Aide moi, o media! Über die FPÖ, Andreas Babler und Propaganda als Kritik.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1136

Armin Thurnher
am 18.11.2023

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T-Shirt, Design Ecke Bonk, 1993 Foto @ Armin Thurnher

Als es noch keine Anagramm-Generatoren im Netz gab, waren Anagramme (aus gleichen Buchstaben gebildete andere Wörter oder Sätze) stolzes Privileg schrulliger Leute, die sich damit herumspielten. Das Aide-moi ist von Ecke Bonk, Typograf und legendärer Falter-Designer der frühen Jahre (ich fand tatsächlich noch ein T-Shirt mit diesem Aufdruck). Neda Bei, die kluge Juristin, brachte ein ganzes Buch heraus mit dem Titel „Ich nagte gerade am M. Anagrammgedichte“. Aber keine Angst, es geht hier nicht um Anagramme, sondern bloß um Medien. Dazu drei kurze, unzusammenhängende Notizen.


1. Deutsche Watsche für Rechtsextreme

 Die Propagandaoffensive der FPÖ gegen den ORF lässt keine Sekunde nach und macht umso mehr Kopfzerbrechen, als man weiß, dass das Kabinett Kurz-Strache mit dem ORF kurzen Prozess zu machen gedachte. Diese Woche erlitten die sogenannten Freiheitlichen (ein Wunderwort; der Philosoph Rudolf Burger pflegte dazu zu bemerken,  „freiheitlich“ sei eine ähnlich unmögliche Ableitung von Freiheit wie „schönheitlich“ von Schönheit. Das war allerdings noch eine Zeit, als ihr per kosmetischer Operation eckzahnbegradigter Führer Jörg tatsächlich den Schönheitsanspruch stellte; das wenigstens kann man Herbert Kickl nicht vorwerfen), diese Woche also erlitten die Freiheitlichen ein bisschen eine Schlappe. Dem ihnen nahestehenden rechtsextremen TV-Sender AUF1 (Chefredakteur ist der rechtsextreme Stefan Magnet) wurde in Deutschland nämlich die Lizenz entzogen.

Allerdings nicht mit inhaltlicher Begründung, wie eilfertig geifernd FPÖ-Sekretär Christian Hafenecker gleich unterstellte: „Das Sendeverbot für den kritischen TV-Sender AUF1 in Deutschland ist ein Anschlag auf die Medien-, Meinungs- sowie Informationsfreiheit und damit ein Skandal.“

Schnecken. Die Recken hatten einfach gegen das Gesetz verstoßen, gegen den in Deutschland so genannten Medienstaatsvertrag. Nicht aus zensorischen Gründen, etwa gegen das Wiederbetätigungsgesetz verlor AUF1 die Lizenz, sondern weil Deutschland einem Sender (in diesem Fall dem kleinen Sender Schwarz Rot Gold) nicht erlaubt, die ihm erteilte Sendelizenz anderen zu überlassen und so den Lizensierungsvorgang auszuhebeln. Die ARD-Website tagesschau investigativ berichtet:

»Denn zumindest diesen Verbreitungsweg hat die Landesmedienanstalt in Baden-Württemberg - die LfK - aufgrund der Beurteilung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) mit sofortiger Wirkung verboten.

Grund seien nicht die verbreiteten Inhalte, sondern Verstöße gegen deutsche Gesetze, die die Medienfreiheit schützen sollen. Demnach habe die schwarz rot gold tv GmbH, die die Lizenz für den Satellitenkanal "SRGT" besitzt, ein Geschäft mit der Media in res Medien GmbH abgeschlossen: Sechs Stunden tägliche Sendezeit für "AUF1" auf dem "SRGT"-Kanal gegen eine öffentlich nicht bekannte Summe.

Doch dieses Geschäft verstößt laut der ZAK gegen den Medienstaatsvertrag. Es handle sich um eine verbotene "Themenplatzierung" durch Dritte, denn "SRGT" habe keine redaktionelle Kontrolle über die von "AUF1" ausgestrahlten Inhalte.«


2. Andreas Babler und die Medienkritik

Ich wollte ihm nicht noch einmal eine ganze Seuchenkolumne widmen, aber ein Nachtrag zum Umgang mit Kritikern in den Medien scheint mir angebracht, weil die Sache immer weiter schwelt. Gewiss doch, auch wenn er es danach abschwächte, der SPÖ-Chef kritisierte auf dem Parteitag seine medialen Kritiker. Zu Recht. Warum sollte er nicht? Offener Widerspruch zu medial vorgebrachter Kritik bedeutet keinesfalls Zensur und ist nicht mit den Versuchen der Herren Kickl und Kurz gleichzustellen, die Informationen ungleichgewichtig zu verteilen. Und schon gar nicht mit den Drohungen des Freiheitls Haimbuchner, Journos das Benehmen lehren zu wollen. Das ist die offene Drohung, Medien zu maßregeln; Babler hingegen hat ihnen offen widersprochen. Dass er das im Nachhinein abschwächte und sagte, er habe nichts gegen Medien, war überflüssig. Nur wer für Kritik ist, ist für Medien (das schließt Kritik an ihnen ein). Nur wer ihre Kritik unterdrücken möchte, ist gegen Medien.


3. Propaganda als Kritik

Ich muss es einmal sagen, weil es mir heute wieder einfiel. Die Unsitte, in den Sozialen Medien anklagend Dinge zu kritisieren und gleichzeitig den Link zu ihnen auszustellen, sollte dringend überdacht werden. Sie stammt aus den Zeiten, als Attention-Grabbing, das ich ja auch betreibe (ungern, aber doch), als Verbreiterung der Demokratie galt. Jedenfalls sichert es Reichweite dessen ab, der einen attraktiven Link anbietet. Die offizielle Begründung lautet naturgemäß: man wolle jedem ermöglichen, sich selbst ein Bild zu machen. Transparenz über alles!

Aber man sollte nicht eine Scheußlichkeit ausstellen, verlinken und zugleich beklagen, dass diese Scheußlichkeit „viral geht“. Ich denke, man kann solche Scheußlichkeiten erwähnen, beschreiben, verdammen, aber man sollte sie nicht verlinken. Wer sie finden will, wird sie ohnehin finden.

Ich weiß, in diesem Fall ist es nur die Washington Post, die Armin Wolf verlinkt. Aber ich erinnere mich an Fälle von Exxpress-Zitaten, wo der Kritikwert niedrig und der Propagandawert (für den gescholtenen Exxpress) umso höher war. Und ich spreche ja zu mir selbst so gut wie zu allen anderen, die es eh schon viel länger wissen als ich.

Mich erinnert das aufgeregte Verlinken zu Dingen, die man verabscheut, an die Zeit, als fast alle Medien sich einander darin überboten, Dinge wie „Follow us on Facebook“ unter alles und jedes zu posten. Wenig später waren sie ihre Werbung los. Sie glichen Wanderern im finsteren Tann, die möglichst alles tun, um jene Wölfe anzulocken, die sie für ihre Schlittenhunde halten, und sich dann wundern, wenn sie von ihnen gefressen werden.


P.S.: Nur Geduld, das Warten auf mehr zu Goldberg-Variationen, Striezel-Herstellung und interessanten Büchern wird noch belohnt!


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, wenn Sie Symptome haben, versuchen sie Kontakte mit anderen zu vermeiden. Und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher 

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