Maria Hahnenkamp: Die Frau und ihre Rolle

Von den Medien produzierte Frauen- und Rollenbilder stehen im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Maria Hahnenkamp.

Ein Berg Modezeitschriften, eine Unzahl ausgeschnittener Seiten aus Hochglanzmagazinen und Coffee Table Books und als Gegenpol eine große Rolle weißes Papier: Bilderflut und Leere, das sind die beiden Ingredienzien, die die Künstlerin Maria Hahnenkamp ihrem Konzept für die Inszenierung von Mode der Luxusmarke Louis Vuitton zugrunde gelegt hat. Gleichsam zitathaft tauchen in dieser Bilderflut immer wieder Fotos vergangener Kampagnen auf. Dicht über den Boden verteilt, bilden aufgeschlagene Magazine und Zeitschriftenausrisse die Kulisse, vor oder genauer gesagt auf der ein Model einen intensiven Arbeitstag lang in unterschiedlichen Kleidern posieren wird. Ihr fast kindlicher Gesichtsausdruck steht in geheimnisvollem Kontrast zu ihren schier endlos langen Beinen. Die Posen, in die Maria Hahnenkamp das Model gebracht hat, haben wenig mit den vertrauten klassischen Präsentationsformen und Inszenierungen von Mode zu tun. Das übliche Lächeln, der aufreizende Blick, die verführerische Körperhaltung und was das Vokabular der Mode- und Werbefotografie in puncto Fotos sonst noch vorsieht, werden außer Acht gelassen. Stattdessen wirkt das Mädchen bald hingestreckt, ja geradezu erschlagen. Bald schraubt es sich wiederum zu unvermuteter Aktivität.



Mediale Frauenbilder. „Mein Thema hier, wie auch in meiner künstlerischen Arbeit, ist die Bilderflut und die mediale Vereinnahmung der Frau“, sagt Maria Hahnenkamp. „Durch die Medien wird ein Frauenbild kreiert, nach dem die Frau alles zu sein hat – die Mutter, die Hure und die Madonna zugleich, eine Art Über-drüber-Frau. Dieses Bild ist immer noch total fixiert, trotz vieler Veränderungen im letzten Jahrzehnt. Nun hat es sogar die Männer erfasst. Wir müssen uns an den Zeitschriften und den von ihnen produzierten und kolportierten Rollenbildern orientieren und uns an den medialen Vorbildern 16-jähriger Models messen. Diese Bilder, die uns tagtäglich umgeben, sind ein medialer Spiegel, der natürlich nicht uns dient, sondern nur dazu, die Lust am Konsum anzukurbeln. Die eigentliche Botschaft, die hinter all den Bildern, die von Mode, Werbung und Medien verbreitet werden, steht, ist schlicht und einfach: kaufen, kaufen, kaufen, damit man diesem Ideal näherkommt. Aber das Scheitern ist hiermit schon programmiert.“

Indem Hahnenkamp in ihrer künstlerischen Arbeit dieses starre Frauenbild nicht nur thematisiert, sondern vor allem mit den Mitteln der Fotografie freizulegen versucht, kontert sie die Mechanismen und Methoden der medialen Bilderflut gewissermaßen mit Waffengleichheit. Die Form ist scheinbar die gleiche. Auch die Codes scheinen dieselben zu sein. Die Inhalte sind jedoch gegenläufig und brechen mit Erwartungen.
So lässt sie dem Model des Shootings einmal die dichten langen Haare wie ein Band über das Gesicht fallen. Ein anderes Mal lässt sie die junge Frau ihr Gesicht mit einer Zeitschriftenseite verdecken, das ihrerseits eines dieser typischen Mediengesichter ziert. Dieses Ausblenden des Gesichtes als eigentliches Zentrum des Ausdrucks, das Maria Hahnenkamp einzig für ihre Porträtserie mit der Burg-Schauspielerin Regina Fritsch aufgegeben hat, ist typisch für ihre Methode. So als würden die Modelle sagen: „Nein, ich halte mein Gesicht nicht in die Kamera, ich verweigere euch die mediale Spiegelung, Schluss jetzt damit!“

Subtiler Feminismus. Die gesellschaftliche Rolle der Frau rückt schließlich als Problem ins Bild, wenn das Profi-Model durch eine riesige als Utensil herbeigeholte Papierrolle robbt und am Ende der Aktion ihren – in ebenso elegante wie schmale Kleider gehüllten – Körper befreit hat. Jetzt ist die „Rolle“ endgültig durchbrochen, die Maske abgefallen. Hier wird Maria Hahnenkamps subtiler Feminismus, der sich wie ein roter Faden durch ihr Werk zieht, am deutlichsten spürbar und die Rebellion gegen aufoktroyierte Rollenmuster in der aktiven Geste des Models sichtbar. „Die Fotostrecke für Louis Vuitton“, sagt Maria Hahnenkamp, „ist eine subtile Arbeit, die sich in die Welt der Magazine hineinschmuggelt. Es ist eine Arbeit, die nicht laut aufbegehrt, sondern die mediale Wirklichkeit subtil und subversiv zu unterlaufen versucht“.  

TIPP

„Hohe Dosis“, Ausstellung in der Galerie Fotohof, Salzburg & Atterseehalle, St. Georgen/Attersee. 19. 7.–7. 9. www.fotohof.at

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