Karriere im Fleischerhandwerk: Authentisches ...
Karriere im Fleischerhandwerk

Authentisches Energiebündel

Andrea Möller, asm
Energiegeladen: Nächstes Jahr will sich Gabriele Hamm zur Ernährungsberaterin weiterbilden.
Energiegeladen: Nächstes Jahr will sich Gabriele Hamm zur Ernährungsberaterin weiterbilden.

GRIESHEIM Gabriele Hamm aus dem hessischen Griesheim ist eine Powerfrau: Sie steht hinter der Theke, erstellt Personalpläne, kümmert sich um Organisation, Bestellungen, Thekenpräsentation und Catering.

von Andrea Möller

Der Name „Hamm“ steht für eine mehr als 100-jährige Tradition im Fleischerhandwerk. In Gabriele Hamm hat das Familienunternehmen mit Zentrale in Griesheim im Landkreis Darmstadt-Dieburg eine energiegeladene Geschäftsführerin, die viele Aufgaben unter einen Hut bringt – und dabei noch Zeit findet, in den Läden mit anzupacken. 

„Ach, Sie sind die Chefin und stehen trotzdem hinter der Theke?“ Diese Frage hat Gabriele Hamm vom gleichnamigen Metzgerei-, Feinkost- und Catering-Unternehmen in Griesheim schon häufiger gehört. Die Hände in den Schoß zu legen, ging ihr bereits früher gegen den Strich. Daran hat sich auch nichts geändert, als sie und Ehemann Thiemo die Geschäftsführung des 1899 gegründeten Familienbetriebs übernahmen.

Harte Schule beim Plattenlegen

Die ersten Schritte in ihrer beruflichen Laufbahn machte sie bei Rist, einer Metzgerei im beschaulichen Ettenheim, ihrem Heimatort am Rand des Schwarzwalds. Während der Ausbildung zur Fleischerei-Fachverkäuferin lernte sie viel über Catering. Darin hatte Lehrmeisterin Lisa Rist schon etliche Preise errungen. „Ihr Betrieb gehörte sogar zu der Mannschaft, die am Anuga-World Cup teilnehmen durfte“, erzählt Hamm. Dafür hatte Rist sich als Europameisterin im Catering automatisch qualifiziert. In ihrer Auszubildenden fand sie eine engagierte Helferin.

Hamm: „Wir haben die kalten Platten in der Metzgerei gemacht, teilweise die Nächte durchgeschafft, und sind dann zu den jeweiligen Wettbewerben gefahren.“ Hamm verbuchte ebenfalls mehrere Medaillen in Gold, Silber und Bronze für sich. Natürlich nicht auf Anhieb: Sie musste üben, üben, üben. Zumal sie Rist als strenge Lehrmeisterin beschreibt, die ihr „drei Jahre lang alles wieder von den Platten herunterriss“. Das sei manchmal sehr frustrierend gewesen, habe ihr aber dabei geholfen, sich weiterzuentwickeln.

Nach neun Jahren im selben Geschäft wollte Hamm ihre Fähigkeiten vertiefen. Deshalb legte sie in Stuttgart die Prüfung zur Verkaufsleiterin ab. Von dort aus ging es weiter Richtung Nürnberg zum sogenannten Spezi. Hinter diesem Spitznamen verbirgt sich der Metzgermeister und Betriebscoach Hans Küffner. „Die Zeit bei ihm ist wie eine weitere Ausbildung gewesen“, sagt Hamm. „Ich eignete mir dort detailliertes Fachwissen beispielsweise über Organisation und Vorbereitung an.“ Außerdem arbeitete sie bei den Seminaren mit, die zum Angebot der Spezi-Metzgerei zählen. Dabei lief ihr Thiemo Hamm zum ersten Mal über den Weg. Doch die Beziehung zu einem Mann sei damals undenkbar für sie gewesen. Sie habe ja nur gearbeitet.

Die Abkehr von der dörflichen Idylle

Es folgte ein Zwischenstopp in Hannover, wo sie eine Metzgerei mit eröffnete, bevor sie in heimische Breiten zurückkehrte. Allerdings fühlte sich die heute 51-Jährige im idyllischen Schwarzwald, in dem die Uhren etwas langsamer ticken, nicht mehr zu Hause. „Mit war entgangen, wie sehr ich mich verändert hatte. Das Dörfliche lag mir einfach nicht mehr.“ Plötzlich habe Thiemo Hamm im Laden gestanden und gesagt, dass er sie in sein Geschäft nach Darmstadt holen wolle. Er müsse für vier Wochen in die USA und bräuchte in dieser Zeit eine kompetente Hand im neuen Laden. „Also habe ich für einen Monat zugesagt. Das ist jetzt 24 Jahre her.“
Gabriele Hamm
Andrea Möller, asm
Gabriele Hamm
Aus der beruflichen entwickelte sich eine private Beziehung, und 1996 gaben sich die beiden das Jawort. Bald darauf kam mit Matthias der erste und drei Jahre später mit Steffen der zweite Sohn zur Welt. Der ältere studiert BWL und erweitert das Familienunternehmen derzeit um einen Onlineshop. „Steffen hingegen absolviert eine Kochlehre im Mövenpick Hotel Frankfurt City und möchte später in unsere Produktion einsteigen.“

Bis die nächste Generation das Ruder übernimmt, dürfte aber noch einige Zeit vergehen, in der die Fachfrau alle Hände voll zu tun hat. Schließlich fallen außer dem Geschäft in Darmstadt noch der Laden im Loop 5 Shopping-Center und das Stammhaus in Weiterstadt in ihren Aufgabenbereich. Von der Zentrale mit Verwaltung in Griesheim ganz zu schweigen. Die Chefin arbeitet hinter der Theke, erstellt die Personalpläne, hat für alle Angestellten ein offenes Ohr, kümmert sich um Organisation, Bestellung und Thekenpräsentation. Messe-Catering in verschiedenen deutschen Städten gehört gleichfalls zu ihren Tätigkeiten. „Das ist für mich wie eine Auszeit vom Alltag, obwohl es sich nicht gerade als Zuckerschlecken beschreiben lässt.“ Denn Küchen- und Serviceteam müssen von morgens bis abends reibungslos funktionieren.

Originelle Kampagne für die Nachwuchswerbung

Eine gute Betreuung spielt in den eigenen Geschäften von Hamm und ihrem Mann ebenfalls eine wichtige Rolle. Wer sie fragt, was die Kunden besonders an ihr schätzen, erhält folgende Antwort: „Ich glaube, meine Authentizität und die Fachkompetenz. Darauf achte ich auch bei unserem Personal.“ Ausgebildete Verkäufer seien so leicht allerdings nicht zu bekommen. Das gilt erst recht für den Nachwuchs. Deshalb haben sich die Hamms eine originelle Kampagne einfallen lassen. „Wer will schon Bachelorette werden?“, lautet ihr Slogan. Und dann: „Bewirb‘ Dich bei uns: keine 22 Konkurrentinnen, dafür jeden Tag im Rampenlicht, von allen geliebt – nicht nur von einem!“

Neben den bereits beschriebenen Aufgaben findet Gabriele Hamm noch Zeit, das Weiterstädter Spargel- und Grillfestival mit zu organisieren, das ihr Mann und Peter Lipp gemeinsam initiiert haben. Es dauert jeweils vom 19. April bis 24. Juni. Die Besucher erwartet sowohl ein beheiztes Festzelt als auch ein geräumiger Biergarten. Hinzu kommen ein kostenloser Kinderspielplatz und viele leckere Gerichte. „An schönen Sonntagen gehen schon mal 2.500 Essen über die Theken“, berichtet Hamm. Energiegeladen wie sie ist, möchte sie im nächsten Jahr eine Zusatzausbildung als Ernährungsberaterin machen. „Mittlerweile gibt es immer mehr Kunden mit Allergien. Weil wir ohnehin schon gluten- und laktosefrei produzieren, sind wir bereits auf einem guten Weg.

Doch die Fragen zu diesen und ähnlichen Themen reißen nicht ab.“ Obendrein denkt sie darüber nach, im Griesheimer Fachgeschäft eine Reihe von Seminaren zu veranstalten. Nach dem Umbau im kommenden Herbst dürfte genug Platz dafür sein. „Wir wollen den Laden zum Parkplatz und zur Straße hin vergrößern. Dadurch gewinnen wir 60 zusätzliche Plätze. Aktuell sind es 35.“ Um die Batterien nach so viel Arbeit wieder aufzuladen, geht sie täglich mit ihren Hunden spazieren. Außerdem sind sie und ihr Mann passionierte Karnevalisten. Ab und an gönnt sie sich auch einige Stunden in der Sauna. Dort kann selbst Gabriele Hamm eine Zeitlang ihre Hände in den Schoß legen.

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