilometerlang unter Palmen an Nobelläden, Kneipen, Beach Resorts und Hotels vorbei. Die Wahl der Übernachtung entscheidet sich letztlich nach einem Parkplatz am Straßenrand und fällt auf El Torre de Acapulco, einen Riesen-Kasten mit kleinen Ferienwohnungen mit Küche. Wir kriegen eine im 15. Stock zu einem Schweinepreis, da hätten wir uns in México City im Hotel Texas locker eine Woche dafür einquartieren können. Der Unsympath am Empfang knallt beim Einchecken im Empfangsbuch einen Stempel hinter unsere Namen: No credit! Und unter den Affen am Pool fühlen wir uns ein bisschen wie Parias. Na gut, jetzt haben wir’s mal gesehen. Dabei gilt Acapulco heute als Budget- Ferienziel, vor allem bei den Norteamericanos. Uns erinnert es stark an, sagen wir mal, Torremolinos – abgesehen allerdings vom Preisniveau.

El Torre de Acapulco

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Bus zum weltberühmten Felsen "La Quebrada" hinaus, wo sich immer die Highdivers, die Clavadistas, aus 42 Metern Höhe in eine nur 5 m breite Meeresbucht stürzen. Den besten Blick hat man (selbstverständlich gegen Eintritt) vom Restaurant "La Perla" aus, das einst dem Schweizer Jazzmusiker Teddy Stauffer gehörte, der 1942 zusammen mit Errol Flynn die Küste hinuntertingelte, hängen blieb und im Herbst 1991 hochbetagt hier starb.

Die Clavadistas kommen schwimmend an, erklettern den Felsen, beten kurz vor einem Madonnenschrein und springen dann per Salto ab. Ist schon recht beeindruckend – sie müssen bei niedrigem Wasserstand loshüpfen und exakt sechs Sekunden später unten ankommen, wenn die Welle gerade hereinspült. Reine Nervensache! Und als wir uns zum Gehen wenden, steht draußen einer in einer roten Badehose am Eingang und hält die Hand hin. War eine tolle Show, denke ich, und so familiär, nett, dass man sogar noch persönlich verabschiedet wird. Ich schüttle dem Knaben die Hand und sage: "Hola, Amigo, Schröder, de Alemania, que tál?! Erst beim Weitergehen, als Sybille zu kichern anfängt, fällt’s mir wie Schuppen vom Kopf: Das war ja der Clavadista auf Bakschisch-Jagd! Da habe ich doch glatt und völlig unbewusst einen neuen Abzockungs-Schutz erfunden.

Am nächsten Morgen dann weiter, entlang der Küste auf der MEX 200 nach Süden. Aber wer hier an romantische Küstenstraßen à la südfranzösischer Corniche oder an das Gardasee-Westufer denkt, liegt daneben – einsam ist die Straße, führt durch macchiaartige Buschvegetation, und das Meer ist nur selten und aus der Distanz zu sehen. Zudem gilt diese Straße durch den Bundesstaat Guerrero als eine der gefährlichsten Méxicos. Hier wurden schon etliche Radler überfallen, selbst Autos – vielleicht ist das mit der Grund, warum wir (unbewusst) auf einen weiteren Radurlaub südlich von México City verzichtet und die Sparversion per Auto gewählt haben. Acapulco ist sowas wie eine wohlbewachte Insel der Betuchten in harter Umgebung. Und prompt fädelt sich, kurz vor Pinotepa Nacional, aus einem Feldweg heraus ein Pickup mit etlichen Maschinengewehrträgern auf der Pritsche in den spärlichen Verkehr hinter uns ein. Da geht schon kurz der Arsch auf Grundeis! Im nächsten Dorf halten wir im belebten Zentrum an einem Straßenstand auf eine Limo, der Pickup fährt vorbei und die grimmigen Burschen winken freundlich. Wahrscheinlich war’s nur die Schutztruppe eines reichen Hacienderos, uff! Aber auch das reine Vorhandensein solcher paramilitärischen Kleinbrigaden hinterlässt irgendwie ein ungutes Gefühl.

Pinotepa Nacional

Nach gut 400 Kilometern verlassen wir die MEX 200 in Puerto Escondido und fahren hinein in die Berge. 250 Kilometer sind es von hier bis Oaxaca und wieder zur Panamericana, allerdings auf einer Straße, die jeder Beschreibung spottet. Wahrscheinlich sind wir noch nie im Leben auf einer solchen miesen Schlamm- und Schotterpiste gefahren! Oaxaca erreichen wir, nach 12 Stunden seit Puerto Escondido, bei strömendem Regen nachts um zwei, und das auch nur, weil wir mitten im Busch an einer Kneipe tanken konnten – mittels Schlauch und Eimer direkt vom Fass.

Oaxaca, 1550 m hoch, ist eine weitere Perle in México, wieder mal UNESCO-Weltkulturerbe und trotz 300.000 Einwohnern angenehm provinziell. Immer stärker wird jetzt der indianische Einfluss; viele Nachfahren der Zapoteken und Mixteken sind neben den Criollos und Mestizen auf der Straße zu sehen und tragen zum interessanten Flair der Stadt bei. Neben dem tollen, von hohen Lorbeerbäumen beschatteten Zócalo mit seinen Kolonialbauten und Arkadencafés gefallen uns auch die vielen bunten ein- und zweistöckigen Häuser in den Seitenstraßen, versehen wie in ganz México mit handgemalten Reklameschildern. Durch die Kopfsteinpflastergassen holpern betagte Käfer, uralte Amischlitten und vorsintflutliche Fahrräder mit Doppelstange, dafür ohne Gangschaltung.

Mécanico in Oaxaca Oaxaca Stillleben Goldschmuck von Monte Alban

Wir bleiben hier zwei Nächte, schauen uns die Zapoteken-Ruinen auf dem Monte Alban an und die in den dortigen Gräbern gefundenen Goldschätze im Provinzmuseum und wir kämpfen mit dem bekannten Phänomen "Montezumas Rache", auch spöttisch als Turistas bezeichnet. Ist schon gemein, wenn man im Museum auf der Toilette sitzt und es kein Klopapier gibt, noch nicht mal einen dafür vorgesehenen Halter. Der Reiseführer wird deshalb immer dünner, aber, Imodium sei Dank, am nächsten Tag kann’s weitergehen. Jedoch decken wir künftig nach Phasen der Unvorsichtigkeit unseren Vitaminbedarf statt mit Tomaten, Zwiebeln und Salat wieder mit Bananen und selbstgeschälten Äpfeln.

Wieder 600 Kilometer weiter erreichen wir, nach kurzfristiger Abfahrt fast auf Meereshöhe bei Juchitán, über kurvenreiche Straßen in 2200 m Höhe San Christobal de las Casas. Und spätestens hier ist man jetzt im Indianerland – unzählige Indigenas sind in der Stadt; meist Maya-Nachkommen von den Stämmen der Tzotziles und Tseltales. Bereits im Morgengrauen sieht man barfüßige, malerisch gekleidete Indiofrauen mit ihrer Last auf dem Rücken und einem Säugling an der Hüfte aus den Wäldern der umliegenden Berge auftauchen. Auf den Plätzen und im Mercado Municipal entfaltet sich indianisches Markttreiben in all seiner Farbenpracht.

San Christobal de las Casas

Die Frauen in ihren handgewebten Wollröcken haben ihre wenigen Habseligkeiten auf einem Tuch vor sich ausgebreitet, kleine Säcke mit Mais, Türmchen aus Tomaten, Kartoffeln oder Zwiebeln, natürlich auch eine Menge wunderschöne bunte Webwaren für die Touris. Und die vielen einstöckigen Häuser mit ihren schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern und den massiven Holztüren runden das zauberhafte Bild ab. So ähnlich stellen wir uns immer die Dörfer auf dem bolivianischen Altiplano vor, dazu die reine Luft und die abendliche Kühle. Aber mit letzterer ist jetzt Schluss, denn ab sofort geht es hinab ins Mayaland und in die grünen, dampfenden Tropen.

Palenque ist die westlichste der bedeutenden Mayastätten und bestimmt auch eine der beeindruckendsten. Gleich an und um die archäologische Zone beginnt der Dschungel: Dichtes Grün, Blätter groß wie Hüttendächer, wilde Bananen, riesige Ceibabäume mit Bromelien und verfilztes Buschwerk wollen die historischen Anlagen immer wieder überwuchern. Der Besuch ist ein unvergessliches Erlebnis – fast fühlt man sich immer noch wie der Entdecker und Archäologe John Lloyd Stephens im Jahr 1841, der damals ein Buch über die Mayaruinen herausgab, eindrucksvoll illustriert durch Zeichnungen und Lithografien seines Begleiters Catherwood. Vor allem solche Bilder wie das nachstehende machten die Mayaruinen weltberühmt.

Lithografie von Catherwood

Auch heute noch sind nur wenige Gebäudegruppen freigelegt, die in der Blütezeit des Mayareichs zwischen 650 und 750 n. Chr. entstanden und schon im 9. Jahrhundert verlassen wurden, worauf der Urwald in kürzester Zeit alles wieder verschlang.

Beeindruckt gehen wir zunächst einmal von den Ruinen aus ein Stück weit in den Wald hinein und werfen durch das Grün einen Blick auf den Tempel der Inschriften, begleitet von Vogelstimmen und zahllosen anderen Dschungelgeräuschen. Erst dann ersteigen wir den Tempel, der aus neun aufgesetzten Sockeln besteht und zwanzig Meter hoch ist.

Palenque / Tempel der Inschriften

Im Inneren führt eine steile Treppe hinab in eine erst 1952 entdeckte Grabkammer. Eine halbe Stunde fast stehen wir auf der Treppe im Stau, aber das ist es wert: Einige Meter unter der Erdoberfläche sieht man nämlich einen riesigen Sarkophag, dessen Deckelplatte reliefartig verziert ist.

Grabplatte - das berühmteste Maya-Bild

Das ist das wohl berühmteste Bildnis der Maya-Kunst: Es zeigt den Herrscher Pacal, der in Hockstellung und mit vorgebeugtem Oberkörper dem Rachen der Unterwelt entsteigt, dem Maya-Symbol der Weltachse entgegen. In einigen Forschern hingegen als da seien Erich von Däniken und Charles Berlitz erweckte die Grabplatte den Gedanken, dass die Mayas außerirdischer Herkunft seien und Pacal hier ein Raumschiff steuert, an dem deutlich Antenne, Tanks, Verbrennungsraum, Turbine und Auspuff zu erkennen seien. Naja, vielleicht sollten die Herren mal einen kleinen Pannenhilfe- und Fahrzeugtechnikkurs beim ADAC belegen.

In bester Erinnerung blieb uns in Palenque auch unser Hotel Los Leones, auf halbem Weg zwischen Stadt und Ruinen. Selten sind wir in einem Hotel mit so sympathisch-familiärer Atmosphäre abgestiegen. Die Wirtschaft besteht nur aus einem Palmblätterdach ohne Türen und Fenster. Saugemütlich ist es, dort abends eine köstliche Tomatensuppe zu schlürfen und ein Bierlein zu zischen, während draußen die Fledermäuse durch den Laternenschein fetzen.

Hotel Los Leones

Erst als letzte Gäste verkrümeln wir uns immer in unseren blitzsauberen Bungalow mit Aircondition, und die Nacht über pennt der Wirt mit seinem Schäferhund vor der Kasse. Und im Hausgarten sehen wir zum ersten Mal im Leben so berühmte tropische Kulturpflanzen wie Kaffeebüsche, Zuckerrohr und Ananas. Dazu gibt es eine Pflanze (den Namen haben wir leider vergessen), aus der man angeblich einen Tee brauen kann, welcher selbst die schlimmste Säuferleber in kürzester Zeit kuriert. Praktische Sache, den könnte man bestimmt in Tequila gewinnbringend verkaufen, wenn die Touris aus der All-you-can- drink-Destillerietour kommen.

Eine ganze Reihe von Mayastätten schauen wir uns noch an in den nächsten Tagen, Yaxchilan, Uxmal, Labna undsoweiter – jede an für sich schon fast eine Reise wert. Leider ist das Urwald-Feeling dazwischen schon rechts ausgedünnt zwecks Landwirtschaft und Viehzucht; deshalb hat gerade Palenque heute noch so einen urtümlichen Reiz. Chichén Itzá muss man aber unbedingt noch erwähnen, denn es weist ein absolut einmaliges Feature auf: einen komplett erhaltenen Ballspielplatz.

Pelota, das kultische Ballspiel, war sowohl den Azteken als auch den Mayas bekannt. Gespielt wurde auf Plätzen in der Form eines doppelten T, die mit behauenen Steinen ummantelt waren, was ein Spiel "mit Bande" ermöglichte. Der Ball, eine bockelharte Kautschukkugel von ca. 25 cm Durchmesser, besaß eine große Sprungfähigkeit und sollte die Sonne symbolisieren, sein Flug während des Spiels ihren Lauf am Firmament. Die Spieler, drei bis fünf pro Team, durften ihn nur mit Hüfte, Hintern, Ellbogen oder Knien schlagen und er durfte nicht den Boden berühren. In einigen Metern Höhe war ein Steinring angebracht, nur unwesentlich größer als der Ball; dort mussten die Spieler durchtreffen.

Pelota Viel Glück!

Für das Golden Goal gab es keine Punkte, aber doch einen echten Vorteil: Die Verlierer wurden nämlich den Göttern geopfert, und zwar durch Herausoperation des Herzens mittels eines echten Obsidianmessers, made in Teotihuacán. Aua! Da kann man den Liga-Meister doch auf wesentlich humanere Art ermitteln.

Präkolumbianische Herzoperatrion Obsidianmesser

Bei strömendem Regen erreichen wir dann Mérida. Hier sollen wir morgen unseren Mietwagen zurückgeben, bevor wir über Belize nach Guatemala fliegen. Es schüttet praktisch wie aus Kannen; manche Straßen ähneln einer Furt durch einen Gebirgsbach. Doch schon im Stadtzentrum ist der Spuk vorbei, die Sonne kommt wieder raus und verwandelt die Stadt in eine dampfende Waschküche. Dann, wir biegen gerade um eine Kurve, plötzlich ein übles Geräusch von der Vorderachse (Rasselplängädängratschkrach) – die Antriebswelle ist gerissen. Direkt vor einer Kneipe bleibt das Auto stehen. Sofort kommen diverse Mézcaleros aus der Pinte gerannt und helfen mit freundlichen Ratschlägen. Einer hat einen Schraubenzieher dabei und behauptet, er sei der Mécanico. Dann erscheint noch ein Polizist, der fürchterlich pfeift. Tja, ein Fahrrad könnte man jetzt in ein Taxi schmeißen oder ins nächste Hotel tragen, schon ein G’lumpp, so ein Mietwagen. Doch nach längerer Diskussion werden wir mit fünffacher Mézcalero-Power zur nächsten Werkstatt geschoben. Nach Abgabe von 5 US $ verschwinden die Schluckspechte mit strahlenden Gesichtern wieder in ihrer Kneipe, um den unerwarteten Geldsegen gleich auf den Kopf zu hauen.

Dann geht die Frage los, wer den Schaden bezahlt. Das Telefon des Autovermieters ist offensichtlich gestört. Deshalb fährt mich der Jung-Mécanico auf seinem Motorrad Marke "Carabela 125" zum Vermietungsbüro. Ist eine tolle Fahrt, im Berufsverkehr, ohne Helm und Fußrasten, dafür ist der Motor frisiert. So hat sich bestimmt noch kein Tourist die Stadt Mérida erschlossen! Den Señor im Autovermietungs-Stadtbüro sagt dann, unser Schaden ginge ihn nix an, das Auto sei aus México City und könne nur am Flughafen abgegeben werden. Uff, der totale Stress! Im Flughafenbüro ist natürlich auch niemand zu erreichen, also zurück – wenigstens ist die Reparatur dann tatsächlich bis zum nächsten Morgen fertig, und die Rechnung wird im Flughafenbüro anerkannt und von der Endabrechnung abgezogen. Schwitz, gerade noch rechtzeitig – der Flieger wartet nicht! Da hat Radfahren doch echt was total Entspannendes dagegen.

Nur eine starke Stunde dauert der Flug von Mérida nach Belize City. Sehr schön sieht man von oben, in welchem Maß der Regenwald auf Yucatán schon abgeholzt ist – mittlerweile sollen selbst im Petén, früher eine der regenreichsten Regionen Mittelamerikas, die Regenfälle so zurückgegangen und die Bodenerosion so weit fortgeschritten sein, dass der Bestand der restlichen Wälder ernsthaft gefährdet ist. Nicht viel sehen wir jedoch von Belize, dem ehemaligen British Honduras. Ein Touri-Kleinbus mit freundlichem Fahrer (Don Félix) holt uns am Flughafen ab und fährt uns zügig über die nahe guatemaltekische Grenze nach Santa Elena und nach Tikal.

Tikal Inn

Längst ist es dunkel, als wir unser einfaches Zimmer in der Lodge "Tikal Inn" beziehen. Ist schon das totale Dschungel-Feeling hier draußen – die Gebäude haben Palmblätterdächer, die Fenster sind nur mit Fliegengittern versehen, die Wände zu den Nachbarzimmern sind oben offen und jedes Bett hat ein Moskitonetz. In unserem Bett sitzt eine kleine Eidechse und in der Dusche ein Frosch. Abends um neun wird der Generator abgestellt, dann gibt es nur noch Kerzenlicht. Und wenn man dann im familiär-gemütlichen Gemeinschaftsraum bei einer Tasse Tee und einer Runde Rummy den Tag ausklingen lässt und draußen die Brüllaffen infernalisch heulen, dann fühlt man sich irgendwie wie Robinson, draußen, fast wie auf einer Insel, weitab von jeglicher Zivilisation und allein in großartiger, fast beängstigender Natur.

Pyramide 1

Zu den Maya-Ruinen von Tikal gibt es wohl kaum noch eine Steigerung, da verblasst selbst Palenque ein bisschen. Auch hier ist nur ein kleiner Teil bereits ausgegraben, man nimmt an, dass rund 50.000 (!) Bauwerke noch unter dem Regenwald rund um den großen Jaguartempel liegen. Begräbnisse, Machtwechsel und Repräsentationswut waren wohl die Baumotive, um ständig neue Symbole zu Ehren der Götter zu schaffen – so wuchsen die Pyramiden mit den Jahrhunderten förmlich gen Himmel. Wie Palenque wurde auch Tikal im 9. Jahrhundert plötzlich verlassen – die Gründe sind bis heute nicht geklärt. Fachleute vermuten, dass die rechtlose Bauernkaste, durch Frondienste und andere Repressalien aufgebracht, gegen die Tempelherrscher putschte und schließlich deren Zentrum zerstörte.

Nur die Pyramiden 1 und 2 sind ganz freigelegt, auf Nummer 3 und 4 noch die Tempel oben auf der Spitze. Wenn man dort oben den Sonnenuntergang erlebt und das fahle Morgenlicht und die Geräusche des Urwalds sich zu einer mystischen Atmosphäre vermischen, wird wohl keiner unbeeindruckt bleiben. Noch mehr als die Ruinen selbst fasziniert uns jedoch die Natur.

Tukan

Es ist einfach ein mit nichts zu vergleichendes Erlebnis, wenn man abends auf der Pyramide 2 sitzt, in Höhe der Baumwipfel, umkreist von bunten Papageien und großschnabligen Tukanen. Klammer- und Brüllaffen schwingen sich durchs Geäst (außerhalb unserer Knipsdistanz, leider), und auf dem Rückweg huscht sogar eine Korallenschlange vor uns über den Pfad, zielstrebig, hochgiftig und sehr selten.

Die Wirtin unserer Lodge legt abends immer Futter für die Tiere aus, Melonenschnitze, Äpfel, Küchenreste undsoweiter. Und dann kommen sie aus dem Wald, rotgelbblaue Aras, fast wie auf den Glasurit-Farbdosen, kleine grüne Papageien, wilde Truthähne, ein grauer Fuchs und sogar Waschbären (die gibt’s wohl mittlerweile wirklich auf der ganzen Welt).

Papageien

Die absoluten Lieblinge sind aber eine junge, ozelotartige Katze (die von Wildhütern in der Lodge zur Aufzucht abgegeben wurde, nachdem Wilderer ihre Mutter erschossen hatten) und Pinocchio, der halbzahme Pizote, ein etwa dachsgroßer Nasenbär. Der stürzt sich eines Abends nach dem Abendessen, als gerade der Kaffee gereicht wird, wie ein Stuka aus dem Dachgebälk in die Zuckerdose, was fast zum kollektiven Herzanfall führt. Daraufhin wird er in einen Sack gestopft und in den Urwald verbannt – aber schon beim Frühstück ist er wieder da; war wohl doch nicht so gemeint.

Eigentlich haben wir jetzt alle interessanten Tierlein des Waldes gesehen außer einem: dem Quetzal. Dieser, sicher einer der schönsten Vögel überhaupt, früher gerne als "Paradiesvogel" bezeichnet, Wappenvogel Guatemalas immerhin, ist heute leider fast ausgestorben. Schon die Mayaherrscher schmückten sich früher mit seinen langen Schwanzfedern, und auch später hatte der Quetzal nichts zu lachen, denn reiche Amis zahlten oft mehrere tausend Dollar für ein lebendes Exemplar, das dann in der Gefangenschaft bald elendiglich zugrunde ging. Nur auf den guatemaltekischen Geldscheinen ist der Quetzal heute noch zu sehen und auf Kaffeebechern, Schlüsselanhängern, T-Shirts und anderen wohlfeilen Touri-Artikeln.

Quetzal

Auch uns hat es der Quetzal angetan – wir kaufen deshalb beim Stopover in Guatemala City, der ansonsten nicht weiter erwähnenswerten Hauptstadt, in einem kleinen Laden im Marktviertel ein wunderschönes Quetzal-Handtuch. Bei der Frage nach dem Preis merkt der Ladeninhaber gleich an unserem spanischen Akzent, dass wir Deutsche sind – er selbst ist nämlich auch Deutscher mit Namen Hartleben, aus Kiel und im Land schon seit Ende der 70er-Jahre. Natürlich muss man sich dann auch ein bisschen unterhalten, es interessiert einen doch, wie man als Deutscher lebt, so in den Tropen und vor allem in einem Land, das ja lange genug unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen und korrupten Regimes zu leiden hatte. Wie es ihm wohl Ende der 80er-Jahre hier ergangen ist? "Haha", lacht Señor Hartleben, "aber das sind doch für einen Kaufmann die besten Jahre! Ich habe damals etlichen Guatemalteken, die kalte Füße bekamen und die Flucht ergriffen, ihre Grundstücke für ‘nen Appel und ein Ei abgekauft". Seither ist der Mann finanziell saniert. So eine Schweinebacke! Aber leider ist das eine Einstellung, der man in Lateinamerika bei Auslandseuropäern oft begegnet – hin und wieder könnte man hier schon Bombenleger-Phantasien entwickeln.

Jetzt wird es aber Zeit, dass wir die nächste Rad-Etappe angehen! Solche Auto-Flug- Eilrundreisen sind nicht unsere Welt, obwohl wir zugegebenermaßen viel gesehen haben. Aber ein versöhnliches Schlusserlebnis hält der Trip doch noch für uns bereit: auf dem Rückflug nach México City, schon beim Anflug auf Mex. Int’l. Airport, heute bei erfreulich wenig Smog, taucht auf einmal am Kabinenfenster wie eine überirdische Erscheinung der Popocatépetl aus den Wolken auf. Unglaublich beeindruckend ist der plötzliche Blick von oben auf die verschneiten Flanken und in den Krater, als wolle der Berg sich dafür entschuldigen, dass wir letzthin nicht hinaufkonnten. Adios, Don Gregorio und México, Land unserer bislang höchsten Sympathiewerte! Ob das noch zu toppen ist? Da sind wir mal gespannt!

Popocatépetl und Itzaccihuatl

 

zurück        Übersicht        weiter

Das Buch zur Reise: hier klicken