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Kunst und Architektur Malerei

Neo Rauch – jetzt auch ganz ohne DDR-Charme

Weniger DDR-Charme: Neo Rauchs „Fremde“ Weniger DDR-Charme: Neo Rauchs „Fremde“
Weniger DDR-Charme: Neo Rauchs „Fremde“
Quelle: Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin Foto: Uwe Walter,Berlin / © VG Bild-Kunst,Bonn 2016
So richtig weg war er nie, nun meldet sich einer der bekanntesten deutschen Maler mit Wucht zurück: Neo Rauch zeigt aktuelle Bilder in seiner Berliner Galerie. Rätselhaft sind sie noch immer.

Auf Abstand war er schon immer bedacht. Meidet das Gerede, die Verbrüderungen des Alltags. Macht sich rar, sieht gelassen zu, wie der Ausstellungsbetrieb seine Verehrungsgegenstände immerzu austauscht. Das hat Neo Rauch große Bewunderung eingetragen, aber auch dazu geführt, dass ihn das wetterwendische Publikum fast schon wieder vergessen hat.

Neo Rauch Der Bewunderer 2016 Öl auf Leinwand 200 x 270 cm Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin Foto: Uwe Walter Berlin / © VG Bild-Kunst Bonn 2016
Neo Rauchs "Der Bewunderer"
Quelle: Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin Foto: Uwe Walter,Berlin / © VG Bild-Kunst,Bonn 2016

Der Maler hat Krankheit und Krise und eine ungemein produktive Zeit hinter sich. Elf großformatige neue Bilder in der Berliner Galerie Eigen + Art. Und eine Ausstellung zusammen mit seinem Vater Hanno in der privaten Grafikstiftung in Aschersleben. Neo Rauch war nie weg, aber er meldet sich sehr vernehmbar zurück.

Hat sich das malerische Idiom verändert? Die Bühnen sind nicht mehr ganz so kompliziert verschachtelt. Man hat mehr Übersicht, wird in deutlich zentrierte Tiefen gezogen. Was nicht ausschließt, dass man auf Seiten- oder Hinterzimmer stößt, auf bewohnte Balkone, deren Baupläne sich weder um Größenverhältnisse noch um korrekte Perspektiven kümmern. Bildblasen, die auftauchen, ihn aber nicht mehr fragmentieren.

Mehr noch fallen die Darsteller auf, die Landschafts- und Architekturzitate, die langsam ihren grauen DDR-Charme verlieren. Tatsächlich muten die Szenen westlicher an. Auch wenn die Figuren noch immer mit Topfhüten auf den Lockenköpfen, krausen Bärten und langen Schößen herumlaufen.

Neo Rauchs "Gummiland"
Neo Rauchs "Gummiland"
Quelle: Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin Foto: Uwe Walter,Berlin / © VG Bild-Kunst,Bonn 2016

Aber es ist jetzt weniger Reminiszenz. Es ist, als probte das Traum-verwischte Personal in Kostümen aus dem Biedermeierfundus für den Auftritt beim Rauch’schen Maskenball. Wie Wiedergänger aus der Kanalisation des Unbewussten.

Es ist verführerisch, aus gegenständlichen Anspielungen Geschichten zu konstruieren, die seltsamen Wesen aufeinander zu beziehen, ihre Interaktionen zu verfolgen, von den offenkundigen Sinntrümmern auf eine Bildruine zu schließen. Und doch passen die Teile nie zusammen. Man ahnt ein Puzzle, aber es fehlen Bausteine.

Irgendetwas sehr Unangenehmes muss es sein, das da auf dem „Vorhof“ geschieht. Vorhof der Hölle? Wohl schon, wenn man die Gewaltsignale von der zersplitterten Balkonbrüstung bis zum abgeschlagenen Haupt ernst nimmt. Aber mehr als eine diffuse Unheilsstimmung ist nicht zu entnehmen.

So bedarf es einer Portion poetischer Hybris, um diese Bilder Detail um Detail entschlüsseln zu wollen. Weshalb das Werk von Anfang an für eine Rezeptionsästhetik herhalten musste, der zufolge die Bedeutung ja überhaupt erst aus der Kollaboration von Betrachter und Bild entsteht.

Aber es war auch immer etwas riskant, dem Künstler Geschichten zu erzählen, von denen er nichts weiß oder nichts wissen will. Was zu sehen ist, ist außerdem immer etwas Vorsprachliches, etwas, das noch nicht Begriff geworden, nicht die Festigkeit des Zeichens erreicht hat.

Neo Rauchs "Die Versenkung"
Neo Rauchs "Die Versenkung"
Quelle: Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin Foto: Uwe Walter,Berlin / © VG Bild-Kunst,Bonn 2016
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Beim Traum spricht man von Tagesresten. Bei Neo Rauch müsste man eher von Nachtresten sprechen. Es liegt im Dunkeln, was dem Bild vorausgeht. Plötzlich steht es im Hellen, unverrückbar, lässt einen nicht los.

Dabei gilt: Was immer der Maler aus seinen Einfällen macht, also aus dem, wie er sagt, was ihm zukommt, das gehorcht einer Strategie, die nie auf Erzähllogik zielt, die aber bedachtes Malen sein will, hochaffektiv und skrupulös zugleich.

Die neuen Werke haben viel mehr farbsinnliche Geschlossenheit und Delikatesse. Wie die grünlichen und violetten Töne auf der „Versenkung“ zusammenspielen, das verrät eine koloristische Dramaturgie, die all die obsessiven Reste und Sequenzen aus dem unbewussten Vorrat an die Regie übergibt.

Das Gewähren- oder Geschehenlassen ist nur das eine. Das andere aber ist die Malarbeit, zu der eben auch gehört, geflissentlich die Spuren der Bildentstehung zu verwischen und das Bild davor zu bewahren, sich selber auf die Schliche zu kommen, den Abstand zu sich selber preiszugeben. Abständig, anders kann Neo Rauch nicht.

Neo Rauch, „Die Versenkung“, bis 2. Juli, Galerie Eigen + Art, Berlin

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