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Abstrakter Maler Rudolf Bauer: Vergöttert, verraten, vergessen

Foto: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Staatsbibliothek zu Berlin

Vergessener Künstler Rudolf Bauer Der Meister, der nicht malen wollte

Sein Atelier galt als Vorbild für das Guggenheim Museum, seine Bilder hingen im Schlafzimmer eines der reichsten Männer der Welt: 1939 war Rudolf Bauer im Begriff, mit seiner Kunst New York zu erobern - dann trat er in den Malstreik.

Erst, als er die grüne Fackel der Freiheitsstatue sah, fühlte sich Rudolf Bauer sicher vor den Nazis. Vier Monate lang hatte der deutsche Künstler im Gefängnis verbracht, weil er als Judensympathisant galt. Zuvor hatten die Nationalsozialisten seine abstrakten Werke als "Entartete Kunst" gebrandmarkt. "Degeneriert", "undeutsch", so hatte man Bauers Arbeit bezeichnet.

Nun, an diesem Septembertag 1939, lag der NS-Terror im wahrsten Sinne des Wortes hinter ihm. Und vor ihm erstreckte sich die neue Kulturmetropole New York. Journalisten warteten am Pier, um über die Ankunft des "Meisters der gegenstandlosen Kunst" zu schreiben. Kupfermagnat Solomon Guggenheim empfing ihn mit allen Ehren. Der reiche Kunstmäzen hatte gerade sein erstes Museum eröffnet - mit den Werken des Deutschen als Glanzstücke seiner Sammlung.

Nur drei Monate später sollte die Karriere von Rudolf Bauer bereits wieder beendet sein - zugrunde gegangen an einem Stück Papier, das ihn Guggenheim unterschreiben ließ. So stellte es jedenfalls Bauer dar. Andere meinten, er sei allein an der Sturheit gescheitert, mit der er sich an seinen Gönnern rächen wolle - dem Millionär Guggenheim und einer deutschen Baronin, die Bauer erst groß gemacht und ihn dann in seinen Augen verraten hatte.

Vom Karikaturisten zum "Sturm"-Mitglied

Bauers Interesse an abstrakter Malerei war in Berlin geweckt worden. Hierher war sein Vater mit der Familie kurz nach der Geburt von Georg Alexander Rudolf 1889 gezogen. Im Teenager-Alter verkaufte Rudolf bereits Karikaturen an Zeitungen wie das Satireblatt "Ulk". Als er erklärte, Malerei studieren zu wollen, wollte sein Vater ihm diese Idee ausprügeln. Der 17-Jährige floh und schrieb sich an der Akademie der Schönen Künste ein. Seinen Unterhalt verdiente er durch politische Zeichnungen.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die Zensurbestimmungen in Deutschland strenger, Satirebilder waren unerwünscht. Bauer fand einen Förderer: Der "Sturm"-Galerist Herwarth Walden nahm ihn in den Avantgarde-Kreis auf, dem auch Maler wie Paul Klee oder Wassily Kandinsky angehörten. Dessen Konzept der "gegenstandlosen Kunst" - Bilder, die sich nicht an der Natur orientieren, sondern direkt aus der Imagination entspringen - wurde für Bauer zur Offenbarung. Er begann, Ölgemälde mit bunten Linien und geometrischen Formen zu malen. Kreise, Dreiecke, Quadrate, Ovale. Die Bilder schafften es regelmäßig auf die Titelseite von Waldens Zeitschrift "Der Sturm".

Bei einem Treffen der Künstlergruppe lernte Bauer die Adelige Hilla von Rebay kennen. Die Baronin wollte als Künstlerin in Berlin Fuß fassen. Bauer und Rebay zogen in ein gemeinsames Atelier im Westend. Der arme Maler aber war in den Augen von Rebays Eltern kein ernst zu nehmender Partner. "Er war mein Boy. Aber er war zu arm, um mich zu heiraten", sagte Rebay später.

Ein Tempel für die Kunst

Als die Beziehung zerbrach, reiste die Baronin 1926 in die USA. Dank Empfehlungsschreiben bekam sie den Auftrag, Solomon Guggenheim zu malen. Der Kupfermagnat besuchte Rebay in ihrem Atelier in Manhattan und sah dort zum ersten Mal abstrakte Bilder. Sie überzeugte ihn, in die "Kunst von Morgen" zu investieren. Als Direktorin der Guggenheim Foundation erwarb sie schließlich einen Großteil der Bilder ihres Ex-Liebhaber Rudolf Bauer.

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Guggenheim ließ sein Schlafzimmer ausbauen, damit Bauers Ölgemälde darin Platz hatten. Und er fragte ihn, ob er nicht von Deutschland aus Arbeiten anderer Künstler für ihn sammeln könnte. Das Geld aus den USA ermöglichte Bauer ein neues Leben. Er stellte einen Chauffeur ein, ging auf Reisen. Die Menschen sollten wissen, dass er Kurator für Solomon Guggenheim war.

1930 eröffnete er einen eigenen Salon: "Das Geistreich" war das erste Atelier für rein gegenstandslose Bilder. Bauer nannte es seinen "Tempel", in dem man "in die Welt der puren Kunst" eintauchen könne. Als Guggenheim davon hörte, war er begeistert. 1939 weihte er nach Bauers Vorbild das "Museum of Non-Objective Painting" in New York ein, den Vorläufer des Guggenheim Museums.

Zeichnen im Gefängnis

In Deutschland verschärften sich kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 die Lebensumstände für Vertreter der abstrakten Kunst. Viele flohen ins Ausland, Rudolf Bauer blieb. 1938 wurde er von der Gestapo verhaftet, nachdem seine eigene Schwester verraten hatte, dass er mit "Judengeld" Bilder erwarb. Selbst im Gefängnis fertigte Bauer jeden Tag Zeichnungen an. Die Bleistiftskizzen entwarf er auf der Rückseite von Hitler-Reden, die in gedruckter Form den Häftlingen zur Verfügung gestellt worden waren.

Als Rebay von der Verhaftung erfuhr, reiste sie mit einem prall gefüllten Geldkoffer, den ihr Guggenheim gegeben hatte, nach Berlin. Bauer kam frei, doch es dauerte fast ein Jahr, bis der Maler ein Schiff in Richtung New York bestieg.

In den Staaten erhielt er einen Vertrag von Solomon Guggenheim vorgelegt. Der Firmenchef erklärte sich bereit, eine 25-Zimmer-Villa in New Jersey für den Deutschen zu kaufen, dazu noch einen luxuriösen Duesenberg-Wagen und ein Hausmädchen einzustellen. Im Gegenzug sollten alle Bilder von Bauer in den Besitz der Guggenheim Foundation gelangen - auch alle zukünftigen Arbeiten.

Jahre später würde Bauer erklären, dass er den Vertrag wegen seiner schlechten Englischkenntnisse nicht richtig verstanden hätte. Dass er dennoch unterschrieb, sei dem Zureden von Hilla von Rebay zu verdanken. Egal ob dies stimmt oder nicht: Bauer fühlte sich von seiner Geliebten hintergangen und entschied sich zu einem radikalen Schritt. Bis zu seinem Tod 1953 sollte er kein einziges Werk mehr malen. Guggenheim tobte, hatte er doch vertraglich zehn große Ölgemälde von Bauer erwartet. Doch der Deutsche blieb hart.

Vergessenheit und Wiederentdeckung

An Rebay rächte er sich, indem er die Baronin beim FBI anzeigte. Er erklärte, sie würde als Spionin Lichtsignale von ihrem Haus an feindliche U-Boote senden. Zwar fand man in ihrer Wohnung in Connecticut keine Beweise, aber Rebay musste dennoch für drei Monate ins Gefängnis.

Als das Guggenheim Museum 1959 öffnete, fand sich an den Wänden kein einziger Bauer. Die Familie hatte nach dem Tod von Solomon Guggenheim alle Gemälde des Deutschen in den Keller legen lassen. Kunstkenner waren sich einig, dass diese Entscheidung mit der Entlassung von Hilla von Rebay zusammenhing. Der Baronin wurde eine Liebesbeziehung mit dem Millionär nachgesagt. Deshalb verbannte seine Familie alle Künstler, für die sich Rebay besonders eingesetzt hatte. Weil Bauer zu Lebzeiten kein einziges weiteres Bild gemalt hatte, blieb der Großteil seines Schaffens somit der Öffentlichkeit unzugänglich - und der "Meister der abstrakten Kunst" geriet in Vergessenheit.

Erst 2014 kam dem Künstler in New York neue Aufmerksamkeit zuteil. Ein Theaterstück zu Bauers Leben lief am Off-Broadway, eine Ausstellung in der deutschen Botschaft würdigte den "vergessenen Maler" und das Auktionshaus Sotheby's organisierte eine Versteigerung seiner Arbeiten. Rudolf Bauers Werk erlebte eine späte Auferstehung - in der Stadt, die seinen Untergang einst eingeleitet hatte.

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