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Sein Goldkind. Peter Graf formte Tochter Steffi von frühester Kindheit an zum Tennisprofi. Am Ende aber stürzte er über seinen eigenen Ehrgeiz.

© dpa

Zum Tod von Peter Graf: Guter Vater, schlechter Vater

Geschäftsmodell Tennispapa: Peter Graf war der Prototyp des Schinders aus der eigenen Familie. Doch am Ende hatte ihn die eigene Gier nach Macht und Reichtum übermannt. Ein Nachruf.

Die Geschichten von dem Jutebeutel sind wahr. Auch wenn sie für unsere Ohren heute so klingen, als wären sie einem grotesken Agentenschmöker entsprungen. Doch Peter Graf hatte sich tatsächlich die Prämien- und Preisgelder, die seine Tochter Stefanie bei Tennisturnieren rund um den Globus während der 80er und 90er Jahre verdiente, meist in bar auszahlen lassen. Dann trug er die Scheine im Jutebeutel heim, manchmal bis zu einer Viertelmillion D-Mark auf einmal.

Niemand stieß sich daran, die Sponsoren nicht und der Deutsche Tennisbund auch nicht. Sie profitierten schließlich alle vom Boom, Peter Graf hatte Narrenfreiheit. Er diktierte Veranstaltern die Bedingungen, bestimmte Turnierpläne und setzte Antrittsgeld-Forderungen durch. Peter Graf vertraute niemandem. Und irgendwie verrannte er sich in die fixe Idee, dass er ja für diese Gelder dann auch keine Steuern zahlen müsse, wo er sie doch bar bekommen hatte. Für diesen Irrglauben wurde der ehemalige Gebrauchtwagenhändler aus Mannheim 1997 zu fast vier Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er eins absaß.

Nun, da Peter Graf am Samstag im Alter von 75 Jahren an Krebs verstarb, bleibt der Jutebeutel als Symbol dafür zurück, wie er sich im Rausch des Erfolgs irgendwann selbst verloren hatte. Wie sein ehrgeiziges Geschäftsmodell, seine Tochter zum Tennis spielenden Superstar zu formen, auf dem Höhepunkt über ihm zusammenbrach.

In der Traueranzeige der Familie Graf ist vom „guten Vater“ die Rede, und vermutlich stimmt das irgendwie sogar. Peter Graf hatte bloß das Beste gewollt für seine Familie und für sich. Doch die Öffentlichkeit kannte ihn nur als einen Besessenen. Als einen cholerischen Grobian, dem man unterstellte, er habe die Kindheit seiner Tochter durch überharte Drills und ständiges Gebrüll abgeschottet vom Rest der Welt ruiniert. Vielleicht hatte er Steffi sogar zum Erfolg geprügelt. Genau wird man es wohl nie erfahren, denn sie verweigert sich von jeher Interviews, die über ihre netten Sozialprojekte und ihre so innige Liebe zu Andre Agassi hinausgehen. Doch ihre Mutter Heidi und andere Weggefährten beschrieben es so: Vielmehr war Steffi Graf schon immer nur von ihrem eigenen unbändigen Ehrgeiz getrieben. Aber das Himbeereis als Belohnung für 50 gelungene Returns soll es für die Dreijährige trotzdem gegeben haben. Ihr Wille und ihr Arbeitsethos ließ die Konkurrenz von Anfang an ehrfürchtig erstarren, Training um fünf Uhr morgens war keine Seltenheit. Sie wollte immer nur die beste Tennisspielerin der Welt sein. Dafür gab sie alles, und ihr Vater half ihr dabei.

Ein Unmensch, wie beispielsweise die Väter ihrer Kolleginnen Jennifer Capriati, Mary Pierce oder Jelena Dokic, die mitunter sogar wegen Körperverletzung im Gefängnis landeten, war Peter Graf nicht. Steffi hatte das Training nie als Qual empfunden, wie ihr heutiger Gatte Andre Agassi als Kind die unbarmherzigen Lektionen seines Vaters. Aber Peter Graf war der Boss seiner Tochter, was das Tennis anging, so wie ihre Mutter zu Hause das Regiment führte. So erlebt man es heute noch bei Spielerinnen wie Wimbledonsiegerin Marion Bartoli oder der ehemaligen Nummer eins Caroline Wozniacki und unzähligen mehr: Die überehrgeizigen Tennisväter beherrschen ihr Leben. Sie sind Antreiber, Macher, Kritiker, aber eben immer auch die Väter. Eine emotionsgeladene Konstellation, die nur selten problemlos abläuft. Meist fliegen irgendwann die Fetzen oder es gibt Tränen. Leichter machen sie ihren Töchtern den Aufstieg sicher nicht, aber in dieser knallharten Tenniswelt der Ich-AGs kommt man ohne den Schinder aus den eigenen Reihen nur selten weit.

Peter Graf war der Prototyp des Tennisvaters. Am Ende hatte ihn die eigene Gier nach Macht und Reichtum übermannt. Seine Tochter soll längst ihren Frieden mit ihm gemacht haben, ihr Verhältnis hat wohl auch die schlimmen Krisen überstanden. Peter Graf behält das Image eines Gefallenen. Doch es bleibt sein Vermächtnis, dass es ohne ihn die Tennislegende Steffi Graf nie gegeben hätte.

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