Sex-Kolumne

Sollte man einen Seitensprung beichten? Expertin gibt Antworten

Unsere Sex-Expertin Mimi Erhardt zeigt Ihnen Ihre Möglichkeiten auf, wenn Ihnen ein (oder mehrere) Ausrutscher passiert sind. 
Mann und Frau im Bett während Mann geheimnisvoll auf sein Smartphone schaut.
Sollte man einen Seitensprung beichten?Getty Images

“Soll man einen Seitensprung beichten?”

Diese Frage stellte mir neulich ein Follower auf Instagram. Er hatte seine Freundin betrogen. Betrunken. Nach einer Party. Mit seiner Ex. Aua. “Und jetzt?”, fragte er mich, als hätte ich die Fremdgeh-Weisheit mit Löffeln gefressen. “Soll ich es ihr sagen? Aber was, wenn sie dann Schluss macht?”

“Wäre das so schlimm?”, wollte ich wissen. “Ja natürlich, und wie”, antwortete der Leser. “Ich will sie doch nicht verlieren, ich liebe die Frau.”

“Dann wäre es in der Tat unschön”, schrieb ich und fügte hinzu: “Ich kann Ihnen leider keinen allgemeingültigen Rat geben. Nachher läuft’s schief, und Sie geben mir die Schuld.” Ich versprach ihm jedoch, mir Gedanken zu machen und diese dann mit ihm zu teilen. Und mit Ihnen.

Also – soll man oder soll man nicht? Beichten, meine ich, nicht fremdgehen. Fremdgehen in einer monogamen Beziehung ist ein Deal Breaker und sollte in einer idealen Welt nicht passieren. In einer solchen Welt leben wir aber nun mal nicht, insofern ist ein Seitensprung sicherlich blöde, aber menschlich. Und: Er ist emotional, geschieht häufig aus dem Affekt heraus, und dagegen lässt sich, so meine persönliche Erfahrung, selten etwas machen. (Auch interessant: Emotionaler Betrug ist schlimmer als Sex)

Eine Beichte jedoch ist etwas, das immer gut durchdacht sein sollte. Sonst machen Sie mehr kaputt als es ein verschwiegenes Abenteuer je könnte.

Sie sollten sich daher vorab diese Frage stellen: Wie genau sah der Liebesbetrug aus?

Möglichkeit 1: Der einmalige Party-Bums

Überlegen Sie: Waren Alkohol oder Drogen im Spiel und Ihre Sinne dementsprechend vernebelt? Geschah es aus spontanem Übermut? Weil der Vibe stimmte, Atmosphäre, Musik, Leute etwas mit Ihnen machten, gegen das Sie sich nicht wehren konnten und wollten? War es ein einmaliger Ausrutscher, der Sie mit Katerstimmung und schlechtem Gewissen zurückließ? Wurde Ihnen im Anschluss bewusst, wie sehr Sie Ihren Partner eigentlich lieben, und dass die ganze Aktion absoluter Bullshit war?

Haben Sie all das (oder einen Großteil davon) mit Ja beantwortet, sagen Sie um Himmels Willen nichts. Verschweigen Sie, was passiert ist. Warum? Weil es nichts bedeutet hat. Riskieren Sie dafür nicht eine intakte Beziehung. Denn tatsächlich können Seitensprünge auch dann passieren, wenn mit unserem Lieblingsmenschen eigentlich alles fein ist. Wie ich bereits sagte: Es ist menschlich. (Lesen Sie auch: 5 Mythen über das Fremdgehen - und was dahintersteckt)

Eine Freundin aus Studienzeiten sagte mal sinngemäß zu mir: “Sollte mich mein Freund je betrügen und handelt es sich dabei um eine einmalige Sache ohne Bedeutung, soll er sich hüten, mir meine schöne Beziehung kaputt zu machen. Denn wüsste ich es, müsste ich ihn verlassen. Ich könnte nicht bleiben mit dem Wissen, dass er mich hintergangen hat. Seine Strafe wäre das schlechte Gewissen. Damit dürfte er sich ganz allein herumschlagen.”

Sie sagte damit etwas sehr Kluges. Einen Seitensprung beichtet man nicht unbedingt, weil man es (auf einmal) mit der Wahrheit so genau nimmt. In vielen Fällen gestehen wir den Betrug, um unser Gewissen zu erleichtern. Weil wir uns vom anderen Absolution wünschen. Ziemlich egoistisch, sollte das der Beweggrund sein. Insofern hatte meine Kommilitonin Recht: Wer fremdgeht, darf das drückende Gewicht der Schuld gerne noch eine Weile auf seinen Schultern tragen, auch, wenn’s drückt. Denn offenbart man den Betrug, riskiert man nicht nur seine Beziehung, sondern nimmt auch in Kauf, dass sich der Partner mit Selbstzweifeln und Ängsten herumschlagen muss, die es vorher nicht gab. Ersparen Sie ihm das. (Ebenfalls lesenswert: Studie offenbart: Menschen mit diesen Eigenschaften werden am häufigsten vom Partner betrogen)

Möglichkeit 2: Die Sache mit der Versuchung

Schauen wir uns den Menschen an, mit dem Sie Ihren Partner betrogen haben: Haben Sie schon länger ein Auge auf ihn geworfen? Handelt es sich um die neue Kollegin, auf deren Anblick Sie sich schon am Abend zuvor freuen? Ist es jemand, den Sie auf Instagram angeschrieben haben? Oder doch eine alte Liebe, die Ihnen plötzlich im Supermarkt gegenüberstand? Gingen dem Seitensprung Fantasien voraus? Haben Sie das Treffen, bei dem eins zum anderen kam, vielleicht sogar geplant?

Puh. Schwierig. Ist abzusehen, dass es sich um eine kurze Phase romantischer oder sexueller Verirrung handelt und bleibt es bei einem Mal, würde ich unter Umständen ein Verschweigen unterstützen. Allerdings nur dann, wenn Sie die Reue plagt und Sie realisieren, dass Sie Ihren Partner nicht verlieren möchten. Dann schlucken Sie die Schwärmerei herunter und geben sich, verdammt nochmal, extra viel Mühe um den Betrogenen. Natürlich nur so viel, dass es diesem nicht auffällt. Haben Sie sonst nicht mal den kleinen Finger gerührt, um sich um den anderen zu bemühen und fahren auf einmal groß auf mit Candle Light Dinner, Rosen in der Dose und Liebesschwüren, wird Ihr Partner stutzig werden. (Außerdem: Woran erkenne ich, dass mein Partner mich betrügt?)

Geht Ihnen Ihr Seitensprung nicht aus dem Kopf und/oder können Sie die Frage, ob Sie überhaupt noch mit Ihrem bisherigen Partner zusammen sein wollen, nicht eindeutig mit Ja beantworten, sollten Sie gestehen. In diesem Fall bringt Verheimlichen gar nichts mehr. Machen Sie reinen Tisch und sehen Sie, wohin das führt.

Möglichkeit 3: Die Affäre

Wer es schafft, seinen Partner über einen längeren Zeitraum mit einem anderen Menschen zu hintergehen und dafür Lügen, aufwendige Planungen und dieses beißende Schuldgefühl in Kauf nimmt, weiß genau, was die Stunde geschlagen hat: Beichten, aber pronto. Eine Affäre ist immer ein Zeichen dafür, dass in der alten Partnerschaft etwas grundlegend schiefläuft. Oder fehlt. Und dass sie höchstwahrscheinlich am Ende ist.

Wissen Sie, ich glaube, dass starke Verbindungen einen einmaligen Seitensprung aushalten. Eine Affäre aber ist wesentlich intimer als Einmal-und-nie-wieder-Sex im Duselkopf. Und: Sie erfordert eine gewisse Kaltblütigkeit mindestens dem bisherigen Partner gegenüber. Wenn Sie an dem Punkt angelangt sind, dass Sie Ihrem Liebsten ins Gesicht lügen, ohne dass es Sie rührt, ist die Sache ohnehin durch. Was wollen Sie an dieser Stelle noch retten? Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem Argument, man habe Kinder, die man nicht missen will und würde gern ihretwegen das Techtelmechtel verheimlichen. Offensichtlich waren Ihre Kids nicht Ihre oberste Priorität, als Sie Ihr Liebesschwert mehrfach außerhäusig versenkten. Jetzt im Nachhinein den Schwanz einziehen, damit die betrogene Mami nicht mitsamt Sack, Pack und Nachwuchs das Weite sucht? Sorry, aber dafür habe ich kein Verständnis. (Auch interessant: Eifersucht hin oder her: Dieses Verhalten ist unverzeihlich)

Gestehen Sie. Und setzen sich dann mit den Konsequenzen auseinander. Alles andere ist unfair, allen Beteiligten gegenüber.

Ein Wort zur Güte: Das alles sind meine persönlichen Ansichten. Gedanken, die Ihnen im besten Fall eine Hilfestellung sein können. Aber selbstverständlich müssen Sie selbst entscheiden, wie Sie vorgehen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg. Und noch mehr Glück.

Mimi Erhardt ist Sex-Kolumnistin für GQ.de und Autorin des Buches “Erlebnispornographie” (das Sie hier bestellen können). Hier erfahren Sie mehr über die Autorin.

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