Documenta-Empfehlung :
Ecke Bonk zeigt deutsche Worte: 100 Tage, im 28 Sekundentakt

Von Vera Hildenbrandt
Lesezeit: 2 Min.
Ecke Bonk, „Buch der Wörter”
Ecke Bonk beschäftigt sich mit Zeichensystemen. Für die Documenta11 hat er sich die deutsche Sprache vorgenommen.

Ein "wörterbuch zum hausbedarf" sollte es werden, in dem "mit verlangen, oft mit andacht gelesen werden" kann. Ecke Bonks für die Documenta11 realisiertes Projekt kommt diesem Wunsch Jacob und Wilhelm Grimms nahe. Der deutsche Künstler beschäftigt sich seit langem mit der ungeheuren Fülle von Zeichensystemen und ihrer Fähigkeit dem Menschen die Welt zu strukturieren und zu deuten.

Für das umfassendste Wörterbuch der deutschen Sprache, dem 1838 begonnenen Grimmschen Wörterbuch, hat er ein Format gefunden, das zugleich der mehr als 100-jährigen Bearbeitungstradition und dem (Wort)Reichtum dieses voluminösen Werkes Rechnung trägt: Alle 427 Lieferungen des Deutschen Wörterbuches, die 380 Lieferungen des DWB und die bisher erschienenen 47 der Neubearbeitung, werden in chronologischer Reihenfolge auf der Dokumenta 11 ausgestellt. Sie führen dem Betrachter die lange - und noch keineswegs abgeschlossene - Geschichte dieses "schatzhauses deutscher sprache" vor Augen.

Bangeln, Schiefeln, Zauschen

Der immense Umfang des Werkes wird verdeutlicht durch die auf eine Wand projizierte, endlos erscheinende Liste aller Stichwörter. Vom ersten bis zum letzten Tag der Kunstausstellung wird in diesem digitalen Rollbild jedes der annähernd 300.000 Lemmata von A bis Zypressenzweig in alphabetischer Abfolge genau einmal für 28 Sekunden angezeigt.

Im Nebenraum wird das Wörterbuch selbst in einem Random-Reading-Prozeß visualisiert: Per Zufallsmechanismus werden jeweils drei Wörterbuchartikel aus dem gesamten Datenbestand ausgewählt und in einer der Typographie des gedruckten Wörterbuchs ähnlichen Projektionsform auf drei Wänden gezeigt, wobei während der 100 Tage der Documenta11 jeder Artikel nur einmal erscheint. Zwei im Raum aufgestellte Bänke bieten den Besuchern die Möglichkeit, in Ruhe in den Wörterbuchartikeln zu lesen, sich von Wortschöpfungen wie zum Beispiel BANGELN, SCHIEFELN oder ZAUSCHEN überraschen zu lassen und einen Einblick in die Differenziertheit und Vielfalt des im DWB aufgenommenen Wortschatzes zu gewinnen.

Der von Ecke Bonk installierte Random-Reading-Prozeß im Grimmschen Wörterbuch nähert sich so dem von seinem Begründer Jacob Grimm erstrebten Stöbern in der deutschen Sprache sehr stark an. Die für die Realisierung dieses Projekts benötigte Software und die digitalen Wörterbuchdaten wurden Ecke Bonk vom Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften und dem DFG-Projekt "Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm auf CD-ROM und im Internet", beide angesiedelt an der Universität Trier, zur Verfügung gestellt.