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5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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5 <strong>Jahre</strong> <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>


1<br />

5 <strong>Jahre</strong> <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>


4 Vorwort | Oliver Wittke<br />

6 Gute Zeiten und schlechte Zeiten für Baukultur – Die <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> | Ulrich Hatzfeld<br />

Gestalt geben<br />

12 Zum Verhältnis von Baukultur und Gestaltqualität | Wilfried Wang<br />

16 Neue Bilderwelten und alte Mythen – Images in der Stadtproduktion | Frank Roost<br />

22 Gestalt geben | Frauke Burgdorff<br />

24 Deutschlandschaft – Epizentren der Peripherie | Francesca Ferguson<br />

26 1000 Baulücken in <strong>NRW</strong> | Hartmut Miksch<br />

28 Temporäre Architektur an besonderen Orten | Kunibert Wachten<br />

30 Der Traum vom Turm – Eine Ausstellung von besonderem Charakter | Peter Dübbert<br />

32 Innovationspreis Wohnungsbau des Landes Nordrhein-Westfalen | Hans-Dieter Krupinski<br />

34 Stadt und Handel – Initiativen für Baukultur | Wolfgang Christ<br />

36 Orte der Arbeit – Gestaltungsmöglichkeiten in Gewerbegebieten | J. Alexander Schmidt und Stefanie Bremer<br />

38 Hauptstadtplanungen –<br />

Werkstattgespräche zur Bewerbung des Ruhrgebiets als Kulturhauptstadt Europas 2010 | Dirk Haas<br />

Räume öffnen<br />

42 Die Zukunft des öffentlichen Raumes – Traum oder Alptraum? | Udo Weilacher<br />

46 Von der Öffentlichkeit zu einem Universum von Teilöffentlichkeiten | Ernst Hubeli<br />

52 Räume öffnen | Frauke Burgdorff<br />

54 Orte der Urbanität – Der Landeswettbewerb Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze | Franz Pesch<br />

56 Kunst trifft Stadt | Petra Lindner<br />

58 Privatgrün 2004 | Jochen Heufelder<br />

60 Kunstlicht und Lichtkunst im Stadtraum | Christoph Brockhaus<br />

62 Herbstakademie Stadtraum B1 und Stadt der Geschwindigkeit | Martin zur Nedden<br />

2<br />

Inhalt


Kommunikation suchen<br />

66 Beredte Sprachlosigkeit? Die kommunikative Dimension der Baukultur | Klaus Selle<br />

72 Was Architektur zur Kultur beiträgt | Dietmar Steiner<br />

76 Die Bundesinitiative Architektur und Baukultur | Achim Großmann<br />

80 Kommunikation suchen | Frauke Burgdorff<br />

82 Architektur macht Schule! | Christof Rose<br />

84 Stadt(T)räume | Birgit Frey<br />

86 Türme für Pisa | Andrea Wilbertz<br />

88 Europäisches Haus der Stadtkultur und stadt.bau.raum | Michael von der Mühlen<br />

90 Baupolitische Ziele des Landes Nordrhein-Westfalen | Martin Gerth<br />

92 Mögliche Orte – Bildwelten, Planerwelten?! | Karin Bandow und Volker Katthagen<br />

94 Tag der Architektur in <strong>NRW</strong> | Hans-Ulrich Ruf<br />

96 koelnarchitektur.de | Dörte Gatermann<br />

98 plan – Forum aktueller Architektur in Köln | Kay von Keitz und Sabine Voggenreiter<br />

100 Essen erlebt Architektur | Peter Brdenk<br />

102 RheinRuhrCity | Henrik Sander<br />

104 <strong>NRW</strong>urbanism – <strong>StadtBauKultur</strong>-Kongress 2004 | Thorsten Schauz, Yasemin Utku und Angela Uttke<br />

106 Realität [Bauen] – <strong>StadtBauKultur</strong>-Kongress 2005 | Frauke Burgdorff<br />

Traditionen (er)finden<br />

110 Tradition und Identität – Theoretische Reflexionen und das Europäische Beispiel | Jörn Rüsen<br />

114 Regionalismus – Zwischen Tradition und Erfindung | Friedrich Achleitner<br />

116 Von der Pubertät der Stadt jenseits der Moderne | Carl Fingerhuth<br />

120 Traditionen (er)finden | Frauke Burgdorff<br />

122 Denkmalkommission | Eberhard Grunsky<br />

124 DenkMalStadt! Ein europäischer Dialog über Denkmalpflege und Stadtentwicklung | Udo Mainzer<br />

126 Planungs- und Gestaltungsbeiräte in <strong>NRW</strong> | Michael Arns<br />

128 Die Kampagne „Liebe deine Stadt“ | Merlin Bauer<br />

130 Gartenkunst in <strong>NRW</strong> – Zur Kultur des gestalteten Freiraums | Hans-Dieter Collinet<br />

132 Zollverein – Symbol im Wandel und Erbe für die Zukunft | Roland Weiss<br />

Baukultur persönlich<br />

136 Garten der Erinnerungen, Duisburg | Söke Dinkla<br />

137 H20, Münster | Marc Günnewig, Fabian Holst und Jan Kampshoff<br />

138 Rheinufer, Düsseldorf | Henry Storch<br />

139 Technologiezentrum Umwelt TZU, Oberhausen | Burkhard Ulrich Drescher<br />

140 Campus Ernsting’s family, Coesfeld-Lette | Kurt Ernsting<br />

141 Insel Hombroich, Neuss | Christa Reicher<br />

142 PACT Zollverein, Essen | Oliver Scheytt<br />

143 THS-Hauptverwaltung auf Nordstern, Gelsenkirchen | Burghardt Schneider<br />

144 BauhausKarree, Duisburg | Karl-Heinz Cox<br />

145 Bundeskanzlerbungalow, Bonn | Johannes Busmann<br />

146 Konzerthaus Dortmund – Philharmonie für Westfalen, Dortmund | Monika Block<br />

147 Fortbildungsakademie Mont Cenis, Herne | Tillmann Neinhaus<br />

148 Schurenbachhalde, Essen | Henrietta Horn<br />

149 Jahrhunderthalle, Bochum | Karl-Heinz Petzinka<br />

150 Dom und Blick über Köln | Barbara Schock-Werner<br />

151 Drei Orte | Erika Spiegel<br />

Anhang<br />

154 Autorenverzeichnis<br />

156 Bildnachweis<br />

160 Impressum<br />

3


Oliver Wittke<br />

Minister für Bauen und Verkehr<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Der Dramatiker Ödön von Horváth hat einmal gesagt: „Eigentlich bin ich<br />

ganz anders, aber ich komme so selten dazu.“ Manchmal fällt mir diese<br />

Formulierung ein, wenn ich an den Zustand der Baukultur in Deutschland<br />

denke. Denn „eigentlich“ ist jeder für mehr Baukultur, für den Erhalt und<br />

die Pflege von Baudenkmalen, für einen qualitätvollen öffentlichen Raum<br />

und für möglichst gute Architektur. Natürlich ist niemand ausdrücklich<br />

gegen Baukultur. Aber spätestens dann, wenn es konkret wird, wenn<br />

schnell gebaut und geplant werden soll, wird sie gelegentlich unbequem.<br />

Dann kostet Baukultur möglicherweise Zeit und Geld. Und dann setzen<br />

schnell Überlegungen ein, ob es in diesem besonderen „Einzelfall“ nicht<br />

auch ohne besondere bauliche Qualitäten geht. Schlimmer noch: In der<br />

gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation werden solche Einzelfälle fast<br />

regelmäßig zum Normalfall.<br />

Wer also heute mehr Baukultur will, wird mit Widersprüchen umgehen<br />

müssen. Auf der einen Seite sind Architektur und Städtebau konstituierende<br />

Bestandteile unserer Kultur. Auf der anderen Seite bleibt die Senkung von<br />

Baukosten ein ökonomisches Gebot der Stunde. Einerseits sind Baudenkmale<br />

für die Profilierung von Standorten so wichtig wie nie zuvor; andererseits<br />

fällt es immer schwerer, die zum Erhalt dieser Denkmale erforderlichen<br />

Mittel aufzubringen. Während es in der Wirtschaft inzwischen heißt, dass<br />

die Schnellen die Langsamen fressen, brauchen baukulturelle Qualifizierungsprozesse<br />

vor allem Zeit.<br />

4<br />

Vorwort<br />

Nicht alle genannten Widersprüche sind wirkliche Widersprüche.<br />

„Gut bauen“ heißt keineswegs „teurer bauen“.<br />

Gute Architektur stützt die ökonomische Werthaltigkeit von<br />

Gebäuden. Letztendlich wird man in der Baukulturdiskussion<br />

nur dann vorankommen, wenn man den gesellschaftlichen –<br />

und auch den immateriellen – Wert von Architektur und<br />

Städtebau, von Ingenieurbauwesen und Landschaftsgestaltung<br />

anerkennt. Welche Gebäude, Plätze oder Parks werden<br />

wir der nachfolgenden Generation als potenzielle Denkmale<br />

hinterlassen? Wird irgendjemand einmal über die baukulturellen<br />

Fingerabdrücke unserer Zeit ins Schwärmen kommen?<br />

Die Folgen der baukulturellen Gedankenlosigkeit sind heute<br />

schon sichtbar. Die Stadtflucht und ihre enormen Kosten<br />

sind – zu Ende gedacht – auch ein Problem der Baukultur.<br />

Wenn wir über die Strukturkrise der Bauwirtschaft nachdenken<br />

und darüber, welche Perspektiven sie langfristig hat,<br />

so ist dies auch ein Problem der Baukultur.<br />

Wir machen einen großen Fehler, wenn wir Baukultur allein<br />

als die Kunst der ästhetischen Optimierung definieren.<br />

Sie ist eben keine ideologische Oberflächenformel oder nur<br />

Urbanitätsreklame. Baukultur ist vielmehr angewandte<br />

Strukturpolitik. In Zeiten der schrumpfenden Städte kann<br />

die Bauwirtschaft nicht mehr allein auf die Wachstumskarte<br />

setzen. Das System der möglichst hohen Bauleistung und<br />

des „noch mehr desselben“ funktioniert nicht mehr; wir<br />

brauchen mehr Qualität, intelligentere Bauweisen und vernetzte<br />

Formen des Planens: eben mehr Baukultur.<br />

Mit der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat das Land<br />

Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf <strong>Jahre</strong>n den Versuch<br />

unternommen, baukulturell konkret zu werden. Die Basis<br />

dafür waren über siebzig Projekte aus dem gesamten<br />

Spektrum des Baugeschehens. Ziel war immer, eine Diskussion<br />

darüber zu beginnen, wie „gutes Bauen in <strong>NRW</strong>“ aussehen<br />

muss.


Die in dieser Veröffentlichung dokumentierten Projekte ordnen<br />

sich drei thematischen Säulen zu: Erstens geht es um<br />

die Bestimmung und moderne Neudefinition von architektonischer<br />

Gestaltqualität. Der zweite Schwerpunkt befasst sich<br />

mit dem Zustand und der Zukunft des öffentlichen Raumes.<br />

Der Umgang mit dem baukulturellen Erbe bildet die dritte<br />

Gruppe.<br />

Zentrale Handlungsansätze der Initiative waren – neben der<br />

Einflussnahme auf konkrete Bau- und Planungsprojekte –<br />

Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Diskussionen<br />

nahezu im gesamten Landesgebiet (und zum Teil auch im<br />

europäischen Umfeld). Dabei ist es gelungen, nicht nur die<br />

Fachwelt zu bewegen, sondern auch eine breite öffentliche<br />

Diskussion „vor Ort“ anzuregen. Inzwischen sind in vielen<br />

Städten und Organisationen neue Gesprächskreise entstanden,<br />

die die Arbeit der Gestaltungsbeiräte ergänzen. Schulen<br />

und Hochschulen haben entsprechende Projekte entwickelt.<br />

Kunstvereine und auch die etablierte Kunstszene haben<br />

baukulturelle Fragestellungen aufgegriffen. Öffentliche Aufrufe<br />

wie beim Baulückenprojekt oder der „Straße der Gartenkunst<br />

<strong>NRW</strong>“ fanden eine erstaunliche Resonanz. In Zusammenhang<br />

mit dem „Plätze-Programm“ wurde ein bisher<br />

unbekanntes bürgerschaftliches Engagement erreicht.<br />

Die neue Landesregierung hat beschlossen, die <strong>Landesinitiative</strong> StadtBau-<br />

Kultur <strong>NRW</strong> fortzuführen. Besonders wichtig ist uns dabei die strukturpolitische<br />

Dimension. Nordrhein-Westfalen verfügt über ein immenses Bauvolumen<br />

und ist Sitz und Markt der größten Unternehmen der Bau- und<br />

Wohnungswirtschaft. Baukultur bedeutet auch, für diesen und in Kooperation<br />

mit diesem Wirtschaftssektor neue Produkte und Lösungen zu entwickeln.<br />

Vor allem dank der aktiven Mitarbeit eines breiten Spektrums von Unterstützern<br />

war die Initiative bisher so erfolgreich. Konkret zu nennen sind hier<br />

die Architektenkammer NW, die Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong>, die Arbeitsgemeinschaft<br />

der Kommunalen Spitzenverbände <strong>NRW</strong>, die Vereinigung der<br />

Industrie- und Handelskammern <strong>NRW</strong>, die Verbände der Bau- und Wohnungswirtschaft<br />

<strong>NRW</strong>, mehrere Künstlerverbände und viele Einzelpersönlichkeiten.<br />

Hinzu kommt die Mitarbeit der Städte und Gemeinden des Landes.<br />

Vergessen darf man auch nicht die Bürger, die sich in Vereinen, Schulen<br />

und Workshops für „Baukultur im Kleinen“ engagiert haben. Ohne die Hilfe<br />

dieser Gruppen und Menschen wäre die Initiative eine leere Ideenhülle<br />

geblieben. Alle haben dazu beigetragen, der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> ein Gesicht zu geben. Hierfür bedanke ich mich ganz herzlich.<br />

5


Ulrich Hatzfeld<br />

Mit Baukultur umzugehen heißt, Widersprüche produktiv zu machen<br />

Es gibt in der Tat nicht wenige, die Baukultur und Gestaltqualität mit Luxus<br />

und Schöngeisterei assoziieren: ein „Überbauthema“, das man in guten Zeiten<br />

im Feuilleton vertiefen könnte. Aber spätestens dann, wenn es konkret<br />

wird, wenn es um wirtschaftsnahe Planungsverfahren und zügiges Bauen<br />

geht, werde Baukultur zum Kostenfaktor und Investitionshemmnis. In der<br />

nun seit <strong>Jahre</strong>n anhaltenden Phase, in der die Bauwirtschaft von einer Krise<br />

in die nächste geworfen werde, komme im Zweifelsfall „erst das Bauen,<br />

dann die Kultur“. Allzu viel und allzu teure Baukultur passe nun einmal<br />

nicht in eine Zeit, in der primär Arbeitsplätze geschaffen, das Sozialsystem<br />

gesichert und das Gesundheitswesen neu geordnet werden müsse.<br />

Für andere hingegen ist Baukultur fast so etwas wie eine Überlebensstrategie,<br />

eine Insel der Hoffnung in einem Meer der Perspektivlosigkeit. Schon<br />

die Vergangenheit habe – so die Argumentation – gezeigt, dass die Logik<br />

von Rationalisierung und Massenproduktion allein nicht trage. Wenn die<br />

Nachfrage nach Massenware auch demographisch bedingt nachlasse,<br />

müsse man die Strategie des „immer mehr desselben“ und des „immer<br />

kostengünstiger“ modifizieren. Wie in der übrigen Wirtschaft liege auch die<br />

Zukunft des Bauens in Deutschland in einer „diversifizierten Qualitätsproduktion“;<br />

konkret meine dies neue Produkte, ingenieurwissenschaftliche<br />

Innovationen und vor allem neue architektonische Gestaltqualitäten.<br />

Nur „gutes Bauen“ schaffe sichere Arbeit, eröffne neue Märkte und bilde<br />

die Grundlage für den Export von Architektur- und Ingenieurleistungen.<br />

Eine dritte Gruppe betont den Charakter von Baukultur als künstlerischkulturelle<br />

Aufgabe. Die öffentliche Hand sei für die Erhaltung des Kulturgutes<br />

Stadt und dessen Weitergabe an die nachfolgenden Generationen<br />

verantwortlich. Die Erhaltung des kulturellen Erbes, also Denkmalschutz und<br />

-pflege, dürften sich nun einmal nicht der Logik einer immer kurzatmigeren<br />

Immobilienverwertung unterordnen. Ein Kulturstaat sei eben auch ein Baukulturstaat.<br />

Dasselbe gelte für die künstlerische Sicht auf die Stadt: Architektur<br />

als älteste und öffentlichste aller Künste könne nicht allein mit dem<br />

kalten Maßstab der Rentabilität gemessen werden.<br />

6<br />

Gute Zeiten und schlechte Zeiten<br />

für Baukultur<br />

Die <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />

Ungeachtet der Tatsache, dass sich die Sichtweisen auf das<br />

Thema Baukultur sehr unterscheiden, spricht sich kaum<br />

jemand offen gegen baukulturelle Kriterien wie die Bewahrung<br />

des historischen Erbes, den Anspruch auf Schönheit<br />

oder die Forderung nach gestalterischer Qualität aus. Das<br />

gilt selbst für die Vertreter einer harten Investitionsstrategie,<br />

insbesondere dann, wenn Architektur und Gestaltung die<br />

Vermarktbarkeit von Investitionsobjekten verbessern. Diese<br />

generelle Zustimmung ist auf der anderen Seite vermutlich<br />

eines der größten Probleme für die Anhebung des baukulturellen<br />

Niveaus: Die Forderung nach mehr Baukultur hat –<br />

zumindest so lange, wie sie in dieser erhabenen Allgemeinheit<br />

bleibt – keine erkennbaren Feinde. Erst wenn Baukultur<br />

konkret wird, wenn sie sich gegen schnelles Bauen oder<br />

gegen allzu glatte Planungsverfahren wendet, kostet Baukultur<br />

Aufwand: Zeit, Mühe und Geld. Und nahezu regelmäßig<br />

werden dann Strategien zur Beschleunigung und zur<br />

Senkung von Kosten und Standards wirksam. Und leider<br />

muss man dann „in diesem Einzelfall“ und „mit Bedauern“<br />

auf baukulturell qualifizierende Verfahren verzichten.<br />

Zusätzlich wird das allzu leicht formulierte Bekenntnis zu<br />

Baukultur dadurch erleichtert, dass es keine allgemein anerkannte<br />

Abgrenzung und erst recht keine numerischen Kriterien<br />

für diesen Begriff gibt. Wenn man etwa feststellt, dass<br />

Baukultur in erster Linie aus Diskussionsbereitschaft und<br />

wachem Bewusstsein für die Umwelt besteht, ist das zwar<br />

richtig; aber in der sich anschließenden Diskussion verschwimmen<br />

dann nicht selten die Grenzen zwischen Baukultur<br />

und Baulyrik. Die Frage, was Baukultur ist und was<br />

nicht, ist eben nicht nur zeitabhängig, sondern auch regional<br />

und interkulturell sehr unterschiedlich zu beantworten.<br />

Letztendlich beschreibt Baukultur eine besondere Haltung<br />

gegenüber dem Planen und Bauen. Als solche – so formuliert<br />

es das Memorandum <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> – „entzieht<br />

sich Baukultur schlichter empirischer Messbarkeit oder Operationalität.<br />

Denn sie ist<br />

- weniger ein Produkt als ein Anspruch und<br />

- weniger ein Zustand als ein Prozess.


Baukultur spricht in erster Linie künstlerisch/ästhetische Kriterien<br />

an, die in dem Begriff der Gestaltqualität anklingen.<br />

Kriterien sind dann Authentizität, Innovation, Umgang mit<br />

Maßstäblichkeiten, Materialien und städtebauliche Integration.<br />

Baukultur – so könnte man zusammenfassen – ist ein<br />

Verfahren und ein Prozess mit dem Ziel, „besser zu bauen<br />

und zu planen“.<br />

So engagiert und facettenreich man über die theoretische<br />

Fundierung des Baukulturbegriffs reden kann, so konkret<br />

sind andererseits die aktuellen baupolitischen Probleme, zu<br />

deren Beseitigung die Baukultur eigentlich beitragen soll.<br />

Land auf und Land ab, an nahezu jeder Ausfallstraße, in<br />

jedem Gewerbegebiet und natürlich auch in jedem städtischen<br />

Zentrum drängen sich jene Investorenobjekte, deren<br />

Bezug zur jeweils nächstjährigen Unternehmensbilanz unmittelbar<br />

ablesbar ist. Kostenoptimierte Generalunternehmer<br />

und -übernehmer produzieren – anonym, schnell und<br />

effizient – Projekte, die vermutlich die Sanierungsfälle von<br />

übermorgen werden. Denkmalschutz und -pflege geraten<br />

unter Legitimationsdruck. Die Fachdiskussion bleibt eine<br />

Diskussion innerhalb des Fachs; die einschlägigen Fachzeitschriften<br />

konzentrieren sich auf ästhetisch und rhetorisch<br />

hoch stehende Debatten, die gerne um Architekturhighlights<br />

oder -klassiker kreisen. Zwischenzeitlich entwickelt<br />

sich die Realität der Pensionsfondsobjekte, der Einkaufszentren<br />

und suburbanisierten Welten weiter. Um den öffentlichen<br />

Raum ist es kaum besser bestellt; er gilt inzwischen als<br />

weitgehend vernachlässigt und gestalterisch beliebig. Hinzu<br />

tritt die fast vollständige Abwesenheit von Baukultur im<br />

Bereich der Infrastrukturbauwerke und -anlagen.<br />

Selbst wenn man – zu Recht – konzediert, dass eine solche<br />

Beschreibung der baukulturellen Situation in Deutschland<br />

grob und übertrieben ist, wird man dennoch feststellen<br />

müssen, dass das baukulturelle Niveau in den letzten Jahrzehnten<br />

wohl kaum angestiegen ist. Auf jeden Fall dürfte es<br />

nur eine begrenzte Anzahl von aktuellen Bauten, Ensembles<br />

oder Siedlungen geben, die sich kommenden Generationen<br />

als „Denkmale der Zukunft“ empfehlen.<br />

Sich immer wieder neu erfinden: die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> in <strong>NRW</strong><br />

Gleichwohl bleibt zu fragen, warum das Land Nordrhein-Westfalen im <strong>Jahre</strong><br />

2001 eine auf zehn <strong>Jahre</strong> angelegte <strong>Landesinitiative</strong> zur Baukultur (<strong>Landesinitiative</strong><br />

<strong>StadtBauKultur</strong>) auf den Weg gebracht hat. Denn zum einen dürften<br />

die geschilderten baukulturellen Defizite kaum größer sein als in anderen<br />

Bundesländern. Zum anderen sind auch in diesem Land die Haushalts- und<br />

Strukturprobleme zweifellos so groß, dass die Beschäftigung mit einem vermeintlichen<br />

„Überbauthema“ wie Baukultur einer besonderen Begründung<br />

bedarf.<br />

Bereits das erwähnte Memorandum, das als Grundlage und „Programm“<br />

der Initiative formuliert wurde, hebt deren strukturpolitischen Ansatz hervor.<br />

Baukultur ist demnach keine ideologische Oberflächenformel und versteht<br />

sich auch nicht als die Kunst des Schönmachens bzw. der ästhetischen<br />

Maximierung. Die Baukulturinitiative definiert sich ganz explizit als angewandte<br />

Strukturpolitik. Es geht um die Entdeckung neuer Investitionsfelder<br />

im städtebaulichen Bestand und Innovationen in der städtebaulichen Weiterentwicklung.<br />

Denn Nordrhein-Westfalen ist Standort und Absatzmarkt<br />

einer der größten Bauproduktionen in Europa. Hier finden sich die Firmensitze<br />

vieler großer Bauunternehmen, Baustoffproduzenten und -verarbeiter.<br />

Diese Bauwirtschaft befindet sich in einer Dauerkrise: Allein seit dem Jahr<br />

1995 hat sich die Zahl der Beschäftigten im nordrhein-westfälischen Bauhauptgewerbe<br />

fast halbiert. In dieser Situation sind vor allem neue Perspektiven<br />

erforderlich, denn kaum etwas spricht für eine Umkehrung dieses seit<br />

<strong>Jahre</strong>n stabilen Abwärtstrends. Im Gegenteil: Die demographisch bedingte<br />

Schrumpfung der Märkte bzw. das Nachlassen der Nachfrage nach Stadt<br />

machen das Marktumfeld eher schwieriger. Die öffentliche Finanzsituation<br />

dürfte aller Voraussicht nach ebenfalls keine Wiederbelebung der Bauinvestitionen<br />

bewirken. Wer nach Perspektiven für die Bauwirtschaft sucht, wird<br />

deshalb wohl vor allem darüber nachdenken müssen, wie Innovationen im<br />

Bausektor ermöglicht, wie neue Qualitäten und Produkte entstehen und wie<br />

Prozesse der Planens und Bauens reorganisiert werden können. Nur eine<br />

in diesem Sinne innovationsorientierte Bauwirtschaft wird ihre Leistungen<br />

exportieren können.<br />

Weitere Handlungsoptionen für die Baukulturinitiative ergeben sich aus der<br />

breiten Ausdifferenzierung der fachspezifischen Bildungs- und Forschungslandschaft.<br />

Wie kein anderes Bundesland verfügt Nordrhein-Westfalen über<br />

große Ausbildungskapazitäten für Architekten und Stadtplaner. Aufgabe<br />

und Chance der Initiative ist es, den Transfer der fachbezogenen Bildung<br />

und Forschung in die Baupraxis zu unterstützen.<br />

7


Ein anderer Begründungszusammenhang ergibt sich aus der Symbolkraft<br />

und den Mobilisierungseffekten baukultureller Projekte. Hier kann die Initiative<br />

an den Erfahrungen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park<br />

anknüpfen und diese weiterentwickeln. In zunehmend standardisierten<br />

und anonymisierten Stadtbildern sind baukulturell profilierte Gebäude, aber<br />

auch baukünstlerische Interventionen und Interpretationen wichtige Angebote<br />

zum bürgerschaftlichen Engagement und zur individuellen Identifikation.<br />

Denn im Unterschied zu den Produkten der ökonomischen Globalisierung<br />

sind baukulturell profilierte Projekte immer nur an einem ganz bestimmten<br />

Ort bzw. in einer spezifischen Umgebung „sinnstiftend“; sie sind<br />

Anlass und unverwechselbare Bühne für spezifische Formen der sozialen,<br />

kulturellen und interethnischen Kommunikation. Gerade ein Land wie Nordrhein-Westfalen,<br />

dessen Ballungskern in der Phase der Industrialisierung<br />

ausgesprochen schnell gewachsen ist und dessen heutige Erscheinungsform<br />

recht weit von herkömmlich gewachsenen urbanen Strukturen entfernt ist,<br />

bedarf neuer baulicher Profilierungen und zuweilen auch einer neuen baukulturellen<br />

Symbolik. Nordrhein-Westfalen braucht – neben der inzwischen<br />

etablierten Industriekultur – neue „baukulturell geprägte Bilder“.<br />

<strong>Landesinitiative</strong> konkret<br />

In dem Prozess der inhaltlichen Schwerpunktbildung der <strong>Landesinitiative</strong><br />

haben sich drei Handlungsfelder ergeben, denen sich die bisherigen Projekte<br />

und Aktivitäten des Programms zuordnen.<br />

Im ersten Handlungsbereich geht es um architektonische, städtebauliche<br />

und landschaftsplanerische Gestaltqualitäten im herkömmlichen Sinn. Die<br />

Diskussionen bewegen sich dabei zwischen architektonischen Highlights<br />

und der Architektur des Alltags, zwischen Einfamilienhaus und technischen<br />

Bauwerken sowie zwischen öffentlichen Parks und privaten Grünflächen. Im<br />

Mittelpunkt steht dabei immer die Frage, welche Ausdrucksformen moderne<br />

Architektur und Landschaftsgestaltung am Anfang des 21. Jahrhunderts<br />

finden. Dabei spielen u.a. Themen wie temporäre Architektur, Architektur<br />

im Stadtrückbau, die Gestaltung von Gewerbeimmobilien oder landesweite<br />

Wettbewerbe eine Rolle.<br />

Die zweite Säule der Initiative befasst sich mit der Weiterentwicklung des<br />

öffentlichen Raums. So wird etwa mit einem Wettbewerb zur Gestaltung<br />

von Stadtplätzen nach aktuellen Strategien zur Inszenierung und Gestaltung<br />

von Plätzen gesucht. In mehreren Ausstellungen, Wettbewerben und Workshops<br />

wird das Thema „Lichtkunst – Stadtlicht“ aufgegriffen. In dieses<br />

Handlungsfeld gehört auch die Aktualisierung (und ggf. Qualifizierung) von<br />

Verfahren im Planen und Bauen. Welche Formen der Kommunikation mit<br />

Bürgern oder mit der Wirtschaft passen in die Zeit? Wie kann das Wettbewerbswesen<br />

weiterentwickelt werden?<br />

8<br />

Die dritte Säule des Programms thematisiert schließlich die<br />

zeitliche Dimension von Baukultur, also vor allem Denkmalschutz<br />

und -pflege. Hier wird die Diskussion um die Zukunft<br />

des Denkmalschutzes und einen möglichst intelligenten Umgang<br />

mit den baukulturellen Traditionen des Landes geführt.<br />

Ziel ist, in allen Handlungsbereichen möglichst direkt zu<br />

Umsetzungen und letztendlich zur Beeinflussung der Investitionspraxis<br />

zu kommen. Dabei ist es hilfreich, dass die Initiative<br />

auf zehn <strong>Jahre</strong> angelegt ist und sich nicht dem Vorwurf,<br />

ein Strohfeuer zu sein, aussetzen muss. In Nordrhein-Westfalen<br />

gibt es zudem vergleichsweise gute Rahmenbedingungen<br />

für eine neue Baukulturpraxis. Auf die Internationale<br />

Bauausstellung Emscher Park und die in ihrem Zusammenhang<br />

entstandenen Referenzprojekte wurde bereits hingewiesen.<br />

Darüber hinaus ergeben sich für die angestrebte<br />

Verklammerung von Kunst/Kultur auf der einen und Architektur/Stadtentwicklung/Landschaft<br />

auf der anderen Seite<br />

sehr positive Impulse durch die „Regionalen – Kultur- und<br />

Naturräume“, die RuhrTriennale und die Kulturhauptstadtbewerbung<br />

„Essen für das Ruhrgebiet 2010“.<br />

Ziel der Initiative ist es, eine öffentliche Diskussion über Stadt,<br />

über Architektur und Ingenieurbaukunst anzuregen. Baukultur<br />

ist daher auch eine originär kommunikative Aufgabe.<br />

Insofern war es für die Baukulturinitiative unerlässlich, eine<br />

breite Unterstützungsbasis aufzubauen. In den Gremien der<br />

Initiative sind – neben profilierten Einzelpersönlichkeiten –<br />

die Architektenkammer NW und die Ingenieurkammer-Bau<br />

<strong>NRW</strong>, die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände<br />

<strong>NRW</strong>, die Industrie- und Handelskammern <strong>NRW</strong>,<br />

zahlreiche Fachverbände und -organisationen, die Verbände<br />

der Bau- und Wohnungswirtschaft <strong>NRW</strong> und Künstlerverbände<br />

vertreten. Alle Institutionen haben in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

ihre Ideen und Projekte in die Initiative eingebracht.<br />

Zusätzlich wurde in der Stadt Gelsenkirchen das Europäische<br />

Haus der Stadtkultur eingerichtet, das die Vielzahl der Projekte,<br />

Initiativen und Aktionen steuert und aufbereitet.


Was heißt nun konkret „Projekte“? Bis zum heutigen Zeitpunkt<br />

wurden etwa 70 Projekte umgesetzt; das Spektrum<br />

reicht dabei von Workshops, Veranstaltungen und Veröffentlichungen<br />

über Wettbewerbe und Ausstellungen bis hin<br />

zu investitionsorientierten Projekten. Im Mittelpunkt steht<br />

die Schaffung von urbanem Bewusstsein durch<br />

- Angebote zur Mitwirkung (z.B. durch die Projektreihen<br />

„1.000 Baulücken“ oder „Türme für Pisa“),<br />

- Inszenierungen (z.B. im Bereich der temporären Architektur),<br />

- öffentliche Kontroversen (z.B. durch Veranstaltungen zum<br />

New Urbanism oder zum Denkmalschutzgesetz <strong>NRW</strong>),<br />

- öffentliche Präsentationen und Veranstaltungen<br />

(z.B. durch Ausstellungen wie „Der Traum vom Turm“,<br />

„Deutschlandschaft“ und „RheinRuhrCity“, Veranstaltungen<br />

wie „Realität Bauen“ oder öffentlichkeitsorientierte<br />

Kampagnen wie der „Tag der Architektur“),<br />

- die Einbeziehung neuer Partner (z.B. durch die Gemeinschaftsaktionen<br />

mit Kunstvereinen) und<br />

- konkrete öffentliche Investitionen (z.B. im Rahmen des<br />

Projektes „Stadt macht Platz, <strong>NRW</strong> macht Plätze“).<br />

Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg<br />

Was eine Initiative letztendlich zu einer Erfolgsinitiative<br />

macht, wird wohl immer Gegenstand von Spekulationen<br />

bleiben. Allerdings gibt es im Falle der <strong>Landesinitiative</strong><br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> einige Zusammenhänge, die sich als<br />

ausgesprochen hilfreich herausgestellt haben.<br />

Erstens und vor allem hat die Initiative von Menschen gelebt,<br />

von ihnen gelernt und letztendlich ihre Prägung<br />

bekommen. Das betrifft vor allem die beiden Städtebauminister<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Staatsminister<br />

a.D. Dr.Michael Vesper und Herrn Minister Oliver Wittke,<br />

die die Initiative nachhaltig unterstützt und die sich dem<br />

Risiko des Missglückens des Projektes gestellt haben. Ohne<br />

die andauernde und solidarische Mitarbeit der Architektenkammer<br />

Nordrhein-Westfalen und der Ingenieurkammer-<br />

Bau Nordrhein-Westfalen wäre die Initiative nicht zustande<br />

gekommen; das betrifft insbesondere den einzigartigen Einsatz<br />

der beiden Kammerpräsidenten, Herrn Hartmut Miksch<br />

und Herrn Peter Dübbert, die sich die Ziele und die Unterstützung<br />

der Projekte persönlich zu Eigen gemacht haben.<br />

Mehrere Hochschullehrerinnen und -lehrer haben die Gremien<br />

und die Projekte der Initiative aktiv unterstützt. Zusätzlich<br />

hat die Initiative kontinuierlich Hilfe aus der Wirtschaft<br />

erhalten – so etwa durch die Vereinigung der Industrie- und<br />

Handelskammern, den Verband der Wohnungswirtschaft<br />

und die Bauwirtschaft. Schließlich gab es einen breiten Kreis<br />

von Personen, Unternehmen und Institutionen, die eigenständig<br />

Projekte initiiert, begleitet und dokumentiert haben.<br />

Zweitens hat es sich als elementar herausgestellt, bei allen Projekten und<br />

Vorhaben der Initiative eine strikte Umsetzungsorientierung einzufordern.<br />

Mit jeder Projektrealisierung wächst das Vertrauen in die Initiative; das gilt<br />

im besonderen Maße für Projekte mit starker Strukturorientierung.<br />

Zu den Erfolgsfaktoren der Initiative gehört drittens sicher auch deren<br />

„Kampagnencharakter“. <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat einen Beginn im Jahr<br />

2001 und wird zehn <strong>Jahre</strong> später enden. Das ist ein ausreichender, aber<br />

auch notwendiger Zeitraum, um dem Thema in Nordrhein-Westfalen den<br />

notwendigen Impuls zu geben.<br />

Die als Trägerstruktur und Diskussionsplattform gebildeten Gremien der<br />

Initiative (Kuratorium und Lenkungsgruppe) haben der Initiative ein Profil<br />

gegeben. Das gilt im selben Maße für das Europäische Haus der Stadtkultur,<br />

das ausgesprochen erfolgreich als Motor, Mittler und Moderator des<br />

Gesamtprojektes fungiert hat.<br />

Allen, wirklich allen, die in den Gremien, in den Projekten, in den Städten<br />

und Gemeinden, in den Kammern und Verbänden sowie in den Vereinen<br />

und Stiftungen mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle von Herzen gedankt.<br />

Und nun?<br />

Ungeachtet der zuweilen bewunderten, manchmal aber auch kritisierten<br />

thematischen Breite und Vielzahl der <strong>StadtBauKultur</strong>-Projekte bleibt auch in<br />

den kommenden <strong>Jahre</strong>n vieles zu tun. Der zentrale Anspruch, Baukultur im<br />

Land Nordrhein-Westfalen zu einem öffentlichen Thema zu machen, ist erst<br />

ansatzweise umgesetzt. Welche Projekte muss die Initiative angehen, um<br />

noch mehr für das Thema zu mobilisieren? Wie können die wirtschaftlich<br />

interessierten Gruppen, also die Bauwirtschaft, die Wohnungsunternehmen,<br />

die Projektentwickler, die Bausparkassen und die kleinen und großen Bauherren,<br />

besser in die Initiative integriert werden? Muss man sich mehr um die<br />

Spitze oder die Breite der Architekturdebatte kümmern? Und schließlich:<br />

Auf welchem Wege erhält man Anschluss an die internationale Diskussion um<br />

Baukultur? Es fehlt also weder an Fragen noch an produktiver Ungewissheit.<br />

Die vorliegende Veröffentlichung stellt die bisherigen Ergebnisse der Initiative<br />

zur Diskussion – immer mit der Perspektive der Kritik und der Weiterentwicklung,<br />

zu der alle Leser herzlich eingeladen sind.<br />

9


Gestalt geben<br />

11


Wilfried Wang<br />

Von der Pflege zur Wertschätzung<br />

Alle nehmen wir die natürliche wie die gebaute Umwelt als Selbstverständlichkeit<br />

an. So selbstverständlich ist die Annahme dieser Gegebenheiten,<br />

dass es nur gelegentlich dazu kommt, dass der eine oder andere sich<br />

Gedanken darüber macht, wie etwas vor unserer Zeit entstand, was andere<br />

vor uns leisteten und welche Eigenschaften oder Qualitäten einer Sache<br />

innewohnen.<br />

Man gewöhnt sich an die Natur wie man sich an die Baukultur gewöhnt.<br />

Sie sind Rahmen, Fassungen, Gefäße für unsere Handlungen und für unsere<br />

Bedürfnisse. Für all jene, die sich im Alltag nicht mit dem Bauen und Entwerfen<br />

befassen, verschwinden Natur und Baukultur im Hintergrund unserer<br />

Wahrnehmung. Natur und gebaute Umwelt sind selbstverständlicher<br />

Bestandteil des alltäglichen Lebens.<br />

Erst durch Reibungen, Schäden oder Verluste wird dem Gewohnheitsmenschen<br />

bewußt, dass etwas da ist oder da war. Reibungen an der vorhandenen<br />

Umwelt, Schäden an der Natur oder an Bauwerken, die allmählich auftreten,<br />

Verluste von kleineren und größeren Bestandteilen einer Umwelt<br />

weisen erst auf die notwendige Zuwendung hin, die die natürliche wie die<br />

gebaute Umwelt benötigt, damit sie weiter besteht.<br />

Die natürliche wie die gebaute Umwelt bedürfen unserer Pflege, denn von<br />

allein widerstehen sie nicht der alltäglichen Nutzung. Beide werden nur durch<br />

sorgsame und verständnisvolle Pflege bewusst zu einer Kulturlandschaft.<br />

Erst durch Pflege erwerben wir einen Begriff und ein Verständnis dieser<br />

Kulturlandschaft.<br />

Die angemessene Pflege setzt voraus, dass wir uns Kenntnisse über die gepflegten<br />

Bestandteile der Kulturlandschaft aneignen. Betrachten wir nun<br />

durch die Notwendigkeit der Pflege jedes Teil und dann das Ganze, wird uns<br />

erst bewußt, in welchen zeitlichen und räumlichen Beziehungen die Teile<br />

zueinander stehen, welche inhaltlichen und organischen Abhängigkeiten<br />

existieren. Auf Grund dieser Beziehungen und Abhängigkeiten erkennen wir<br />

die Eigenschaften und Qualitäten eines jeden Bestandteils der Kulturlandschaft.<br />

Durch unsere Pflege entwickeln wir eine Wertschätzung für die Kulturlandschaft,<br />

für die Baukultur im Allgemeinen wie für die Gestaltqualität im<br />

Einzelnen.<br />

12<br />

Zum Verhältnis von Baukultur und<br />

Gestaltqualität<br />

Baukultur<br />

Die Grundzüge der Natur, in der die baulichen Eingriffe eingebettet<br />

waren, konnten bis zum Industriezeitalter noch<br />

überall gut herausgelesen werden. Manche Bauten wurden<br />

bewusst mit der umgebenden Natur verbunden, mal durch<br />

Gartenanlagen, mal durch einfache Umfriedungen. Es entstanden<br />

so gestaltete Übergänge zwischen menschlichem<br />

Kunstwerk und Natur.<br />

Mit der systematischen Ausbeutung von Grund und Boden<br />

kehrte sich diese Beziehung um. Bis Anfang des 21. Jahrhunderts<br />

entstand eine intensiv von Menschen genutzte<br />

Kulturlandschaft, die im flacheren Terrain nur noch gelegentlich<br />

landschaftliche Ursprünge offenbarte. Dort, wo die<br />

Topographie markanter ist, sind die Grundzüge der Natur<br />

nach wie vor erkennbar.<br />

Verschiedene Siedlungen, von Dörfern über Kleinstädte bis<br />

zu den neuen Industrieagglomerationen, überzogen einst<br />

ganze Landstriche, nebeneinander, meistens ohne langfristige<br />

oder großatmige Gestaltung. Jede Siedlungsstruktur dokumentierte<br />

für sich eine typische Entstehungsgeschichte:<br />

mal der Ursprung im Ackerbau, mal feudale oder kirchliche<br />

Verwaltungen, mal das logistisch-technische Primat nebst<br />

Unterbringung der Belegschaft im Massenwohnungsbau.<br />

Letzteres Phänomen war besonders intensiv im Ruhrgebiet<br />

zu sehen.<br />

Im gesamten Nordrhein-Westfalen haben nur wenige einfache<br />

Bauten, Wohnhäuser, Industrieanlagen, Gemeinschaftseinrichtungen,<br />

kaum geschlossene Stadtteile geschweige<br />

denn Siedlungen den Zweiten Weltkrieg unbeschadet<br />

überlebt. Manche Altstadtteile, selbst jene außerhalb<br />

des Ruhrgebiets, wurden nach der Logik des Krieges bis zu<br />

90 Prozent durch die Bombardierung der Alliierten zerstört.<br />

Das Spektrum der Nachkriegsplanung für die großflächigen<br />

Schäden umfasst die vereinfachte Rekonstruktion von verloren<br />

gegangener Bausubstanz sowie die Inanspruchnahme<br />

„frei“ gewordener Bereiche für die autogerechte Stadt.


Durch die einheitliche Verkehrsinfrastruktur und deren<br />

Gestaltung sind sich viele Orte in ganz Deutschland ähnlich<br />

geworden. Trotzdem ist es immer noch möglich, mit Hilfe<br />

einiger Grundkenntnisse und in moderner archäologischer<br />

Erkundungsweise auf den Ursprung einer Siedlung zu<br />

stoßen.<br />

Seit der Industrialisierung vor einem Jahrhundert, der Zerstörung<br />

durch den Zweiten Weltkrieg vor sechzig <strong>Jahre</strong>n<br />

und der Nachkriegsplanung vor vierzig <strong>Jahre</strong>n hat die Baukultur<br />

in Deutschland drei grundlegende Veränderungen<br />

erfahren. Erst allmählich haben sich die Bewohner an die<br />

konvulsiven Veränderungen gewöhnt. Dass Verlusten aus<br />

diesen Veränderungen, ob persönlich erfahren oder über<br />

Vergleiche wie „vorher-nachher” vermittelt, auch mit kollektiver<br />

Trauer begegnet wird, ist nicht nur seit der Klage<br />

gegen die Unwirtlichkeit der Städte bekannt, sondern findet<br />

insbesondere seit Anfang des neuen Jahrhunderts in den<br />

Rufen nach Rekonstruktion von diesem oder jenem Gebäude<br />

seinen baukulturellen Niederschlag.<br />

Mit ihrer geschichtsabweisenden Grundhaltung hat die<br />

klassische Moderne seit dem Wirtschaftswunder durch ihre<br />

objektbezogene Gestaltung für weitere Brüche, Diskontinuitäten<br />

in der Kulturlandschaft gesorgt. Die Stadtlandschaft<br />

der Solitäre, der freistehenden Bauten umgeben von Abstandsgrün,<br />

durchzogen von standardisierten Straßen,<br />

Schnellstraßen und Stadtautobahnen, bestimmt das Weichbild<br />

der deutschen, der nordrhein-westfälischen Siedlungen.<br />

Jede Siedlung für sich, auch in ihrer heutigen modernistischen<br />

Ab- und Umwandlung, ist Beleg einer Baukultur,<br />

wobei Kultur als das räumlich-zeitliche Phänomen einer<br />

Lebensweise breit aufgefasst wird. Baukultur ist die Summe<br />

aller bestehenden Teile, seien sie freistehende Einzelbauten<br />

oder ganze zusammenhängende Siedlungsstrukturen. Wie<br />

jeder Bestand bedürfen auch sie der Pflege, sie sind, ohne<br />

jegliche qualitative Bewertung ihrer einzelnen gestalterischen<br />

Erscheinung, die Grundlage der heutigen Kulturlandschaft.<br />

Gestaltqualität<br />

Verspüren wir in Bezug auf die einen oder anderen Teile der uns umgebenden<br />

Baukultur Unbehagen, so kann dieses Gefühl durch die mangelnde<br />

Integrität gewisser Bereiche der Baukultur wie auch einzelner Objekte<br />

gespeist sein. Mangelnde Integrität wird zum Beispiel im städtebaulichen<br />

Kontext durch die beziehungslose Anhäufung von Solitären sichtbar.<br />

Gestaltqualität zeichnet sich durch den Einklang zwischen bewusster Intention,<br />

die einer Gestaltung innewohnen soll, und ihrer materiell-physischen<br />

Verwirklichung aus. Jedem Bauwerk liegt eine Intention zu Grunde, es<br />

erfüllt eine Absicht, es regelt gesellschaftliche und kulturelle Beziehungen.<br />

Ein Bauwerk tut dies durch seine materiell-physische Anwesenheit.<br />

Mit unseren Bauwerken, eigentlich mit jedem Werk, errichten wir so einzelne<br />

Teile eines gesamten Kulturraumes. Oder, wie Martin Heidegger es<br />

zusammengefasst hat: „Werksein heißt: eine Welt aufstellen.”<br />

(Heidegger 1960).<br />

Wir projizieren selbst durch das kleinste Werk unsere individuellen Vorstellungen<br />

jener Welt, in der dieses Werk sich eingliedert. Dagobert Frey,<br />

der Wiener Kunsthistoriker, hat diese Projektion eines sich eingliedernden<br />

Werks als Ausdruck eines vom Werkschaffenden bestimmten Realitätscharakters<br />

bezeichnet (Frey 1946).<br />

Jedes Werk fügt sich demnach einerseits in einen Kontext ein, es hat aber<br />

ebenfalls die Kraft, diesen Kontext, wie umfangreich auch immer, sowohl in<br />

seiner physischen Anwesenheit als auch in seiner inhaltlichen, ideellen<br />

Absicht zu verändern.<br />

Jedes Werk, auch jedes Bauwerk, nimmt Stellung zu aktuellen Bedingungen<br />

und schafft gleichzeitig die materielle Grundlage für eine Veränderung, wie<br />

umfangreich oder gering diese auch nach dem tatsächlichen physikalischen<br />

Ausmaß des Bauwerks sein mag und wie kraftvoll es den Benutzer oder<br />

Betrachter auch in dessen kultureller, geistiger Vorstellungskraft beeinflussen<br />

mag.<br />

Mit dem Einfügen in ein bestehendes Umfeld handelt der Werkschaffende<br />

vordergründig verantwortungsvoll gegenüber den materiellen wie kulturellen<br />

Wertevorstellungen.<br />

Über die Bedienung des materiellen und kulturellen Vordergrunds hinaus,<br />

drückt ein Werk aber noch etwas aus. Es stellt sich in eine Reihe von ähnlichen<br />

Werken des gleichen Typs und bildet so ein Glied in einem Diskurs<br />

über diese Werke und, noch grundsätzlicher, über das gemeinsame Wesen<br />

13


dieser Werke. Vorausgesetzt der Betrachter verfolgt diesen Diskurs, lässt<br />

sich das Werk so von jedem Betrachter diskursiv „lesen” und vergleichen.<br />

Wir können also, jeder von uns, die großen und kleinen Diskurse im Bauwesen<br />

verfolgen: sei es der Wettkampf der gotischen Kathedralen um Höhe<br />

und Zierlichkeit ihrer Teile oder jener Wettkampf der Hochhäuser unserer Zeit;<br />

sei es die Suche nach geeigneten Brückenkonstruktionen; seien es die zahlreichen<br />

Beispiele des modernen Wohnens im freistehenden Einfamilienhaus.<br />

Jeder Beitrag zu dem einen oder anderen Diskurs lässt sich also von jedem<br />

interessierten Betrachter lesen, vergleichen und dadurch auch bewerten.<br />

Die Gestaltqualität eines jeden Werkes erschließt sich also durch das vergleichende<br />

Betrachten von seinen Intentionen bis hin zu seiner materiellphysischen<br />

Erscheinung.<br />

Jedes Werk besteht aus einem oder mehreren Stoffen; jedes Bauwerk besteht<br />

aus Baumaterialien. Sie werden zu einer Form gefügt. Das Fügen der<br />

stofflichen Teile zu einer Gesamtgestalt kann so erfolgen, dass jede Fuge<br />

zwischen den Teilen erkennbar ist. In der Fuge erkennt der Betrachter die<br />

Fertigkeit, ja die Kunstfertigkeit des Werks.<br />

Jede Fuge, die erkennbar ist, kann den eingesetzten Materialien entsprechen.<br />

Man spricht dann von der materialgerechten Fuge. Nehmen wir das<br />

Gesamtgefüge der einzelnen Teile, der Stoffe, der Baumaterialien, so können<br />

wir insgesamt von der Werkgerechtheit sprechen, also nicht nur der gerechten<br />

Anwendung der Materialien und der Technik, sondern gesamtheitlich<br />

betrachtet, gegenüber der Gesamterscheinung des Werks.<br />

Werkgerechtheit können wir auch mit dem Grad der Angemessenheit aller<br />

eingesetzten Mittel, der physischen als auch der geistigen Mittel, in Verbindung<br />

bringen. Wenn ein Werk sich einem Betrachter erschließt, wenn es<br />

in seinen Teilen wie in seinem Ganzen einer Werkgerechtheit entspricht,<br />

erkennt der Betrachter eine Übereinstimmung zwischen der Fügung der<br />

Teile und der Gesamtgestalt.<br />

In der materiellen Gestaltung, im Gefüge der Teile, lässt sich also die innere<br />

Schlüssigkeit erkennen, wir können hier von der Logik der Formgestaltung<br />

sprechen, also von der dem Werk eigene Morphologie. Über diese innere<br />

Logik der Formgestaltung hinaus, die sich durchaus auch von Laien „lesen”<br />

lässt, besteht eine äußere Logik zum Sinn und Zweck des Werks.<br />

14<br />

Denn jedes Werk entsteht aus einem Grund. Es fügt sich in<br />

ein bestehendes Umfeld ein und stellt eine Antwort auf die<br />

materiellen wie kulturellen Wertevorstellungen dar. Jedes<br />

Werk dient einem Zweck. Dem einzelnen Bauwerk kann<br />

meistens dieser Zweck abgelesen werden. Wir verstehen<br />

den Grund seines Daseins.<br />

Zwischen dem Grund des Daseins eines Werks und seiner<br />

Absicht eine Welt aufzustellen, einen Realitätscharakter auszudrücken,<br />

kann ein Spannungsverhältnis bestehen wie<br />

beim Verhältnis zwischen dem Müssen und Wollen jeder<br />

menschlichen Tat. Alois Riegl sprach bekanntlich in diesem<br />

Bezug vom „Kunstwollen” (Riegl 1893/1985).<br />

In der Weise, in der dieses Spannungsverhältnis einer Werkgestaltung<br />

nun gelöst wird, dass weder das Müssen noch<br />

das Wollen ungleichgewichtig zum Vorschein treten, sondern<br />

in der diese Spannung in einen dritten Zustand zusammen<br />

geführt wird, der auch Unerwartetes beinhalten kann,<br />

wird eine eigenständige Synthese erlangt: Das ist die ablesbare,<br />

erkennbare, verständliche Qualität einer gebauten<br />

Synthese, nach der die Werkschaffenden streben.<br />

Sprechen wir einerseits von der Werkgerechtheit im morphologischen<br />

Sinn, so können wir andererseits von der<br />

Übereinstimmung, der Integrität zwischen dem Werk und<br />

dem Daseinsgrund sprechen. In dieser Übereinstimmung<br />

ruht was Heidegger als „Wahrheit” definiert hat: „Wahrheit<br />

bedeutet heute und seit langem die Übereinstimmung der<br />

Erkenntnis mit der Sache.” (Heidegger 1960).<br />

Gestaltqualität im Bauwerk umfasst also zunächst die innere<br />

Logik der Formgestaltung, dessen Bezug zum Daseinsgrund,<br />

und darüber hinaus dessen Lösung des Spannungsverhältnisses<br />

zwischen Müssen und Wollen, zwischen Funktionalität<br />

und ideellem-kulturellem Anspruch, zwischen Erkenntnis<br />

und Sache.<br />

Die Qualität eines Bauwerks offenbart sich jedem Betrachter,<br />

so dieser sich mit dem entsprechenden Diskurs auseinandergesetzt<br />

hat. Jeder so geübte Betrachter ist im Stande,<br />

den Grad der Wahrheit eines Bauwerks abzulesen.


Gestaltqualität der Baukultur<br />

Jeder Baugrund ist einmalig, aber nicht jeder Grund zum<br />

Bauen ist es ebenfalls. Die Integrität zwischen Ort und Werk<br />

muss gestaltet werden, sie entsteht nicht von selbst. Zwischen<br />

der Einmaligkeit des Baugrunds und der möglichen<br />

Beliebigkeit des Grunds zum Bauen besteht ein Spannungsverhältnis<br />

eines Müssens und Wollens. Erst eine von vielen<br />

geteilte Haltung zu diesem Spannungsverhältnis stellt die<br />

Grundlage einer breiten Baukultur her.<br />

Mit gesteigertem Interesse an der gebauten Umwelt, mit<br />

zunehmender Wertschätzung einzelner Bauten durch Anteilnahme<br />

an deren Pflege kann die Erscheinungsvielfalt der<br />

Baukultur breit gefächert sein, ohne dass es zu einem mangelnden<br />

Verständnis für diese Vielfalt käme.<br />

So wie jeder Baugrund einmalig ist, so dauert jedes Bauwerk<br />

seine Zeit. Neben finanziellen und bauphysiologischen<br />

Aspekten bestimmen der Grad einer öffentlichen Anteilnahme<br />

an einem symbolträchtigen Bauwerk wie die immanente<br />

Qualität einer denkmalwürdigen Gestaltung die Dauer des<br />

Bestehens eines Bauwerks.<br />

Die gebaute Umwelt setzt sich aus vielen Teilen zusammen,<br />

wobei manches Teil eine hohe Gestaltqualität aufweist, aber<br />

nicht jedes einzelne Teil einmalig sein muss oder auch einen<br />

Anspruch auf dauerhaften Bestand erhebt. Die Baukultur<br />

einer Region ist somit vielfältig, was Qualität, Einzigartigkeit<br />

und Bestandsdauer angeht. Jede Region besteht aus einer<br />

derartigen Baukultur; die Einzigartigkeit der einen oder<br />

anderen regionalen Baukultur hängt aber nicht alleinig von<br />

den einzelnen Bauten hoher Gestaltqualität ab, sondern<br />

vom Grad der Integrität der Teile zueinander wie auch zum<br />

Ganzen. Eine prägnante regionale Baukultur entsteht durch<br />

die übergeordnete Identität mit einem Ort, als Ausdruck<br />

einer von vielen geteilten Haltung zum Spannungsverhältnis<br />

zwischen Ort und Werk.<br />

Somit kann die gebaute Umwelt die bestimmende Grundlage<br />

einer unverwechselbaren Kulturlandschaft sein; sie<br />

ist es, die zur Identität eines Orts, einer Landschaft, einer<br />

Region beitragen kann.<br />

Baukultur wird allen vererbt, anonym verschenkt. Neben der<br />

Natur ist die Baukultur in ihrer Ganzheit von unermesslichem<br />

Wert. Pflegen wir sie, nehmen wir Anteil, erwerben wir<br />

Kenntnisse, überwinden wir so langfristig die dreifachen<br />

Verluste der letzten Jahrhunderte durch Erhalt und Zeugung<br />

bedeutender Bauwerke jedes Mal, wenn sich erneut die<br />

Chance dazu ergibt.<br />

Literatur<br />

Heidegger, M.: Der Ursprung des Kunstwerkes. Stuttgart 1960, S. 44<br />

Frey, D.: Der Realitätscharakter des Kunstwerks.<br />

in Kunstwissenschaftliche Grundfragen: Prolegomena zu einer Kunstphilosophie.<br />

Wien 1946, S. 107 ff.<br />

Riegl, A.: Stilfragen. Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik.<br />

(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1893) München 1985<br />

15


Frank Roost<br />

Der Einfluss virtueller Bilderwelten auf das architektonische und planerische<br />

Schaffen schien lange Zeit nur die in sich geschlossenen Unterhaltungseinrichtungen<br />

amerikanischer Provenienz wie Themenparks oder Urban Entertainment<br />

Center zu betreffen. Die zunehmende Ausrichtung der Innenstädte<br />

auf die Konsum- und Freizeitbedürfnisse suburbaner wie internationaler<br />

Besucher und das verstärkte Interesse an städtischen Räumen mit traditionellen<br />

urbanen Qualitäten führen jedoch dazu, dass auch die Gestaltungsstrategien<br />

für die Stadtzentren immer häufiger von Inszenierungen geprägt<br />

sind, die sich die kommerziell erfolgreichen, aber baukulturell umstrittenen<br />

Erfahrungen der Vergnügungsindustrie zunutze machen.<br />

Um nachzuvollziehen, wie sich im Zeitalter der multimedialen Kommunikation<br />

die Grenzen zwischen Unterhaltung und Hochkultur im Bauwesen auflösen,<br />

sind die Rahmenbedingungen dieses Prozesses mit zu betrachten.<br />

Im Folgenden werden deshalb zunächst die Zielgruppen der postmodernen<br />

Stadtproduktion benannt und ihre vermeintlichen Bedürfnisse, die zu der<br />

verstärkten Orientierung am Bildhaften in der Planung führen, skizziert.<br />

Auf dieser Grundlage kann dann analysiert werden, warum die Entertainmentkonzerne<br />

in den USA bei dieser Restrukturierung der Städte ihre Erfahrungen<br />

aus dem Bau von Themenparks gewinnbringend einsetzen können<br />

und inwiefern auch einige der wichtigsten Großprojekte, die in den letzten<br />

<strong>Jahre</strong>n in der Bundesrepublik realisiert wurden, von solchen Prinzipien<br />

geprägt sind.<br />

16<br />

Neue Bilderwelten und alte Mythen<br />

Images in der Stadtproduktion<br />

Die wachsende Bedeutung von Images<br />

Im Zuge des Strukturwandels von der Industriegesellschaft<br />

zu einer nachmodernen Dienstleistungsgesellschaft hat die<br />

ökonomische und soziale Bedeutung von Freizeit- und Einkaufsaktivitäten<br />

zugenommen und zu einer verstärkten Ausrichtung<br />

der Stadtproduktion auf die Bedürfnisse von Touristen<br />

und Konsumenten geführt. Zielgruppe der neuen<br />

Unterhaltungs- und Shoppingangebote sind sowohl Stadtbewohner<br />

und Suburbaniten, die das Zentrum für Kurzbesuche<br />

nutzen, als auch Touristen, die zumeist aus dem Inland,<br />

in größeren oder reizvollen älteren Städten, aber auch aus<br />

dem Ausland kommen. Neben den traditionellen Gruppenreisenden<br />

und Touristenfamilien gewinnen dabei auch<br />

intensiv konsumierende Jugendliche, hochmobile Bildungsbürger<br />

und aktiv bleibende Senioren immer mehr an Bedeutung.<br />

Als Rahmen für ihre Freizeitaktivitäten bevorzugen die<br />

Besucher ein Ambiente mit historischen Motiven, da an<br />

diesen Orten einerseits ihr kultureller Anspruch nach besonderen<br />

baulichen Qualitäten erfüllt wird und andererseits<br />

erwartungsgemäß ein breites Angebot an Freizeitmöglichkeiten<br />

und Gelegenheiten zu sozialen Kontakten zur Verfügung<br />

steht.<br />

Im Rahmen dieser Entwicklung steigt auch die Zahl shopping-<br />

und unterhaltungsorientierter innerstädtischer Großvorhaben,<br />

die auf die Bedürfnisse von Konsumenten und<br />

Touristen zugeschnitten sind. Unabhängig von den konjunkturellen<br />

Schwankungen der Nachfrage im Freizeitsektor,<br />

beispielsweise dadurch, dass einzelne Angebote wie Musicaltheater<br />

nach einiger Zeit ihren Neuheitscharakter verlieren<br />

und nicht mehr mit der gleichen Aufmerksamkeit rechnen<br />

können, sind in diesem Bereich immer wieder neue Impulse


zu verzeichnen. So etablieren sich derzeit neben den traditionell<br />

für die Innenstadtentwicklung wichtigen Einzelhandels-<br />

und Unterhaltungskonzernen auch die Konsumgüterhersteller<br />

wie Sony oder Volkswagen als Anbieter von<br />

urbanem Entertainment und nutzen die Städte als<br />

Bühne, um ihre Produkte werbewirksam zu präsentieren.<br />

Dabei beschränken sie sich längst nicht mehr auf temporäre<br />

Maßnahmen wie Plakate oder Events, sondern investieren<br />

zunehmend in permanente, „Brand Lands“ genannte Einrichtungen,<br />

die als Bauten das Stadtbild mitprägen.<br />

Von dieser dreidimensionalen Form der Markenwerbung<br />

erhoffen sich die Konzerne eine Kundenloyalität, die langfristig<br />

zu Profiten führt, denn die Besucher sollen das positive<br />

Image des trendsetzenden touristischen Standortes auf<br />

die beworbene Marke übertragen und dann bei späteren<br />

Kaufentscheidungen die entsprechenden Produkte bevorzugen.<br />

Diese Form der imageorientierten Wertschöpfung wird<br />

im Zuge der Globalisierung immer wichtiger, weil die konkurrierenden<br />

Konsumgüterhersteller ihre Produktion zu denselben<br />

Zulieferern in Niedriglohnländern auslagern, so dass<br />

die Unterschiede zwischen den verschiedenen Produkten<br />

häufig nur noch im Design, in der Werbekampagne und im<br />

Markenimage bestehen. Durch die zunehmende telekommunikative<br />

Vernetzung erhalten solche mit massivem multimedialen<br />

Werbeaufwand durchgeführten Strategien noch<br />

einen weiteren Bedeutungszuwachs. Als Bindeglied zwischen<br />

globalisiertem Produktionsprozess, konsumorientierter<br />

Freizeitgestaltung und medial vermittelter Lebensstilinszenierung<br />

kommt der Imagekreation deshalb eine zentrale<br />

Funktion in der postindustriellen Gesellschaft zu, die sich<br />

mit den Brand Lands auch einen baulich-räumlichen Ausdruck<br />

verschafft.<br />

Doch nicht nur das Handeln der Unternehmen, sondern auch das der politischen<br />

Akteure ist von einer wachsenden Imageorientierung geprägt. Angesichts<br />

immer stärker eingeschränkter fiskalischer Handlungsspielräume,<br />

zunehmend heterogener Interessen verschiedener Bevölkerungsgruppen<br />

und der steigenden Bedeutung der Fremdenverkehrs- und Freizeitwirtschaft<br />

erscheinen der Lokalpolitik Projekte, die ein leicht wiedererkennbares Image<br />

produzieren, als eine der vielversprechendsten Möglichkeiten, Mehrheiten<br />

zu binden, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und wachstumsorientiert<br />

zu planen. Hinzu kommt die im Zuge von Deregulierung und Globalisierung<br />

drastisch verschärfte Standortkonkurrenz auf regionaler, nationaler und<br />

internationaler Ebene. Das daraus resultierende Ziel der Lokalpolitik, die<br />

Stadt als geeigneten Unternehmensstandort zu positionieren, beeinflusst<br />

das planerische Handeln auf der lokalen Ebene und führt dazu, dass die<br />

städtebaulichen Nutzungskonzepte und die architektonische Gestaltung auf<br />

die vermeintlichen Bedürfnisse von Investoren und neuen Dienstleistungseliten<br />

ausgerichtet werden.<br />

Angesichts dieser veränderten Rahmenbedingungen ist die nachmoderne<br />

Stadtproduktion, wie Harald Bodenschatz festgestellt hat, durch eine<br />

„Inszenierung von Innovation und Tradition“ geprägt, mit der gleichzeitig<br />

wachstumsorientierte Handlungsfähigkeit demonstriert, architektonische<br />

Sensationseffekte hervorgerufen und touristisch wie kommerziell erfolgreiche<br />

urbane Räume produziert werden sollen (Bodenschatz 2005). Solche<br />

den Lebensstilen der Beschäftigten in modernen Dienstleistungsbranchen,<br />

den kulturhungrigen Touristen und den konsumorientierten Kurzbesucher<br />

gleichermaßen entgegenkommende Strategien sind vor allem dann erfolgreich,<br />

wenn sie bereits bestehende Images und Mythen aufgreifen und sie<br />

in einer leicht wiedererkennbaren und kommerziell verwertbaren Form weiterentwickeln.<br />

Eine der wichtigsten Formen der urbanen Inszenierung sind<br />

deshalb Projekte, bei denen ältere Gebäude rekonstruiert oder Anspielungen<br />

auf historische urbane Situationen verwendet werden und bei denen<br />

diese Eigenschaft dann mittels multimedialer Kampagnen einem touristischen<br />

Massenpublikum vermittelt wird.<br />

17


Mediale Aufbereitung urbaner Mythen<br />

Die Bedeutung historischer Anknüpfungspunkte lässt sich gut am Beispiel<br />

des größten privatwirtschaftlichen Projekts der letzten <strong>Jahre</strong> in Berlin, dem<br />

Potsdamer Platz, verdeutlichen. Um dem Bauvorhaben eine besondere Aura<br />

zu verleihen, wurde von den Investoren die Legende vom einst verkehrsreichsten<br />

Ort Europas reanimiert, der Potsdamer Platz zum angeblichen<br />

Herz der Stadt erklärt und das Projekt zum vermeintlichen Gewinner eines<br />

in Wirklichkeit gar nicht existierenden Wettbewerbs um den Status als größte<br />

Baustelle des Landes ausgerufen. Obwohl weder der Umstand, dass der<br />

Platz in den 1920er <strong>Jahre</strong>n verkehrstechnisch ungenügend ausgestattet<br />

war, noch seine einstige Lage in Mauernähe und erst recht nicht die schiere<br />

Dimension des Projekts die Qualität eines Bauvorhabens garantieren können,<br />

wurden diese Eigenschaften zu den Kernaussagen einer jahrelangen<br />

multimedialen Werbekampagne. Denn diese Mythen wurden schon in der<br />

Bauphase in der Infobox einem Massenpublikum vermittelt und dabei die<br />

immer gleichen Fotos des Platzes aus den 1920er <strong>Jahre</strong>n, der großen Baustelle<br />

mit den Kränen und der beteiligten internationalen Architekten solange<br />

präsentiert, dass sie heute zum Bildungskanon der meisten Berliner und<br />

Besucher gehören.<br />

Das tatsächlich realisierte Bauprogramm steht aber in krassem Gegensatz<br />

zur ursprünglichen Idee, am Potsdamer Platz ein Gebiet mit traditionellen<br />

urbanen Qualitäten zu schaffen. Denn obwohl, um vermeintliche Charakteristika<br />

der europäischen Stadt widerzuspiegeln, den Vorschlägen der Masterplaner<br />

Hillmer und Sattler entsprechend auf allzu hohe Türme verzichtet<br />

und stattdessen in blockartigen Strukturen gebaut werden sollte, gelang es<br />

nicht, ein vielfältiges Stadtquartier mit einer kleinteiligen Struktur zu schaffen.<br />

Stattdessen entstand mit dem Sony Center ein Brand Land japanischer<br />

Herkunft und mit dem Quartier DaimlerChrysler ein Entertainment-, Ein-<br />

18<br />

kaufs- und Bürokomplex amerikanischen Typs, der dann mit<br />

städtebaulichen Reminiszenzen an traditionelle europäische<br />

Städte umrahmt wurde. So fungiert die baumbestandene<br />

alte Potsdamer Straße als ein Pseudo-Boulevard, der nach<br />

wenigen hundert Metern endet. An seinem nördlichen Ende<br />

wird mit der Rekonstruktion einer historischen Verkehrsampel<br />

auf die 1920er <strong>Jahre</strong> Bezug genommen. Am Südende<br />

dagegen wurde – als Hommage an dieselbe Epoche – die<br />

Schlichtvariante eines Stadtplatzes nach Marlene Dietrich<br />

benannt. Dort sind auch zwischen den Bürobauten schmale<br />

Treppen angelegt worden. Zwar führen sie nur in Sackgassen,<br />

in denen sich die Müllcontainer befinden, beim touristischen<br />

Betrachter sollen sie aber diffuse Erinnerungen an die<br />

Gassen mediterraner Orte wecken.<br />

Mit dieser Collage von klassischen städtischen Motiven soll<br />

dem Potsdamer Platz ein einzigartiges Metropolen-Image<br />

gegeben werden, obwohl die vorhandenen Nutzungen wie<br />

McDonald’s oder Cinemaxx kaum als besondere Attraktion<br />

gelten können, die es nicht auch in den Städten gäbe, aus<br />

denen die Besucher kommen. Auch wenn die Gestaltung<br />

also keine wirkliche urbane Vielfalt generiert, trägt sie aber<br />

dazu bei, ein Image zu schaffen, mit dem der Ort als touristische<br />

Destination erfolgreich beworben werden kann. So<br />

wird das von den Nutzungen her durchschnittliche kommerzielle<br />

Viertel bei Touristen als angebliche Metropole und<br />

als Wiederauferstehung traditioneller urbaner Qualitäten<br />

vermarktet, ohne dass diese in DaimlerChryslers und Sonys<br />

Brand Lands wirklich zu finden sind.


Theming als Legitimationsstrategie<br />

Multimedial kommunizierte urbane Mythen und die Verwendung<br />

historisierender Zitate dienen aber nicht nur als<br />

Vermarktungsinstrument, sondern können, wie das Beispiel<br />

des Times Square zeigt, auch als Legitimationsstrategie für<br />

Stadterneuerungsprojekte eingesetzt werden. Federführend<br />

bei der Renaissance des einst als kriminell verschrienen<br />

New Yorker Vergnügungsviertels war die Walt Disney<br />

Company, und das familienfreundliche Image des Konzerns<br />

diente dabei als Leitstern und Schutzschild der Touristen<br />

und Vorortbewohner, die das Quartier vorher lange Zeit<br />

gemieden hatten. Angesichts öffentlicher Kritik an einer<br />

möglichen kulturellen Homogenisierung versuchte der<br />

Disney-Konzern seine Version des Times Square in der<br />

Öffentlichkeit als die bestmögliche Lösung zu präsentieren,<br />

und dabei spielte die Architektur eine herausragende Rolle.<br />

Denn die neuen Entertainmenteinrichtungen sind nach<br />

Gestaltungsprinzipien entworfen worden, die auf das Aussehen<br />

des Vergnügungsviertels in der ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts Bezug nehmen. Der beauftragte Robert<br />

A.M. Stern, Architekt und Mitglied des Disney-Aufsichtsrats,<br />

hatte bei seinen Umbauvorschlägen von Anfang an betont,<br />

dass die äußerlichen Merkmale, die den Times Square seit<br />

Beginn des Jahrhunderts auszeichneten, wie die Werbetafeln und das<br />

Nebeneinander hoher und niedriger Gebäude, durch das Projekt noch<br />

stärker als bisher zum Tragen kommen sollten. Mit diesem Konzept erreichte<br />

der Architekt, dass der heutige Times Square nach seiner Neubebauung<br />

zwar eine aus Disneyland bekannte Form von Entertainment und Sicherheit<br />

bietet, gleichzeitig aber durch die gestalterische Bezugnahme auf die Vergangenheit<br />

des Ortes dem Betrachter ein Gefühl von großstädtischer Vielfalt<br />

vermittelt.<br />

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet der Disney-Konzern eine solche Herangehensweise<br />

liefert, denn es ist eben diese Kombination aus Abwechslung<br />

und Wiedererkennbarkeit, die schon den Disney-Themenparks zugrunde<br />

liegt. Wie Sharon Zukin dargestellt hat, ist Disneyland vor allem eine dreidimensionale<br />

Collage von Motiven wie dem Wilden Westen, dem europäischen<br />

kulturellen Hintergrund oder der Kleinstadt der Ostküste, die für das<br />

kollektive Gedächtnis der weißen Mittelschicht konstituierend sind (Zukin<br />

1995). Die Fähigkeit, solche Elemente in eine leicht wiedererkennbare und<br />

konsumierbare Form zu bringen, war die Basis für Disneys Aufstieg zum<br />

Weltkonzern – und eben diese Gestaltungsmethode wird nun auch im<br />

Stadtplanungsbereich angewendet. Dabei wird die Geschichte eines Ortes<br />

auf einen Mythos reduziert und dann als Bild reproduziert, um ein neues<br />

Projekt zu legitimieren, das vor allem der touristischen Attraktivität und<br />

damit dem Unterhaltungskonzern selbst dient.<br />

19


20<br />

Multimediales Marketing<br />

Da die Walt Disney Company mittlerweile aber nicht nur der<br />

erfolgreichste Vergnügungsparkbetreiber, sondern auch<br />

der zweitgrößte Medienkonzern der Welt ist, zu dem auch<br />

zahlreiche Fernsehsender und Hollywood-Studios gehören,<br />

nutzt er seinen medialen Einfluss auch dafür, seinen Stadtplanungsprojekten<br />

von Anfang an größtmögliche Aufmerksamkeit<br />

zu sichern. So werden zahlreiche TV-Sendungen<br />

des zum Konzern gehörenden Fernsehkanals ABC in einem<br />

neuen gläsernen Studio am Broadway produziert, in dem<br />

der Times Square ständig als Hintergrund zu sehen ist.<br />

Auf diese Art und Weise kann der Ort in den Köpfen der<br />

Zuschauer wieder als potentielles Kurzurlaubsziel verankert<br />

werden. Außerdem brachte eine andere Disney-Tochterfirma<br />

zeitgleich mit der Eröffnung der neuen Entertainmenteinrichtungen<br />

den Kinofilm „Jungle to Jungle“ heraus, der wie<br />

eine Werbung für einen Familienausflug nach New York<br />

wirkt und in den Szenen integriert wurden, mit denen ein<br />

Aufenthalt am Times Square nahe gelegt wurde. Darüber<br />

hinaus baute Disney sogar in dem zur selben Zeit auf den<br />

Markt gebrachten Zeichentrickfilm „Hercules“ einige Szenen<br />

ein, mit denen das Times-Square-Projekt beschrieben wurde<br />

(Roost 2005). Wenn diese in den Filmen versteckten Hinweise<br />

auch nur bei einem Bruchteil der Millionen von<br />

Zuschauern ihre Wirkung entfalten, wird es sich für den<br />

Konzern bereits günstig auf die Besucherzahlen seiner Entertainmentcenter<br />

am Times Square auswirken.<br />

Der von John Urry beschriebene, dem touristischen Blick<br />

zugrunde liegende hermeneutische Kreis, demzufolge ein<br />

Reisender zu Hause Bilder einer Sehenswürdigkeit wahrnimmt,<br />

sie sich merkt und dann dorthin reist, nur um von<br />

eben dieser Sehenswürdigkeit ein genau gleiches Foto zu<br />

machen und so seine Anwesenheit vor Ort zu dokumentieren<br />

(Urry 1990), wird damit am Times Square von Disney vollkommen<br />

beherrscht. Denn in diesem Falle werden die Vorstellungen<br />

darüber, wie die Stadt aussehen soll, von Disney<br />

beeinflusst und zu Wunschbildern verarbeitet, die dann in<br />

den Stadtplanungsprojekten des Konzerns ihre Erfüllung<br />

finden. Mit seiner Methode, die hauseigenen Medien zu<br />

nutzen, um Besucher an den Times Square zu locken, sind<br />

Disneys Projekte das wohl deutlichste Beispiel dafür, wie<br />

groß der Einfluss der virtuellen Bilderwelten auf den urbanen<br />

Tourismus und damit auch auf Architektur und Stadtplanung<br />

bereits ist.


Die Vielgestaltigkeit der thematisierten Stadt<br />

Der Einfluss der medialen Kommunikation bleibt aber nicht<br />

auf Projekte mit historisierender Architektur beschränkt.<br />

Da für viele Konzerne mittlerweile die Publikumswirksamkeit<br />

des Corporate Image das eigentlich gewinnbringende Produkt,<br />

die Hardware dagegen nur noch sekundär ist, drückt<br />

sich der aus der Mediatisierung der Gesellschaft resultierende<br />

Wandel der ökonomischen Wertschöpfung nicht nur im<br />

Scheinhaften der postmodernen Fassadenproduktion der<br />

Disney-Architektur von Michael Graves oder Robert A.M.<br />

Stern aus, sondern auch in anderen gestalterischen Versuchen,<br />

Aufmerksamkeit zu erhaschen. Wie Georg Franck<br />

argumentiert, lässt sich deshalb die Verschmelzung von<br />

ernsthaften und unterhaltenden Elementen in der Baukultur<br />

im Zeitalter der multimedialen Kommunikation in gewisser<br />

Weise auch bei den Meistern der Selbstdarstellung wie<br />

Daniel Libeskind oder Peter Eisenman erkennen, denn deren<br />

Dekonstruktivismus distanziert sich zwar vom Kitsch der<br />

Unterhaltungsindustrie, unterscheidet sich aber bezüglich<br />

des Grades der multimedialen Inszenierung kaum von diesem<br />

(Franck 2001).<br />

Literatur<br />

Bodenschatz, H.: Renaissance der Mitte.<br />

Zentrumsumbau in London und Berlin. Berlin 2005<br />

Franck, G.: „Medienästhetik und Unterhaltungsarchitektur“.<br />

in Bittner, R. (Hg.): Urbane Paradiese – zur Kulturgeschichte modernen<br />

Vergnügens. Frankfurt / New York 2001<br />

Roost, F.: „Synergy City – How Times Square and Celebration are<br />

Integrated into Disney’s Marketing Cycle”.<br />

in Budd, M. (Hg.): Rethinking Disney – Private Control and Public Dimensions.<br />

Middletown, CT 2005<br />

Urry, J.: The Tourist Gaze. Leisure and Travel in Contemporary Societies.<br />

London 1990<br />

Zukin, S.: Landscapes of Power: From Detroit to Disney World.<br />

Berkeley, CA 1991<br />

So betrachtet lassen sich die meisten der durch die Inszenierung von Tradition<br />

und Innovation charakterisierten Großprojekte von Berlin über Wolfsburg<br />

bis Bilbao als Produkte einer multimedial kommunizierten Vermarktungsstrategie<br />

begreifen, denn solche unter dem Begriff des „Flagship<br />

Planning“ diskutierten Bauvorhaben erfüllen vor allem den Zweck, Beachtung<br />

zu erzeugen und damit dem Projekt selbst ebenso wie der Stadt Aufmerksamkeit,<br />

ein positives Image und letztlich möglichst viele Besucher zu<br />

verschaffen. Insofern ist der Einfluss der medialen Kommunikation auf das<br />

architektonische und planerische Schaffen unabhängig von der Stilrichtung,<br />

er lässt sich bei den historisierenden Projekten nur besonders deutlich erkennen.<br />

Die weitere Diskussion über die Bedeutung der virtuellen Bilderwelten<br />

für die Baukultur sollte deshalb auch nicht bei Stilfragen verharren, sondern<br />

vor allem die Prozesse der Mythenbildung nachvollziehen und analysieren,<br />

inwiefern die Bildhaftigkeit mit dem Einfluss medialer Macht verbunden ist<br />

und für die Legitimation von umstrittenen stadtstrukturellen Maßnahmen<br />

eingesetzt werden kann.<br />

21


Frauke Burgdorff<br />

Es gibt keine eindeutigen Regeln, keinen handhabbaren Kriterienkatalog für<br />

gute Architektur. Vor allem der Stil von Gebäuden entwickelt sich – wie in<br />

den vorangegangenen Artikeln deutlich wurde – über die Generationen hinweg<br />

aus regionalen und internationalen Vorbildern, aus dem Anspruch, das<br />

Außergewöhnliche zu markieren und dem Alltäglichen etwas Besonderes zu<br />

geben.<br />

Und doch hat sich die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> der Verbesserung der<br />

Gestalt unserer gebauten Umwelt angenommen. Denn ihre Erscheinungsform<br />

trägt ganz wesentlich dazu bei, wie sich die Bewohner einer Stadt<br />

oder einer Region mit ihrem Ort identifizieren, wie intensiv ihre Beschäftigung<br />

mit ihrer Stadt und deren Veränderungen ist und wie verantwortungsvoll<br />

sie mit den Räumen, die sie alltäglich nutzen, umgehen.<br />

Dabei ging es vor allem darum, die so genannte „Gebrauchsarchitektur“<br />

ins Zentrum zu rücken und hier Vorbilder für hervorragende Umsetzungen<br />

zu sammeln und zu präsentieren. Denn der alltägliche Nutzen von guter<br />

Gestaltung wird dort offensichtlich, wo das Betreten von Gebäuden ganz<br />

selbstverständlich zu einem qualitätvollen Erlebnis wird, wo Gebäude und<br />

Orte nicht „verbraucht“ sondern „gebraucht“ werden und wo sie mit ihrer<br />

eigenen Erscheinungsform einen wichtigen Beitrag zur Ergänzung des<br />

Stadtbildes leisten.<br />

Da es nicht Aufgabe der Initiative ist, neue Gebäude zu errichten, sondern<br />

Kommunikation für eine Verbesserung der Baukultur in Nordrhein-Westfalen<br />

zu initiieren und zu unterstützen, hat sie die bereits gebauten Vorbilder<br />

für herausragendes Bauen thematisch und in einzelnen Projekten strukturiert<br />

präsentiert.<br />

22<br />

Gestalt geben<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Aufgabenfeld der Handelsbauten<br />

wurde mit der Publikation „Shopping Center<br />

Stadt“ in der „Blauen Reihe <strong>StadtBauKultur</strong>“ gestartet. Ein<br />

wichtiges Ergebnis war, dass ökonomischer Nutzen und<br />

gestalterischer Anspruch im Kundengeschäft kein Widerspruch<br />

sein dürfen, damit der Handel ein lebendiger Bestandteil<br />

des städtischen Lebens bleibt. Auch die überraschend<br />

zahlreichen und qualitätvollen Einreichungen zum<br />

„Preis für vorbildliche Handelsarchitektur“ zeigten, dass<br />

dieses Feld in Zukunft mehr Aufmerksamkeit verdient, weil<br />

gerade die Bauten des Handels maßgeblich für innerstädtische<br />

architektonische Qualitäten verantwortlich sind.<br />

In ganz anderem Maße zentral für die Gestalt unserer Städte<br />

und die alltägliche Einbindung von qualitätsvoller Architektur<br />

ist der Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen. Denn<br />

dort wo Peripherien zentrale Funktionen übernehmen und<br />

die Zentren drohen, in die Peripherie zu rücken, sind hochwertige<br />

Wohnungen und Wohnumfelder in allen Preissegmenten<br />

ganz entscheidende Erfolgsträger für die Standort-


estimmung einer Stadt in der internationalen Konkurrenz.<br />

Der „Innovationspreis Wohnungsbau“ hat ganz in diesem<br />

Sinne herausragende Entwürfe zukunftsfähiger und innenstadtnaher<br />

Wohnstandorte prämiert, die ein wichtiger Teil<br />

der ökonomischen Entwicklung des jeweiligen Gesamtstandortes<br />

sein werden.<br />

Neben Handel und Wohnen spielt das Gewerbe eine immer<br />

größere Rolle bei der Diskussion um die Gestaltung unserer<br />

Städte. Nicht selten klagen wir über die Gesichtslosigkeit<br />

der suburbanen Gebiete, die kaum Verbindungen zur Stadt<br />

ermöglichen und urbanes Leben zulassen. Mit dem Forschungsprojekt<br />

„Orte der Arbeit“ ist die Initiative StadtBau-<br />

Kultur <strong>NRW</strong> den zugrunde liegenden Mechanismen und den<br />

zukünftigen Spielräumen bei der Gestaltung von Gewerbegebieten<br />

näher gekommen. Eine wichtige Grundlage für die<br />

Verbesserung dieser baukulturell zumeist interessenlosen<br />

Nutzung ist geschaffen.<br />

Nur scheinbar im Widerspruch dazu steht die Präsentation<br />

der Ausstellung „DEUTSCHLANDSCHAFT“ in Nordrhein-<br />

Westfalen. Denn hier wurden nicht die umsatzträchtigen<br />

architektonischen Lösungen präsentiert, sondern die kleinen<br />

Eingriffe, die insbesondere in der Peripherie oder in den<br />

undefinierten Zwischenräumen unserer Städte für ein qualitätvolleres<br />

Bild sorgen können.<br />

Die „1.000 Baulücken <strong>NRW</strong>“ haben sich mit kleinen Eingriffen,<br />

dem inneren Umbau und der Pflege unserer Städte<br />

beschäftigt. Die in einem breit angelegten Bürgerwettbewerb<br />

zusammengetragenen Vorschläge für den Umgang<br />

mit den zahlreichen, kleinen und großen, nicht genutzten<br />

Zwischenräumen hat gezeigt, dass die Bewohner durchaus<br />

die baukulturellen Missstände vor Ort wahrnehmen und<br />

dass sie in der Lage sind, gleichermaßen qualitätvolle und<br />

humorvolle, dauerhafte und temporäre Lösungen für die<br />

innere urbane Weiterentwicklung vorzuschlagen.<br />

Bauen auf Zeit hat angesichts der großen gestalterischen Herausforderungen<br />

und angesichts der Schnelllebigkeit von Stilen und Formen einen besonderen<br />

Reiz. Es kann Lösungen vordenken, oder aber das Gewohnte durch<br />

neue Bilder bereichern. Dass nicht jede baukulturelle Lösung auf Dauer<br />

angelegt sein muss, wurde im Projekt „Temporäre Architektur an besonderen<br />

Orten“ erprobt. Die studentische Intervention auf dem Gustaf-Gründgens-Platz<br />

in Düsseldorf hat eindrucksvoll deutlich gemacht, wie Entwurfsqualität<br />

und partizipatorischer Anspruch auf kreative Weise miteinander<br />

verbunden werden können.<br />

Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> verbindet ihre Suche nach „Gestalt gebenden“<br />

Vorbildern natürlich auch mit dem Blick nach oben und in Richtung<br />

der großen Entwürfe, die die Trends der Zukunft formulieren. Dazu<br />

gehören insbesondere die immer wieder sehnsuchtsvoll betrachteten Hochhäuser.<br />

Der „Traum vom Turm“ hat aber neben der äußeren Erscheinung<br />

einen baukulturellen Kern, der von Ingenieuren geschaffen wird und häufig<br />

verborgen bleibt. Die Ausstellung widmete sich genau diesem Kern, den<br />

technischen Möglichkeiten und der aus Druck und Zug entstehenden Eleganz<br />

eines architektonischen Erscheinungsbildes.<br />

Und schließlich mischt sich die Initiative auch in aktuelle „Gestalt findende“<br />

Prozesse ein. Dies ist besonderes intensiv bei der Formulierung der baukulturellen<br />

Projekte im Rahmen der Bewerbung „Kulturhauptstadt 2010 –<br />

Essen für das Ruhrgebiet“ geschehen. Unterschiedlichste Projektbeteiligte,<br />

auch und vor allem solche, die scheinbar wenig an der Entwicklung von<br />

Baukultur teilhaben, haben in zwei Werkstätten grundlegende Standards<br />

und neue Ideen für die architektonische und planerische Umsetzung des<br />

Kulturhauptstadtgedankens im Ruhrgebiet erarbeitet.<br />

23


Francesca Ferguson<br />

24<br />

Deutschlandschaft<br />

Epizentren der Peripherie


Das Deutschlandschaftpanorama fand in gewisser Hinsicht<br />

bei seiner Heimkehr nach Deutschland in Nordrhein-Westfalen<br />

genau den richtigen Kontext. Als hybrider Rundblick<br />

auf eine sehr heterogene Auswahl architektonischer Projekte<br />

der letzten vier <strong>Jahre</strong> in Deutschland verschiebt diese<br />

Neuinterpretation des Panoramas bewusst den Brennpunkt<br />

auf Stadtrandlandschaften der Gegenwart: die konturlosen<br />

und ästhetisch ambivalenten Gegenden jenseits der Stadtgrenzen,<br />

die von Wohnsiedlungen durchzogenen Ballungsräume<br />

aus Lagerhallen, Einkaufszentren und Gewerbehöfen.<br />

Nach letzten Schätzungen befinden sich neben den zahlreichen<br />

ehemaligen Industrieflächen in Nordrhein-Westfalen<br />

60.000 Hektar Brachflächen, 10.000 Hektar Militärflächen<br />

und 900.000 m 2 in Shopping Malls. Ein passender Ort also<br />

für den peripheren Blick.<br />

Die anhaltende Ausuferung der Städte sowie deren zu oft<br />

unbeachteten inneren Peripherien manifestieren sich in der<br />

Ausstellung als zeitgenössischer Blick – eine Wiederkehr des<br />

dirty realism.<br />

Durch die Kombination aus diesem eher profanen Blick und<br />

der Verwendung eines klassischen, aus der Romantik gewohnten<br />

Mediums wurde ein Wechselspiel zwischen Realität<br />

und Fiktion, zwischen dem „Heimeligen” und dem Unheimlichen<br />

in der Deutschlandschaft möglich. Eine Anspielung<br />

auf das Gewohnte und Gewöhnliche und eine Zusammenführung<br />

transformativer Architekturprojekte erzeugten bei<br />

den Betrachtern des Panoramas genau die Ambivalenz und<br />

das Unbehagen, mit denen man die städtische Peripherie<br />

wahrnimmt. Mimo’s Dönerladen, Schrebergärten und sichtbar<br />

schlecht gebaute Eigenheime wurden teils mit einem<br />

Schmunzeln, teils als Irritation neben den neuen Architekturen<br />

mit entdeckt.<br />

Die zahlreichen Interviews mit den beteiligten Architekten<br />

ergaben für mich eine beeindruckende Haltung zu diesem<br />

wuchernden Terrain – nicht ohne eine gewisse Ironie hatte<br />

ich den Untertitel „Epizentren der Peripherie” verfasst, denn<br />

es ist einer Generation von Architekten und Planern in<br />

Deutschland sehr bewusst, dass man lediglich einen sehr<br />

begrenzten Einfluss auf diese Ballungsräume ausüben kann.<br />

Fertighaus-Produzenten, die Aldi/WalMart-Giganten der Konsumgesellschaft<br />

und Gewerbesteuern bestimmen viel eher<br />

die surrealen Nebeneinanderstellungen dieser Randgebiete.<br />

Um Transformationen im vor- und randstädtischen Umfeld vorzunehmen,<br />

muss man andere Sehgewohnheiten entwickeln. Julia Bolles Wilson brachte<br />

das Potenzial einer Wahrnehmungsverschiebung auf den Punkt: „Die Peripherie<br />

stellt ein zeitgenössisches Gefühl dar, in dem wir uns wohl fühlen;<br />

seine inhärenten Qualitäten bedeuten eine Art Freiheit. Es ist ein unhierarchisches<br />

Feld, in dem wir uns bewegen können, und bietet eine Anonymität,<br />

die Städte nicht mehr bieten können.”<br />

Eine Mischung aus Pragmatismus und Ironie, eine Bescheidenheit im Maßstab<br />

der in der Deutschlandschaft eingebetteten Projekte haben wir als<br />

„Architektur in homöopathischer Dosis” bezeichnet. Kulturelle Parameter<br />

und Bauvorschriften werden neu ausgelegt, Paradigmen verschoben.<br />

Architektur auf den zweiten Blick<br />

Als Fotocollage spielt das Panorama mit allen Möglichkeiten einer fotografischen<br />

Darstellung von gebauter Architektur. Wichtig war dennoch, die ausgewählten<br />

Projekte soweit wie möglich mit ihrer realen Umgebung in die<br />

Deutschlandschaft einzubetten, um die sehr präzisen Anspielungen auf den<br />

bestehenden Kontext und die gewohnten Bauformen deutlich zu machen.<br />

Statt die neuen Architekturansätze als ikonenhafte Solitäre auszustellen,<br />

wird für die Ausstellung die Fotografie als eine Art reality check und die<br />

Collage selbst als Aussage über das eher bezugslose Nebeneinander am<br />

Rande des Urbanen.<br />

Die teils subtilen, teils polemischen Umnutzungen und Umkehrungen gewohnter<br />

Baunormen und Materialien stechen aus dem Deutschlandschaftsbild<br />

hervor – verleugnen und verschönern jedoch nicht die Realitäten ihres<br />

Umfelds.<br />

Bei der Vielfalt der Themen und Ansätze, die in der Ausstellung unterzubringen<br />

waren, stellte sich in der Konzeptionsphase heraus, dass man mit einer<br />

scheinbar nahtlosen Fotocollage eine fast heile Welt präsentieren würde,<br />

eine täuschende Homogenität. Der Bruch in der Wahrnehmung – das<br />

eigentliche Ziel der Ausstellung – und das Fokussieren auf eine andere Art<br />

von Stadt erforderten einen Bruch im Panorama selbst. Somit bauten wir<br />

hinter dem Panorama eine zweite, disruptive Schicht, die als „Quellcode”<br />

in die Gestaltung eingreift: Auszüge aus dem Baugesetz sowie Hinweise<br />

auf die Pendlerpauschale und Eigenheimzulage weisen in beleuchteten Einblicken<br />

auf die oft restriktiven Bedingungen hin, mit denen jeder Architekt<br />

und Städteplaner in Deutschland konfrontiert wird.<br />

Letztendlich soll die Ausstellung zu weiteren Dialogen führen und die Wanderschaft<br />

entlang dieses etwas anderen Deutschlandbildes spielerisch-ambivalent<br />

bleiben. Die fragmentarischen Zitate aus Gesprächen und Interviews<br />

an der Sitzlandschaft deuten auf eine Auseinandersetzung mit der Peripherie,<br />

die noch lange nicht vollendet ist.<br />

25


Hartmut Miksch<br />

Sie sind allgegenwärtig und doch nimmt man sie kaum wahr: Baulücken<br />

gibt es in jeder Großstadt und in vielen kleineren Kommunen Nordrhein-<br />

Westfalens und doch führen sie ein Schattendasein. Überall in Nordrhein-<br />

Westfalen findet man Grundstücke in zentraler Lage, die – oft seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg - ungenutzt brachliegen und nicht nur ein verschenktes<br />

Nutzungspotenzial darstellen, sondern auch die Attraktivität unserer Städte<br />

massiv beeinträchtigen. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat<br />

deshalb im Rahmen der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> das Projekt<br />

„1000 Baulücken in <strong>NRW</strong>” gestartet.<br />

Erstes Ziel des Projektes ist es, die zahlreichen Lücken in unseren Städten<br />

in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dazu hat die Architektenkammer –<br />

unter aktiver Mithilfe interessierter Bürgerinnen und Bürger – zunächst<br />

in einer Internet-Bild-Datenbank weit über 1000 Baulücken in Nordrhein-<br />

Westfalen dokumentiert. Die Botschaft dieses Bilderreigens ist eindeutig:<br />

Baulücken sind Störungen im Stadtbild. Und: Jede Baulücke stellt ein städtebauliches<br />

Potenzial dar, das nicht oder nicht vollständig ausgeschöpft wird.<br />

Dabei erlebt das Leben in der Stadt gegenwärtig eine Renaissance: Nach<br />

<strong>Jahre</strong>n der immer größer werdenen Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort<br />

– jeder zweite Nordrhein-Westfale pendelt heute zwischen Wohnung<br />

und Arbeitsstätte über die Stadtgrenze hinaus – ist in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

eine verstärkte Rück-Orientierung auf urbane Zentren und ihren räumlichen<br />

Mix aus Wohn- und Arbeitsquartieren festzustellen. Die Kommunen stehen<br />

also vor der Herausforderung, künftig mehr attraktiven und citynahen<br />

Wohnraum und neue, zentrale Orte für Arbeit und Handel bereitzustellen.<br />

Die Flächen dazu sind vorhanden: Zum einen sind es die großen Konversionsflächen<br />

der abgewanderten Industrie bzw. der Bahn und Post, die – oft<br />

in zentraler Lage – für neue Nutzungen erschlossen werden können. Aber<br />

gerade auch die zumeist kleineren Baulücken stellen ein Potenzial dar, das<br />

es zu nutzen gilt. Es handelt sich in der Regel um voll erschlossene Grundstücke<br />

in funktionsfähigen Stadtquartieren, auf denen zum Beispiel attraktive<br />

Wohnungen in bester Lage oder Gastronomie- oder Einzelhandelseinrichtungen<br />

geschaffen werden können.<br />

26<br />

1000 Baulücken in <strong>NRW</strong><br />

Um überzeugende Beispiele für die Nutzung von Baulücken<br />

vorstellen zu können, hat die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen<br />

im Jahr 2003 einen offenen Ideenwettbewerb<br />

zur künftigen Nutzung dieser Potenziale in fünf ausgewählten<br />

Großstädten des Landes ausgelobt. Zur Teilnahme<br />

aufgerufen waren alle Bürgerinnen und Bürger, Architekten<br />

und Planer, Schüler und Studenten, Investoren und Interessierte.<br />

Die Ergebnisse der Wettbewerbe in Aachen, Köln, Duisburg,<br />

Essen und Dortmund waren beeindruckend. Neben<br />

der baulichen Schließung von Lücken wurden zahlreiche<br />

temporäre Nutzungen vorgeschlagen, die von flexiblen Containerbebauungen<br />

über attraktive Parkanlagen bis hin zu<br />

Spielplätzen, temporären Kinderhorten und künstlerischen<br />

Nutzungen reichten. Der Ideenwettbewerb mit über 400<br />

Beiträgen machte deutlich, dass nicht nur die Schließung von<br />

Baulücken, sondern auch der kreative Umgang mit dem<br />

Thema „Lücke” ein Wiederentdecken und Aufblühen scheinbar<br />

vergessener oder übersehener Orte in bester Lage bewirken<br />

kann.<br />

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ist mit ihrem<br />

Baulücken-Projekt auf überraschend große und positive<br />

Resonanz gestoßen – sowohl auf der konkreten Projektebene<br />

vor Ort als auch in der Fachöffentlichkeit und im<br />

politischen Raum. In fünf dezentralen Diskussionsveranstaltungen<br />

in Aachen, Köln, Duisburg, Essen und Dortmund<br />

diskutierten im Sommer und Herbst 2004 mehrere hundert<br />

Architekten, Stadtplaner, Politiker, Mitarbeiter der örtlichen<br />

Verwaltungen und Bürgerinnen und Bürger über die Chancen,<br />

die Baulücken für ihre Stadt bieten. In den Fachdebatten<br />

um den „Stadtumbau West” werden Konzepte zum<br />

Umgang mit Baulücken ebenfalls regelmäßig und intensiv<br />

thematisiert.<br />

Die Architektenkammer führt das Projekt weiter. Es zeichnet<br />

sich ab, dass als Folge der Initiative „1000 Baulücken in<br />

<strong>NRW</strong>” einzelne Lücken künftig beispielhaft einer Nutzung<br />

zugeführt werden können. Das ist ein schöner, konkreter<br />

Erfolg für ein Projekt, das zunächst lediglich auf eine breite<br />

öffentliche Diskussion abzielte. Die Kammer lobte im Jahr<br />

2005 einen neuen Wettbewerb aus, mit dem die „Vorbildliche<br />

Nutzung von Baulücken in <strong>NRW</strong>” ausgezeichnet werden<br />

soll. Damit wird das Baulücken-Projekt aus der Phase der<br />

Dokumentation und Diskussion heraustreten und erste Lösungen<br />

präsentieren: Aus dem Hässlichen wächst das Schöne!


Kunibert Wachten<br />

28<br />

Temporäre Architektur an besonderen Orten


Nicht selten zeigt heute der öffentliche Raum in vielen Städten<br />

ein trauriges Bild. Lediglich die zentralen, herausgeputzten<br />

Lagen, die für die Beurteilung der Leistungsstärke und<br />

Ausstrahlung der Städte in Konkurrenz untereinander Bedeutung<br />

haben, sind von diesem Eindruck ausgenommen.<br />

Selbst viele „besondere Orte“ fristen ein betrübliches Dasein.<br />

Es sind vor allem oftmals auch jene öffentlichen Räume, die<br />

in den 1960er und 1970er <strong>Jahre</strong>n mit großen Ambitionen<br />

neuer urbaner Qualitäten gestaltet wurden, die diesen<br />

Anspruch nie einlösen konnten und bis heute zu keinem<br />

lebendigen, beachteten und „geliebten“ Stadtraum geworden<br />

sind. Und nicht selten sind diese Räume mittlerweile<br />

aus dem Blick von Stadtbewohnern und kommunaler Politik<br />

geraten. Oder langjährige, unproduktive Kontroversen über<br />

den gestalterischen Umgang mit ihnen verewigen ihren<br />

jämmerlichen Zustand.<br />

Auf diese Orte aufmerksam zu machen und die Möglichkeiten<br />

ihrer Weiterentwicklung, ihrer gestalterischen Aufwertung,<br />

ihrer kulturellen Aufladung und ihrer sozialen Kräftigung<br />

aufzuzeigen, ist ein zentrales Anliegen der <strong>Landesinitiative</strong><br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>. Und was ist naheliegender, als diese<br />

„Werbung“ für die Potenziale vernachlässigter Stadträume<br />

durch temporäre Gestaltungen zu betreiben und damit einen<br />

Prozess erhöhter Aufmerksamkeit und größeren Engagements<br />

für diese Stadträume in Gang zu setzen. Denn„temporäre<br />

Architektur“ besitzt besondere strategische Eigenschaften.<br />

Sie kann – selbst als „anstößig“ konzipiert – ihre Realisierungschance<br />

und eventuell auch Akzeptanz aus ihrer zeitlichen<br />

Befristung beziehen. Und oftmals ist es gar so, dass<br />

das Temporäre – auch wenn es keine generelle Wertschätzung<br />

genießt, weil es immer auch mit dem Etikett des Minderwertigen<br />

behaftet ist – durch das Prinzip der „Limitierung“<br />

doch Aufmerksamkeit erfährt und sein Wert gesteigert wird.<br />

Vor allem liegt der Vorteil aber in der rückstandslosen Beseitigung<br />

und der Gewährleistung des alten Zustandes, der<br />

dem „Temporären“ eigen ist.<br />

Das Projekt „Temporäre Architektur an besonderen Orten“ zeigt an jeweils<br />

einem anderen besonderen oder auffälligen Ort in ausgewählten Städten<br />

Nordrhein-Westfalens Installationen temporärer Architektur, mit der der<br />

„Ort“ in seiner Geschichte und heutigen Rolle jeweils so thematisiert wird,<br />

dass man zumindest „auf Zeit“ und eventuell darüber hinaus auf ihn aufmerksam<br />

wird. Temporäre Architektur bietet überdies auch die Chance, sich<br />

der konzeptionellen Interpretation des „Ortes“ in experimentell-spielerischer<br />

Art und Weise zu nähern. Kühne Formgebungen, ungewöhnliche Materialverwendungen,<br />

waghalsige Konstruktionen, irritierende Benutzungsangebote,<br />

neue stadträumliche Verknüpfungen sind die Konzeptionsingredienzien,<br />

die sich das Temporäre im Gegensatz zum Dauerhaften leisten kann. So können<br />

Ideen und Entwicklungsmöglichkeiten sichtbar gemacht werden, die üblicherweise<br />

nicht an die Oberfläche gelangen. Diese Konzeptionen zu wagen, die<br />

keine Routinen kennen und keine Voreingenommenheiten zulassen, ist<br />

in diesem Projekt Aufgabe von Arbeiten aus der Feder von Studierenden.<br />

Erstmals haben im vergangenen Jahr im Wettbewerb untereinander Studierende<br />

der Architektur und Raumplanung der Universitäten in Aachen und<br />

Dortmund und der Hochschulen in Düsseldorf und Münster in Kooperation<br />

mit der Stadt Düsseldorf, dem Europäischen Haus für Stadtkultur e.V. in<br />

Gelsenkirchen und dem damaligen Ministerium für Städtebau und Wohnen,<br />

Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen temporäre Installationen<br />

für den Gustav-Gründgens-Platz zwischen dem legendären „Dreischeibenhochhaus“<br />

und dem Schauspielhaus in Düsseldorf entwickelt. Eine besondere<br />

Auflage war dabei auch, den Siegerentwurf im Rahmen unverrückbarer<br />

Kostenvorgaben zu realisieren und der Öffentlichkeit 14 Tage lang zu präsentieren.<br />

Wettbewerb, Realisierungs- und Präsentationszwang machten<br />

für die Studierenden dieses Kooperationsprojekt besonders reizvoll, was<br />

vielleicht ihr außerordentliches Engagement erklärt und – sicherlich aus<br />

Sicht der Hochschulen – eine Fortsetzung nahe legt. Denn auch die Ausbildung<br />

an den Hochschulen ist von zu viel Routine geprägt und kann Impulse<br />

vertragen.<br />

29


Peter Dübbert<br />

30<br />

Der Traum vom Turm<br />

Eine Ausstellung von besonderem Charakter


Um Türme und Hochhäuser Wirklichkeit werden zu lassen,<br />

sind die Menschen schon immer an ihre physischen und<br />

technischen Grenzen gegangen. Beim Pyramidenbau waren<br />

diese Grenzerfahrungen für ganze Völker vor allem qualvoll.<br />

Auch der Stolz über die Errichtung der ersten modernen<br />

Hochhäuser in New York wird noch durch die hohe Zahl<br />

der Opfer unter den Bauarbeitern getrübt. Mit Beginn des<br />

20. Jahrhunderts wandelte sich der Bau von Türmen und<br />

Hochhäusern dann aber primär zu einer ingenieurtechnischen<br />

und statischen Herausforderung.<br />

Es waren und sind Erfindungen und Entwicklungen von<br />

Ingenieuren, die den Hochhausbau revolutionierten. Heute<br />

ist der Hochhausbau nicht nur sicher, sondern gelangt in<br />

Dimensionen, die den „Traum vom Turm” haben wahr werden<br />

lassen. Durch die Erfindung des Stahlskelettbaus und eine<br />

perfektionierte Baulogistik werden heute im Hochhausbau<br />

lange für unvorstellbar gehaltene Höhen erreicht. Fahrstühle,<br />

Klimatechnik und Erdbebensicherheit sorgen dafür, dass<br />

diese Hochhaustürme auch bewohnt, belebt werden können.<br />

Obwohl Nordrhein-Westfalen einer der größten Ballungsräume<br />

Europas ist, finden sich hier im internationalen Vergleich<br />

bislang eher moderate Formen des Hochhausbaus.<br />

Das macht Gebäude wie das Thyssen-Hochhaus in Düsseldorf,<br />

den RWE-Turm in Essen und den Post-Tower in Bonn –<br />

um nur einige Beispiele zu nennen – nicht weniger faszinierend.<br />

Sie prägen den individuellen Charakter ihrer Stadt,<br />

markieren besondere Orte und dienen als eindeutige städtebauliche<br />

Orientierungspunkte. Die Diskussion über Hochhäuser<br />

ist deshalb auch in Nordrhein-Westfalen sehr lebendig.<br />

Hohe Gebäude geben den Stadtorganismen derart starke<br />

Impulse, dass sie immer wieder von neuem das öffentliche Interesse wecken.<br />

So werden in fast allen größeren Städten des Landes „Hochhausdiskussionen”<br />

geführt.<br />

Vor diesem Hintergrund hat sich die Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong> gerne bereit<br />

erklärt, die Ausstellung „Der Traum vom Turm. Hochhäuser: Mythos – Ingenieurkunst<br />

– Baukultur” zu unterstützen und gemeinsam mit dem Ministerium<br />

für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes <strong>NRW</strong> und der<br />

Stadt Düsseldorf die Schirmherrschaft über die Ausstellung zu übernehmen.<br />

Die Ausstellung im Düsseldorfer <strong>NRW</strong>-Forum Kultur und Wirtschaft zeichnete<br />

in 60 Modellen – zum ersten Mal allesamt im gleichen Maßstab 1:200 – die<br />

Geschichte des Hochhauses von Babel bis Beijing nach, thematisierte die<br />

kulturellen Aspekte des „hohen” Bauens und zeigte vor allem die Ingenieurleistungen<br />

„hinter” den Bauten. Die großen Schritte in der Geschichte der<br />

Ingenieurkunst, die das immer höhere Bauen erst ermöglichen, wurden plastisch<br />

und nachvollziehbar vermittelt: vom Personenlift und dem vielfältigen<br />

Einsatz von Stahl bis zu visionären Windturbinen in der Spitze von Hochhäusern<br />

oder neuen Fassaden aus textilen Materialien. Manche der 60 Modelle<br />

überschritten kaum einen halben Meter Höhe, andere wie das Modell des<br />

Millenium Tower erreichten mit 4,20 Meter beinahe die Höhe der Ausstellungsräume<br />

– noch als Miniaturen stellen Hochhäuser und ihr Maßstab<br />

mitunter echte räumliche Herausforderungen dar.<br />

Vom 6. November 2004 bis zum 20. Februar 2005 haben rund<br />

35.000 Menschen die Ausstellung gesehen, viele von ihnen<br />

haben sich in Fachführungen, Vorträgen und Filmen informiert.<br />

Der begleitende Ausstellungskatalog war noch<br />

vor Ende der Austellung vergriffen; besser hätte die<br />

Erfolgsbilanz nicht ausfallen können. Die Initiatoren<br />

der „Traum vom Turm“-Ausstellung haben ihr<br />

gemeinsames Anliegen, am Beispiel des Hochhausbaus<br />

auf anschauliche Weise gebaute<br />

Kulturgeschichte und die Bedeutung der<br />

Ingenieurkunst zu vermitteln und zugleich<br />

einen Beitrag zu den aktuellen<br />

Diskussionen um Stadtbaukultur und<br />

Hochhausentwicklungen zu leisten,<br />

mehr als erreicht. Der Ingenieurkammer-Bau<br />

<strong>NRW</strong>, der berufsständischen<br />

Gemeinschaft von<br />

fast 10.000 Ingenieurinnen<br />

und Ingenieuren im Bauwesen<br />

in Nordrhein-Westfalen, ist<br />

es überdies gelungen, anlässlich<br />

ihres zehnjährigen<br />

Bestehens das Augenmerk<br />

der Öffentlichkeit in<br />

besonderem Maße auf<br />

die herausragenden<br />

ingenieurtechnischen<br />

Leistungen zu lenken,<br />

ohne die zum Beispiel<br />

der moderne „Traum<br />

vom Turm” gar nicht<br />

zu verwirklichen<br />

wäre.<br />

31


Hans-Dieter Krupinski<br />

Im dicht besiedelten und vom Strukturwandel besonders betroffenen Nordrhein-Westfalen<br />

haben Qualitätsverbesserungen im Wohnungsbau eine<br />

besonders hohe Bedeutung. Dies hängt wesentlich mit dem Erbe jenes Siedlungsbaus<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen, der unter dem Druck<br />

großer Wohnungsnot und hoher Zuwanderungsraten stattfand; vor allem<br />

der bis Anfang der 60er <strong>Jahre</strong> errichtete Wohnungsbestand mit seinen fast<br />

zwei Millionen Wohnungen und aus heutiger Sicht vielfach unzureichenden<br />

Standards stellt eine beträchtliche Hypothek in der Konkurrenz mit anderen<br />

Wachstums- und Entwicklungsregionen dar. Auch die Wohn- und Lebensbedingungen<br />

in vielen hochverdichteten Wohnsiedlungen der 60er und<br />

70er <strong>Jahre</strong> mit ihrer überzogenen städtebaulichen Dichte, häufig nicht akzeptierten<br />

Bauformen und einseitigen Miet- und Sozialstrukturen begründen<br />

die Notwendigkeit, die Qualität des Wohn- und Siedlungsbaus in Nordrhein-Westfalen<br />

nachhaltig zu verbessern.<br />

Ein wichtiger Baustein dieser Qualitätsoffensive ist der erstmals im Jahr<br />

2004 ausgeschriebene „Innovationspreis Wohnungsbau <strong>NRW</strong>“, mit dem herausragende<br />

und beispielgebende Projekte im zeitgenössischen Wohnungsbau<br />

ausgezeichnet und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Der<br />

Preis soll zugleich an wichtige baukulturelle Traditionen des Landes anknüpfen,<br />

wie sie in vielen historischen Stadtquartieren zum Ausdruck kommen.<br />

Dazu zählen vor allem die historischen Stadtkerne, die gründerzeitlichen<br />

Stadtquartiere, die Gartenstädte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der<br />

Wohnsiedlungsbau aus den 20er und 30er <strong>Jahre</strong>n des letzten Jahrhunderts.<br />

Die Nutzungs- und Gestaltqualitäten, die diese Siedlungstypologien auszeichnen,<br />

sind in der Nachkriegszeit häufig vernachlässigt worden, weil die<br />

32<br />

Innovationspreis Wohnungsbau<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Schwerpunkte der Wohnungs- und Städtebaupolitik im Wiederaufbau<br />

einer kriegszerstörten Siedlungslandschaft und<br />

der Beseitigung der Wohnungsnot lagen.<br />

Erst Mitte der 70er <strong>Jahre</strong> kam es zeitgleich mit der Herausbildung<br />

einer behutsamen und kleinteiligen Stadterneuerungspolitik<br />

zu einer Umorientierung in der Wohnungs- und<br />

Städtebaupolitik, bei der die qualitativen Aspekte des Wohnungsbaus<br />

wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt wurden.<br />

In dieser Zeit gewannen Erhaltung und Erneuerung von<br />

stadtbildprägenden und denkmalwerten Bausubstanzen im<br />

Wohnungsbau an Bedeutung, verbunden mit einer generellen<br />

Rückbesinnung auf den architektonischen, städtebaulichen<br />

und wohnungswirtschaftlichen Reichtum einiger<br />

historischer Bauepochen – zum Beispiel des Wohnungsbaus<br />

der 20er und 30er <strong>Jahre</strong> mit seiner traditionalistischen,<br />

expressionistischen oder auch funktionalistischen Architektur.<br />

Dieser notwendig gewordene Sinneswandel im Wohnungsbau<br />

hat dann auch zu veränderten Leitzielen in der<br />

Förderpolitik des Landes geführt. Dazu gehören moderate<br />

städtebauliche Dichten, standortangepaßte Siedlungstypologien<br />

und ein hochwertiges Wohnumfeld; dazu zählen aber<br />

auch hohe Nutzungs- und Gestaltqualitäten der Wohngebäude<br />

selbst, wie sie jetzt mehr und mehr auch über Wettbewerbs-<br />

und Gutachterverfahren und moderierte Beteiligungsprozesse<br />

sichergestellt werden sollen.


Mit dem neuen Innovationspreis Wohnungsbau <strong>NRW</strong> sollen<br />

in erster Linie Bauherren und Investoren angesprochen werden,<br />

die sich mit ihren Projekten um mehr Qualität im Wohnungsbau<br />

verdient machen und dabei innovative Wege gehen.<br />

Gegenwärtig stehen vor allem überzeugende Konzepte im<br />

innerstädtischen Wohnungsbau im Fokus des Interesses;<br />

deshalb sind 2005 solche Projekte ausgezeichnet worden,<br />

die beispielhafte Lösungen für innerstädtische Standorte<br />

aufzeigen.<br />

So hat zum Beispiel beim prämierten Projekt „Tremonia” auf<br />

einem ehemaligen Zechengelände in Dortmund eine Gruppe<br />

von Stadtbewohnern in Eigeninitiative ein Wettbewerbsverfahren<br />

für ihre Idee des gemeinschaftlichen Wohnens<br />

initiiert und ein gestalterisch, funktional und ökologisch sehr<br />

anspruchsvolles Wohnungsbauprojekt realisiert. Das Projekt<br />

hat nicht nur hinsichtlich der Wiedernutzung brachgefallenen Stadtraums<br />

Vorbildcharakter, sondern setzt mit seiner weitreichenden Selbstorganisation<br />

des Planungsprozesses auch Maßstäbe bei der Einbeziehung von Nutzern.<br />

Auf eine andere Art und Weise innovativ ist ein ebenfalls in 2005 prämiertes<br />

Projekt: Der Umbau eines Hochbunkers zu Wohnzwecken in Köln zeigt,<br />

dass es ganz neue Möglichkeiten eines bestandsorientierten Wohnungsbaus<br />

geben kann. In der kreativen Auseinandersetzung mit Gebäudetypologien,<br />

die für Wohnzwecke zunächst als unbrauchbar gelten, entstehen neue,<br />

ungewöhnliche Wohnungskonzepte, für die es ganz offensichtlich auch<br />

einen Markt gibt.<br />

Für derartige Innovationen des innerstädtischen Wohnens braucht es seitens<br />

der Bauherren und Investoren sehr viel Mut und ein gutes Gespür für<br />

sich verändernde Formen und Anforderungen des Wohnens – Eigenschaften,<br />

die das Land mit diesem, künftig alle fünf <strong>Jahre</strong> zu vergebenden Innovationspreis<br />

Wohnungsbau <strong>NRW</strong> gerne honoriert.<br />

33


Wolfgang Christ<br />

34<br />

Stadt und Handel<br />

Initiativen für Baukultur


Shopping Center und Stadt<br />

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hat Alarm<br />

geschlagen: In den vergangenen zehn <strong>Jahre</strong>n haben die<br />

Innenstädte jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro Umsatz verloren.<br />

Im gleichen Zeitraum fiel die Besucherfrequenz um 25 Prozent;<br />

zugleich erhöhte sich die gesamte Einzelhandelsfläche<br />

um 20 Prozent. In diesem Jahr kommen weitere eine Million<br />

Quadratmeter hinzu, insbesondere in den annähernd 60<br />

Shopping Centern, die derzeit geplant, genehmigt und/oder<br />

bereits im Bau sind. Die Konsumenten, also wir, haben das<br />

Shopping Center zum Erfolgsmodell gemacht. Shopping<br />

Center werden heute europaweit zunehmend dort gebaut,<br />

wo „Stadt” am wertvollsten ist: in ihrer Mitte. Die Herausforderung<br />

für die Stadtplanung lautet also nicht, ob<br />

„Center” und „Stadt” integriert werden sollen, sondern<br />

wo und wie dies zu beiderseitigem Nutzen bewerkstelligt<br />

werden kann.<br />

Angesichts dieser Herausforderung ist es verwunderlich,<br />

dass bislang an keiner deutschen Hochschule ein Lehrstuhl<br />

für Handelsarchitektur existiert. Dabei wäre „Handelsstädtebau”<br />

in vielen Fällen sogar der angemessenere Begriff:<br />

Projekte wie das Centr0 in Oberhausen oder Oracle im südwestlich<br />

von London gelegenen Reading suchen von vornherein,<br />

die neuen Zentren des Einzelhandels mit der City der<br />

jeweiligen Stadt zu verschmelzen. An den Architekturfakultäten<br />

ist dies noch nicht angekommen. Die Interdependenzen<br />

von Stadt und Handel werden eher von benachbarten<br />

akademischen Disziplinen begleitet, zum Beispiel von der<br />

Geographie oder der Immobilienökonomie. Und ganz im<br />

Gegensatz zur Abstinenz in unserer Disziplin haben sich in<br />

den vergangenen <strong>Jahre</strong>n weltweit marktorientierte Forschungsinstitute<br />

sehr intensiv der Zusammenhänge von<br />

Stadtentwicklung, Lebensstil, Architektur, Design, Ökologie,<br />

Einzelhandel, Freizeit und Ökonomie angenommen. Darüber<br />

hinaus gibt es die marktbeherrschenden Unternehmen der<br />

retail industry, die ihrerseits eigene Forschungskapazitäten<br />

aufgebaut haben. Die zunehmende Privatisierung des Wissens<br />

um „Stadt und Handel” ist also unübersehbar.<br />

Wettbewerbe mit nachhaltiger Wirkung<br />

Mögliche Wege aus diesem offensichtlichen Abseits der<br />

Architektur-Disziplin zu suchen – das war das Anliegen des<br />

studentischen Ideenwettbewerbs „Shopping-Center-Stadt.<br />

Urbane Strategien für eine nachhaltige Entwicklung” aus<br />

dem Jahr 2003, initiiert vom Verfasser und getragen von<br />

den Universitäten Weimar, Karlsruhe und Wuppertal. Die<br />

Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat das Projekt von Anfang<br />

an begleitet und abschließend publiziert.<br />

Studentische Wettbewerbe sind generell nichts Außergewöhnliches.<br />

Zu etwas Besonderem wurde der Entwurfswettbewerb<br />

zum leerstehenden RathausCenter in Bochum<br />

durch eine Reihe von Erfahrungen, die nicht zuletzt auch die Grundphilosophie<br />

der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> widerspiegeln.<br />

Die erste und entscheidende Erfahrung ist, dass Begriffe wie „Strukturwandel”<br />

oder „Paradigmenwechsel” inhaltsleer bleiben, solange die grundlegenden<br />

Entwicklungsprozesse nicht klar nachvollzogen, Akteurskonstellationen<br />

nicht offen gelegt und mögliche Zukunftsoptionen nicht anschaulich vermittelt<br />

werden. Hier leistet die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> sehr viel: Sie ermöglicht<br />

eine praktische und vor allem praxisnahe Reflexion solcher diffusen<br />

Begriffe und der Prozesse, die sie beschreiben sollen. Die Initiative ist sozusagen<br />

eine Agentur für den reflektierten Strukturwandel.<br />

Darüber hinaus ist sie für mich ein Garant für Qualität: Mit <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> als Partnerin wurde die Arbeit der Universitäten professionalisiert,<br />

gleichsam zitierfähig gemacht. Nur so war es möglich, die für Stadt und<br />

Handel verantwortlichen Akteure mit diesem studentischen Entwurfswettbewerb<br />

auch zu erreichen.<br />

Und die dritte Erfahrung ist: Der universitäre Städtebau braucht Partner, die<br />

wissen, wie Architekten und Planer denken, wie urbane Milieus, in denen<br />

sie tätig sind, funktionieren. Nur so lassen sich gemeinsam neue Trends in<br />

Baukultur und Urbanistik aufspüren und mit eigenen Impulsen so thematisieren,<br />

dass eine größere Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird – Impulse<br />

wie die „Vorbildliche Handelsarchitektur in <strong>NRW</strong>”.<br />

Mit dem im Jahr 2004 verliehenen Preis für „Vorbildliche Handelsarchitektur<br />

in <strong>NRW</strong>” sind wichtige Anstöße zu einer „Baukultur des Konsums” gegeben<br />

worden. Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat mit diesem Wettbewerb<br />

nicht nur eine laufende Debatte verstärkt bzw. erst initiiert, sondern auch<br />

die einander bislang eher misstrauisch begegnenden Parteien – Einzelhandel,<br />

Stadtverwaltung, Architektur, Immobilienwirtschaft, Universität – miteinander<br />

ins Gespräch gebracht. Ausstellungen, Publikationen, Tagungen<br />

oder eben auch Preisverleihungen sind notwendige vertrauensbildende<br />

Maßnahmen in einem Umfeld, in dem gegenseitiges Verständnis und Kooperation<br />

noch eingeübt werden müssen.<br />

Neue Allianzen für Veränderung<br />

Nordrhein-Westfalen ist seit dem 19. Jahrhundert eine Industrie-Stadt-Landschaft<br />

der permanenten upgrades; und jede neue Version braucht ihre Programmentwickler<br />

und -gestalter. Karl Ganser hat es in den neunziger <strong>Jahre</strong>n<br />

des letzten Jahrhunderts mit der IBA Emscher Park verstanden, aus der Aufgabe,<br />

über die nachindustrielle Gesellschaft noch nicht alles zu wissen, aber<br />

zugleich zukunftsweisend handeln zu müssen, ein noch lange vorbildliches<br />

Innovationsmodell geschaffen. Heute arbeitet die <strong>Landesinitiative</strong> StadtBau-<br />

Kultur <strong>NRW</strong> in den Räumen der ehemaligen IBA-Zentrale. Die Atmosphäre<br />

der Offenheit gegenüber dem Neuen, dem Fremden, dem Experimentellen<br />

ist geblieben. Ein solcher Geist zieht all jene an, die Allianzen für Veränderung<br />

schließen wollen – Allianzen, die die Wirkkräfte der Zeit erkennen und<br />

ihnen eine Richtung verleihen, die das Prädikat „Kultur” verdienen.<br />

35


J. Alexander Schmidt<br />

Stefanie Bremer<br />

Gestaltung geht nicht. Nicht in Gewerbegebieten.<br />

Das ist eine Meinung. Oder eben ein Vorurteil, das sich hält. Erstaunlicherweise<br />

weniger in den Köpfen der Gewerbetreibenden. Die sind oft weniger<br />

gestaltungsresistent als angenommen. Das Vorurteil hält sich mehr in den<br />

Köpfen der Politiker und der Planer selbst.<br />

In der schrumpfenden Stadt ist jede Angebotsplanung ein Wagnis. Eine<br />

Stadt kann es sich nicht leisten, dass Gebiete, die mit hohem Aufwand voll<br />

erschlossen und baurechtlich vorbereitet wurden, über <strong>Jahre</strong> nur spärlich<br />

oder nicht genutzt werden. Manchmal werden von den Kommunen Investoren<br />

und Bauherren für ihre Orte der Arbeit regelrecht gesucht – fast<br />

um jeden Preis. Dabei haben sie im Bewusstsein, dass es zu viele Angebote<br />

für die begehrten Unternehmen und zu wenige Schlüsselbetriebe gibt, die<br />

in der Lage sind, einem Gebiet ein prägnantes und zugkräftiges Nutzungsprofil<br />

zu geben, um damit weitere Ansiedlungen zu generieren. Unter diesen<br />

Rahmenbedingungen hat jede restriktive Gestaltungsplanung einen<br />

schweren Stand.<br />

Vor diesem Hintergrund ist ein zurückhaltender und vorsichtiger Umgang<br />

mit besonderen Planungsverfahren und qualitativen Gestaltungselementen<br />

erforderlich; und eine planerische Bedachtsamkeit, die viele entmutigt, diesen<br />

schwierigen Weg überhaupt zu gehen. Nicht zuletzt deshalb enden viele<br />

gute Ansätze auch eher in einem planerischen Laissez faire.<br />

Gewerbegebiete zwingen zu einer vorurteilsfreien Auseinandersetzung mit<br />

den komplexen Wirkungsmechanismen der Stadt im 21. Jahrhundert. Der<br />

Rahmen und der Spielraum für Gestaltung in Gewerbegebieten müssen dem<br />

ökonomischen und kulturellen Wandel entsprechend neu ergründet werden.<br />

Gewerbegebiete brauchen ein Gestaltungsvokabular, das städtebauliche<br />

Erfordernisse berücksichtigt und zugleich auf die Bedürfnisse von Betrieben<br />

36<br />

Orte der Arbeit<br />

Gestaltungsmöglichkeiten in Gewerbegebieten<br />

und Kommunen im Umgang mit den sich teilweise schnell<br />

wandelnden Betriebsstrukturen eingeht. Darüber hinaus<br />

müssen neue Strategien und Allianzen gefunden werden,<br />

die einen konstruktiven Umgang mit Unternehmen und<br />

ihrem Bedürfnis nach Werbung im Raum, mit eigenwilligen<br />

Investoren und Bauherren oder dem noch unbekannten<br />

späteren Nutzer in Gewerbegebieten bieten.<br />

„Orte der Arbeit” ist ein Forschungsprojekt des Instituts für<br />

Stadtplanung und Städtebau an der Universität Duisburg-<br />

Essen, das die Möglichkeiten und Grenzen stadträumlicher<br />

und landschaftsplanerischer Aufwertung von Gewerbegebieten<br />

evaluiert. Mit den Forschungsergebnissen sollen ein<br />

neues Bewusstsein für Formen gestalterischer Qualität in<br />

Gewerbegebieten geweckt sowie Orientierungshilfen und<br />

Lösungswege für Planungskonzepte diskutiert werden.<br />

Dafür wurden geplante und realisierte Gewerbegebiete<br />

bewertet und die Instrumente und Umsetzungsstrategien in<br />

Experteninterviews evaluiert. Das Forschungsprojekt ist<br />

noch nicht abgeschlossen, sodass zum jetzigen Zeitpunkt<br />

nur erste Einschätzungen wiedergegeben werden können:<br />

• Vielen guten Beispielen in der Gewerbegebietsplanung<br />

ist die Suche nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen<br />

Gestaltungsfreiheiten und Unbestimmtheiten auf der<br />

einen Seite sowie Vorgaben und Qualitätsgarantien auf der<br />

anderen Seite gemeinsam. In Rahmenplänen und teils auf-


wendigen Visualisierungen wird mit einer bestimmten stadträumlichen<br />

und landschaftlichen Qualität geworben: Arbeiten<br />

und Wohnen am Wasser, kreatives Arbeiten in alten Industriebauwerken,<br />

Arbeiten im Park, konzentriertes Arbeiten<br />

im stillen Wald. Geboten werden Zukunftsbilder von einem<br />

ruhigen, manchmal aber auch leicht urbanen Raum, der<br />

nicht viel mit den Wirklichkeitsbildern der gängigen Gewerbegebietslandschaften<br />

gemeinsam hat.<br />

• Mit Hilfe positiv belegter Gestaltungselemente wird ein<br />

konsensfähiges Bild erzeugt. Der Entwurf ist ein Angebot<br />

für eine mögliche Zukunft – ohne baurechtliche oder gestalterische<br />

Forderungen. Das Bild und die weitere Kommunikation<br />

über dieses Bild dürfen bei möglichen Investoren kein<br />

Gefühl der Einschränkung oder Regulierung vermitteln. Das<br />

Angebot darf nicht zu bindend gemeint sein. Man scheut<br />

sich, von den potenziellen Bauherren und Bauträgern einen<br />

direkten Beitrag zur Umsetzung dieses Bildes einzufordern.<br />

In einigen Gebieten wird daher der Fokus bei der Umsetzung<br />

auf den öffentlichen, gestalterisch leichter steuerbaren<br />

Raum gelegt. Der öffentliche Raum wird zum gestalterischen<br />

Rückgrat, während den Bauherren auf den Grundstücken<br />

möglichst viel Gestaltungsfreiraum eingeräumt wird.<br />

• Der öffentliche Raum als primäres Gestaltungsfeld wird in<br />

manchen Gewerbegebieten um bestimmte Zonen erweitert,<br />

beispielsweise um den schwer reglementierbaren privaten Raum zwischen<br />

Straße und Gebäudefassade. Vor dem Grundstücksverkauf wird diese Zone<br />

von kommunaler Seite mit gestaltet und realisiert. Ein Teil des Grundstücks<br />

ist dann vor Ankauf im Sinne des übergreifenden städtebaulichen Konzepts<br />

schon fertig gestaltet. Anderenorts werden bestimmte, gebietsprägende<br />

Grundstücke vollständig von der öffentlichen Hand bebaut. Um die Gestaltungsziele<br />

umsetzen zu können, mäandriert der öffentliche Einfluss in den<br />

Privatraum.<br />

• Weniger mit baulich-gestalterischen Vorleistungen, mehr mit planerischem<br />

Vordenken wird dort gearbeitet, wo die Gestaltungsziele mit den einzelnen<br />

Bauherren durch Moderation und Bauberatung ausgehandelt werden, ohne<br />

dass die Gestaltungselemente im Detail in einer Satzung festgelegt sind. In<br />

anderen Fällen setzen Kommune oder Entwickler auf besondere Erstbezieher<br />

als Qualitätspioniere, die mit ihren Bauten und Bauweisen den nachfolgenden<br />

Nachbarn ein bestimmtes Niveau vorleben.<br />

Noch gibt es wenig Erfahrung mit diesen subtilen Instrumenten. Noch sind<br />

es einzelne Projektentwickler, die diese neuen Planungswege und Entwurfskulturen<br />

erkunden. Diese Projekte erzeugen aber ein Interesse an Baugebieten,<br />

die vordem eher am Rande der Planungsdebatte standen und für die<br />

nur selten Gestaltungsinstrumente und Strategien erprobt wurden. Vielleicht<br />

werden diese Gebiete wieder zu selbstverständlichen Teilen der Stadt,<br />

in denen Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen können. Die<br />

Projekte machen neugierig und sie legen eine neue These nahe.<br />

Gestaltung geht. Auch in Gewerbegebieten.<br />

37


Dirk Haas<br />

Im europäischen Kontext gilt das Ruhrgebiet als einzigartiges Konglomerat<br />

aus verstädterten Territorien, großmaßstäblichen Infrastrukturen und posturbanen<br />

Wildnissen, als ein Typus städtischer oder besser: stadtregionaler<br />

Entwicklung, der mit der feudal-bürgerlichen Tradition der Europäischen<br />

Stadt nur wenig gemein hat. Der vermeintliche Wirrwarr an Nutzungen,<br />

Funktionen und Identitäten, die Vielzahl von Grenzen, Übergangsräumen,<br />

blinden Flecken und oszillierenden Zuständigkeiten, die versteckte Dichte –<br />

ganze Generationen von Ruhrgebietsplanern haben hier in guter Absicht<br />

Raumordnung zu betreiben versucht und sich dabei zumeist an traditionellen<br />

Stadt-Vorstellungen orientiert.<br />

Mittlerweile ist die alte Sehnsucht nach eindeutiger Ordnung, die das Ruhrgebiet<br />

immer als defizitären Raum begreifen musste, einem neuen „poetischen<br />

Realismus” gewichen. Dieser Realismus anerkennt, dass sich das<br />

Ruhrgebiet nach anderen Parametern vermisst: Pluralität statt Einheit, Heterogenität<br />

statt Einheitlichkeit, Hybridität statt klarer Identitäten, Komplexität<br />

statt Einfachheit, Brüche statt Kontinuität. Das sind, so bezeichnen es die<br />

Kulturwissenschaften, die Parameter der Zweiten Moderne. Insofern ist das<br />

Ruhrgebiet für viele grundsätzliche Zukunftsfragen ein viel versprechendes<br />

Experimentierfeld, eine Avantgarderegion wider Absicht. Im Jahr 2010 will<br />

sich diese Region folgerichtig als eine Europäische Kulturhauptstadt ganz<br />

neuen Typs präsentieren.<br />

Die Einsicht, sich angesichts der strukturellen Besonderheiten der Region<br />

von idealisierten Stadt-Vorstellungen befreien zu müssen, fällt zusammen<br />

mit einem generell wachsenden Interesse an der Regionalisierung des Städtischen<br />

und den daraus resultierenden Konsequenzen für die stadtplanerische<br />

und baukulturelle Praxis, und zwar nicht nur im Ruhrgebiet und seinen<br />

zyklisch wiederkehrenden Ruhrstadt-Debatten, sondern im gesamten europäischen<br />

Raum. Im Fokus steht eine andere Form der europäischen Stadt,<br />

die der „Europäischen Agglomeration”. Für die bislang eher an traditionellen<br />

Stadtbildern orientierte Idee der Europäischen Kulturhauptstadt wäre<br />

die Vergabe des Titels an das Ruhrgebiet also ein wichtiger und längst überfälliger<br />

Blickwechsel, wenn künftig von der Zukunft des Städtischen in Europa<br />

die Rede ist.<br />

Die Gestaltbarkeit regionaler Stadtlandschaften ist deshalb ein zentrales<br />

Thema im Bewerbungskonzept der Ruhrgebietsstädte zur Europäischen Kulturhauptstadt.<br />

Im Programmfeld „Stadt der Möglichkeiten” werden verschiedene<br />

Leitprojekte und Schauplätze entwickelt, die richtungweisende<br />

38<br />

Hauptstadtplanungen<br />

Werkstattgespräche zur Bewerbung des<br />

Ruhrgebiets als Kulturhauptstadt Europas 2010<br />

Ansätze zur Gestaltung einer regionalen Europäischen Kulturhauptstadt<br />

verfolgen und erproben sollen. Wie es gelingen<br />

kann, das weitläufige und unübersichtliche Ruhrgebiet<br />

zu einer atmosphärisch dichten Erlebnislandschaft zu entwickeln,<br />

dazu hat das Europäische Haus der Stadtkultur<br />

gemeinsam mit dem Bewerbungsbüro „Kulturhauptstadt<br />

Europas 2010: Essen für das Ruhrgebiet” ein öffentliches<br />

Forum und zwei Werkstattgespräche durchgeführt, die im<br />

Februar und November 2005 im stadt.bau.raum in Gelsenkirchen<br />

stattfanden.<br />

Die Veranstaltungen haben Akteure und Experten aus den<br />

Bereichen Kultur, Architektur, Planung, Design, Wirtschaft,<br />

Verkehr und Tourismus zu einem überraschend engagierten<br />

und ergebnisreichen baukulturellen Dialog zusammengeführt:<br />

Inwieweit bedarf das Ruhrgebiet neuer ausdrucksstarker<br />

architektonischer Symbole, neuer ikonographischer<br />

Signaturen, die sich zum einen von dem zum Selbstbild<br />

gewordenen Image eines „Nationalparks Industriekultur”<br />

lösen, zum anderen die ästhetische Mittelmäßigkeit der faktischen<br />

neuen Zentren des Ruhrgebiets (Neue Mitte Oberhausen,<br />

Arena AufSchalke etc.) überwinden? Oder braucht<br />

das zuweilen an-ästhetische Ruhrgebiet nicht viel eher eine<br />

neue Alltagskultur des Bauens, ein neues, zu Anfang vielleicht<br />

noch dissidentes Qualitätsempfinden, das sich nicht<br />

über „große Architektur”, sondern über ungewöhnliche,<br />

experimentelle Praktiken in den eher alltäglichen Bauaufgaben<br />

im Ruhrgebiet entwickeln könnte? In der Diskussion<br />

dieser Fragen sind nicht nur neue Einsichten ob der Notwendigkeit<br />

einer stärker investigativen baukulturellen Forschung<br />

und Praxis entstanden, sondern auch einige konkrete<br />

Projektideen für die Kulturhauptstadt selbst: zum Beispiel<br />

die Idee vom „wohnwagenwerk.ruhr” als einem integrierten<br />

und stadt-ästhetisch doch autonomen Mobilitäts- und Beherbungskonzept<br />

für die Besucher der Kulturhauptstadt<br />

oder das „fliegende Rathaus” als mobiles icon für den mit<br />

der Bewerbung verbundenen Gründungsakt einer neuen<br />

(Kulturhaupt-)Stadt.


Die weiteren Diskussionen über die zahlreichen Korridore<br />

und linearen Räume des Ruhrgebiets, die eine bewusste Orientierung<br />

in der Region überhaupt erst ermöglichen, haben<br />

zu einem ersten räumlich-programmatischen Modell der<br />

Kulturhauptstadt geführt. Das „Passagen-Modell” begreift<br />

die verschiedenen Zonen des Ruhrgebiets und ihre schmalen<br />

Mobilitätsbänder als Räume mit einer jeweils eigenen Identität,<br />

Geschichte und Ästhetik, ähnlich den Four Ecologies,<br />

die Reyner Banham in den 70er <strong>Jahre</strong>n in Los Angeles identifizierte.<br />

Das in weiten Teilen romantisch anmutende Ruhrtal,<br />

die urbane Hellwegzone mit den Großstädten zwischen<br />

Duisburg und Dortmund, der starken Wandlungsprozessen<br />

unterliegende Emscherraum und seine industriekulturellen<br />

Ikonen und Merkzeichen, schließlich die vormals ländlich<br />

strukturierte, heute in Teilen zwischenstädtische Lippezone:<br />

Sie stellen sehr unterschiedliche urbane Atmosphären dar,<br />

die den Besuchern der Kulturhauptstadt zugänglich gemacht<br />

werden. Das Passagen-Modell umfasst ein Netz aus<br />

Spielstätten, Ereignisorten, Mobilitätsschnittstellen und<br />

regionalen Räumen, in denen die Kulturhauptstadt ihr Programm,<br />

aber vor allem sich selbst präsentiert. Dabei wird<br />

es neben der dramaturgischen Konzeption und logistischen<br />

Organisation der Passagen genau so um ihr Erscheinungsbild<br />

gehen, also um die Architekturen des Empfangs an den<br />

Veranstaltungsorten und die Szenografien der Bewegung<br />

in den Passagen. Eine durchgreifende Neugestaltung ist<br />

damit nicht gemeint – eher sind es punktuelle, aber systematische<br />

Transformationen und Eingriffe zur möglichst „sinnlichen”<br />

Erschließung der Region.<br />

Es sind solche Orte und Räume wie Zollverein, das Zweistromland<br />

zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal oder<br />

auch die A42 als künftigem parkway des regionalen Emscher<br />

Landschaftsparks, die für ein neues, auch sinnlich erfahrbares<br />

Selbstverständnis des Ruhrgebiets stehen, das sich<br />

nun nicht mehr an traditionellen Erscheinungsbildern einer<br />

Metropole und den damit verbundenen trivialisierten Vorstellungen<br />

von Urbanität orientiert. Der Habitus der Metropole<br />

ist mit seinen notorischen Bildern nächtlich erleuchteter<br />

Skylines längst zu einem austauschbaren Gemeinplatz<br />

geworden. Das Ruhrgebiet hat ganz andere Begabungen –<br />

es kann zur Europäischen „Post-Metropolis” werden.<br />

39


Räume öffnen<br />

41


Udo Weilacher<br />

„George Orwells Prophezeiung wird wahr: nicht im 20. Jahrhundert, sondern<br />

im 21. Jahrhundert“, konstatierte Steven Spielberg (zitiert aus „Deconstructing<br />

Minority Report“, Twentieth Century Fox 2002). Renommierte<br />

amerikanische Experten aus den Bereichen Technologie, Umwelt, Verbrechensbekämpfung,<br />

Medizin, Gesundheit, Soziale Dienste, Verkehr, Computertechnologie<br />

und Stadtplanung lud der amerikanische Regisseur zu einem<br />

dreitägigen think tank nach Venice ein, um am Beispiel von Washington<br />

D.C. darüber nachzudenken, wie die Welt in Zukunft aussehen wird. Dabei<br />

ging es nicht etwa um die weit entfernte, sondern um die vorhersehbare<br />

Zukunft in einem halben Jahrhundert: 50 <strong>Jahre</strong>, in denen sich aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach wohl keine völlig neuen Gesellschaftsformen entwickeln<br />

werden. Interessanterweise wird sich die alte amerikanische Hauptstadt<br />

nach Meinung der Experten in ihrer äußeren Erscheinung kaum verändern,<br />

denn geltende Bauvorschriften verhindern auch in naher Zukunft den Bau<br />

von Wolkenkratzern und das Überbauen vorhandener öffentlicher Parks<br />

und Gärten im zentralen Stadtgebiet. Aber werden noch neue Parks und<br />

Plätze entstehen?<br />

„There is absolutely no need for parks anymore, because the 19th century<br />

problems have been solved and a new type of city has been created“,<br />

behauptete nicht etwa Steven Spielberg, sondern der niederländische Landschaftsarchitekt<br />

Adriaan Geuze vor etwa einem Jahrzehnt (Geuze 1993).<br />

Der Gründer des Rotterdamer Büros West 8 glaubt, dass die Stadtbewohner<br />

schon heute über genügend technische Möglichkeiten verfügen, um sich<br />

ihre individuellen Fluchtwege aus der Stadt in reale oder virtuelle, bevorzugt<br />

exotische Naturbilder zu bahnen. Spielbergs Science-Fiction Film „Minority<br />

Report“ widerspricht dieser These jedoch anschaulich und der Zuschauer<br />

erkennt auch in den zukünftigen, vertikal in die Höhe schießenden Stadtquartieren<br />

jenseits des Flusses Potomac zahlreiche öffentliche, aufwändig<br />

begrünte Freiräume, die sich äußerlich nicht von traditionell gestalteten<br />

Parks und Plätzen unterscheiden, wie wir sie heute schon kennen.<br />

Öffentliche Räume, Gärten, Parks, Plätze und Straßen werden entgegen kulturpessimistischer<br />

Prophezeiungen keineswegs aus dem Bild der Städte verschwinden,<br />

im Gegenteil. Doch gestalterisch entwickeln sie sich offenbar<br />

kaum weiter. Heute werden selbst neue Freiräume in bereits bekannte<br />

Typologien verwandelt, unabhängig von der Frage, ob die dem Industriezeitalter<br />

entstammenden Natur- und Landschaftsbilder dem Leben im 21. Jahrhundert<br />

überhaupt noch angemessen sind, und völlig ungeachtet der Tatsache,<br />

dass die Pflege dieser hübschen Anlagen in Zukunft kaum noch<br />

42<br />

Die Zukunft des öffentlichen Raumes –<br />

Traum oder Alptraum?<br />

öffentlich zu finanzieren sein wird. Wieso also sind Gartengestaltung<br />

und Landschaftsarchitektur in ihrer gestalterischen<br />

Weiterentwicklung gehemmt, während in allen anderen<br />

kulturellen, auch baukulturellen Belangen fieberhaft<br />

nach zeitgemäßen Ausdrucksformen verlangt wird?<br />

Der allgemeine Glaube an die ewig gültigen Gesetze der<br />

„guten“ Natur sitzt tief und unvermindert brennt die Sehnsucht<br />

der Stadtbewohner nach freier Landschaft, die spätestens<br />

seit der Entstehung der dichten europäischen Industriestädte<br />

zum Mythos geworden ist. Darüber hinaus lieben<br />

Architekten und Stadtplaner die Vorstellung von der eindrucksvollen<br />

Bauskulptur, dem prägnanten Stadtkörper auf<br />

neutralem, sprich ungestaltetem, grünem Grund. In Wahrheit<br />

liegt aber die Landschaft längst nicht mehr vor der<br />

Stadt. Die Stadt liegt längst nicht mehr in der Landschaft:<br />

Alles ist Stadt. Alles ist Landschaft. Die überkommenen Klischeevorstellungen<br />

von Landschaft und Natur in der Stadt<br />

erweisen sich aus vielen Gründen als äußerst hartnäckig.<br />

Je dramatischer sich die Städte in den Augen der Gesellschaft<br />

verändern, desto mehr steigt das Verlangen nach traditionellen<br />

Freiraumtypologien, die das sichere Gefühl von<br />

Vertrautheit und beständiger Geborgenheit vermitteln.<br />

Hinter den altbekannten Freiraumkulissen verändert sich das<br />

öffentliche Leben jedoch gravierend, wird stärker kontrolliert,<br />

gesichert und gesteuert. In „Minority Report“, entstanden<br />

nach einer 1956 publizierten Kurzgeschichte von Philip K. Dick,<br />

gibt es keine unüberwachte Privatheit mehr. Der öffentliche<br />

Raum ist gespickt mit Netzhautscannern, die den Menschen<br />

überall und jederzeit identifizieren, ob beim Betreten eines<br />

öffentlichen Gebäudes, dem Benutzen der Metro oder<br />

während der Fahrt im privaten Magnetschwebefahrzeug.<br />

Die Vision von der totalen Überwachung des öffentlichen<br />

Raumes und die damit nach Meinung von Kritikern verbundene<br />

Gefahr restriktiver Nutzungsregulierung – sprich: Privatisierung<br />

des öffentlichen Raumes – scheint keineswegs<br />

übertrieben. Schon vor dem 11. September 2001 geriet der<br />

durchschnittliche Großstädter in Supermärkten, Kaufhäusern,<br />

Hotels, Tiefgaragen, Bahnhöfen und an vielen anderen


öffentlichen Orten in der Stadt etwa 20 Mal pro Tag ins<br />

Visier einer Überwachungskamera. Seit dem Anschlag auf<br />

das World Trade Center ist die alltägliche Überwachungsintensität<br />

im Interesse der öffentlichen Sicherheit noch<br />

gestiegen. Nie zuvor haben wir auf analogen und digitalen<br />

Speichermedien so viele Fährten hinterlassen und nie zuvor<br />

wurden diese Spuren so minutiös aufgezeichnet und ausgewertet<br />

wie heute.<br />

Es ist jedoch keineswegs so, dass die Menschen unter dem<br />

Verlust der Anonymität, unter der Privatisierung des öffentlichen<br />

Raumes oder unter der konstanten Observanz besonders<br />

leiden, stellt der amerikanische Journalist und Schriftsteller<br />

Gundolf S. Freyermuth fest – im Gegenteil: „Surrt die<br />

Kamera in der dunklen Tiefgarage oder vor dem nächtlichen<br />

Bankautomaten in unsere Richtung, fühlen wir uns beschützt.<br />

Die Dienstleistungsunternehmen, die Telefonnummern<br />

von Anrufenden automatisch mit Adresskarteien<br />

abgleichen, schmeicheln unserer Eitelkeit, wenn sie uns mit<br />

unserem Namen begrüßen“ (Freyermuth 1998). Spielbergs<br />

Szenario geht sogar noch einen Schritt weiter. Im Jahr 2052<br />

identifizieren interaktive Reklamebildschirme in öffentlichen<br />

Einkaufspassagen und Plätzen mittels blitzschneller Augenscans<br />

jede Person schon von weitem und richten Ton- und<br />

Bildinformationen gezielt auf den vorbei eilenden Konsumenten<br />

aus. Was einst das Wesen des öffentlichen Raumes<br />

ausmachte, die zufällige, physische Begegnung mit Mitmenschen,<br />

wird durch die perfekte Simulation ersetzt. Der öffentliche<br />

Raum der Zukunft ist sicher, traditionell gestaltet, eigentumsrechtlich<br />

privatisiert und perfekt zugeschnitten auf<br />

unsere persönlichen Bedürfnisse – Traum oder Alptraum?<br />

Wir sind schon heute auf dem besten Wege, den öffentlichen<br />

Raum zur interaktiven Benutzeroberfläche für die<br />

moderne Informations- und Erlebnisgesellschaft umzugestalten.<br />

Eine ganze Industrie widmet sich unter dem Titel<br />

„Public Design“ der Entwicklung neuer, bevorzugt multifunktionaler<br />

Ausstattungsobjekte, Stadtmöblierungselemente<br />

und Informationskonsolen, die weder Fragen noch Wünsche<br />

der Stadtbewohner und -benutzer offen lassen und<br />

ganz nebenbei zur Animation vermeintlich toter öffentlicher Räume beitragen<br />

sollen. Technical toys nennt Steven Spielberg diese Objekte.<br />

Sie sammeln sich heute bevorzugt in jenen öffentlichen Räumen an, die<br />

gemeinhin als zu leblos, zu anonym und zu ungestaltet empfunden werden.<br />

Raummöblierung ist jedoch häufig nichts anderes als hilflose Symptombekämpfung<br />

und kann keine Öffentlichkeit erzeugen. Einseitig, wohnzimmernah<br />

betrieben, leisten sie der Privatisierung des öffentlichen Raumes<br />

sogar in zweifacher Hinsicht Vorschub: Erstens ist ein hoher Möblierungsstandard<br />

in der Erstellung und Pflege mit hohen finanziellen Aufwendungen<br />

verbunden, die die Kommunen so sehr überfordern, dass oft nur Privatisierung<br />

als Ausweg bleibt. Zweitens schränkt übertriebene Möblierung die<br />

Nutzbarkeit öffentlicher Räume so stark ein, dass sie ihrer eigentlichen<br />

Funktion als freie Bühne öffentlichen Lebens nicht mehr gerecht werden<br />

können. Doch genau solcher Bühnen bedarf es – auch in Zukunft.<br />

Entgegen der Vermutung, dass es in Adriaan Geuzes new type of city keine<br />

öffentlichen Parks und Plätze mehr gibt, weil man die Funktionen des Marktes,<br />

der Kommunikation, der Unterhaltung sowie der politischen Willensbildung<br />

effizienter im Cyberspace als im physischen Raum bedienen kann,<br />

schuf West 8 schon vor <strong>Jahre</strong>n in Rotterdam den hypermodernen Stadtplatz<br />

Schouwburgplein. Auch hier gibt es technical toys in beträchtlichen<br />

Abmessungen: individuell steuerbare, 35 Meter hohe Leuchtmasten und<br />

13 lange Sitzbänke am Rand der leicht erhöhten Platzfläche. Diese wenigen,<br />

aber kraftvollen Requisiten sollten die Zuschauer und Akteure zur uneingeschränkten<br />

Bespielung und entspannten Beobachtung der ansonsten wohltuend<br />

leeren städtischen Bühne einladen. Und das hat sich bewährt. Heute<br />

zählt der Platz, entgegen den Prophezeiungen der Kritiker und obschon teilweise<br />

privat finanziert, zu den lebendigsten öffentlichen Räumen der Stadt.<br />

Trotz abwechslungsreicher Fluchtmöglichkeiten ins Netzwerk der public<br />

domains und ungeachtet der zunehmenden, vorwiegend eigentumsrechtlichen<br />

Privatisierung öffentlicher Räume scheint also in der neuen Stadt<br />

noch ein beachtliches Quantum an lebendiger, sozialer und funktionaler<br />

Öffentlichkeit zu existieren. „Die Krise des öffentlichen Raumes ist in Wahrheit<br />

eine Krise des Gemeinwesens“, stellt Hanno Rauterberg treffend fest.<br />

„Der Streit um den öffentlichen Raum ist also in Wahrheit eine Ersatzdebatte,<br />

denn mehr als der Raum die Gesellschaft prägt, prägt die Gesellschaft ihren<br />

Raum“ (Rauterberg 2001). Städtischer Raum kann keine Öffentlichkeit<br />

erzeugen, sondern braucht eine lebendige, urbane Öffentlichkeit von gewisser<br />

Dichte und Vielfalt, für die er als Handlungsrahmen dienen kann. Insbe-<br />

43


sondere der städtische Platz, verstanden als alltäglich nutzbarer, zentraler<br />

Stadtraum, lebt von vielfältiger Dichte, muss aber auch die Inaktivität als<br />

Ruhephase im Rhythmus des pulsierenden Stadtlebens dulden und für den<br />

Stadtbewohner erträglich, ja sogar reizvoll gestaltet sein, ohne künstlich<br />

animiert zu wirken.<br />

Zugegebenermaßen ist dieser hohe Anspruch an die Gestaltung öffentlicher<br />

Stadträume nicht leicht zu erfüllen, insbesondere was die Ausformulierung<br />

qualitätvoller Leere, beruhigender Entschleunigung und entspannter Inaktivität<br />

anbelangt. Im Zeitalter digitaler Informations- und Bildströme werden<br />

Leere, Langsamkeit und Ruhe zwar einerseits zu raren Luxusgütern im privaten<br />

Raum. Andererseits wird die spürbare Leere und phasenweise Unbelebtheit<br />

öffentlicher Räume in der heutigen Gesellschaft schnell als unerträglich,<br />

ja sogar als bedrohlich empfunden und als Krise des öffentlichen Raumes<br />

problematisiert. Der Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast sprach<br />

vom Zwang zu gestalterischer Reduktion, denn „die Reduktion hat [...] auch<br />

einen gesellschaftlichen Hintergrund: Die Anreicherung des Raumes geschieht<br />

von selbst, während wir Sorge dafür tragen müssen, den tragfähigen<br />

Rahmen zu schaffen“ (Kienast 1996/1999). Alltäglich zu beobachten ist<br />

hingegen eine immer stärkere, vermeintlich gestalterische Anreicherung und<br />

gelegentlich sogar Überfrachtung des öffentlichen Raumes.<br />

In kaum einer anderen Großstadt sind die öffentlichen Räume so perfekt<br />

nach dem Geschmack des Publikums animiert, so makellos gepflegt und<br />

ganz nebenbei auch noch so sicher und so konsequent in privatem Besitz,<br />

wie in der ersten Stadt des 21. Jahrhunderts, in Las Vegas. Selbst wenn es,<br />

was allerdings sehr selten vorkommt, einmal ruhiger wird in den seltsam<br />

vertraut erscheinenden Straßen und auf den pittoresken Plätzen dieser Entertainment-Oase,<br />

wird dies kaum wahrgenommen, weil der animierte Raum<br />

ein ausgeprägtes Eigenleben führt und nahezu keine menschlichen Akteure<br />

zu brauchen scheint. Statt Akteuren bevölkern Konsumenten die Räume<br />

dieser Wüstenstadt. In Europa sind Inszenierungen solchen Ausmaßes noch<br />

selten, doch die Furcht vor leblos erscheinenden öffentlichen Räumen in<br />

schrumpfenden Städten und die Sehnsucht nach wieder erkennbaren Orten<br />

in leerer werdenden Stadtkernen führt auch hier zur vermehrten Entstehung<br />

perfekt inszenierter Malls, wohnlich gestalteter Einkaufspassagen und vollklimatisierter<br />

Freizeitparks, bevorzugt im exotischen Tropenlook. In diesen<br />

Räumen ist die Öffentlichkeit vollkommen unter Kontrolle – nur zur Sicherheit<br />

des zahlenden Publikums, versteht sich. Die Gesellschaft prägt ihre neuen<br />

öffentlichen Räume – in der Tat!<br />

44<br />

Trotz Bevölkerungsrückgang, Stadtschrumpfung und Stadtperforation<br />

schreitet in Mitteleuropa der Prozess der Urbanisierung<br />

unaufhaltsam voran. Es wachsen aber vor allem die<br />

suburbanen Räume, in denen sich ein Teil der Gesellschaft<br />

den trügerischen Traum jener neuen Beschaulichkeit inszeniert,<br />

den sie in der vermeintlich unwirtlichen Stadt nicht<br />

mehr zu finden vermag. Im periurbanen Raum führt das<br />

Fehlen städtischer Dichte zur Entstehung eines neuen<br />

öffentlich nutzbaren Freiraumtypus, der auch dann noch<br />

erträglich wirken soll, wenn sich kaum ein Mensch darin<br />

aufhält: begrünte Plätze und platzartige Parks, also Hybride<br />

zwischen Park und Platz, wie zum Beispiel in der EXPO-Siedlung<br />

am Kronsberg in Hannover.<br />

Die Landschaftsarchitekten Lohaus und Carl suchten 1996<br />

bei ihrer Planung für die beiden Quartierparks in Hannover-<br />

Kronsberg bewusst den Bezug zu squares, den begrünten<br />

Londoner Schmuckplätzen des 18. Jahrhunderts. Die ausgewiesenen,<br />

knapp 1,0 und 1,4 Hektar großen Flächen<br />

erachteten sie für Parks als zu klein. Andererseits wären<br />

Plätze solcher Dimension in dieser periurbanen Situation<br />

angesichts der geringen funktionalen und physikalischen,<br />

politischen und sozialen Dichte nicht überlebensfähig gewesen<br />

und hätten menschen- und möglicherweise sinnentleert<br />

gewirkt. Die neuen Quartierparks am Kronsberg<br />

wurden angelegt, um genau wie die altenglischen squares<br />

als grüne Mitten Intimität und Lebendigkeit auszustrahlen.<br />

Diese Hybride zwischen Park und Platz sollten den Anwohnern<br />

im neuen, noch eigenschaftslosen Stadtteil von Anfang<br />

an identitätsstiftende Orte sein.<br />

Zwei gegensätzliche formale Konzepte charakterisieren<br />

diese beiden Anlagen. Eine Bauminsel, eingelagert in eine<br />

annähernd quadratische Platzfläche, prägt den Quartierpark<br />

Nord. Im Gegensatz dazu präsentiert sich der Quartierpark<br />

Mitte als Waldlichtung in einem dicht gepflanzten Hain<br />

aus Mehlbeerbäumen. Im suburbanen Raum versprechen<br />

die Hybride beides: das Idealbild schöner Natur als Zitat von<br />

Landschaft in der Stadt. Dies ist auch dann zu genießen,<br />

wenn man sich alleine darin aufhält, denn Bäume und


Sträucher „bevölkern“ den Ort. Zugleich verspricht das Zitat<br />

vom Platz eine „gefühlte“ Öffentlichkeit und verheißt gutes,<br />

kulturell reichhaltiges städtisches Leben, ganz egal, wie<br />

lebendig die Öffentlichkeit in den angrenzenden Stadtquartieren<br />

tatsächlich ist.<br />

Solche Hybride sind im übertragenen Sinn transparente<br />

Gebilde und lassen unterschiedliche Lesarten zu. Vordergründig<br />

betrachtet scheinen sich zwei traditionell positiv<br />

besetzte städtische Freiraumelemente auf verblüffend einfache<br />

Weise miteinander zu verbinden. Vielleicht tauchen<br />

sie gerade deshalb seit einigen <strong>Jahre</strong>n in verschiedenen<br />

Variationen auf: Der Parc del Clot von Dani Freixes und<br />

Vicente Miranda in Barcelona, die Place de la Bourse von<br />

Alexandre Chemetoff und der Jardin Caille von Christine<br />

Dalnoky und Michel Desvignes – eigentlich Hybride aus Platz<br />

und Garten – in Lyon, der Platz der Einheit in Potsdam von<br />

WES und Partner, der Invalidenpark in Berlin von Christophe<br />

Girot und schließlich die neuen Quartierparks in Zürich-<br />

Oerlikon, insbesondere der Oerliker Park von Zulauf,<br />

Seippel und Schweingruber sowie der MFO-Park von<br />

Burckhardt und Partner mit Raderschall Landschaftsarchitekten<br />

sind einige europäische Beispiele aus den vergangenen<br />

zwei Jahrzehnten.<br />

Park und Platz zählen längst zu vereinheitlichenden Begriffen<br />

mit breiter thematischer Vielfalt. Infolge eines inflationären<br />

Gebrauchs haben sie ihre spezifische Aussagekraft<br />

verloren und werden deshalb gerne in neuen Kombinationen<br />

als Reizauslöser in unserer „Multioptionsgesellschaft“<br />

benutzt. Für solche hybriden Typologien, die die ersten<br />

Vokabeln einer neuen freiraumgestalterischen Sprache sein<br />

können, werden irgendwann neue Bezeichnungen zu prägen<br />

sein: wie zum Beispiel „urbane Hybridräume“ – eine<br />

Bezeichnung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass sich<br />

neue Freiraumtypen in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten,<br />

Architekten und Stadtplanern entwickelt haben<br />

und deren Entstehung nicht nur auf einen tiefgreifenden<br />

Wandel im heutigen Natur- und Landschaftsverständnis<br />

zurückzuführen ist, sondern auch auf den Bedeutungswandel<br />

urbaner Öffentlichkeit.<br />

Der von der romantischen Natursehnsucht im späten 19. Jahrhundert ausgelöste<br />

und gegenwärtig durch die digitale Bildflut angeheizte Hunger der<br />

Industriegesellschaften nach idyllischen Bildern von unberührter, harmonisch<br />

gestalteter Natur und die Sucht nach immer neuen Freizeitoptionen ist<br />

mit traditionellen Stadtparkkonzepten nicht mehr zu stillen. Ebenso wenig<br />

ist von neuen suburbanen Stadtplätzen zu erwarten, dass sich darin noch<br />

das öffentliche Leben in gewohnter Weise widerspiegelt. Das überkommene<br />

Bild städtischer Öffentlichkeit ist längst durch neue Arten des Raumgebrauchs<br />

in Frage gestellt und muss neu definiert werden. „So wäre es<br />

auch möglich“, schreibt Klaus Selle, „unbelastet vom kulturpessimistischen<br />

Postulat des ‚Verfalls und Endes des öffentlichen Lebens’ (vgl. Sennett 1998)<br />

zeitgemäße Funktionen und Nutzungsformen öffentlicher Räume zu entdecken<br />

und nach Folgerungen für Planung, Bau oder Pflege und Entwicklung<br />

zu fragen [...]“ (Selle 2002). Der urbane Hybridraum, jener dialektische,<br />

transparente Ort zwischen Park und Platz, Alt und Neu, Natürlichkeit und<br />

Künstlichkeit entzieht sich der eindeutigen Lesbarkeit und ist womöglich<br />

gerade deshalb als zeitgemäßer Freiraumtyp weiter zu entwickeln.<br />

Literatur<br />

Freyermuth, G. S.: „Warum hast Du so große Ohren?“<br />

in Neue Zürcher Zeitung Folio. Juli 1998<br />

Geuze, A.: „Moving beyond Darwin“.<br />

in Knuijt, M., Ophuis, H., Van Saane, P. (Hg.): Modern Park Design. Recent Trends.<br />

Amsterdam 1993<br />

Kienast, D. zitiert aus: Weilacher, U.: Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art.<br />

Basel / Berlin / Boston 1996/1998<br />

Rauterberg, H.: „Drinnen ist draußen. Draußen ist drinnen. Hat der öffentliche Raum noch eine<br />

Zukunft?“ in Deutsches Architektenblatt. Februar 2001<br />

Selle, K.: „Stadt und öffentlicher Raum. Thema mit Variationen.“<br />

in Kornhardt, D., Pütz, G., Schröder, T. (Hg.):<br />

Mögliche Räume. Stadt schafft Landschaft. Hamburg 2002<br />

Spielberg, S.: Deconstructing Minority Report. Twentieth Century Fox 2002<br />

45


Ernst Hubeli<br />

Öffentlichkeit befand und befindet sich in einem permanenten Strukturwandel;<br />

das Gleiche gilt für den öffentlichen Raum. Ist das, was wir mit öffentlichem<br />

Raum bezeichnen, überhaupt öffentlich? Von welcher Art von Öffentlichkeit(en)<br />

muss man heute sprechen?<br />

Darauf gibt es keine einfachen Antworten. Mit der elektronischen Öffentlichkeit<br />

und ihrer weltweiten Vernetzung durch das Internet ist eine hybride<br />

Konstellation entstanden, die einen historischen Bruch mit traditionellen<br />

Formen und Inhalten von Öffentlichkeit bedeutet. Es existieren heute Gleichzeitigkeiten<br />

von privaten und öffentlichen Sphären, von lokalen Kulturen<br />

und einer globalen Hyperkultur, von Zeit und Nicht-Zeit, von medialer und<br />

wirklicher Wirklichkeit, von realem und virtuellem Raum.<br />

Der mediale Modernisierungsschub stößt aber auch auf Ablehnung und<br />

weckt die Sehnsucht nach einer vergangenen, überblickbaren Öffentlichkeit.<br />

Diese dialektische Situation ist gekennzeichnet durch unberechenbare<br />

und dynamische Wechselwirkungen zwischen der irreversiblen Umwertung<br />

von Raum und Zeit und einem mehr oder weniger schnellen Ablösungsprozess<br />

von der bürgerlichen Öffentlichkeit, wie wir sie kennen.<br />

Diese Wechselwirkungen äußern sich zunächst in neuen Formen von Öffentlichkeit,<br />

die sehr unterschiedliche Phänomene spiegeln. Einige sollen einleitend<br />

den Strukturwandel veranschaulichen, um ihn im Hinblick auf<br />

eine Theorie und Praxis für den Städtebau und die Architektur zu erörtern.<br />

Der Beitrag enthält hierzu einige zusammenfassende Gedanken und<br />

Schlussfolgerungen.<br />

46<br />

Von der Öffentlichkeit zu einem Universum<br />

von Teilöffentlichkeiten<br />

Phänomen 1: Individualisierung und neue Kollektoren<br />

Ein wichtiger Ausgangspunkt des Strukturwandels des<br />

Öffentlichen ist das Private. Mit der veränderten beruflichen<br />

Stellung der Frau, der Liberalisierung des Eherechts und den<br />

zunehmend vernetzten und flexiblen Arbeitsweisen hat sich<br />

das Grundverständnis des Privaten gewandelt, ist heterogen<br />

geworden. Auch die lange Zeit gültigen gesellschaftlichen<br />

Standards bezüglich der „richtigen” Lebensweisen sind aufgeweicht<br />

worden oder gar in Auflösung begriffen. Was mit<br />

der Individualisierung der Gesellschaft umschrieben wird,<br />

hat sich in demographischen und kulturellen Veränderungen<br />

längst manifestiert.<br />

In den meisten europäischen Städten ist der Anteil traditioneller<br />

Familienhaushalte auf 15 bis 20 Prozent geschrumpft,<br />

während sich gleichzeitig unüberblickbar vielfältige Formen<br />

von Single- und Paarhaushalten entwickelt haben. Damit<br />

einher geht die Suche nach dem eigenen Lifestyle; sie hat<br />

eine befreiende, aber auch eine repressive Dimension. Mit<br />

der zunehmenden Heterogenität der Lebensweisen ist eine<br />

Enthierarchisierung von Kultur verbunden: Was oben und<br />

unten, was vorne und hinten ist, lässt sich kaum mehr<br />

sagen. Andererseits ist ein fast zwanghaftes Bedürfnis nach<br />

Einzigartigkeit entstanden, das eine globale Identitätsindustrie<br />

verwertet und verdinglicht. Ihre Waren werden mit dem<br />

Versprechen angepriesen, dass Stil und Identität käuflich<br />

sind: ich Armani, du Prada, es Comme de Garçons.<br />

Parallel zu dieser „Massen-Individualisierung” sind aber auch<br />

Massenereignisse und urbane Groß-Events bedeutender<br />

geworden. Man kann vermuten, dass sie ein gleichzeitiges<br />

Bedürfnis nach Gemeinschaft und nach Öffentlichkeit bedienen:<br />

Der Philosoph Peter Sloterdijk spricht hier von einer<br />

Sehnsucht nach neuen „Kollektoren” und von einer „Stadien-<br />

Renaissance”.


Phänomen 2: privat – öffentlich, öffentlich – privat<br />

Die Ausbreitung von außerfamiliären und temporären<br />

Gemeinschaften hat umgekehrt das Private verändert, das<br />

nun auch kollektive Formen annehmen kann. In den Privatraum<br />

dringt elektronische Öffentlichkeit, die Privates als<br />

öffentliche Angelegenheit inszeniert. Intime Probleme<br />

erscheinen am Bildschirm als kollektives Schicksal, das –<br />

medial zubereitet – sich zum emotionalen Globalkitt verdichtet.<br />

Der privat-öffentlichen stehen öffentlich-private Formen<br />

elektronischer Öffentlichkeit gegenüber. Ein Beispiel dafür<br />

ist eine Fußballsendung in Italien, die als Alternative zum<br />

Pay-TV entstanden ist. Sie hat unerwartet hohe Einschaltquoten<br />

eingespielt, was man zunächst auf die unentgeltliche<br />

Übertragung des Spiels zurückgeführt hat. Doch der<br />

eigentliche Grund war ein anderer.<br />

Bei der sonntäglichen Live-Übertragung sieht man nicht das<br />

Spiel, sondern einen aufgeregt kommentierenden, permanent<br />

schreienden Reporter, der – immer nahe am Herzinfarkt<br />

– von einer blonden Assistentin regelmäßig zu besänftigen<br />

versucht wird. Die wirkliche Attraktion der Sendung ist<br />

die Herausforderung, eigene Deutungsarbeit leisten zu müssen<br />

bzw. dies zu dürfen. Die Rede über das Spiel kann nämlich<br />

wichtiger sein als das Spiel selbst. Das Unsichtbare lässt<br />

viele Deutungen zu, so dass Spiele im Spiel entstehen.<br />

Im Zusammenhang mit Literatur und Kunst haben Roland<br />

Barthes, Michel Foucault und Umberto Eco schon früh auf<br />

den Rollenwechsel zwischen Autor und Leser hingewiesen.<br />

Die postavantgardistische These besteht darin, dass ein<br />

Werk erst durch Deutung vollendet wird. Ähnliches meint<br />

der gängige Begriff „Interaktion“. Er bezeichnet in kommunikativer<br />

wie kultureller Hinsicht ein strukturierendes und<br />

vor allem konstitutives Element von Öffentlichkeit, nicht nur<br />

im Fußball, sondern auch in der modernen Kunst, in der<br />

digitalen Spielewelt, nahezu überall.<br />

Phänomen 3: Reproduktionen von Reproduktionen<br />

Die Medialisierung der Alltagswelt schafft auch neue Verhältnisse zu den<br />

Räumen und zu den Landschaften. Was ist ein wirklicher Raum, was ein fiktiver,<br />

was ein virtueller? Welche Landschaft ist natürlich, welche künstlich?<br />

Auf den Werbetafeln von Marlboro sind die Rocky Mountains abgebildet.<br />

Es handelt sich dabei um die atmosphärische Nachahmung einer Filmszene<br />

aus „Wyatt Earp“, also um die Reproduktion einer Reproduktion.<br />

In den 1990er <strong>Jahre</strong>n ist auch ein Architekturgenre entstanden, das sich an<br />

den Arbeitsweisen der globalen Werbebranche orientiert: Die mediale Wirkung<br />

ist wichtiger als das reale Objekt. Das Guggenheimmuseum in Bilbao<br />

war 1997 das erste Beispiel dieses Genres. Das Gebäude wurde als eine einzigartige<br />

Form für den globalen Bildschirm entworfen, als medialer „Oberflächenknall”<br />

und heiteres Architekturerlebnis.<br />

Was für die Werbung und ihre Wirkmechanismen gelten mag, trifft für die<br />

Architektur allerdings nur bedingt zu: Die Ökonomie der Aufmerksamkeit<br />

hat dort ihre eigenen Gesetze. Die Entmaterialisierung von Objekten und<br />

Produkten suggeriert zwar, dass alles machbar und möglich ist, auch eine<br />

Architektur mit Voodoo-Zauber. In Wirklichkeit verschleißt sich die Suggestivkraft<br />

aber sehr rasch, so wie die Bilder, welche die Medien durchfluten.<br />

Eine Wiederholung ist nicht möglich; der Zwang, immer das Neue zu finden,<br />

das sich zugleich zerstört, ist eben auch eine (Medien-)falle. In sie ist die<br />

globale Architektur hineingefallen und darin zur „Wurlitzerorgel der Form“<br />

geworden. Für das Tempo der Bilder und die mediale Entmaterialisierung,<br />

die eben auch wörtlich gemeint sind, ist die Architektur offenbar ein ungeeignetes,<br />

viel zu träges Medium.<br />

47


Phänomen 4: Hybride<br />

Da mediale Effekte virtuell sind, öffnen sie schier unbegrenzte Projektionsflächen.<br />

Die Steigerung besteht nun darin, sie auch zu verräumlichen. Der<br />

Bildschirm wird dreidimensional auf den künstlichen Raum ausgeweitet,<br />

was das Spektrum möglicher Reproduktionen und Mehrfachcodierungen<br />

von Bildern und Atmosphären potenziert. Voraussetzung dafür sind räumliche<br />

Einkapselungen: In ihnen lösen sich Unterschiede von Kultur und Produkt,<br />

von Geschichte und Gegenwart auf. Kunst, Natur, Lifestyle, Schokolade<br />

und Musik verschmelzen in einem einzigen Allerwelt-Event. Ein solches<br />

Event kann überall stattfinden, in ausgehöhlten Altstadtkernen oder in<br />

Großcontainern an leistungsfähigen Verkehrsknoten. Egal, ob es sich um<br />

Erlebniszentren, Einkaufswelten, temporäre Städte oder Discos handelt, ihre<br />

gemeinsame Eigenschaft ist ihre Entortung: Sie können überall entstehen<br />

und genau so wieder verschwinden.<br />

Sie sind, unabhängig davon, ob man sie noch als öffentliche Räume oder<br />

bereits deren Privatisierung betrachtet, zunächst einmal unhintergehbare<br />

Bestandteile der zeitgenössischen Stadt. Vor allem in den unübersichtlichen<br />

Agglomerationen und Großstadtregionen bilden Einkaufs- und Erlebniszentren<br />

neue Orientierungspunkte „…im gleichförmigen Durcheinander, [...]<br />

wo Halluzinationen und Gedächtnisstörungen auftreten, wo Bilder nichts<br />

vermitteln können. Solche Orte bieten Wiedererkennungseffekte und Identifikationsangebote<br />

– als homogener Raum im unlesbaren Großraum“<br />

(Voeckler, 2001). Sie sind „Volkscontainer”, neue kollektive Orte, die eindeutig<br />

lokalisierbar sind, auch wenn das jeweilige Event überall und überall<br />

ähnlich, wenn auch nicht gänzlich gleich, stattfinden könnte.<br />

Das Paradox besteht in der Gleichzeitigkeit von Ort und Ortlosigkeit, von<br />

Zeit und Nicht-Zeit. Diese Raumkonstellation entspricht einem Hybrid. In<br />

einem solchen Hybrid muss nun nicht zwangsläufig eine Privatisierung von<br />

öffentlichem Raum gesehen werden, sondern eher eine typologische Erweiterung<br />

von öffentlichen Orten, die an Foucaults Begriff der Heterotopie<br />

erinnert – unter dem Vorbehalt allerdings, dass solche Hybride keine privatpolizeiliche<br />

Observation und flächendeckende Ambiente-Regulationen voraussetzen.<br />

Insofern ist der geschützte und kontrollierte Raum nur eine unter<br />

mehreren Varianten eines Hybrids, die Variante, in der sich die mehr oder<br />

weniger Anständigen eben die „elektronischen Engel“ wünschen.<br />

Phänomen 5: Urbanität ist unsichtbar<br />

Gälte es, das Gegenmodell zur kontrollierten Öffentlichkeit in den Erlebniswelten<br />

zu benennen, dann wären dies die unsichtbaren Sphären von<br />

Öffentlichkeit. Ein Beispiel dieser anderen Öffentlichkeit manifestierte die<br />

Jugendbewegung von 1980 in Zürich, eine urbane Revolte, die gegen die<br />

kontrollierte, sozial-räumliche Organisation von Öffentlichkeit aufbegehrte,<br />

die die Jugendlichen als das genaue Gegenteil von Urbanität empfanden.<br />

Hinter verschlüsselten oder ironischen Parolen wie „Wir machen aus dem<br />

Staat Gurkensalat“ oder „Zürich gibt Dir eine Lebensversicherung und<br />

nimmt Dir das Leben“ stand eine bewusste Strategie: Die Revolte sollte politisch<br />

nicht identifizierbar und anonym bleiben, um sich dem sozialpädagogischen<br />

Zugriff zu entziehen. Die Provokationen zielten gegen einen Sozialstaat,<br />

der mit vorausschauender Bevormundung seine Schutzfunktion längst<br />

überschritten hatte.<br />

48<br />

Die urbane Revolte definierte den urbanen Raum ex negativo:<br />

gegen die Trostlosigkeit eines Territoriums, in dem Verhübschungen<br />

und Verniedlichungen wie Verordnungen<br />

aus einem festen Regelwerk von Architektur, Identität und<br />

Authentizität wirkten. Wer planerische und gestalterische<br />

Überschüsse produzierte, so die Lektion, hatte das Gelände<br />

verfehlt, weil er den urbanen Fluss verdickte.<br />

Die Technoszene war in ihren Anfängen, zumindest teilweise,<br />

eine Reaktion auf die Jugendbewegung der 80er <strong>Jahre</strong>.<br />

Anfang der 1990er <strong>Jahre</strong> erfanden Raver, vor allem in Seattle<br />

und Zürich, eine ihnen eigene Öffentlichkeit. Sie spürten<br />

Niemandsländer auf, Durchgangsräume, Fahrradtunnels,<br />

die sie mit körperlicher Selbstinszenierung und autorenloser<br />

Musik aufluden. Dabei stand nicht die Politisierung des<br />

öffentlichen Raumes im Vordergrund, sondern die Form der<br />

Aneignung: die Verwandlung von Nicht-Orten in öffentliche<br />

Orte auf Zeit. Die politischen Provokationen der urbanen<br />

Revolte der 1980er <strong>Jahre</strong> haben die Raver durch Wünsche<br />

ersetzt, die unmittelbar erfüllbar waren.<br />

Die Jugendbewegungen der 80er und 90er <strong>Jahre</strong> lassen die<br />

von Marc Augé gebrandmarkten Non-Lieux in einem anderen,<br />

gar gegensätzlichen Licht erscheinen. Nicht-Orte sind<br />

eine Attraktion, weil sie nichts repräsentieren, keine Macht,<br />

keine Ausgrenzung. Es sind Orte symbolischer Abwesenheit<br />

oder Orte mit austauschbaren Symbolen; Orte ohne Adressen,<br />

wo (noch) nichts geschieht.<br />

Orte des (Fast-)Nichts sind Orte der Potenziale. Ihre Unbestimmtheit<br />

kontrastiert die bürgerliche Öffentlichkeit mit<br />

ihren Repräsentationsfunktionen. Sie veranschaulichen den<br />

Ablösungsprozess zu heterogeneren, wenig hierarchisierten<br />

und instabilen Teilöffentlichkeiten. Ausdruck davon sind<br />

mitunter alltägliche, ungeplante öffentliche Räume: Zwischenräume,<br />

Kioske, Waschsalons und Tankstellen, die<br />

heute den Stellenwert von bedeutenden öffentlichen Orten<br />

haben; Räume, die Teilöffentlichkeiten konstituieren, nachdem<br />

die eine Öffentlichkeit nur noch Fiktion ist (und möglicherweise<br />

auch immer schon war).<br />

Ist Öffentlichkeit, sind öffentliche Räume zerstört?<br />

Die Frage ist der Dauerbrenner des Theoriediskurses. Unbestreitbar<br />

ist, dass sich die Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert<br />

in viele soziale Schichten, mittelständische und andere,<br />

auch nicht qualifizierbare Gruppen und Szenen ausdifferenziert<br />

und dass sich die bürgerliche Öffentlichkeit in viele Teilöffentlichkeiten<br />

zersplittert hat. Dazu gehört auch die elektronische<br />

Öffentlichkeit, die an sich und mit der Einführung<br />

des Internets heterogener geworden ist.<br />

Wird nun, so die Kardinalfrage der Debatte, Öffentlichkeit<br />

zwangsläufig in banale oder private Formen verwandelt und<br />

zerstört oder entwickelt sich daraus etwas anderes, etwas<br />

Unbekanntes?


„Der Strukturwandel der Öffentlichkeit” von Jürgen Habermas,<br />

geschrieben in den1960er <strong>Jahre</strong>n, und „Der Verfall der Öffentlichkeit.<br />

Die Tyrannei der Intimität” von Richard Sennett aus<br />

den 1980er <strong>Jahre</strong>n sind bis heute die Klassiker, die sich mit der<br />

Frage ausführlich befasst haben. Sennetts Kernthese besteht<br />

in der Dialektik zwischen Intimität und Geselligkeit: „Je mehr<br />

die Psyche ins Private gedrängt wird, desto weniger wird<br />

sie stimuliert…”. Die Distanz zwischen den Menschen geht<br />

verloren – sie gehen auf Tuchfühlung. „Die Menschen sind<br />

aber, umso geselliger, je mehr greifbare Barrieren zwischen<br />

ihnen liegen“. Wenn die Distanz verloren geht, entsteht der<br />

„Fetisch der Gemeinschaftlichkeit“. Eine Gemeinschaft ist<br />

„eine pervertierte Brüderlichkeit”, die auf den Ausschluss<br />

von Außenseitern und Fremden angewiesen ist. „Gemeinschaft<br />

und Gesellschaft ist ein Gegensatz”, so wie latenter<br />

Rassismus und soziale Integration, welche die urbane Tradition<br />

in Europa prägt.<br />

Habermas beklagt den Verlust der direkten öffentlichen<br />

Kommunikation, was auch den Verlust eines rationalen Diskurses<br />

und Kritik bedeute. Die elektronischen Massenmedien<br />

ermöglichen zwar, dass die Kulturgüter einem breiten Publikum<br />

zugänglich werden, sie werden aber auch zur Ware.<br />

Die leichtere Zugänglichkeit verlangt eine Entqualifizierung<br />

und Simplifizierung. Geschmacksfragen dominieren schließlich<br />

die Kultur. Habermas meint, dass die Teilnahme des<br />

Publikums nur scheinbar geschieht. In Wirklichkeit bemächtigen<br />

sich die Massenmedien der öffentlichen Sphäre. Der<br />

öffentliche Raum wird „halbiert“, indem die Bürger passiv<br />

sein müssen. Diese Medialisierung führe unter anderem zur<br />

Verwandlung gesellschaftlicher Kategorien in psychologische,<br />

zur Intimisierung von Sachen und Personen durch<br />

Starkult, zur Ablösung der öffentlichen Auseinandersetzung<br />

durch Unterhaltung. In der Öffentlichkeit wird schließlich<br />

um die „Herrschaft über die Herrschaft der nicht-öffentlichen<br />

Meinung“ gerungen. In der Konsequenz führt diese<br />

Öffentlichkeitsarbeit von oben zu einer „Refeudalisierung<br />

der Öffentlichkeit”.<br />

Abgesehen davon, dass in den letzen 20 <strong>Jahre</strong>n ein weiterer<br />

Strukturwandel der Öffentlichkeit stattgefunden hat (Globalisierung,<br />

Internet u.a.), steht weniger die Frage im Vordergrund,<br />

ob die erwähnten Kernthesen richtig oder falsch<br />

sind, sondern ob der Fokus sich nicht auf ein spezifisches<br />

Spektrum von Öffentlichkeit beschränkt.<br />

Es gehört zu einem wesentlichen Merkmal des aktuellen<br />

Strukturwandels, dass sich in den letzten Jahrzehnten Öffentlichkeiten<br />

konstituiert haben, welche die traditionellen, soziologischen<br />

und politischen Bewertungen unterlaufen –<br />

also öffentlich sind, ohne dass sie sich über Diskurse, Kritik<br />

oder Gemeinschaften definieren. So gibt es, um im Jargon<br />

der kritischen Theorie zu bleiben, eine Dialektik der Dialektik,<br />

die der Adorno-Schüler Rudolf Lüscher metaphorisch mit<br />

einer Comicfigur beschrieben hat (ursprünglich aus dem Zusammenhang<br />

mit dem Fordismus): Krümelmonster unterminieren gesellschaftliche Trends,<br />

kapitalistisches Kalkül, Manipulationen und Disziplinierungsmodelle, so dass<br />

sie keineswegs flächendeckend wirken. Das entspricht etwa dem (scheinbaren)<br />

Paradox, dass die Unterschicht das „Unterschicht-Fernsehen” nicht mehr<br />

sehen will, seit es als solches gilt.<br />

Der zweite Einwand bezieht sich auf den Kulturpessimismus, den Habermas<br />

und Sennetts Thesen durchdringen. Er äußert sich in einer unausgesprochenen<br />

Beschönigung oder gar Verherrlichung vergangener Öffentlichkeit. Sie<br />

wurde im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrundert vom Bourgeois<br />

und vom Bildungsbürgertum beherrscht. So besteht die Gegenthese darin,<br />

dass erst mit der post-bürgerlichen Öffentlichkeit sich Öffentlichkeit entfalten<br />

konnte, insbesondere ihre emanzipatorischen Ansprüche. Mit anderen Worten:<br />

Öffentlichkeit zerstört sich auch selbst, allein durch den Umstand, dass<br />

sie nicht mehr öffentlich ist.<br />

Wie konstituiert sich Öffentlichkeit heute?<br />

Öffentlichkeit hat sich also in ein fast unüberblickbares Universum von Teilöffentlichkeiten<br />

aufgefächert: Sie sind transitorisch, reflexiv, atomisiert,<br />

trivial oder gescheit. Sie entstehen nicht nur über Politik und Diskurs, sondern<br />

vermehrt über Freizeit, Sport, Moden und anderem. Die traditionelle bürgerliche<br />

Öffentlichkeit ist natürlich nicht verschwunden – sie hat nur ihre Leitfunktion<br />

verloren.<br />

Durch diese Enthierarchisierung ist unklar, was in der Öffentlichkeit als Oben<br />

und Unten gilt und überhaupt, was öffentlich ist und was nicht. Es gibt<br />

auch kein verbindliches Interpretationszentrum, das die Welt für alle erklärt.<br />

Auch Medienmonopole müssen sich oft selbst in Frage stellen, um noch<br />

angehört zu werden.<br />

Mit dem Bedeutungsverlust bürgerlicher Öffentlichkeit ist auch die Perspektive<br />

einer alles zentrierenden Öffentlichkeit, einer Art verbindlichen Interpretationszentrums,<br />

verschwunden. Es existieren viele verschiedene, oft parallele<br />

Öffentlichkeiten, Mikro-Öffentlichkeiten, die sich eben nicht mehr zu einem<br />

übergeordneten Diskurs zusammenfügen lassen.<br />

In diesem Zusammenhang hat auch Habermas These, dass Öffentlichkeit<br />

vom Bildschirm verschluckt wird, Beweisnot. Viele empirische Studien belegen,<br />

dass die mediale Öffentlichkeit die physisch-räumliche nicht einfach<br />

ersetzt. Sie wird auch nicht als Ersatz empfunden. Es sprechen viele Indizien<br />

dafür, dass die Medien weitgehend botschaftslos funktionieren und eben<br />

keinen Ersatz für urbane Öffentlichkeit sein können. Das ist vermutlich ein<br />

Grund, wieso die Kneipen in ganz Europa geboomt sind. Eine Forschung<br />

hat bestätigt, dass Kneipenbesucher im Vergleich zu Pantoffelhelden ein<br />

ausgesprochen kritisches Verhältnis zu den Massenmedien haben, im Besonderen<br />

zur manipulierten Meinungsbildung. So findet Habermas „halbierte<br />

Öffentlichkeit“ in der Kneipe die konkrete Gegenthese.<br />

49


Was ist Öffentlichkeit, was öffentlicher Raum?<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Zusammenbruch von der bürgerlichen<br />

Öffentlichkeit sich als deren Erneuerung erwiesen hat.<br />

Öffentlichkeit ist trotz dieser Tendenz zu separierten Teilöffentlichkeiten<br />

natürlich nach wie vor eine spezifische Form gesellschaftlicher Kommunikation<br />

und damit anders als jede private, intime Kommunikation – oder (in<br />

Anlehnung an Wittgenstein): Öffentlichkeit gibt es schon alleine deshalb,<br />

weil es keine Privatsprache gibt, die jemand nur mit sich selbst spricht.<br />

Öffentlichkeit als Kommunikation ist nun nicht einfach herstellbar – weder<br />

institutionell noch mit Architektur oder Animation. Mit Öffentlichkeit ist<br />

also die Ungewissheit verbunden, ob sie überhaupt stattfindet, zugleich<br />

aber auch die Erwartung, dass sie stattfindet. Dieses Phänomen entspricht<br />

der doppelten Kontingenz: Für die einen beruhigt die unruhige Öffentlichkeit<br />

die gesellschaftliche Unruhe und für die anderen beunruhigt sie bloß die<br />

an sich ruhige Gesellschaft.<br />

Das Gleiche gilt für den öffentlichen Raum: Er bildet allenfalls einen Rahmen –<br />

die (zumeist) versteinerte Form eines möglichen Gegenübers der Verständigung,<br />

das entsprechende Erwartungen an Kommunikation, an kommunikatives<br />

Handeln weckt. Dem öffentlichen Raum ist dieses Selbstverständnis<br />

von Öffentlichkeit gewissermaßen eingeschrieben.<br />

50<br />

Öffentliche Räume sind deshalb nicht einfach Räume, die<br />

allen zugänglich sind; sie verweisen auf eine erwartbare<br />

Öffentlichkeit, eine mögliche Kommunikation. Dieser Aspekt<br />

des Verweisens ist das, was man als Selbsttransparenz der<br />

Öffentlichkeit bezeichnen kann; er kann sich freilich auch als<br />

reine Projektion äußern, etwa dann, wenn der touristische<br />

Blick über die Piazza von Siena schweift und von der romantischen<br />

Fernsicht überblendet wird – mit dem Vergangenheitstraum<br />

von einer überblickbaren, damit kontrollierten<br />

Öffentlichkeit, dem Gegenteil der heutigen elektronischen<br />

Öffentlichkeit mit ihrer physisch-räumlichen Abwesenheit.<br />

Selbsttransparenz, die gegenwartsbezogen und real ist,<br />

meint Orte oder Räume, die gegenüber dem normalen<br />

Lebensraum Gegenplatzierungen darstellen. Es sind Orte,<br />

wo Kultur gegenwärtig ist, bestritten und gewendet wird.<br />

Der öffentliche Raum wird zum Ort des öffentlichen Lebens:<br />

wenn er die Differenzen zum Privaten bewusst macht; wenn<br />

er als Ort der Überschreitung wirkt. Wer ihn übertritt, wird<br />

nicht nur anderen begegnen, er wird selbst zum anderen.<br />

Wenn die private Existenz gegenwärtig, aber unwirklich ist,<br />

wenn die eigene Geschichte als bloßer Entwurf erscheint,<br />

wenn der öffentliche Raum sich zur Arena rundet, wo der<br />

Lebenskampf sich im Spiel auflöst.<br />

Gälte es, eine Architektur der Öffentlichkeit zu bezeichnen,<br />

dann wäre es der de-programmierte Raum. Er ist weder<br />

ästhetisch bevormundend, lebenspädagogisch aufgeladen,<br />

noch funktionell vorbestimmt. Ihm eingeschrieben ist gewissermaßen<br />

eine Bedeutungsleere, eine Art Unlesbarkeit;<br />

allenfalls ein Paradox, das Deutungsspielräume eröffnet.<br />

Er macht seine Aneignung möglich und zugleich unberechenbar<br />

– ein Ort der unbekannten Möglichkeiten und des<br />

Zufalls.


Schlussfolgerungen<br />

Die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum bietet<br />

für den Städtebau und die Architektur auf verschiedenen<br />

Ebenen Lernstoff.<br />

Erstens. Architektur ist ein fait social: Der geplante Raum<br />

löst sich bald von architektonischen Absichten und beginnt<br />

ein Eigenleben. Diese „reale“ Architektur ist nicht planbar<br />

und – gerade durch diesen Umstand – relevant. Insofern<br />

hat jeder städtebauliche und architektonische Entwurf eine<br />

unbestimmte, unbekannte und unsichtbare Dimension.<br />

Diese Dimension des Abwesenden ist ein Prozess: Durch<br />

den Gebrauch entformt sich Architektur ständig, so dass der<br />

Architekt (als Autor) wie ein Gesicht im Sand verschwindet.<br />

Die Dimension des Abwesenden bedeutet allerdings nicht<br />

Nicht-Form, eher Strategie: sie konkretisiert sich in der<br />

Anreicherung der Architektur mit Spielräumen, welche die<br />

Freiheit für subjektive Aneignung und Deutungen bieten.<br />

Dies anstelle von objektfixierten, architektonischen Bedeutungen,<br />

die man sklavisch nachvollziehen muss.<br />

Daraus folgt, zweitens, dass die Form als traditioneller architektonischer<br />

Imperativ – im Positiven wie im Negativen –<br />

neu gedacht werden muss. Dabei geht es nicht um formale<br />

Reduktionen – im Gegenteil: Die Form wird durch Komplexität<br />

und Potenziale aufgeladen, so dass man von einer Überform<br />

sprechen kann. Sie ist – im Sinn eines Mehrwertes – unsichtbar.<br />

Dieser misst sich allein an der Erfahrung, dass Architektur<br />

und Raum erst durch Aneignung und Deutung sich konkretisieren<br />

können.<br />

Die dritte Schlussfolgerung bezieht sich auf die Vielschichtigkeit<br />

und Polyphonie des Alltäglichen. Die Auseinandersetzung<br />

mit dem öffentlichen Raum lässt Niemandsländer,<br />

Nicht-Orte, Orte ohne Adressen, Orte des Dazwischen –<br />

also nicht geplante und wenig gestaltete Räume – in einem<br />

anderen Licht erscheinen, insbesondere ihr architektonischer<br />

Wert. Sie relativeren nicht nur Vorurteile, sondern erzwingen<br />

Respekt, der diametral dem verbreiteten fachlichen Urteil<br />

gegenübersteht. Dieses bewertet solche Orte als blinde<br />

Flecken, die es „aufzuwerten“ gilt.<br />

Viele Beispiele belegen, dass mit der gut gemeinten, traditionell<br />

paternalistischen Stadtplanung öffentliche Orte nicht<br />

aufgewertet, sondern zerstört werden. Ungeplante, nicht<br />

gestaltete Quadratmeter haben oft hohe Gebrauchswerte<br />

und eine vorbildliche, eben nicht vorgedeutete Ästhetik,<br />

gerade weil die Architektur da nicht das letzte Wort hat.<br />

Das heißt nicht, dass dirty realism und Banales nun den<br />

neuen architektonischen Kick darstellen. Es geht vielmehr<br />

um einen Paradigmawechsel: Die Räume haben sich ent-<br />

hierarchisiert. Das heißt, es gibt nicht eine verbindliche, auch keine vorherrschende<br />

Bewertung von dem, was als öffentlicher Raum gilt und was nicht,<br />

auch nicht wie er aussehen soll oder gestaltet werden muss. Das bedeutet<br />

keineswegs Beliebigkeit – im Gegenteil. Es bedeutet, dass sich Architektur<br />

auf eine spezifische Öffentlichkeit beziehen muss, auf eine Teilöffentlichkeit<br />

und nicht einem übergeordneten Architekturkanon folgen kann. Insofern<br />

hat Architektur die gesellschaftliche Voraussetzung, sozial durchlässiger zu<br />

werden. Das heißt: So, wie sich die Öffentlichkeit in viele Teilöffentlichkeiten<br />

aufgesplittet hat, ist eine universale Architekturqualität zum Mythos geworden.<br />

Es gibt kein Entrinnen – Architektur ist eine öffentliche Angelegenheit,<br />

für die es nicht die – sondern viele Öffentlichkeiten gibt, so dass architektonische<br />

und ästhetische Massstäbe heute mit und ohne Architekten gesetzt<br />

werden.<br />

Die Tatsache bedeutet, dass sich der Berufsstand nicht mehr an Zustände<br />

halten kann, als es noch klare, kulturelle und räumliche Hierarchien gab.<br />

Der Wandel kann als Verlust und Trauerarbeit empfunden werden. Sie<br />

gehört jedenfalls zu einem Kernthema des öffentlichen Raumes, das sich<br />

um den Ablösungsprozess von der bürgerlichen Öffentlichkeit dreht. Führt<br />

er in eine Krise oder aus ihr heraus, bedeutet er kulturelle Barbarei oder<br />

Fortschritt? Die Antwort lautet – weder noch. Da der Ablösungsprozess<br />

ohnehin stattfindet, hat Städtebau und Architektur nur die Wahl, sich mit<br />

den Realitäten auseinanderzusetzen oder einmal mehr ihnen nachzuhinken.<br />

Literatur<br />

Augé, M.: Non-Lieu u.a. Vortrag anlässlich des Symposiums „Stadt und Kommunikation“.<br />

TU Stuttgart 2000<br />

Barthes, R.: Semiologie und Stadtplanung. Frankfurt am Main 1988, S. 199<br />

Deleuze, G. Postskriptum zur Kontrolle. in ders. Unterhandlungen. Frankfurt am Main 1993<br />

Eco, U.: Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main 1966<br />

Foucault, M.: Die Stadt der Heterotopien. u.a. im IBA-Katalog. Berlin 1984<br />

Foucault, M.: Wahnsinn und Gesellschaft. Frankfurt am Main 1973, S. 338<br />

Foucault, M.: Mikrophysik der Macht. Berlin 1976<br />

Habermas, J.: Strukturwandel der Öffentlichkeit. (Sonderausgabe) Neuwied/Berlin 1962/1971<br />

Harvey, D.: The Condition of Postmodernity. Cambridge 1990<br />

Hubeli. E., Voeckler, K., Saiko, H. (Hg): 100% Stadt. Der Abschied vom Nicht-Städtischen.<br />

Graz 2004<br />

Hubeli, E., Herczog, A., Rupli, P.: Öffentlichkeit und öffentlicher Raum.<br />

Nationales Forschungsprogramm (NFP). ISBN 3-907118-66-9, S. 28ff<br />

Parsons,T.: Towards a General Theory of Action. Cambridge, MA 1951<br />

Ronneberger, K. in: Die Stadt als Event. Edition Bauhaus 2001<br />

Sennett, R.: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Frankfurt am Main 1983<br />

Voeckler, K. in: Die Stadt als Event. Edition Bauhaus 2001<br />

51


Frauke Burgdorff<br />

Öffentlich genutzte Räume in Nordrhein-Westfalen unter einer Überschrift<br />

zu diskutieren, scheint nahezu unmöglich. Denn die Plätze, Straßen und Parks,<br />

die sich zwischen Bielefeld und Bonn, Höxter und Krefeld über die Jahrhunderte<br />

entwickelt haben, haben jeweils einen eigenen Charakter und sind im<br />

besten Falle wesentlicher Bestandteil des Stadtbildes und des städtischen<br />

Lebensgefühls.<br />

Und doch müssen sich die Stadtgesellschaften auch in Nordrhein-Westfalen<br />

zukünftig vergleichbaren Herausforderungen stellen: Wir werden älter und<br />

bunter, die Schere zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften wird<br />

größer und damit auch der Unterschied zwischen lokaler Gebundenheit und<br />

internationalisierter Mobilität. Die private Ökonomisierung und der Zwang<br />

zum Konsum auf zentralen öffentlichen Plätzen in unseren Innenstädten<br />

liegen auf der Hand und die Vernachlässigung der normalen Straßen und<br />

Plätze in den Quartieren ist augenscheinlich.<br />

Dabei ist allen an dieser Entwicklung des öffentlich genutzten Raumes<br />

Beteiligten deutlich, welchen Stellenwert er für die Integrationskraft und<br />

Durchlässigkeit von Gesellschaften einnimmt. Es ist allerdings notwendig,<br />

dass wir uns auf die Suche auch nach nicht bekannten Potenzialen für diese<br />

Räume begeben, damit sie weiterhin lebendige Orte der Begegnung mit<br />

anderen und soziale Informations- und Kommunikationsträger der Stadtgesellschaft<br />

bleiben.<br />

Welche Räume dies in Zukunft sein werden und wie wir mit den Räumen<br />

umgehen, die wir in den Peripherien und Zwischenstädten finden, ist noch<br />

offen. In den letzten <strong>Jahre</strong>n der Arbeit an diesem Thema wurde allerdings<br />

deutlich, dass es gleichermaßen wichtig ist, die zentralen Funktionen der<br />

innerstädtischen Plätze – des klassischen Zentrums der europäischen Stadt –<br />

zu bewahren und gleichermaßen den wenig beachteten Räumen – seien<br />

es Plätze in den Vorstädten und Quartieren oder Einfallstraßen – bei der<br />

52<br />

Räume öffnen<br />

Gestaltung ein neues Gewicht zu geben. Denn Öffentlichkeit<br />

findet längst nicht mehr nur auf unseren Plätzen und in<br />

unseren öffentlichen Institutionen statt. Private Nutzungen<br />

und öffentliche Präsenz haben sich durch elektronische<br />

Medien und durch die zunehmende Mobilität vermischt und<br />

die Hybridisierung der Funktionen wird weiterhin Anlass für<br />

die andauernde Beschäftigung mit dem Thema sein.<br />

Das zentrale Projekt in diesem Handlungsbereich ist der<br />

Landeswettbewerb „Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze“.<br />

Zweimal waren die Kommunen aufgefordert, Entwürfe<br />

für die Neu- und Umgestaltung ihrer öffentlichen Räume<br />

einzureichen. Anlässlich der dritten Auslobung hat das<br />

Wettbewerbsverfahren darauf reagiert, dass die Entwicklung<br />

spezifischer lokaler Lösungen für die globalen Herausforderungen<br />

nur gelingen kann, wenn die unterschiedlichen<br />

lokalen Träger, Nutzer, Anrainer und Engagierten zum Mitwirken<br />

angestiftet und aktiviert werden. So sind hervorragende<br />

Entwürfe entstanden, die sich weniger dem „großen<br />

Wurf“ als der behutsamen Stadterneuerung verpflichtet<br />

fühlen.


Ebenfalls auf die Suche nach neuen Analyse- und Beteiligungsstrategien,<br />

nach neuen Themen und Gestaltungswegen<br />

haben sich die beiden Projekte „Privatgrün“ und „Kunst<br />

trifft Stadt“ begeben. Die künstlerische Öffnung privater<br />

Räume als Statement gegen die Rückzugsbewegung der<br />

Gesellschaft aus dem öffentlichen Raum hat zahlreiche Kölner<br />

einen neugierigen Blick in die Lebenswelten anderer<br />

richten lassen. Die Zusammenarbeit mit den Kunstvereinen<br />

Nordrhein-Westfalens hat deutlich gemacht, dass sowohl<br />

das Publikum der Vereine als auch die künstlerischen Analysen<br />

und Projektstrategien dafür geeignet sind, zu schwierigen<br />

öffentlichen Räumen, den „Urbanen Zäsuren“, einen<br />

Zugang zu finden.<br />

Bei der Gestaltung öffentlicher Räume hat der Einsatz von Licht in den<br />

letzten <strong>Jahre</strong>n eine immer größere Rolle gespielt. Dies geht weit über den<br />

bekannten festivalisierten „Lichtzauber“ hinaus. Der behutsame und gestalterisch<br />

durchdachte Einsatz von Licht im Stadtraum braucht ähnlich wie die<br />

sich ständig weiter entwickelnden Entwürfe der Lichtkünstler unsere ganze<br />

Aufmerksamkeit. Denn eine ästhetisch hochwertige Nachtsicht auf unsere<br />

Städte spielt nicht nur für das Sicherheitsgefühl, sondern auch für das Wohlbefinden<br />

der Bewohner und Besucher eine entscheidende Rolle. Die aktuellsten<br />

Entwicklungen in diesem Feld wurden intensiv in der Ausstellung<br />

„Stadtlicht_Lichtkunst“ und im Lichtkunstkatalog Nordrhein-Westfalen diskutiert.<br />

Sie setzten inhaltliche und formale Akzente, die insbesondere der<br />

dunklen Stadt einen besonderen Reiz und eine eigene städtische Identität<br />

geben.<br />

Nicht nur als Lichtereignisse, sondern vor allem als Einschnitte in die Stadtlandschaft<br />

werden die großen Straßen in unseren Agglomerationsräumen<br />

wahrgenommen. Dass im täglichen Stau und mit dem Blick aus dem Auto<br />

eine ganz eigene Perspektive auf die Stadtgestaltung und eine ganz eigene<br />

Öffentlichkeit entsteht, haben das Symposium „Stadt der Geschwindigkeit“<br />

und der studentische Workshop „Stadtraum B1“ besonders deutlich gemacht.<br />

Mit diesen beiden Projekten hat ein Thema der Stadtentwicklung<br />

Aufmerksamkeit bekommen, das bisher zu Unrecht von den Gestaltern und<br />

Entwerfern stiefmütterlich behandelt wurde und das in Zukunft die Diskussionen<br />

der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> begleiten wird.<br />

53


Franz Pesch<br />

54<br />

Orte der Urbanität<br />

Der Landeswettbewerb<br />

Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze


Nichts ist mehr so wie es ist in der Stadt. Die Stadt verändert<br />

sich und die Stadtgesellschaft weiß nicht mehr so recht, was<br />

anfangen mit ihrem öffentlichen Raum. Infolge des Verlustes<br />

traditioneller städtischer Funktionen befürchten die einen<br />

eine dauerhafte Entleerung des Stadtraums. Andere sorgen<br />

sich gerade um die immer etwas künstlich anmutende neue<br />

Fülle der Städte dank Festivalisierung und eventmäßiger<br />

Aufbereitung, da sie auf lange Sicht eher eine Banalisierung<br />

und Entwertung des öffentlichen Raums befördere. Es werden<br />

Klagelieder einer zunehmenden Ödnis und Verwahrlosung<br />

gesungen und zugleich Hymnen über eine neue Lust<br />

am Stadtraum angestimmt.<br />

Der Stadtplaner, der immer auch Stadtkritiker ist, neigt sich –<br />

je nach Ort und Stimmung – mal der einen, mal der anderen<br />

Seite zu und wäre angesichts der wechselnden urbanen<br />

Szenarien schlicht überfordert, sollte er die Zukunft des<br />

öffentlichen Raums prognostizieren. Es werden wohl – so<br />

viel steht fest – verschiedene Zukünfte sein, abhängig von<br />

Region, Stadtgröße, Nutzung und Kultur. Es gibt genügend<br />

Hinweise darauf, dass konträre Szenarien nebeneinander<br />

existieren und durchaus auch koexistieren werden.<br />

Um das Phänomen des Wandels des öffentlichen Raums<br />

besser in den Blick zu bekommen, ist es hilfreich, den Blickwinkel<br />

zu erweitern: Denn in dem Maße, in dem mit der<br />

gestiegenen Mobilität von Menschen, Gütern und Informationen<br />

die existentielle Angewiesenheit auf die räumliche<br />

Nähe der Stadt entfiel, hat die Stadt auch ihre historischen<br />

räumlichen Schranken überwunden. Von einer Ortsgebundenheit<br />

urbaner Lebenssituationen im klassischen Sinne<br />

kann heute in der europäischen Stadt nicht mehr gesprochen<br />

werden. Und so wie sich die räumlichen Bindungen<br />

gelockert haben, hat sich auch die Stadtgesellschaft ausdifferenziert<br />

in eine große Zahl von gesellschaftlichen Gruppen<br />

mit differenzierten Lebensstilen und Ansprüchen an den<br />

Stadtraum. Je nach Gruppenzugehörigkeit und Lebensstil<br />

werden heute andere urbane Orte gewählt – Orte, die sich<br />

nicht mehr auf einen Quadranten im Zentrum der Stadt<br />

konzentrieren, sondern sich über die Stadtregionen verteilen.<br />

So haben sich in der heutigen Stadtlandschaft, die zu regionalen<br />

Netzen zusammengewachsen ist, parallele Welten der<br />

Urbanität herausgebildet, die – in ihrer scheinbaren Widersprüchlichkeit<br />

– so eng in den heutigen gesellschaftlichen<br />

Prozessen verankert sind wie die mittelalterliche Stadtgesellschaft<br />

im öffentlichen Raum zwischen Handelsplatz, Rathaus<br />

und Kirche oder das Bürgertum im nachrevolutionären<br />

Frankreich auf der Bühne der städtischen Boulevards.<br />

Es sind Orte, die von der sich häutenden postindustriellen<br />

Stadt zurückgelassen werden, teilweise in Privatbesitz, aber<br />

ohne erkennbare Eigentumsgrenzen; ihre Aneignung ist<br />

informell, offen und ungeregelt. Sie sind vielschichtig zu<br />

lesen und in den heutigen Stadtregionen „mindestens so<br />

wichtig wie die Bemühungen um eine Renaissance der<br />

Bürgerplätze“ (Boris Sieverts). Urbane Ereignisse entstehen<br />

zunehmend außerhalb der Stadträume, die ihnen bisher gewidmet waren,<br />

in Übergangszonen, transitorischen Räumen.<br />

Man könnte diese Form des Stadtlebens auch als urbane Episoden bezeichnen.<br />

Wer an ihnen teilhaben möchte, ihre Orte und Netzwerke nutzen will,<br />

muss ihre Landkarte verstehen, muss ihre codes lesen können. Das Entstehen<br />

einer fast schon subversiven Form der Urbanität entspricht den Lebensgewohnheiten<br />

der Stadtbewohner und der Morphologie heutiger Stadtregionen<br />

möglicherweise mehr als die zusammenhängenden Raumgefüge<br />

der alten Stadt.<br />

Welche Rolle kann ein Landeswettbewerb in dieser unübersichtlichen Situation<br />

spielen? Mit dem mehrstufigen Wettbewerb „Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong><br />

macht Plätze“ wurde der Anspruch formuliert, zeitgemäße Antworten auf die<br />

veränderte Bedeutung des öffentlichen Raums zu finden und dabei höchste<br />

Gestaltqualität mit nachhaltigen Nutzungskonzepten zu verbinden. An einigen<br />

charakteristischen Projekten lässt sich der Stand der Dinge dokumentieren:<br />

- Stadtbild.Intervention Pulheim: Über temporäre künstlerische Installationen<br />

werden Nicht-Orte wie ein Parkdeck thematisiert und stadträumliche<br />

Zusammenhänge kenntlich gemacht. Ohne erhobenen Zeigefinger lenkt<br />

die Kunst den Blick auf das urbane Potenzial alltäglicher Orte.<br />

- Rheinbraunplatz Wesseling: Ein ehemaliges Betriebsgelände bietet der<br />

Innenstadt einen neuen Zugang zum Rhein. Zum Wasser orientierte Sitztreppen<br />

bilden den Außenraum für ein neues Bürgerhaus im umgebauten<br />

Werksgebäude. Identität stiftende Elemente der industriellen Nutzung<br />

wie eine Kranbahn sind in die Platzgestaltung integriert.<br />

- Innenstadtplätze Ahaus: Die gestalterische Neuordnung und funktionale<br />

Stärkung der Innenstadt erfolgt durch Platzräume, die unterschiedlichen<br />

Nutzungen entsprechend gestaltet werden. Auf diese Weise wird der<br />

kleinteilige Charakter der Innenstadt gestärkt.<br />

- Bethelplatz Bielefeld: Ein Wettbewerbsverfahren und ein vorgeschalteter<br />

intensiver Beteiligungsprozess sind Kennzeichen der Bemühungen, höchstmögliche<br />

Funktionalität und vor allem Akzeptanz der späteren Nutzer zu<br />

gewinnen.<br />

Die Partizipation gewinnt in der dritten Phase des Wettbewerbs noch stärker<br />

an Bedeutung. Als Beispiel sei die Vorgehensweise der Stadt Münster bei<br />

der Gestaltung des Platzes vor dem Picassomuseum angeführt: Der Platzraum<br />

ergab sich aus einem vor mehreren <strong>Jahre</strong>n durchgeführten städtebaulichen<br />

Wettbewerb. Um zu einer gestalterischen Lösung zu kommen, wurden die<br />

vier Preisträger zu einem mehrtägigen Workshop eingeladen. Als Input dienten<br />

die Ergebnisse eines moderierten Beteiligungsprozesses, in dem eine gut<br />

hundertköpfige Bürgergruppe ihren Vorstellungen über die Zukunft dieses<br />

Stadtraums in Wort, Bild und Modell Ausdruck verliehen hatte. Das Beteiligungsergebnis<br />

ging auch in die Beurteilungskriterien der Jury ein.<br />

Die Lage der Dinge in Sachen öffentlicher Raum hat sich also verändert.<br />

Aus einem sehr scharf gezeichneten Bild des Stadtplatzes mit eindeutig<br />

zugeordneten Bedeutungen und Aufgaben ist eine breite Leinwand geworden,<br />

auf der vielfältige Raumkonstellationen und Nutzungen abgebildet<br />

werden können. Das Panoramabild solcher Plätze und Platzangebote versteht<br />

sich als Möglichkeitsraum. Ob und wie sich Farbe auf ihnen verteilt,<br />

hängt mehr denn je von den Menschen ab, die den Raum nutzen. Je mehr<br />

sie sich dem Stadtraum verpflichtet fühlen, desto klarer wird das Bild.<br />

55


Petra Lindner<br />

56<br />

Kunst trifft Stadt<br />

Die Idee der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>, das Thema Baukultur in die<br />

Kunst zu tragen, kam vom Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt. Damit<br />

war keine Erweiterung des Landesprogramms „Kunst und Bau“ gemeint,<br />

sondern es sollte eine inhaltliche und diskursive Auseinandersetzung von<br />

Kuratoren, Künstlern und Bürgern über Aspekte der Stadtentwicklung,<br />

Architektur und Baukultur oder Theoreme wie Urbanität, Mobilität und<br />

Stadtstrukturen initiiert werden.<br />

Als 2003 das erste <strong>Jahre</strong>sprogramm „Kunst trifft Stadt“ startete, waren zum<br />

ersten Mal ausdrücklich die Kunstvereine und -vereinigungen in Nordrhein-<br />

Westfalen aufgefordert, sich in ihrem Kreis mit den ihnen verbundenen<br />

Künstlern und Mitgliedern dem Anliegen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />

zu widmen. Der Appell lautete, sich aufzumachen in die Stadt, Stadt zu<br />

erfahren, zu erleben, zu erfühlen – aus dem Blickwinkel von Kunstschaffenden<br />

und Kunstfreunden. 2005 wurde dann ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben,<br />

der Leerstände und Brachen in unseren Städten ins Visier nahm.<br />

Mit „Urbane Zäsuren“ war das letztjährige Programm betitelt, an dem elf<br />

Kunstvereine teilnahmen, die sich auf vollkommen unterschiedliche Art und<br />

Weise einer der größten stadtstrukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen<br />

unserer Städte seit den 1980er <strong>Jahre</strong>n widmeten: der Verwaisung<br />

innerstädtischer Orte. Entgegen landläufiger Erwartungen, dass die Kunstvereine<br />

allein Künstler bitten würden, die von ihnen aufgespürten oder seit<br />

langer Zeit mokierten Brachen und Leerstände zu bespielen, entstand ein<br />

komplexes und in seinen Intentionen vollkommen variierendes Konglomerat<br />

von Projekten: Der Kunstverein Ahlen deklarierte zum Beispiel seinen zentralen<br />

Platz als Brache, um seinen Unmut über dessen Gestaltung zu formulieren.<br />

Das Kunsthaus Essen bereitete die Bürger der Stadt auf eine Reise in<br />

andere Urbanitätsmodelle vor und malte den Grundriss des toskanischen<br />

Siena auf den Berliner Platz. Stadtraum.org veranstalteten in der gerade<br />

beginnenden Diskussion über moderne Subsistenzsicherungstrategien ein<br />

survival camp auf einer Düsseldorfer Brache und Mülheim erlebte seinen<br />

Kirchenhügel mit allen Sinnen und einem interdisziplinären Workshop, um<br />

ihm neues urbanes Leben einzuhauchen. Damit ist nur ein kleiner Teil der<br />

Ideen und Projekte genannt.<br />

Die Kunstvereine haben neben den unterschiedlichen eingeladenen<br />

Künstlern die Narrenfreiheit des kreativen Bereichs<br />

genutzt, um sich auf unorthodoxe Art und Weise mit baukulturellen<br />

und stadtstrukturellen Fragen auseinander zu<br />

setzen. So sind spielerische Umgangsweisen, forsche politische<br />

Ansätze ohne jede parteipolitische Verpflichtung entstanden,<br />

mutige Visionen ohne die nüchterne Ernsthaftigkeit<br />

eines stadtplanerischen Gremiums bedenken zu müssen.<br />

„Kunst trifft Stadt“ fungierte auch beim zweiten Mal als ästhetischer<br />

Spielraum mit seriösen Absichten. Allen Projekten<br />

zugrunde liegt die Liebe zur Stadt, die konstruktiv kritische<br />

Betrachtung eines wohlbekannten Gefüges, das dem alltäglichen<br />

Blick immer wieder entgeht. Die Wiederentdeckung<br />

der eigenen Stadt mit ihren Schätzen und desolaten Aspekten<br />

provoziert: In den kreativen Köpfen und denen, deren<br />

Interesse der Kunst gilt, regt sie zu ungeahnten Herangehens-<br />

und Sichtweisen, Inszenierungen oder periodischen<br />

Veränderungen an. Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> sucht<br />

mit der Reihe „Kunst trifft Stadt“ keine neuen Stadtplaner<br />

oder Architekten, aber neue Sichtweisen auf die Stadt. Der<br />

interdisziplinäre Ansatz des gesamten Programms hat in den<br />

letzten fünf <strong>Jahre</strong>n nicht nur zu außergewöhnlichen Kooperationen<br />

geführt, sondern auch Prozesse und Ergebnisse<br />

gezeigt, die ohne die Öffnung der klassischen Expertenrunde<br />

nicht zu Stande gekommen wären.<br />

Im Endeffekt handelt es sich hier um ein Kommunikationsmodell:<br />

„Kunst trifft Stadt“ geht über den inhaltlichen Rahmen<br />

der Stadtbetrachtung hinaus und erweist sich mehr und<br />

mehr als Plattform für Kunstvereine und Kuratoren, Künstler<br />

und Stadtverwaltungen, Politiker und Planer. Die einzelnen<br />

Veranstaltungen werden zu Zusammenkünften von Menschen,<br />

die einander sonst nur skeptisch oder überhaupt nicht<br />

begegnen. Letztlich ist durch dieses Programm eine weitere<br />

Gruppe von Bürgern auf das Thema Baukultur aufmerksam<br />

geworden und eingeladen, sich aktiv damit auseinander zu<br />

setzen. Und das bleibt neben der professionellen und wissenschaftlichen<br />

Weiterentwicklung wichtiges Ziel: baukulturelle<br />

Fragen und Herausforderungen in die Köpfe derjenigen<br />

Menschen zu tragen, die unsere Städte mit Leben füllen.


Moyland<br />

Bonn<br />

Mülheim<br />

Ahlen<br />

Aachen<br />

Düsseldorf<br />

57


Jochen Heufelder<br />

58<br />

Privatgrün 2004


Unter dem Titel Privatgrün 2004 veranstaltete der Fuhrwerkswaage-Kunstraum<br />

in Köln eine Ausstellungstrilogie, in deren Fokus private Gärten als<br />

Orte der Präsentation für zeitgenössische Kunst standen. Die Konzeption<br />

der Ausstellung lehnte sich an das erstmals 1994 unter dem Titel Privatgrün<br />

erfolgreich durchgeführte Projekt an, das 21 Bildhauerinnen und Bildhauern<br />

ebenso viele Gärten wie Präsentationsorte öffnete. In Form von<br />

Skulpturen, Bauwerken und Bepflanzungen reflektierten die realisierten<br />

Arbeiten auf unterschiedliche Weise das Thema der Garten-Kunst und<br />

gaben auf Grund dieses individuellen, originären Ortsbezugs Anregungen,<br />

die eigene Beziehung zu Natur, Garten und Landschaft zu überdenken.<br />

Die positive Resonanz einerseits wie auch ein durch interventionistische<br />

Praxis und temporäre Artikulationen veränderter Blickwinkel auf Kunst und<br />

Garten durch eine neue Künstlergeneration andererseits bildeten zehn<br />

<strong>Jahre</strong> später die Basis für eine Fortsetzung und Erweiterung von Privatgrün.<br />

Im Gegensatz zu Ausstellungen der vergangenen <strong>Jahre</strong>, die zeitgenössische<br />

Kunst in Parkanlagen (hellgruen, Düsseldorf 2001; Aquaplaning, Bad<br />

Oeynhausen 2000) oder im Stadtraum (Hamburg 2000) realisierten, lenkte<br />

Privatgrün 2004 den Fokus auf den Privatbereich des Gartens im urbanen<br />

Kontext. Auf diese Weise soll der breite Diskurs über Kunst im öffentlichen<br />

Raum erweitert werden: auf Fragestellungen nach der künstlerischen Gestaltung<br />

von privaten Räumen und ihrer Relevanz für soziale Systeme als<br />

Orte des Rückzugs und der Utopie, als Spiegel von Gesellschaft, von Ordnung<br />

und Dissens.<br />

In drei separaten Ausstellungen setzten sich die eingeladenen 55 Künstlerinnen<br />

und Künstler mit der jeweiligen Situation des Gartens auseinander.<br />

In einem ersten Teil wurden insgesamt 18 Hausgärten in Kölns südlichem<br />

Stadtteil Sürth zu Orten zeitgenössischer Kunst. Hierbei reichte das Spektrum<br />

der Grünareale vom kleinen Innenhof mit etwa 20 Quadratmetern bis<br />

zum Auengarten mit mehr als 2000 Quadratmetern. Eine gänzlich unterschiedliche<br />

Situation des privaten Gartens markieren Kleingärten in einer<br />

Schrebergartenkolonie. Hier traten die Kunstwerke in einen Kontext,<br />

geprägt von Regularien der Nutzung des Grüns, von unmittelbarer Nachbarschaft<br />

und Vereins-Charakter. Im Übergang vom privaten zum öffentlichen<br />

Raum gelegen, unterscheiden sich die Klein- oder Schrebergärten von<br />

Hausgärten durch ihre Anlage und Konzentration. Dieser<br />

Teil des Ausstellungsprojektes fand in 18 Gärten der Kleingartenanlage<br />

Sonnenhang im Stadtteil Köln-Rodenkirchen<br />

statt. „Grüne Inseln“, Symbiosen von Vorortsituation und<br />

Urbanität bildeten im dritten Teil der Ausstellung dann<br />

18 Dachgärten in der südlichen Innenstadt Kölns (Chlodwigplatz,<br />

Ubierring, etc.). Hoch über dem Stadtverkehr wurden<br />

diese – konstruierten – Grünareale zu Zonen der Ruhe, vor<br />

allem aber auch des weiten Blicks. In allen drei Teilausstellungen<br />

war in jedem Garten ein geschulter Betreuer präsent,<br />

der zu dem jeweiligen Kunstwerk Auskunft geben und über<br />

Absicht und Hintergründe informieren konnte. Anders als<br />

bei Haus- und Schrebergärten – mit freiem Zugang für<br />

Publikum an den Wochenenden – wurden die Besucher der<br />

Dachgärten in Kleingruppen geführt. Mit mehr als 10.000<br />

Besuchern wurde die gesamte Ausstellungstrilogie sehr gut<br />

angenommen.<br />

Künstlerinnen und Künstler unterschiedlichster Ausrichtung<br />

thematisierten bei Privatgrün 2004 den privaten grünen<br />

Außenbereich als individuelles Rückzugsgebiet. Sowohl junge,<br />

noch unbekannte, aber bereits positiv aufgefallene als auch<br />

renommierte Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen.<br />

Zehn <strong>Jahre</strong> nach Privatgrün war die Fortsetzung 2004<br />

nicht nur ein Spiegel eines weiterentwickelten Kunstverständnisses,<br />

sondern auch einer anderen Künstlergeneration.<br />

Darüber hinaus sollte Privatgrün 2004 die Aufmerksamkeit<br />

auf den privaten grünen Außenbereich als einen Ort für<br />

Kunst lenken, insbesondere hinsichtlich der originären Ortsbezogenheit<br />

der Skulpturen. Dabei befanden sich alle drei<br />

Ausstellungssituationen geographisch auf einer Nord-Süd-<br />

Achse: vom „Häuschen im Grünen“ im Vorort über den<br />

Schrebergarten am Stadtrand bis zum Dachgarten im<br />

Zentrum.<br />

59


Christoph Brockhaus<br />

Mit der industriellen Revolution und der enormen Expansion der Großstädte<br />

triumphiert die Künstlichkeit des Lebens über den natürlichen Lebensrhythmus,<br />

verdrängt das funktionale Kunstlicht das gestaltende Naturlicht. Seit<br />

1960 akzelleriert dieser Prozess, seitdem mischt sich aber auch die Lichtkunst<br />

in das dominierende Lichtdesign ein. Als immaterielles Element steht<br />

das Licht traditionell im polaren Spannungsfeld von Natur und Technik,<br />

Sakralisierung und Profanierung. Da Licht emotionalisiert wie kein zweites<br />

bildnerisches Medium, haben es auch Werbung und Marketing für sich entdeckt.<br />

Wenn nun das Licht im Stadtraum immer begehrter wird, es immer<br />

ökonomischer, technisch raffinierter und ästhetisch vielseitiger eingesetzt<br />

werden kann, entsteht bei unkoordinierter und unkontrollierter Planung<br />

und Umsetzung eine katastrophale Licht-Kakophonie. Um diesen Prozess zu<br />

stoppen und notwendigerweise eine Bewusstseinsveränderung im Umgang<br />

mit Lichtgestaltungen im öffentlichen Raum herbei zu führen, hat die Initiative<br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, durch<br />

Diskussionen und Wettbewerbe, Ausstellungen und Publikationen zur Qualifizierung<br />

dieses Themas beigetragen.<br />

Den Anfang zur Qualifizierung von Nordrhein-Westfalen als „Land des Lichts“<br />

haben vor allem die ZERO-Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther<br />

Uecker in den 1960er und 1970er <strong>Jahre</strong>n geleistet. Mit ihren Werken aus<br />

monochromem und farbprismatischem, statischem, strukturiertem und<br />

kinetischem Licht sowie mit ihren Licht-Aktionen setzten sie dem verrußten<br />

Himmel des Ruhrgebiets das reine Lichtkunstwerk entgegen und beteiligten<br />

sich mit ihrer Lichtkunst schon früh an Auftritten vergleichbarer internationaler<br />

Bewegungen im Ausland.<br />

Auch die Licht-Landmarken der zwischen 1989 und 1999 organisierten<br />

Internationalen Bauausstellung Emscher Park erwuchsen aus spezifischen<br />

Auseinandersetzungen mit dem Ruhrgebiet. Nachdem die rot glühenden<br />

Himmel der Kohle- und Stahlproduktion allmählich verlöschten, sollten weithin<br />

sichtbare Landmarken der Lichtkunst und des Lichtdesigns den Transformationsprozess<br />

ins postindustrielle Zeitalter markieren, zugleich Traditionen<br />

aufgreifen und neue Orientierungen vermitteln.<br />

Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat in den vergangenen fünf <strong>Jahre</strong>n durch<br />

ihre Impulse und Förderungen eine bundesweit einmalige Licht-Bewegung<br />

in den Städten des Landes bewirkt, Vorhandenes strukturiert und dokumentiert,<br />

weitere Initiativen entzündet. Allein am Landeswettbewerb „Künstlerisch<br />

orientierte Lichtprojekte im öffentlichen Raum“ im Jahr 2001 haben<br />

sich die Städte und Gemeinden mit 55 Beiträgen beteiligt, 14 Projekte<br />

konnten gefördert und inzwischen teilweise realisiert werden. Wichtiger<br />

noch: Dieser Wettbewerb und seine damit verbundene Diskussion haben<br />

über die Verwaltungen hinaus Gesellschaften, Bürgerinitiativen, Hochschu-<br />

60<br />

Kunstlicht und Lichtkunst<br />

im Stadtraum<br />

len, Museen und Ausstellungshäuser angeregt, selber Lichtthemen<br />

des öffentlichen Raums aufzugreifen und damit zur<br />

Qualifizierung der Situation beizutragen. Dabei hat die Erfahrung<br />

gelehrt, dass nicht nur die Fachwelt, sondern auch<br />

die Bürgerschaft in hohem Maße an diesem Thema interessiert<br />

ist, zahlreich die angebotenen Veranstaltungen besucht<br />

und leidenschaftlich mitdiskutiert.<br />

Als Höhepunkte dieser ersten Licht-Runde dürfen festgehalten<br />

werden: Düsseldorf, Köln und weitere Städte haben<br />

begonnen, zusammenhängende Lichtkonzepte mit hohem<br />

gestalterischem Anspruch zu entwickeln; in vielen Städten<br />

des Landes inspirieren öffentliche Einzelprojekte die weitere<br />

Licht-Diskussion; das weltweit einzigartige und von herausragenden<br />

Lichtkünstlern unserer Zeit bespielte Zentrum<br />

für internationale Lichtkunst Unna kann inzwischen einen<br />

deutsch-englischen Bestandskatalog anbieten; die Nachbarstadt<br />

Lüdenscheid hat sich durch ihre Licht-Routen, die<br />

temporär viele Kräfte und die Bevölkerung mobilisieren, zur<br />

Stadt des Lichts gemausert; das Ausstellungsprojekt<br />

„7 Türme – 7 Lichter“ in Paderborn hat in einer konservativen<br />

Stadt einen ganz neuen Dialog zwischen historischer Stadtarchitektur<br />

und zeitgenössischer Kunst initiiert; die Publikation<br />

„Am Rande des Lichts – Inmitten des Lichts. Lichtkunst<br />

und Lichtprojekte im öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens“<br />

darf als kritische Bestandsaufnahme für zukünftige<br />

Planungen gewertet und benutzt werden; das Handbuch<br />

zur Ausstellung „Stadtlicht – Lichtkunst“ der Stiftung Wilhelm<br />

Lehmbruck Museum in Duisburg hält schließlich vielerlei<br />

Anregungen bereit für ein differenzierteres Verständnis und<br />

eine überlegtere Anwendung des breiten Spektrums an<br />

zeitgenössischer internationaler Lichtkunst im öffentlichen<br />

Raum. Diese Publikation diskutiert zahlreiche Vorschläge zur<br />

Qualifizierung zukünftiger Lichtgestaltungen im öffentlich<br />

zugänglichen Raum unserer Städte. Im Kern geht es um<br />

folgende zwei Fragen, die nur interdisziplinär überzeugend<br />

behandelt werden können: Wie lässt sich das Naturlicht als<br />

gestalterischer Faktor wieder sinnvoller und intensiver in die<br />

Stadtgestaltung integrieren? Wie lassen sich notwendiges<br />

Sicherheits- und Funktionslicht, Lichtkunst und werbendes<br />

Lichtdesign überzeugender als bislang koordinieren, um die<br />

Attraktivität unserer Erlebnisräume in der Stadt für unsere<br />

Bürger zu aktualisieren und zu erhöhen?


Martin zur Nedden<br />

„Kann die B1 die Champs-Élysées oder der Ku‘damm des Ruhrgebiets werden?”<br />

– das ist eine nach wie vor unbeantwortete Frage. Gestellt wurde sie<br />

von Kunibert Wachten und Michael Koch auf der Internationalen Herbstakademie<br />

„Stadtraum B1” im <strong>Jahre</strong> 2001. Sie wurde von den Medien dankbar<br />

aufgegriffen und sicherte, wenigstens kurzzeitig, die Präsenz des Themas<br />

in der Öffentlichkeit, wobei nicht auszuschließen ist, dass sie bei einem Teil<br />

der Bevölkerung eher zu Kopfschütteln geführt hat.<br />

Mit der Herbstakademie ist es gelungen, vor Ort ein neues Nachdenken<br />

über das, was eine Stadt und erst recht eine Metropole ausmacht, zu befördern;<br />

noch wichtiger war jedoch die Diskussion, inwieweit die großen Verkehrsbänder<br />

des Ruhrgebiets eine Besonderheit darstellen und das Potenzial<br />

haben, die Andersartigkeit der Region zu „kultivieren”. Trotzdem muss<br />

man zur Kenntnis nehmen, dass, abgesehen von der Tagung „Stadt der Geschwindigkeit”,<br />

die ebenfalls im Rahmen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />

stattfand, die Diskussionen zur B1 nach wie vor von den problematischen<br />

Aspekten dieses Verkehrsbandes geprägt sind. Es wird geredet über Verkehrsstaus,<br />

über Lärm- und Schadstoffemissionen und noch viel zu wenig<br />

über die möglichen urbanen Qualitäten dieses regionalen Stadtraums. Dabei<br />

soll diese in die Zukunft gerichtete Diskussion die verkehrlichen und gesundheitlichen<br />

Probleme an der B1 nicht bagatellisieren.<br />

Mit den Ergebnissen der Herbstakademie liegen viel versprechende Impulse<br />

für diese Diskussion vor. Sie zeigen, dass es klug war, Studierende von<br />

Architekturfakultäten aus dem In- und Ausland sich mit dem Stadtraum B1<br />

auseinander setzen zu lassen und ihre Kreativität und Phantasie heraus zu<br />

fordern. Die thematische Bandbreite der Beiträge ist auch im Rückblick<br />

bemerkenswert. Sie reicht vom überregionalen Ansatz, bei dem die B1<br />

Bestandteil eines ringförmigen Entwicklungsbandes Dortmund-Duisburg-<br />

Köln-Wuppertal wird, bis zur Neuformulierung der Tankstelle als urbaner<br />

Allround-Servicestation. Sie definieren einerseits ein neues Zentrensystem<br />

an den Auf- und Abfahrten, favorisieren andererseits die peripheren Zwischenräume<br />

als Entwicklungspotenziale. Einem schon fast autistischen<br />

Vorschlag zur Führung der B1 in einem oberirdischen Tunnel, der die<br />

vorhandenen Barrierewirkungen weiter verstärken würde, stehen Arbeiten<br />

gegenüber, die genau dies zu mindern versuchen. Für die überwiegende<br />

Zahl der Entwurfsideen gilt, dass sie an und über der Autobahn neue<br />

Flächen mobilisieren oder vorhandene nutzbarer machen wollen. Die Nutzungen<br />

rücken (noch) näher an das Verkehrsband heran, werden intensiviert<br />

und ergänzt bis hin zur Aktivierung des Mittelstreifens. Für wachsende<br />

Regionen mit Flächenengpässen sind dies diskussionswürdige Visionen.<br />

Im Falle einer Umsetzung bergen sie jedoch auch die Gefahr, dass sie urbane<br />

Strukturen, zum Beispiel die vorhandenen Zentren, schwächen.<br />

62<br />

Herbstakademie Stadtraum B1 und<br />

Stadt der Geschwindigkeit<br />

Die vier <strong>Jahre</strong> seit der Herbstakademie haben einige grundlegende<br />

Entwicklungstendenzen noch deutlicher werden<br />

lassen, zum Beispiel die Unausweichlichkeit des Bevölkerungsrückgangs<br />

in der Region. Auch wenn die Auswirkungen<br />

kleinräumig sehr unterschiedlich sein werden, muss<br />

man akzeptieren, dass spätestens ab 2010, auf absehbare<br />

Zukunft, die Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen<br />

nicht mehr zu-, sondern eher abnehmen wird. Damit gewinnen<br />

die jeweiligen Standorteigenschaften noch mehr an<br />

Bedeutung. Für Gewerbeflächen, insbesondere an den Zuund<br />

Abfahrten, wird der Standort Autobahn weiterhin<br />

attraktiv sein. Als Wohnstandort hingegen wird er immer<br />

schlechter vermarktbar sein. Der Entwurf „Koslowskis Urbanismus”,<br />

der mit einem idyllischen Wohnen hinter der Lärmschutzwand<br />

operiert, erscheint da als provokative Negation<br />

künftiger Marktverhältnisse; wesentlich realistischer sind<br />

Ansätze wie die der Arbeit „Innenhafen Duisburg”, die mit<br />

einem landschaftsplanerischen Konzept zwischen Räumen<br />

und konkurrierenden Nutzungen vermittelt, sogar neue<br />

(Frei-)Räume schafft. Sie verweist auf die neuen Chancen,<br />

angesichts des erkennbaren Rückgangs der Flächennachfrage<br />

alte, in Wachstumsphasen entstandene Nutzungskonflikte<br />

und Gemengelagen aufzulösen oder zumindest zu<br />

reduzieren.<br />

Die Frage nach der Zukunft des Standorts Autobahn war<br />

auch Gegenstand der Tagung „Stadt der Geschwindigkeit”,<br />

die 2004 in Gelsenkirchen stattfand. Dort wurden Wege zur<br />

städtebaulichen Integration von Verkehrskorridoren diskutiert.<br />

Ein Verdienst der Tagung war es, nicht nur die städtebauliche,<br />

also die räumliche Komponente der Integration<br />

thematisiert zu haben. Ihr Anliegen war vor allem, die Sichtweisen<br />

unterschiedlicher Fachdisziplinen zu integrieren.<br />

Diesem selbst formulierten Anspruch, eine breite interdisziplinäre<br />

Diskussion in Gang zu setzen, ist die Tagung bereits<br />

gerecht geworden. Der Anspruch auf Interdisziplinarität,<br />

wie er hier zum Ausdruck kam, sollte in jedem Fall weitergeführt<br />

werden, und zwar nicht nur in der Initiative StadtBau-<br />

Kultur <strong>NRW</strong>. Das gilt erst recht mit Blick auf kulturelle bzw.<br />

künstlerische Strategien im Umgang mit der B1. Seit den<br />

1960er <strong>Jahre</strong>n, mit der Künstlergruppe B1, hat es dazu<br />

immer wieder Ansätze gegeben. Im Rahmen der Europäischen<br />

Kulturhauptstadt 2010 soll nun mit „B1_21st” ein<br />

neues, interdisziplinäres Kunstprojekt stattfinden, das die B1<br />

als zeitgenössisches urbanes Labor begreifen will.


Die Suche nach einem neuen Umgang mit stark frequentierten<br />

Verkehrskorridoren steht überall auf der Tagesordnung,<br />

nicht nur im Ruhrgebiet. Die B1 ist jedoch von besonderer<br />

Bedeutung und das in mehrfacher Hinsicht: Sie ist Teil einer<br />

der zentralen europäischen Ost-West-Verbindungen oder,<br />

wie es in der Ausstellung „transit. Brügge-Novgorod” im Jahr<br />

1997 hieß, eine „Straße durch die europäische Geschichte”.<br />

Und sie kann, das hat die Herbstakademie gezeigt, zu einem<br />

Markenzeichen der Region Ruhr werden, wenn es gelingt,<br />

neue Wege zu beschreiten. Neue Wege – das sind auch<br />

neue Kooperationen zwischen den Anliegerkommunen, den<br />

unterschiedlichen Verwaltungsebenen und verschiedenen Fachgebieten.<br />

Eine weiterentwickelte B1 kann zum wichtigen Baustein für die Zukunft der<br />

Region werden, unabhängig davon, ob man ihr Potenzial, Metropole oder<br />

Weltstadt werden zu können, so optimistisch sieht wie Christoph Zöpel in<br />

seinem Buch „Weltstadt Ruhr” oder eher zurückhaltend, wie Klaus Kunzmann<br />

es im Rahmen der Herbstakademie tat.<br />

Die Hoffnung von Michael Koch und Kunibert Wachten, sich trotz aller<br />

Zwänge des Tagesgeschäftes auch einmal zu unüblichen Gedanken und<br />

Konzeptionen verführen zu lassen, harrt noch ihrer Erfüllung – eine Gelegenheit<br />

für die nächste Etappe der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>!<br />

63


Kommunikation suchen<br />

65


Klaus Selle<br />

66<br />

Beredte Sprachlosigkeit?<br />

Die kommunikative Dimension der Baukultur<br />

Baukultur macht von sich reden und viele reden von Baukultur. Bei Bund,<br />

Ländern und Kommunen sind Initiativen, Programme und Aktionen zur Förderung<br />

der Baukultur in Gang gesetzt worden. Sie werden begleitet von<br />

zahlreichen Reden und Publikationen, in denen in schöner Regelmäßigkeit<br />

auf die eminente Bedeutung von Kommunikation für die Baukultur hingewiesen<br />

wird. Was aber ist damit gemeint und was resultiert daraus?<br />

Fragen wie diese sind Anlass genug, dem Zusammenhang von Kultur und<br />

Kommunikation zunächst allgemein (1) nachzugehen und dann zu fragen,<br />

worin denn eigentlich die Verständigungsprobleme bestehen, die durch<br />

mehr Kommunikation gelöst werden sollen. Der Aufgaben sind viele, wie<br />

sich zeigt (2), sie alle lösen zu wollen ist offensichtlich unmöglich. Handelt<br />

es sich also bei der Beschwörung der Kommunikation um Sonntagsreden?<br />

Will man diesen Anfangsverdacht zerstreuen, wird man wohl Ross und<br />

Reiter, Ziele und Mittel benennen und konkret werden müssen (3). Das birgt<br />

seine Tücken, zumal wenn es um die Kommunikation zwischen Fachleuten,<br />

Baukünstlern und Laien geht (4). Trotz mancher Probleme soll man auch<br />

weit gesteckte Ziele im Auge behalten – und sei es nur, um den konkreten<br />

Bemühungen Orientierung zu geben (5).


1. Wovon ist die Rede? Ausgangspunkte<br />

Die Verständigung über komplexe Themen wie Kommunikation und Baukultur<br />

scheitert oft schon daran, dass man sich nicht vergewissert, von was<br />

eigentlich die Rede ist. Daher sei hier eingangs der Versuch unternommen,<br />

bei den beiden Begriffen zumindest jene Aspekte ins Auge zu fassen, die für<br />

die Auseinandersetzung mit den kommunikativen Dimensionen von Baukultur<br />

wichtig sind.<br />

Beginnen wir mit der „Kultur“. Das Wort bezeichnet dem Wortursprung<br />

(colere/cultura) nach unter anderem „Pflege” – von Körper, Geist, Acker<br />

und so weiter. Im erweiterten Sinne ist häufig auch von „Beschäftigung”<br />

die Rede. Aus „Pflege“ und „Beschäftigung” entstehen Produkte materieller,<br />

geistiger und sozialer Art: Werkzeuge, Sprache, Schrift, Kunst, Wissenschaft,<br />

Recht, Gebäude, Städte, soziale Formationen, um nur einige zu nennen.<br />

Weil das Spektrum so weit ist und die Gesamtheit aller Lebensumstände<br />

umfassen kann, liegen Kultur und Zivilisation inhaltlich eng zusammen.<br />

Für die Frage nach der Kommunikation folgt daraus zweierlei: Kultur ist Produkt<br />

(Kulturgüter) und (sozialer) Prozess zugleich und sie ist in dem Maße<br />

vielfältig und widersprüchlich, wie es die Gesellschaft, deren Kultur man<br />

betrachtet, auch ist.<br />

Kommunikation ist daher Bestandteil von Kultur und zugleich Voraussetzung<br />

für ihre Entwicklung, denn das Voranschreiten von Wissenschaft, Kunst,<br />

Recht, sozialer Organisation etc. beruht zweifellos ganz wesentlich auf Verständigungsprozessen<br />

jeglicher Art.<br />

Kommunikation ist zudem unerlässlich, um Vielfalt und Widersprüche zu<br />

bewältigen, denn Kultur ist nicht auf ein Niveau, ein Ziel festgelegt, umfasst<br />

vielmehr alle gesellschaftlichen Hervorbringungen und existiert zumeist im<br />

Plural: Verschiedene (Teil-)Kulturen und kulturelle Praktiken stehen innerhalb<br />

einer Gesellschaft neben- und zum Teil gegeneinander (vgl. Eagleton<br />

2001, S. 21). Das kann zu einem untereinander kaum verbundenen, multikulturellen<br />

Vielerlei führen, entwickelt aber immer dort Spannung und die<br />

Notwendigkeit zur Kommunikation, wo gemeinsame Aufgaben gelöst oder<br />

Entscheidungen, die alle angehen, getroffen werden müssen.<br />

Die Frage zum Beispiel, wie die gemeinsame Umwelt sich<br />

entwickeln soll, was, wo, wie gebaut werden kann und muss,<br />

wirft einen solchen Verständigungsbedarf auf – ob es nun<br />

um Hochhäuser in München, Brücken in Dresden, Plätze in<br />

Stuttgart, Kulturforen in Münster oder Stadien in Aachen<br />

geht.<br />

Womit die „Baukultur” angesprochen ist. Dabei scheint es<br />

sich auf den ersten Blick um einen Ausschnitt der allgemeinen<br />

Kultur zu handeln: Gebautes und zu Bauendes stehen<br />

im Mittelpunkt – und die Menschen, die damit befasst sind.<br />

Bei näherer Betrachtung wird allerdings aus dem Teil schnell<br />

wieder das Ganze: Baukultur ist eben nicht nur auf einzelne<br />

Gebäude gerichtet, sondern auf die Stadt, die Umwelt, in<br />

der wir leben, insgesamt und angesprochen sind nicht nur<br />

Bauschaffende, sondern alle Bürgerinnen und Bürger – mithin<br />

die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite.<br />

Ansonsten teilt die Baukultur wesentliche Merkmale mit<br />

dem allgemeinen Kulturbegriff. Sie ist Produkt und Prozess:<br />

Gebäude, Stadt, gestaltete Landschaft sind ebenso Gegenstand<br />

des Baukultur-Begriffs wie deren Herstellung und der<br />

Umgang mit ihnen. Und sie ist das Abbild von Vielfalt: „Das<br />

gleichberechtigte Nebeneinander unterschiedlicher ästhetischer<br />

Ansätze“ ist für die Baukultur konstituierend und<br />

weist zugleich als „Wesensmerkmal einer demokratischen<br />

und pluralistischen Gesellschaft“ (BMVBW 2001, S.14) über<br />

sie hinaus. Und deshalb gilt auch hier: Kommunikation ist<br />

gleichermaßen Teil, Ausdruck und wesentliche Voraussetzung<br />

von Baukultur.<br />

67


2. Verständigungsprobleme?<br />

Kommunikationsaufgaben?<br />

Um die Fülle der Herausforderungen zu verdeutlichen, kann<br />

man weit ausholen – und früh beginnen, zum Beispiel bei<br />

der Urhütte. Deren Entstehung und Entwicklung wird man<br />

sich als kontinuierliches Palaver vorstellen dürfen: Die Erprobung<br />

geeigneter Techniken bedurfte des Erfahrungsaustausches,<br />

die Beschaffung der Baustoffe musste gemeinsam<br />

organisiert werden und das Zusammenfügen vor Ort wird<br />

wohl auch lautreich erfolgt sein. Dieser Urzusammenhang<br />

der am Planen und Bauen Beteiligten zerfiel im Laufe der<br />

Geschichte in immer stärker ausdifferenzierte Rollen: Bauherren<br />

und Nutzer trennten sich, Handwerker unterschieden<br />

sich in zunehmend spezialisierte Gewerke, die Baumeister<br />

traten auf den Plan – zunächst noch als Generalisten, dann<br />

in immer weitere Einzeldienstleistungen sich aufgliedernd,<br />

das Öffentliche wurde vom Privaten geschieden und – überspringen<br />

wir die Zeiten – heute reichen die viele Quadratmeter<br />

großen Bauschilder kaum aus, um alle Beteiligten<br />

eines Vorhabens aufzulisten.<br />

Dieser Prozess hat nicht zuletzt das Entstehen von wechselseitigen<br />

Vorurteilen befördert: Architekten halten Ingenieure<br />

für gestalterisch unbegabte Techniker und jene diese<br />

für formverliebte Tagträumer. Nutzer sehen in Architekten<br />

gerne Zeitgenossen, die sich auf Kosten anderer Denkmäler<br />

setzen und Stadtplaner sind ihnen diejenigen, die die Städte<br />

hässlich machen. Fachleute hingegen sprechen von den<br />

Nutzern oder der breiten Öffentlichkeit gerne als Laien, die<br />

von der Sache nichts verstehen und denen ein halbwegs<br />

akzeptables Geschmacksempfinden ohnehin abgesprochen<br />

werden muss. Erleichtert wird die Pflege solcher Vorurteile<br />

dadurch, dass man den Kontakt untereinander meidet und<br />

sich an der eigenen Bezugsgruppe orientiert. Beredt ist<br />

man zwar allenthalben, aber weitgehend sprachlos, was die<br />

Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen<br />

betrifft.<br />

Solche Vorurteile beinhalten immer auch Unkenntnis. Häufig<br />

wissen zum Beispiel die Produzenten und Entscheider<br />

nicht, was die Nutzer und Endverbraucher eigentlich wollen,<br />

wie sie Gebäude und Stadt wahrnehmen, nutzen, was sie<br />

aus welchen Gründen schön oder hässlich finden, welche<br />

Bedürfnisse und Interessen sie haben. Eine Zeit lang spran-<br />

68<br />

gen hier die Sozialwissenschaften helfend ein, aber die fragt heute kaum<br />

noch jemand. Ihre Lücke füllt in zunehmendem Maße die Marktforschung,<br />

gerade weil der Immobilienmarkt so unstet geworden ist. Der eigentlich<br />

naheliegende Versuch direkter Verständigung – zwischen Produzenten und<br />

Nutzer – wird selten unternommen. Insofern steckt in der unschuldig daher<br />

kommenden Überlegung, es müsse bei der Förderung der Baukultur letztlich<br />

darum gehen, dass die Menschen „sich in ihren Häusern, ihren Städten<br />

wohler fühlen…“ (Rauterberg in: Förderverein 2001, S. 41) gleich in mehrfacher<br />

Hinsicht Sprengkraft: Fühlen sie sich wirklich so unwohl? Wer fragt<br />

sie denn? Und: Würde jemand die Antworten ernst nehmen, die dann zu<br />

hören wären?<br />

Dieses seit alters her bekannte Kommunikationsproblem wird ergänzt und<br />

erweitert durch neuere Aufgaben, die gleichfalls mit den Baukultur-Initiativen<br />

thematisiert werden. So ist die Rede davon, dass auf die Leistungen der<br />

baulichen Berufsstände aufmerksam gemacht werden soll. Diese Marketingbemühungen<br />

richten sich an die hiesige Öffentlichkeit, sollen aber auch<br />

Investoren und Bauherren in aller Welt ansprechen, auf dass deutsche Baudienstleistungen<br />

noch deutlicher als wichtiges Exportgut sichtbar werden<br />

(vgl. auch BMVBW S. 52). Auch der Strukturwandel vieler Städte gibt Anlass<br />

zu mehr Kommunikation: Die Folgen wirtschaftlicher Umbrüche und demographischer<br />

Verwerfungen lassen sich nur in gemeinsamen Anstrengungen<br />

bewältigen. Damit wird zugleich auf tief greifende Rollenveränderungen in<br />

der Aufgabenverteilung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verwiesen:<br />

Der Staat kann nicht (mehr) alles richten. Kooperationen sind unverzichtbar –<br />

auf allen Ebenen und zwischen verschiedenen Beteiligten (vgl. Selle 2005),<br />

Kooperationen, die ohne intensive Verständigungsarbeit nicht zu haben<br />

sind.<br />

Der Bedarf an Kommunikation ist also groß und besteht aus den verschiedensten<br />

„Kommunikationen”:<br />

- Marketing: Die Öffentlichkeit soll von den Leistungen der Architekten und<br />

Ingenieure in Kenntnis gesetzt werden;<br />

- Qualitätsdiskurs: Alle am Planen und Bauen Beteiligten sollen in Diskurse<br />

über mehr Qualität eingebunden werden;<br />

- kommunikative Projektentwicklung: Einzelne Vorhaben sollen in offenen<br />

und transparenten Verfahren unter Einbeziehung aller relevanter Akteure<br />

projektiert und realisiert werden;<br />

- Kooperation: Für viele Aufgaben sind Partner zu gewinnen und in<br />

gemeinsam getragene Prozesse einzubinden.<br />

Aber reicht das, um die bislang zu beobachtende Sprachlosigkeit zwischen<br />

den verschiedenen Gruppen zu überwinden? Wohl kaum, wenn über die<br />

Verkündung guter Absichten hinaus nicht auch Konkretes geschieht.


3. Jenseits der Sonntagsreden: Konkret werden<br />

Schon beim Blick auf Kultur und ihre Debatten wird immer<br />

wieder deutlich: Allgemein lässt sich gut und wohl tönend<br />

über sie reden, konkret wird es schwierig, kontrovers, gelegentlich<br />

laut und misstönend. Ganz ähnlich verhält es sich<br />

mit Kommunikation und Baukultur. Beide sind untrennbar<br />

miteinander verbunden – in den Sonntagsreden. Sollen die<br />

guten Absichten in den Alltag hinüber gerettet, soll die<br />

kommunikative Dimension von Baukultur praktisch wirksam<br />

werden, beginnen die Herausforderungen. Einige notwendige<br />

Schritte auf dem Weg vom Programm zur Praxis seien<br />

hier kurz angesprochen:<br />

Mit der Förderung der Baukultur werden viele Ziele zugleich<br />

verfolgt; entsprechend breit gestreut sind die Kommunikationsversprechen<br />

und -erwartungen. Das kann nun nicht in<br />

einem unspezifischen Kommunikationsangebot „an alle“<br />

münden. Dann fühlt sich niemand angesprochen und der<br />

Kommunikationsversuch geht im allgemeinen Informationsrauschen<br />

unter. Es liegt daher nahe, nach verschiedenen<br />

Zusammenhängen zu differenzieren und einfache Fragen zu<br />

stellen: Wer soll angesprochen, über was kann und soll mit<br />

welchen Zielen geredet und welche Ergebnisse können<br />

erwartet werden? Bei der Beantwortung solcher Fragen (vgl.<br />

Selle 2000) wird man Handfestes bieten müssen: „Baukultur<br />

muss … konkret werden. Der öffentliche Sektor wird auch<br />

weiterhin seine Vorbildfunktion wahrnehmen und baukulturell<br />

vorbildliche Projekte unterstützen“. Diese Forderung<br />

(in: MSWKS 2001b, S.15) weist in die notwendige Richtung:<br />

Prioritäten setzen und Konkretes in Aussicht stellen, zu dessen<br />

Einlösung man sich selbst verpflichtet. Das bedeutet<br />

zum Beispiel: Auf welche Weise soll der Diskurs der Fachleute<br />

verstetigt werden? Wie kann erreicht werden, dass<br />

öffentliche Vorhaben an offene Qualifizierungsverfahren<br />

gebunden werden? Wie ist sicherzustellen, dass Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

bei hervorgehobenen Maßnahmen auf<br />

Verfahrensstandards verpflichtet wird, die über aufwändige<br />

Internetpräsentationen und Einzelevents hinausgehen?<br />

Denn es steht ja durchaus nicht zum Besten mit der Kommunikation – selbst<br />

bei den besonderen Projekten: Da wird ein Vorhaben durchgepeitscht, weil<br />

die Investition „keinen Aufschub mehr duldet“ und dort bedient man sich<br />

ohne weiterer Worte (und fern vom Gedanken an Wettbewerbe oder ähnliches)<br />

wieder des wohlbekannten Entwicklers und seines Architekten,<br />

denn „da weiß man, was man hat“. Hier vereinbart der Oberbürgermeister<br />

höchstpersönlich mit dem Investor alles Wesentliche und selbst das Stadtparlament<br />

erfährt erst davon, wenn schon die Beschlussdrucksache auf den<br />

Pulten liegt. Und dort wird die Öffentlichkeit einmal mehr mit den wohlbekannten<br />

Pro-Argumenten für ein Projekt abgespeist und alles, was dagegen<br />

zu sprechen schien oder doch eine kritische Revision nahe legte, ist weggewogen,<br />

glattgebügelt, beiseite gewischt.<br />

A propos Öffentlichkeit: Gerade bei den als baukulturell bedeutsam eingestuften<br />

Vorhaben kann man von Verantwortlichen Sätze hören wie „Das<br />

ist zu wichtig, das lasse ich mir nicht zerreden“ oder etwas zurückhaltender,<br />

aber mit gleicher Wirkung: „An dieser Stelle ist Bürgerbeteiligung nicht<br />

zielführend“. Und viele, die daran festhalten, dass die Bürger mit ins Boot<br />

geholt werden sollen, meinen bei genauerem Hinschauen vor allem publikumswirksame<br />

Events. Dagegen wäre ja nichts zu sagen, wenn man sich<br />

zugleich der Mühen eines offenen Prozesses unterzöge, einer Projektentwicklung,<br />

die die Öffentlichkeit wirklich als Partner ernst nimmt. Das heißt<br />

keinesfalls, ihr populistisch hinterher zu laufen. Denn Partner ist jemand,<br />

dessen Sichtweise wichtig ist und ernst genommen wird, mit dem man sich<br />

aber selbstverständlich auch streiten kann und muss. Der Weg zu einer solchen<br />

partnerschaftlichen Kommunikation in der Baukultur ist noch weit und<br />

viele, da darf man sicht nichts vormachen, sind (noch) nicht bereit, ihn zu<br />

gehen.<br />

69


4. Einbahnstraßenkommunikation: Wessen Baukultur?<br />

Kommunikation in Sachen Baukultur bedeutet für viele in erster Linie:<br />

Öffentlichkeitsarbeit. Andere sollen von den eigenen Anliegen überzeugt<br />

werden, es gilt, Interesse zu wecken, Breitenwirkung zu erzielen – legitime<br />

Anliegen allesamt. Aber das ist nur eine Seite der Kommunikation – die<br />

Information, der Monolog, die Einbahnstraße.<br />

Damit ist keinesfalls gesagt, dass nicht schon die Mitteilung der eigenen<br />

Sichtweisen eine Herausforderung darstellte. Eine kurze Geschichte soll das<br />

illustrieren:<br />

Vor einigen <strong>Jahre</strong>n wurden in einem Fernsehbericht die Planungen für eine<br />

Innenstadt irgendwo in der deutschen Provinz vorgestellt. In einer längeren<br />

Sequenz zeigte man, wie der Planer seine Entwürfe erläuterte. Dann ein<br />

Schnitt: Der Planer, vor dem Plan im Hintergrund, ohne Ton – und dann<br />

quer übers Bild geworfen Schlagworte aus seiner Rede. Das reichte von<br />

„Urbanität“ und „optimaler Dichte“ über „Einzelhandelsbesatz“, „Kammerschließung“,<br />

„Kerngebietsnutzung“ oder „Lauflage“ bis hin zur „reizvollen<br />

Raumfolge“ und dem „besonderen Charme gerade dieses Ortes“. Am Schluss<br />

waren Planer und Plan nicht mehr zu erkennen, nur mehr Fetzen eines<br />

Fachjargons. Viele Worte – keine Verständigung: beredte Sprachlosigkeit.<br />

Mit polemischer Absicht wurde hier deutlich gemacht, wie wenig die<br />

sprachliche Innenwelt eines Berufsstandes zur Kontaktaufnahme mit anderen<br />

Welten taugen kann. Das gilt für viele Fachleute aus unterschiedlichen<br />

beruflichen Welten. Gelegentlich keimt jedoch der Verdacht, dass einem<br />

Teil der Bauschaffenden die Kommunikation über ihre Inhalte besonders<br />

schwer fällt. Architekten etwa seien, hieß es in einer deutschen Tageszeitung<br />

(SZ v. 27./28. 7. 2002, S. 14) „sprach- und kommunikationsgestörte<br />

Autisten“. Das ist scharf formuliert. Aber so ganz von der Hand weisen sollte<br />

man diese Kritik nicht. Könnte es nicht sein, dass mit dieser überspitzten<br />

Formulierung eine déformation professionel getroffen wird, die sich in dem<br />

nicht selten gehörten Satz manifestiert: „Mein Entwurf spricht für sich“?<br />

Einige der Architektenstars, die überall auf der Welt bauen, werden gerne<br />

als „charismatische Persönlichkeiten“ und „große Kommunikatoren“ bezeichnet.<br />

Sie vermögen Bauherren und Öffentlichkeiten von ihren Ideen zu<br />

überzeugen und verfügen gelegentlich sogar noch über kommunikative<br />

Langstreckenqualitäten, wenn es um die Mühsal der Umsetzung eines großen<br />

Wurfs in bau- und finanzierbare Konzepte geht. Das legt die Einsicht nahe,<br />

dass „erfolgreich ist, wer verstanden wird“ (Haupt/Kubitza, 2002, S. 72).<br />

Aber so sehr verbreitet scheinen diese Einsicht und die damit verbundenen<br />

Fähigkeiten noch nicht zu sein. Das mag schon im Studium angelegt sein,<br />

wo die subjektive Selbstentäußerung gefördert und die Herausbildung kommunikativer<br />

Fähigkeiten – trotz aller Bekenntnisse zu den soft skills – häufig<br />

vernachlässigt wird.<br />

70<br />

Aber es gibt noch einen tiefer gehenden Grund, den Architekten<br />

und Planer mit vielen anderen Fachleuten teilen: Man<br />

erwartet nichts von der Kommunikation mit Fachfremden.<br />

Denn die „verstehen ja ohnehin nichts von der Sache“. Im<br />

Zweifel zerreden die anderen nur die fachlich doch so überzeugende<br />

Lösung. Dass hinter solcher Haltung ein grundlegendes<br />

Missverständnis von der Sache und der Rolle der<br />

Fachleute steht, wurde schon oft erläutert (vgl. z.B. Corboz<br />

2002, S. 50 oder Selle 2000, S. 159 ff.) – aber viel geändert<br />

hat sich noch nicht.<br />

Bei der Baukultur gibt es noch eine besondere Zuspitzung:<br />

Die anderen, sie verstehen nicht nur nichts von der Sache,<br />

sie haben auch keinen Geschmack. Wer den Ekel hört, mit<br />

dem die Baumarkt-Kultur gebrandmarkt wird, wer die Häme<br />

sieht, mit der auf den „Letzten Seiten“ mancher Bauzeitschriften<br />

Alltagsarchitekturen vorgeführt werden, der erkennt,<br />

wie tief die Abneigung sitzt, jene, die nicht die eigene<br />

ästhetische Auffassung teilen, als Gesprächspartner ernst<br />

zu nehmen. Was Wunder, dass viele Bekenntnisse zur Kommunikation<br />

in und über Baukultur zu ästhetischen Erziehungsversuchen<br />

geraten. Da ist die Gefahr der „Geschmacksdiktatur“<br />

nicht fern (vgl. Göschel 2003, S. 38).<br />

Aber eigentlich ist ja bekannt, was wirklich Not tut. Im<br />

„Statusbericht Baukultur in Deutschland“ (BMVBW 2001,<br />

S. 50) heisst es: „Eine verbesserte Bürgerbeteiligung verlangt<br />

von den professionellen Planern, von Politik und Verwaltung<br />

eine verständliche Sprache der Darstellung und<br />

die Bereitschaft, sich auf die Diskussion einzulassen (…).<br />

Planungen, die auf breite Akzeptanz bei den Bürgern setzen,<br />

müssen alle Akteure in der Kommune einbinden; sie<br />

setzen den Willen zum Konsens voraus. Prozessorientierte<br />

Kooperationsformen haben jedoch nur dann Erfolg, wenn<br />

der Prozess ergebnisoffen geführt wird.“<br />

Verständliche Sprache, Einbindung vieler Akteure, Wille zum<br />

Konsens und ergebnisoffene Prozesse – klare Anforderungen<br />

sind das. Aber die Bereitschaft, sich ihnen (mit allen<br />

Konsequenzen für die eigene Rolle) zu stellen oder gar die<br />

Fähigkeit, sie umzusetzen, haben noch Seltenheitswert.<br />

Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Ansätze nachdrücklich<br />

zu fördern und zu ihrer Verbreitung beizutragen – auf<br />

dass Anspruch und Wirklichkeit ein wenig näher zueinander<br />

finden.


5. Mehr als Mitreden: Auf wem Weg zur res publica?<br />

„Ich bitte die Bürgerinnen und Bürger, sich in die Gestaltung ihres Wohnumfeldes,<br />

ihres Stadtquartiers oder ihrer Innenstadt einzumischen. Baukultur<br />

wird letztendlich aus Engagement gemacht. Sie hat nur eine Chance,<br />

wenn sie als aufklärerisches und demokratisches Projekt verstanden wird“<br />

(Vesper in: MSWKS 2001b, S.13). Die Bitte des Ministers richtet sich nicht<br />

an die Fachleute, an Politik und Verwaltung, sondern an die Bürgerinnen<br />

und Bürger. Sie sollen, wie er an anderer Stelle (in: Boll u.a. 2004, S. 9)<br />

ergänzt, „die Zukunft der Stadt wieder selbst in die Hand“ nehmen. Hier<br />

geht es nicht mehr um Öffentlichkeitsarbeit der Verbände, um transparente<br />

Wettbewerbsverfahren, verständliche Information über Planungsabsichten<br />

und sinnvolle Beteiligungsangebote, sondern um die andere Seite der gleichen<br />

Medaille: um das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, ihr eigenes<br />

Handeln, ihren Beitrag zur Entwicklung der Städte.<br />

Skeptische Geister könnten hier einwenden, solche Forderungen resultierten<br />

aus der Einsicht in die begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten öffentlicher<br />

Akteure und hätten lediglich den Blick frei gemacht für die Potenziale der<br />

lokalen Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist sicher nicht von der Hand zu<br />

weisen – und doch weniger als die halbe Wahrheit. Michael Vesper verweist<br />

darauf, dass es hier auch um ein demokratisches Projekt geht. Und wenn<br />

davon die Rede ist, dass die Bürgerinnen und Bürger die Zukunft der Städte<br />

wieder selbst in die Hand nehmen sollen, dann ist das auch historisch<br />

betrachtet sehr berechtigt: Schließlich haben die vielfältigen gemeinschaftsbezogenen<br />

Aktivitäten der lokalen Zivilgesellschaft eine lange Tradition. Die<br />

allerdings muss heute erinnert und in zeitgemäße, neue Formen übersetzt<br />

werden. Die Arbeit daran hat eben erst begonnen.<br />

Letztlich geht es um etwas sehr Altmodisches: Die Stadt soll wieder als res<br />

publica, als gemeinsames Anliegen verstanden werden. Es gilt, deutlicher<br />

noch als bisher, die unter allgemeinem Wohlklang von „Kommunikation<br />

und Baukultur” verborgenen Defizite sichtbar zu machen, nachdrücklich auf<br />

die Notwendigkeit hinzuwirken, eigene Positionen und Rollen zu verändern<br />

(und dies nicht immer nur von den anderen zu verlangen) und vor allem<br />

eine Veränderung der Praxis zu ermöglichen. Aber es ist bei all der Mühsal,<br />

die damit verbunden ist, wichtig, die Alltagsarbeit auf die Ziele hin zu<br />

bedenken, die mit ihr verfolgt werden. Denn es geht eben nicht nur um die<br />

Verbesserung des Marketings hier oder die kommunikative Lösung eines<br />

Konfliktes dort. Es geht um Kultur, um Politik, um Demokratie, einfacher<br />

gesprochen: um den Umgang mit gemeinsamen Aufgaben und Anliegen.<br />

Dieses Verhältnis zwischen weit reichenden Bezügen, Utopien womöglich,<br />

und alltäglichen kleinen Schritten hat niemand so schön beschrieben wie<br />

der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer (2002, S. 85). Ihm gebührt daher<br />

das letzte Wort:<br />

„Ach ja. Ach je. Natürlich ist das eine Utopie. Aber Utopien sind nicht dazu<br />

da, auf der Stelle Wirklichkeit zu werden. Jetzt und sofort und genau so. Sie<br />

dienen aber durchaus dazu, auch fern liegende Möglichkeiten und Hoffnungen<br />

einmal zu bedenken. Damit wir dann, im wirklichen Leben, in jene Richtung<br />

gehen können, sei der Weg noch so mühselig und seien die Schritte<br />

noch so klein. Immerhin gehen wir dann nicht in die Gegenrichtung“.<br />

Literatur<br />

Bischoff, A. u.a.: Informieren, Beteiligen, Kooperieren (Neubearbeitung).<br />

Dortmund 2005<br />

Boll, J. u.a. (Hg): Bürger machen Stadt. Zivilgesellschaftliches Engagement<br />

in der Stadterneuerung – Ein Projektbuch. Dortmund 2004<br />

BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen)<br />

(Hg): Statusbericht Baukultur in Deutschland. Berlin 2001<br />

Corboz, A.: Die Kunst, Stadt und Land zum Sprechen zu bringen.<br />

Bauwelt Fundamente Bd. 123. Basel 2002<br />

Eagleton, T.: Was ist Kultur? Eine Einführung. München 2001<br />

Förderverein Deutsches Architekturzentrum u.a.: BauKultur.<br />

Auf dem Weg zur Nationalen Stiftung. Berlin / Bonn 2002<br />

Göschel, A.: Baukultur – Chancen und Defizite eines Programms symbolischer<br />

Politik. in Fritz-Händeler, R., Möller, B. (Hg): Politikfeld Baukultur.<br />

Potsdam 2003, S. 37 ff<br />

Fritz-Händeler, R. Möller, B. (Hg): Politikfeld Baukultur. Potsdam 2003<br />

Haupt, E., Kubitza, M. (Hg): Marketing und Kommunikation für Architekten.<br />

Basel 2002<br />

MSWKS (Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen) (Hg): Memorandum <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>.<br />

Düsseldorf 2001<br />

MSWKS (Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen) (Hg): <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> –<br />

Dokumentation der Auftaktveranstaltung am 9.11.2001. Düsseldorf 2001<br />

Negt, O.: Was ist Kultur? Vortrag zum 10. Bestehen des kulturwissenschaftlichen<br />

Studiengangs an der Universität Bremen vom 29.11.1996. unter<br />

http://www.dickinson.edu/departments/germn/glossen/heft3/negt.html<br />

Reuther, I., Stiess, S., Schiffers, B.: Baukultur in ExWoSt – Ein Verständigungsversuch.<br />

Kurzfassung der Dokumentation im Auftrag des Bundesamtes für<br />

Bauwesen und Raumordnung. Bonn/Leipzig 2004, S. 5<br />

Rösener, B., Selle, K. (Hg): Kommunikation gestalten. Beispiele und<br />

Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis. Dortmund 2005<br />

Selle, K.: Was? Wer? Wie? Warum? Voraussetzungen und Möglichkeiten<br />

einer „nachhaltigen“ Kommunikation. Dortmund 2000<br />

Selle, K. u.a.: Kommunikative Elemente der Planungskultur. Der Beitrag des<br />

Landes zur Qualitätsentwicklung vor Ort. Neuauflage (Erstdruck Herbst 2001)<br />

Aachen 2004<br />

unter http://www.pt.rwth-aachen.de/publikationen/pt_materialien.php<br />

Selle, K.: Planen, Steuern, Entwickeln. Über den Beitrag öffentlicher Akteure<br />

zur Entwicklung in Stadt und Land. Dortmund 2005<br />

Vesper, M.: Rede anlässlich des Kongresses „Stadt machen! Ziele und<br />

Projekte“ am 1. Februar 2001, Zeche Zollverein Essen (unveröff. Ms.)<br />

Widmer, U.: Das Geld, die Arbeit, die Angst, das Glück. Zürich 2002<br />

71


Dietmar Steiner<br />

Architektur vom Nullpunkt<br />

Man stelle sich vor, es gäbe gar keine Kunst der Architektur und auch nicht<br />

ihre Geschichte. Würde uns etwas fehlen? Möglicherweise. Möglicherweise<br />

aber auch nicht. Eine ganze, sich angeblich mit Architektur beschäftigende<br />

akademische Kaste wäre ganz einfach nicht vorhanden. Und auch die Profession<br />

der Architekten selbst wäre bloß in ein allgemeines Baugeschehen<br />

eingegliedert. Architektur als Begriff verbliebe im allgemeinen Sprachgebrauch<br />

bei der Architektur der Europäischen Gemeinschaft, bei der Architektur<br />

von Unternehmensstrukturen oder der Architektur von Computern.<br />

Man stelle sich also vor, es gäbe keine Architekturgeschichte, keine Architekten,<br />

keine Architekturstudierende. Niemand studiert, niemand sammelt,<br />

niemand archiviert Architektur. Eine unvorstellbare Vorstellung?<br />

Möglicherweise. Aber dennoch, und davon bin ich überzeugt, würde Architektur<br />

entstehen. Denn irgendjemand, der nie von Architektur gehört, der<br />

das Wort nicht kennt und nicht das Metier, irgendjemand würde etwas<br />

bauen, das eben mehr als bauen ist.<br />

Architektur entsteht, irgendwo, irgendwann, und niemand kann sie verhindern.<br />

Architektur ist immer da. Aber von Zeit zu Zeit muss man das Metier,<br />

in dem man sich befindet, einfach wieder einmal vom Nullpunkt an denken.<br />

Das ist eine Frage, die sich jenen, die sich im Metier befinden, nur sehr<br />

selten stellt. Denn sie leben ihre Rollen, müssen allein schon zur Rechtfertigung<br />

ihrer Existenz an die Existenz von Architektur glauben. Ob jedenfalls<br />

Architektur eine eigenständige künstlerische Disziplin ist oder sein soll, will<br />

ich jetzt einfach als Frage und Behauptung so stehen lassen. Schließlich hatte<br />

schon der österreichische Volksschauspieler Hans Moser in „Hallo Dienstmann“<br />

den legendären Satz genuschelt: „Auf gebaut kommt’s nicht an“.<br />

Architektur heute vom Nullpunkt zu denken, ist keine Willkür. Denn die<br />

Architektur befindet sich am Nullpunkt. Warum? Weil sie eine Konjunktur<br />

im öffentlichen, im medialen, im politischen Leben hat wie niemals zuvor.<br />

Niemals zuvor in der Geschichte war Architektur populärer als heute. Und<br />

niemals zuvor gab es so viele Architekten, Architekturstudierende, Architekturmuseen,<br />

-archive, -medien. Aber niemals zuvor konnten wir uns darüber<br />

so wenig verständigen, was überhaupt zur Architektur gezählt werden soll,<br />

wie heute!<br />

72<br />

Was Architektur zur Kultur beiträgt<br />

Als die Architektur noch Ideologie war<br />

Die Nachkriegszeit in Europa lebte von den Modernitätsversprechungen<br />

des Wiederaufbaus. Architektur war ein Mittel<br />

zur Überwindung des Faschismus, der gleichgesetzt wurde<br />

mit allen formalen Traditionalismen. Architektur war ein<br />

Minderheitenprogramm der kulturellen Avantgarde, das<br />

sich aber gutgläubig mit der entwickelten Bauindustrie verband.<br />

In den sechziger <strong>Jahre</strong>n opponierte dagegen die utopische<br />

und politisierte architektonische Avantgarde, schon<br />

affirmativ bereit für die neue Popkultur. Ein wenig bedenklich<br />

vielleicht, dass fast alle Stars von damals es bis heute<br />

geblieben sind. Aber Architektur ist eben eine langdauernde<br />

Kunst, auch biographisch.<br />

Dann kam Anfang der siebziger <strong>Jahre</strong> der Paradigmenwechsel,<br />

der Modernitätsbruch: Die Wiederentdeckung des Urbanen,<br />

des Regionalen und der Geschichte mit der Postmoderne,<br />

aber auch als Nachschein der Sehnsucht der Studentenrevolte<br />

nach dem wirklichen Leben die Entdeckung und Verwandlung<br />

des Alltäglichen. Die Zukunft blieb auch in den<br />

achtziger <strong>Jahre</strong>n gebrochen. Ridley Scotts „Blade Runner“<br />

zeigte uns erstmals, dass auch in ferner Zukunft nicht alles<br />

neu gebaut sein wird. Im Besichtigungsbus der Internationalen<br />

Bauausstellung Berlin erzählten Senatsbeamte mit säuerlicher<br />

Miene von den großen Fortschritten im Zeilenwohnungsbau<br />

der sechziger <strong>Jahre</strong>, als den Menschen Licht, Luft<br />

und Sonne geboten wurde, und bedauerten eigentlich, dass<br />

heute die ausländischen Stararchitekten wieder die alte<br />

enge Stadt bauen wollen.<br />

Jawohl, es war schön und spannend, in den sechziger, siebziger,<br />

und auch noch in den achtziger <strong>Jahre</strong>n, als mit Argumenten<br />

und Verleumdungen um die richtige oder falsche<br />

Architektur gekämpft wurde, als Positionen mit Theorien<br />

belegt wurden. Es war schön und spannend, aber es war<br />

eine verdammte Insiderdiskussion, der wahrscheinlich nicht<br />

mehr als rund 500 Architekten und Intellektuelle der westlichen<br />

Hemisphäre wirklich folgen konnten und wollten.<br />

Eine akademisch zerstrittene, aber insgeheim verschworene<br />

Gemeinschaft, die den Rest der wirklichen Welt arrogant<br />

ignorierte.


Als die Architektur entdeckt wurde<br />

Und auf einmal herrschte große Verwirrung. Entlang der<br />

letzten fünfzehn <strong>Jahre</strong> lösten sich alle allgemeinverbindlichen<br />

innerarchitektonischen Kriterien der Architektur auf. Nicht<br />

anders als die Gesellschaft, deren Lebensstile und Kulturen<br />

sich zunehmend fragmentierten. Manche wollten noch zwischen<br />

einer transnationalen kapitalistischen und einer subalternen<br />

lokalen Klasse unterscheiden, obwohl die hybride<br />

Existenz zum Daseinsprinzip geworden war. Im Design verschwindet<br />

die „gute Form“ und kommt als saisonaler Lifestyle<br />

wieder.<br />

Und auf einmal war die Postmoderne als Stil zumindest im<br />

inneren Diskurs der Architektur erstarrt. Sie fand ihr letztes<br />

Aufbäumen im Dekonstruktivismus und wurde abgelöst<br />

von Computerprogrammen, die zumindest auf den Bildschirmen<br />

– und mit viel Bastelei auf den Baustellen – den<br />

Colani-Kitsch der sechziger <strong>Jahre</strong> zum mainstream einer<br />

heutigen Formsprache exhumierten. Wie sagte schon Friedrich<br />

Kittler in den achtziger <strong>Jahre</strong>n: „Das Werkzeug bestimmt<br />

das Sprechen.“<br />

So kann heute niemand mehr unterscheiden, ob es sich bei<br />

all dem was heute auf dem so genannten Markt ist, das heißt<br />

die rund 100 wichtigsten internationalen Architekturmagazine<br />

dekoriert, um gute oder schlechte Architektur, um<br />

wichtige oder unwichtige Bauten oder Projekte handelt.<br />

Alles beschleunigt den Kulturbetrieb, ist ein zumindest<br />

mediales Event oder findet einfach nicht statt.<br />

Vor einigen <strong>Jahre</strong>n noch beklagte ich bei einer Podiumsdiskussion<br />

im Netherlands Architecture Institut, dass jeder<br />

Architekt heute seine Individual-Theorie vor sich her trage,<br />

ohne sie am Bau zu erkennen, und wurde von einem Vordenker<br />

der amerikanischen Universitätsdebatte belehrt, dass<br />

die Theorie eben zum Marketing dazugehöre. Das ist nun<br />

wieder vorbei: Die Theorie wurde von Business-Plänen ersetzt<br />

und die jungen Architekten sind dank Studium aller Lehrbücher<br />

über Architekturmarketing noch vor dem ersten Bau<br />

mediale Superstars. Vor einiger Zeit wurde dem Architekturzentrum<br />

Wien von einer Kunstgalerie das Archiv einer jungen,<br />

berühmten boys and girls group angeboten, die sich noch<br />

vor dem ersten richtigen Bauauftrag schon wieder aufgelöst<br />

hatte.<br />

Wir befinden uns heute in einer Übergangsphase. Aber alle<br />

Auguren sagen uns, dass wir uns für die gesamte Zukunft<br />

nur mehr in Übergangsphasen befinden werden. Übergangsphase<br />

heute bedeutet zunächst einmal einen anhaltend<br />

postmodernen Zustand. Ein Zustand, der alle alten Trennungen<br />

von Hochkultur und Alltagskultur verlassen hat, der keiner<br />

einzelnen Ideologie einen Charakter der Ausschließlichkeit<br />

zubilligen kann.<br />

Übersetzt auf die Kulturtechnik der Architektur ist die Trennung<br />

von kulturell wichtigen Künstlerarchitekten und den<br />

marktkonformen Architekturfirmen, die noch in den achtziger<br />

<strong>Jahre</strong>n in der Szene klar war, heute aufgehoben. Wenn<br />

beispielsweise Peter Cook, der ewige Avantgardist, nach<br />

seiner ersten Bauerfahrung seine Zukunft als Design-Berater<br />

von HOK, einer der weltgrößten Business-Architekturfirmen,<br />

sieht, dann sollen wir darin nicht die tragische Selbstaufgabe<br />

eines alten Mannes erkennen, sondern die veränderten<br />

Rahmenbedingungen der Architektur akzeptieren.<br />

„Great Atttention, Less Seriosity“<br />

Great attention, less seriosity spottet Rem Koolhaas heute<br />

und hat verdammt recht damit. Die Diamanten der Star-<br />

Architekten verbreiten sich wie spam mails über den Erdball.<br />

Sie folgen alle der vielzitierten Ökonomie der Aufmerksamkeit,<br />

obwohl sie vielfach diese wegen Übersättigung gar<br />

nicht mehr erfüllen können. Und die great attention hat<br />

sich ausgebreitet und ausgeweitet. Schon erklimmen spekulative<br />

Freizeitlandschaften wie die Neunutzung der Zeppelin-<br />

Halle und das Design von Formel 1-Strecken die ernsthaften<br />

Architekturmagazine. Michael Eisners Disney-Architektur-<br />

Strategie hat das bereits in den neunziger <strong>Jahre</strong>n vorgelebt.<br />

Warum wohl hat dann Arata Isozaki sein Team Disney Building<br />

in Orlando von 1991 niemals selbst besichtigt? Immerhin<br />

das architektonisch beste Gebäude, das Disney jemals<br />

zusammengebracht hat.<br />

Aber was wäre das Gegenteil davon? Less attention – Great<br />

seriosity? Von Prince Charles und den Kriers, den anhaltend<br />

stilistisch Postmodernen wie Robert Stern oder Michael<br />

Graves, bis hin zum amerikanischen New Urbanism und<br />

Vittorio Magnago Lampugnanis neuem Konservativismus<br />

73


oder den Berliner Steinbaumeistern reicht die Palette derer,<br />

die eine Rückkehr zur Konvention des Bauens fordern.<br />

Jawohl, es wäre dann „Baukultur“, wenn sie sich durchsetzen<br />

könnte. Wir hätten dann wieder verbindliche Konventionen,<br />

wir hätten dann wieder, in neuen Spuren nur und<br />

das ist wichtig, harmonische Dörfer und Städte. Wir hätten<br />

den Verlust der Kultur kompensiert. Aber welche Kultur hätten<br />

wir dann? Die Kultur des Films „The Truman Show“,<br />

einer künstlichen Idylle, die zwar zufällig, aber doch treffend<br />

im realen New Urbanism-Pilotprojekt Seaside in Florida<br />

gedreht wurde. Das ist nicht gerade die great seriosity, die<br />

gefordert wird. Eine gegenwärtige Wiederkehr im Historischen<br />

ist sicherlich kein heutiges Leben im falschen Bewusstsein,<br />

wie viele Ewigmodernen gerne behaupten würden.<br />

Schließlich ist mit dem kompletten Wiederaufbau der Akropolis<br />

oder dem Weiterbau an der Sagrada Familia längst<br />

auch symbolisch das Leben im historisch Inszenierten beschlossen<br />

– und bleibt doch nur eine touristische Marginalie.<br />

Die great attention hat jedenfalls der Architektur eine bislang<br />

nicht bekannte öffentliche und mediale Aufmerksamkeit<br />

gebracht. Mit allen Konsequenzen. Eine davon ist das<br />

Ende der Expertenkultur. Kritik und Vermittlung finden sich<br />

entweder in der Rolle des Marketing-Agenten wieder oder<br />

weichen aus in die Paralleltexte der cultural studies, um von<br />

dort aus das Phänomen der Architektur an sich zu umkreisen.<br />

Individuelle kritische „Wertungen“ von Bauten und<br />

Positionen entpuppen sich als das, was sie seit langem auch<br />

in anderen Kulturdisziplinen sind: als neiderfüllte private<br />

Befindlichkeiten mit dem Odeur des pastorenhaft Unbefriedigten<br />

behaftet.<br />

Das ist die logische Folge des Verlusts aller verbindlichen<br />

Kriterien. Die kämpferische Moderne der Architektur hat<br />

sich im letzten Jahrhundert geboren und vollendet. Keinem<br />

stilistischen Code, keiner künstlerischen Ideologie folgend,<br />

aus reiner Gewohnheit baut sie einfach in der weltweiten<br />

Mittelschicht der Bauindustrie-Dienstleister weitgehend<br />

bewusstlos nach wie vor vor sich hin. Noch immer ausgestattet<br />

mit der Autorität des Berufsstandes des Architekten,<br />

die für sich das Versprechen auf eine bessere Welt behauptet.<br />

Würden wir den Architekten glauben, dann wäre alles besser,<br />

wäre es nur von Architekten geplant.<br />

Provokante Gegenfrage: Würden wir alle in einer Welt leben<br />

wollen, die nur von sogenannten engagierten Qualitätsarchitekten<br />

geschaffen wurde?<br />

74<br />

Wo ist der Nullpunkt?<br />

Diese kursorische Einschätzung der gegenwärtigen architektonischen Situation<br />

ist die Vorbedingung einer Suche nach dem Nullpunkt, von dem aus<br />

die Vermittlung von Architektur immer wieder beginnen muss. Und ich<br />

möchte das an den Aufgaben und Potenzialen einer Institution der Architekturvermittlung<br />

darstellen, die einfach zwischen der Entwicklung der Disziplin<br />

und der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit steht. Als ich am Beginn<br />

bemerkte, dass man sich auch eine Welt ohne Architektur vorstellen möge,<br />

so bezog sich das auch auf die tatsächliche Situation der Vermittlung. Wir<br />

haben die paradoxe Situation, dass zwar alle Menschen von Architektur<br />

betroffen sind, alle auch irgendwie beim Bauen – das sie als Architektur<br />

bezeichnen – mitreden zu können glauben, aber absolutes Unverständnis<br />

und vollständige Unkenntnis über Architektur vorherrschend sind. Geschichte<br />

und Terminologie der Architektur sind nach wie vor ein relativ absolutes<br />

Minderheitenprogramm.<br />

Wir hatten mit dem Architekturzentrum Wien die großartige und einmalige<br />

Situation und Voraussetzung, geradezu experimentell fast alle Möglichkeiten<br />

heutiger Architekturvermittlung zu erproben. Architektur als kulturelle<br />

Verpflichtung, wir sagten als Lebensmittel, zu propagieren. Ausstellungen<br />

selbstverständlich, aber auch Workshops, Exkursionen, Kinderprogramme,<br />

Partnerschaften mit der Wirtschaft, Diskussionen, Präsentationen, Publikationen<br />

und die extensive Nutzung dessen, was seit Mitte der neunziger <strong>Jahre</strong><br />

über das Internet vermittelbar ist. Wien war und ist dafür ein heißes Pflaster.<br />

Sich und damit der Architektur Gehör zu verschaffen, ist im Umfeld eines<br />

reichen kulturellen Angebots besonders schwer.<br />

Was lernten wir daraus? Jawohl, wir haben für die Architektur politische<br />

und mediale Aufmerksamkeit erreicht. Nicht als institutionelle Kontrollinstanz,<br />

dazu fehlt die Macht. Aber immerhin konnten wir das Thema Architektur als<br />

kulturelle Aufgabe politisch und medial positionieren. Überraschend dabei<br />

war, dass für den Erfolg einer breiten Vermittlung das Starsystem der Architektur<br />

noch keine wirkliche Rolle spielt. Eine Star-Ausstellung bringt zwar<br />

mediale Aufmerksamkeit, aber letztlich auch nicht mehr Besucher als ein<br />

Alltagsthema mit lokaler Betroffenheit. Wogegen aber an inhaltlich phan-


tastischen Ausstellungen mit historisch bedeutender Architektur<br />

nahezu überhaupt kein Interesse besteht. Schon bald<br />

aber erkannten wir, dass eine zentrale Aufgabe von uns verlangt<br />

wurde: die eines Auskunfts-, Service- und Kompetenzzentrums<br />

für Architektur überhaupt. Archiv, Sammlung,<br />

Bibliothek waren gefordert, um, da ist sie wieder, die Architektur<br />

vom Nullpunkt, überhaupt die Frage nach der Sache<br />

selbst zu beantworten.<br />

Aber selbstkritisch muss gefragt werden, ob wir damit nicht<br />

den Event-Zirkus einer Minderheit verstärken und weiter<br />

bedienen. Star-name dropping und geile Renderings, flotte<br />

Sprüche und Events, die nur mehr für die Medien veranstaltet<br />

werden. Das bedient zufrieden stellend den medialen Markt<br />

der Aufmerksamkeit. Dabei beobachteten wir aber, dass das<br />

historische Wissen immer kürzer greift. Schon jetzt werden<br />

von anderen Veranstaltern Themen wiederholt, die wir in<br />

unserer kurzen Geschichte vor <strong>Jahre</strong>n bereits abgehandelt<br />

hatten.<br />

Wir ziehen daraus die Konsequenzen und reihen die Arbeit<br />

als „Schneepflug“ für die letzten News der Szene etwas<br />

zurück und entwickeln uns vorwärts zum Museum, das als<br />

Zwischenlager der kulturellen architektonischen Produktion<br />

zum Maßstab des Wertes wird. Aber welche Aufgabe haben<br />

wir heute in dieser Funktion?<br />

Das Sammeln von schönen Blättern, die historische Aufgabe<br />

von Architekturarchiven bleibt unverzichtbar für den kulturellen<br />

„Speicher“ der Gesellschaft. Dagegen aber hat uns<br />

die Architekturproduktion der Moderne neue Schwerpunkte<br />

beschert. Nicht mehr die künstlerische Zeichnung allein,<br />

sondern der gesamte Entstehungsprozess eines Bauwerks<br />

benötigt die archivarische und museologische Dokumentation.<br />

Wir müssen darüber Auskunft geben können, wie Architektur<br />

– als Idee und Bau – entsteht. Erst dann wissen wir, was<br />

Baukultur ist, und welchen Beitrag sie für eine allgemeine Kultur leistet.<br />

Wenn wir beispielsweise das Modell der Villa in Bordeaux besitzen, dann ist<br />

dies ein schönes Dokument. Wichtiger aber noch sind die zugehörigen<br />

Mappen mit den Kopien der Korrespondenz zwischen Rem Koolhaas, OMA<br />

und dem Bauherrn. Mit der Dokumentation der Prozesse verfügen wir über<br />

jenes Material, das analytisch und diskursiv die Qualitäten von Architektur<br />

aufarbeiten, aufbereiten und vermitteln kann. Und das ist viel mehr, als die<br />

Denkmalämter der bisher historischen Architektur widmen konnten.<br />

Indem wir die Architektur mit ihren Dokumenten nicht als singuläre künstlerische<br />

Leistung, sondern als Ergebnis eines wirtschaftlichen, technischen,<br />

sozialen und politischen Prozesses verstehen lernen, sind wir auch in der<br />

Lage, das einzelne Objekt der medialen Begierde als Teil einer allgemeinen<br />

Baukultur einzuordnen. Und auf einmal wird mit diesen Parametern jedes<br />

Objekt, jeder Bau zu einer Welterklärung. Ab diesem Moment verschwinden<br />

die Grenzen von Stararchitektur und der alltäglichen Bauproduktion. Beides<br />

wird gleich wichtig.<br />

Damit stehen wir als Wissens- und Kompetenzzentrum mit museologischem<br />

Ewigkeitsanspruch vor der Frage: Was ist Architektur? Und müssen wieder<br />

einmal eingestehen: Wir wissen es nicht! Wir können nur beobachten und<br />

analysieren, wohin sich das Interesse der Architekten und der „Markt der<br />

Architekturvermittlung“ entwickeln. Aber wir dürfen, kraft unserer Kenntnisse,<br />

diesem Interesse nicht bedingungslos folgen.<br />

Architektur vom Nullpunkt heißt für uns, das ständig neue Denken über die<br />

Kunst der Architektur anhand unseres Wissensspeichers zu erkunden, zu<br />

überprüfen, zu dokumentieren und zu präsentieren. Architektur vom Nullpunkt<br />

bedeutet für uns aber auch, diese Architektur mit einem allgemeinen<br />

öffentlichen Interesse an der gebauten Umwelt zu verbinden. Das führt zu<br />

einem ständigen Pendeln des Interesses zwischen den Kategorien des Erhabenen<br />

und des Alltäglichen, zwischen Szene und Öffentlichkeit.<br />

Und zum Schluss darf man auch den grundsätzlichen Unterschied zwischen<br />

Architektur und Architekturvermittlung nicht vergessen: Bauten müssen im<br />

Regelfall benutzt werden. Die Vermittlung aber findet nur statt, wenn man<br />

ein Publikum dafür interessieren und gewinnen kann.<br />

75


Achim Großmann<br />

In unserer Gesellschaft spielt gute Kommunikation eine immer größere Rolle.<br />

Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit und bei dem Setzen von Themen<br />

hängt der jeweilige Erfolg von der Qualität und der Kreativität der Kommunikation<br />

ab. Für Baukultur gilt dies in besonderem Maße. Deshalb haben wir<br />

vor fünf <strong>Jahre</strong>n mit zahlreichen Partnern die „Initiative Architektur und Baukultur“<br />

ins Leben gerufen, um eine breite Öffentlichkeit für dieses Anliegen<br />

zu gewinnen.<br />

Eine überzeugende Definition des Begriffs Baukultur ist schwierig. Denn die<br />

Maßstäbe für Baukultur sind abhängig von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,<br />

von Werthaltungen, von ökonomischen, kulturellen, ökologischen<br />

und sozialen Anforderungen. Sie unterliegen naturgemäß einem ständigen<br />

Wandel.<br />

Daher stellt sich zunächst die Frage, wie wir mit unserer gebauten Umwelt<br />

umgehen. Wie planen, bauen und nutzen wir, so dass dabei hohe Qualität<br />

entsteht, sich die Wertvorstellungen unserer Gesellschaft darin widerspiegeln,<br />

Städte attraktiv bleiben, Bürger sich wohl fühlen und der Standort Deutschland<br />

seine Leistungsfähigkeit und Anziehungskraft zeigt?<br />

Hinzu kommt eine Vielzahl der am Planen und Bauen beteiligten Akteure.<br />

Diese in den Auseinandersetzungsprozess einzubinden, ist ebenfalls eine<br />

große Kommunikationsaufgabe. Dabei geht es nicht nur um das Verhältnis<br />

einzelner Berufsgruppen zueinander, sondern vor allem um den „Schulterschluss“<br />

von Fachleuten und Bauherren. Eine bloße Fachdiskussion unter<br />

Fachleuten macht noch keine Baukultur aus.<br />

Und vor allem geht es um die Bürgerinnen und Bürger. Sie sind die „Nutzer“<br />

von Baukultur.<br />

Um der Komplexität des Themas und der Vielzahl der Beteiligten gerecht<br />

zu werden, setzen wir in hohem Maße auf „Prozessqualität“, d.h. auf die<br />

Qualität von Verfahren. Damit sind die Verfahren der Bürgerinformation<br />

und -beteiligung bei der kommunalen Bauleitplanung gemeint, die Planungswettbewerbe,<br />

die verschiedenen Formen fachkundiger Beratung, Mediations-<br />

und Moderationsverfahren – und konkrete Teamarbeit am Einzelobjekt.<br />

Immer wichtiger wird dabei auch, private Bauherren und Investoren<br />

davon zu überzeugen, dass gute Verfahren die Chance guter Ergebnisse in<br />

sich tragen.<br />

76<br />

Die Bundesinitiative Architektur<br />

und Baukultur<br />

Fünf <strong>Jahre</strong> Stadtbaukultur in <strong>NRW</strong><br />

Als das Land Nordrhein-Westfalen vor fünf <strong>Jahre</strong>n die Initiative<br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> startete, stellte es sich damit als<br />

erstes Bundesland in Deutschland dem Wettbewerb der<br />

Regionen um baukulturelle Standortqualität. Zugleich griff<br />

es damit als eines der ersten Bundesländer die von der Bundesinitiative<br />

Architektur und Baukultur verfolgten Ziele auf.<br />

Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> nähert sich dem Begriff<br />

Baukultur unter dem Aspekt, in welchem Maße eine Gesellschaft<br />

dem Bauen und Planen Aufmerksamkeit, Energie und<br />

Kreativität widmet. Dieser Ansatz zielt – wie auch die Bundesinitiative<br />

Architektur und Baukultur – ganz wesentlich<br />

auf die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit ihrer<br />

gebauten Umwelt ab.<br />

Mit vielfältigen Maßnahmen und Instrumenten hat die<br />

Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> in den vergangenen fünf<br />

<strong>Jahre</strong>n ihr Augenmerk auf spezifische Schwerpunktthemen<br />

wie die Qualität des Bauens, die Gestaltung des öffentlichen<br />

Raumes oder den Denkmalschutz gelenkt. Veranstaltungen<br />

und Projekte wie „Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze“,<br />

„Straße der Gartenkunst <strong>NRW</strong>“ oder „kölnarchitektur“<br />

haben nicht nur in der Fachöffentlichkeit, sondern auch bei<br />

interessierten Bürgerinnen und Bürgern großes Interesse für<br />

die Belange der Baukultur geweckt.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der Initiative und ihres Erfolges<br />

ist dabei ohne Zweifel die enge Kooperation mit zahlreichen<br />

Partnern, seien es Städte, Gemeinden, Kammern oder Verbände,<br />

die sich ebenfalls der Stärkung des Bewusstseins<br />

für Baukultur in Deutschland verschrieben haben. Der Netzwerkgedanke,<br />

d.h. konkret die Zusammenarbeit mit den<br />

im baukulturellen Bereich vorhandenen Institutionen, Verbänden<br />

und Akteuren, ist eine wichtige Voraussetzung, um<br />

Erfahrungen aus allen Ebenen und Bereichen aufzugreifen<br />

und gebündelt sichtbar zu machen. Denn Baukultur beschränkt<br />

sich nicht auf Architektur im engeren Sinne; sie<br />

umfasst gleichermaßen die Ingenieurbaukunst, Stadt- und<br />

Regionalplanung, Belange des Denkmalschutzes, Landschaftsarchitektur<br />

oder die Kunst am Bau und den öffentlichen<br />

Raum. Und sie entsteht in deutschen Städten und<br />

Gemeinden täglich neu und prägt damit wesentlich das<br />

Erscheinungsbild und die Lebensqualität in Regionen und<br />

Bundesländern.


Bedeutung von Baukultur in Deutschland<br />

Diese Mehrdimensionalität von Baukultur stellt eine wichtige<br />

Qualität dar, deren Förderung sich auch die Bundesregierung<br />

zum Ziel gesetzt hat. Deutschland ist das europäische<br />

Land mit dem höchsten Bauvolumen; mehr als die Hälfte<br />

aller Investitionen in Deutschland werden in der Baubranche<br />

getätigt. Diesem Sektor kommt daher eine hohe Priorität zu.<br />

Darüber hinaus spielt die Qualität der gebauten Umwelt für<br />

Standortentscheidungen von Investoren und die Selbstdarstellungen<br />

von Städten und Gemeinden eine zunehmend<br />

wichtigere Rolle. Städte und Regionen müssen neue Profile<br />

im internationalen Wettbewerb entwickeln. Dabei kann<br />

gerade die Architektur Gradmesser für das Leistungsvermögen<br />

und die Innovationskraft eines Standortes sein. Auch<br />

der Bund als öffentlicher Bauherr bekennt sich mit seinen<br />

Projekten zu seinen baupolitischen Zielen.<br />

Bundesinitiative Architektur und Baukultur<br />

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen<br />

hat im Oktober 2000 die Bundesinitiative Architektur<br />

und Baukultur ins Leben gerufen. Sie wurde und wird dabei<br />

unterstützt von der Beauftragten der Bundesregierung für<br />

Kultur und Medien, den Berufsverbänden der Architekten<br />

und Ingenieure sowie zahlreichen Institutionen aus den verschiedenen<br />

Bereichen des Planens und Bauens.<br />

Ziel der Initiative war es zunächst, das Thema Baukultur<br />

wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Nicht nur eine<br />

kleine Fachöffentlichkeit, auch die breite Bevölkerung und<br />

insbesondere die Politik sollten für die Anliegen der Baukultur<br />

sensibilisiert werden. Einen ersten Erfolg konnte die<br />

Initiative im Jahr 2002 verzeichnen, als die Bundesregierung<br />

dem Deutschen Bundestag – erstmals in der Geschichte der<br />

Bundesrepublik – einen „Statusbericht zur Lage der Baukultur“<br />

vorlegen konnte. Das Thema Baukultur war damit nicht<br />

nur wieder Gegenstand der politischen Diskussion, sondern<br />

stand auch verstärkt im Blickpunkt der Öffentlichkeit.<br />

Der Bundestag hat den Bericht in seinen Ausschüssen ausführlich erörtert<br />

und die mit der Initiative verfolgten Ziele in einem eigenen Entschließungsantrag<br />

zur Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen (Drs.15/1092) am<br />

16. Oktober 2003 fraktionsübergreifend unterstützt. Insbesondere hat er<br />

das im Statusbericht vorgeschlagene Projekt einer nationalen Stiftung Baukultur<br />

begrüßt und die Bundesregierung aufgefordert, alsbald ein entsprechendes<br />

Gesetz in den Bundestag einzubringen.<br />

Baukultur erfordert Kommunikation aber auch in und mit der breiten<br />

Öffentlichkeit. Denn Baukultur kann nicht staatlich verordnet werden; sie<br />

entsteht nur im Zusammenwirken aller Beteiligten. Eine Nachfrage nach<br />

qualitätvoller Planung und Bauleistung setzt voraus, dass das Bewusstsein<br />

für die Belange der Baukultur auch bei den „Endverbrauchern“ gestärkt<br />

wird. So sind im Rahmen der Bundesinitiative in den letzten <strong>Jahre</strong>n zahlreiche<br />

Veranstaltungen und Projekte durchgeführt worden, um die Anliegen<br />

der Baukultur – über die Fachöffentlichkeit hinaus – einer breiten Öffentlichkeit<br />

zu vermitteln. Beispielhaft seien hier nur der erste Kongress „Baukultur<br />

in Deutschland“ im Dezember 2001 in Köln oder der deutsche Beitrag für<br />

die Architektur-Biennale in Venedig genannt.<br />

Gründerkreis<br />

Der Gedanke, dem mit der Initiative Architektur und Baukultur eingeleiteten<br />

Dialog eine dauerhafte Plattform zu verschaffen, wurde erstmals im Juni<br />

2002 am Rande des XXI. Architektur-Weltkongresses UIA vom so genannten<br />

Gründerkreis artikuliert, dem etwa 100 Personen mit großem Engagement<br />

im Bereich der Baukultur angehörten. Das von diesem Kreis verabschiedete<br />

Statut – unterzeichnet von Peter Conradi, Karl Ganser, Karl<br />

Heinrich Schwinn und dem Autor – weist bereits auf die bundesweite<br />

Kommunikation als Kernaufgabe der Stiftung hin. Erste für diese Aufgabe<br />

so wichtige Kommunikationsinstrumente, Multiplikatoren und Zielgruppen<br />

waren schon damals Gegenstand der Diskussion.<br />

77


Erster Konvent der Baukultur<br />

Einen Höhepunkt erlebte die Bundesinitiative – auch in ihrer Wahrnehmung<br />

in der Öffentlichkeit – im April 2003, als in Bonn der erste Konvent der Baukultur<br />

stattfand. Rund 800 Personen aus allen für das öffentliche und private<br />

Bauen wesentlichen Bereichen waren in Bonn vertreten. Im Vordergrund<br />

standen dabei die Preisträger wichtiger bundesweit ausgelobter Preise auf<br />

dem Gebiet der Architektur, des Ingenieurbaus und der Stadtplanung.<br />

Die Teilnehmer des Konvents berieten intensiv über die Perspektive der<br />

Planung und Architektur in Deutschland und unterstützten die Idee einer<br />

bundesweiten Stiftung für die Anliegen der Baukultur ganz entscheidend.<br />

Die in dieser Zusammensetzung wohl einmalige Versammlung von Experten<br />

und Erfahrungsträgern aus allen Ebenen und Bereichen des Planens und<br />

Bauens hob auch der damalige Bundespräsident, Johannes Rau, in seiner<br />

Eröffnungsrede hervor. Um ein Interesse dafür zu wecken und ein Bewusstsein<br />

zu schaffen, wie sehr Gebäude und die Gestaltung von öffentlichen<br />

Räumen das Gesicht unserer Städte und unser Zusammenleben beeinflussen,<br />

sei es wichtig, „… möglichst viele von denen zu erreichen, die mit Bauen<br />

zu tun haben, mit dem Entwerfen und dem Planen, mit dem Bauen und<br />

dem Verkaufen, mit dem Mieten und dem Kaufen. Der Konvent der Baukultur<br />

kann und soll dafür ein wichtiger Ideen- und Impulsgeber werden.“<br />

Die große Resonanz auf den Konvent bei Teilnehmern, Medien und in der<br />

Öffentlichkeit hat gezeigt, dass eine solche „Vollversammlung“ nicht nur<br />

sinnvoll, sondern auch erforderlich ist, um Erfahrungen aus allen Disziplinen<br />

in den baukulturellen Diskurs einzubringen.<br />

78<br />

Bundesstiftung Baukultur<br />

Wesentliches Ziel der Bundesinitiative war es auch, den von<br />

ihr eingeleiteten Dialog über Baukultur in Deutschland zu<br />

institutionalisieren und zu verstetigen. Die Idee einer Bundesstiftung<br />

hat sich dabei frühzeitig herausgebildet und ist von<br />

allen Beteiligten nachhaltig unterstützt worden.<br />

Als bundesweite Kommunikationsplattform sollte die Stiftung<br />

das Bewusstsein für Baukultur bei Bauschaffenden und<br />

in der Bevölkerung stärken und die Qualität des Bau- und<br />

Planungswesens in Deutschland national wie international<br />

besser herausstellen. Mit dieser Zweckbestimmung hätte die<br />

Stiftung nicht nur an vergleichbare europäische Entwicklungen<br />

anknüpfen, sondern auch die auf Länder- und Gemeindeebene<br />

vorhandenen Institutionen und Aktivitäten im<br />

Bereich der Baukultur ergänzen können.<br />

Im Dezember 2004 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf<br />

des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen<br />

(BMVBW) zur Errichtung einer Bundesstiftung<br />

Baukultur beschlossen und in die parlamentarische Beratung<br />

eingebracht. Zuvor hatte das BMVBW die haushaltsrechtlichen<br />

Voraussetzungen für eine Anschubfinanzierung der<br />

Stiftung durch den Bund mit rd. 5,25 Mio. Euro im Zeitraum<br />

2005 bis 2008 geschaffen. Der Deutsche Bundestag hat das<br />

Stiftungsgesetz in seinen Ausschüssen intensiv beraten und<br />

am 12. Mai 2005 über alle Fraktionsgrenzen hinweg einhellig<br />

verabschiedet.<br />

Trotz dieses überzeugenden Votums und obgleich auch der<br />

Bundesrat die Notwendigkeit, die Baukultur in Deutschland<br />

zu fördern, ausdrücklich anerkannt hat, ist das Stiftungsgesetz<br />

zunächst am Widerstand der Länderkammer gescheitert.<br />

Trotz intensiver Vermittlungsbemühungen der Bundesregierung<br />

hat der unionsgeführte Vermittlungsausschuss die<br />

Beratungen zum Stiftungsgesetz mehrfach vertagt.<br />

Die Haltung des Bundesrates ist in der Sache nicht nachvollziehbar<br />

und wird im Lichte der aktuellen Ereignisse nach der<br />

Bundestagsneuwahl neu betrachtet werden. Baukultur ist<br />

entgegen der bisherigen Auffassung des Bundesrates eben<br />

nicht nur der Ausdruck „künstlerischen Schaffens“, sondern<br />

resultiert aus der Summe aller Aspekte des Planens und<br />

Bauens. Die Bundesstiftung wird sich auf Instrumente mit<br />

bundesweiter oder internationaler Ausstrahlung beschränken<br />

und eine enge Kooperation mit den auf Länder- und<br />

Gemeindeebene vorhandenen Institutionen und Akteuren<br />

suchen. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesstiftung<br />

Baukultur sich bald konstituieren wird.


Resümee<br />

Die einmalige Chance, den erfolgreichen baukulturellen<br />

Dialog der vergangenen <strong>Jahre</strong> fortzusetzen und zu verstetigen,<br />

muss jetzt genutzt werden, damit das große Engagement<br />

vieler Beteiligter ebenso wie das gewachsene Interesse<br />

in Politik und Öffentlichkeit nicht erlahmt.<br />

Das Ergebnis der Bundesinitiative jedenfalls, die von Beginn<br />

an als Kommunikationsprojekt angelegt war, kann sich<br />

sehen lassen. Der „runde Tisch“ aller an Baukultur Interessierten<br />

hat Verantwortliche zusammengeführt und sich als<br />

wichtiger Gesprächskreis erwiesen. Im Bundestag haben wir<br />

breites Interesse geweckt, in der Fachdiskussion ist Baukultur<br />

ein zentrales Thema geworden und im Zuge der Vorbereitung<br />

der Bundesstiftung und des zweiten Konvents der<br />

Baukultur wuchs der Kreis von engagierten Persönlichkeiten,<br />

die sich für Baukultur einsetzen wollen, kontinuierlich.<br />

Jetzt kommt es darauf an, das Erreichte zu sichern und in der laufenden<br />

Legislaturperiode hieran anzuknüpfen. Mit dem im August 2005 vorgelegten<br />

zweiten Bericht zur Lage der Baukultur in Deutschland haben wir einen<br />

weiteren Beitrag geleistet, um den Dialog über die Qualität des Planens und<br />

Bauens in Deutschland fortzuführen. Der Forschungsbericht gibt einen guten<br />

Überblick über den aktuellen Diskussionsstand und macht deutlich, wie eng<br />

das Thema in der Baupolitik – dem Städtebau, der Bauplanung, ihren Verfahren<br />

– verankert ist und welche Bedeutung es für unsere Gesellschaft hat.<br />

Die Erfahrungen der bisherigen Initiative zeigen, dass die Bundesinitiative<br />

die Länder und Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer baukulturellen Aufgaben<br />

stärkt. Eine Reihe von Ländern und viele Gemeinden haben eigene<br />

Programme und Initiativen auf den Weg gebracht – mit jeweils eigenen spezifischen<br />

Zielsetzungen und Formen, die vom Bund in keiner Weise beeinflusst<br />

werden. Kommunikation und Kooperation sind zwei Seiten ein und<br />

derselben Medaille und für das Erreichen des gemeinsamen Ziels – der Stärkung<br />

der Baukultur in Deutschland – unabdingbar.<br />

79


Frauke Burgdorff<br />

Die Baukultur eines Landes ist nur so gut, wie sie Teil einer öffentlich geführten<br />

Diskussion ist. Dies ist eine wesentliche Erkenntnis der Arbeit der letzten<br />

<strong>Jahre</strong> in der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>. Dabei wird es in Zukunft immer<br />

mehr darum gehen, dass sich alle Partner der Initiative noch weiter aus den<br />

Fachzirkeln des Bauens hinausbewegen und Allianzen für eine bessere Qualität<br />

der gebauten Umwelt bei den Nutzern, der Bauwirtschaft und den<br />

Investoren suchen.<br />

Der Ruf nach „Breitenwirkung“ ist insbesondere in der Baukultur allgegenwärtig.<br />

Fälschlicherweise wird zuweilen die Forderung damit verbunden,<br />

dass sich Baukultur ähnlich der großen Marken mit globalen Werbestrategien<br />

durchsetzen sollte. Da Baukultur aber kein Konsumgut ist und sich auch<br />

nur selten international vermarkten lässt, ist es notwendig, andere Strategien<br />

zu finden und anzuwenden.<br />

Insbesondere die internationalen Vorbilder aus Österreich und den Niederlanden<br />

zeigen, dass die Zugänge, um eine breitere Öffentlichkeit für die Entwicklung<br />

und Pflege baukultureller Qualität zu schaffen, zunächst einmal<br />

regional oder lokal sind. Denn eine abstrakte Vermittlung baukultureller<br />

Inhalte auf Landesebene kommt weder bei den Geldgebern noch bei den<br />

Nutzern an. Vermittlung wird insbesondere dann virulent, wenn die unmittelbare<br />

gebaute Umgebung von Veränderungen betroffen ist oder wenn<br />

eingeübte Sicht- und Verhaltensweisen durch Veränderungen gestört oder<br />

bereichert werden.<br />

80<br />

Kommunikation suchen<br />

Damit aber der regionale und lokale Diskurs über städtebauliche<br />

und architektonische Entwicklung sich nicht im Streit<br />

um mehr Parkplätze erschöpft, brauchen wir auch vor Ort<br />

kompetente Allianzen, die sich aus Überzeugung und durchaus<br />

mit dem Argument des ökonomischen Nutzens für besseres<br />

Bauen einsetzen.<br />

Diese Allianzen können zwischen den unterschiedlichsten<br />

Partnern entstehen: zwischen Verbänden und Behörden,<br />

zwischen Privatpersonen und Unternehmern, zwischen Vereinen<br />

und den Medien. Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />

hat in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n zahlreiche Projekte unterstützt,<br />

die sich zum Auftrag gemacht haben, mehr qualifizierte<br />

Partner für die Debatte zu gewinnen.<br />

Gerade in Köln wurde deutlich, dass die jährlich wiederkehrende<br />

dezentrale Ausstellungs- und Diskussionswoche<br />

„plan“ und das Internetportal „koelnarchitektur.de“ viel zu<br />

einer kritischen Öffentlichkeit in Fragen des Planens und<br />

Bauens beigetragen haben. Während die „plan“ mit ihren<br />

ungewöhnlichen Strategien mittlerweile mindestens 20.000<br />

Besucher zur Eroberung der Stadt verführt, schafft das Internetportal<br />

„koelnarchitektur.de“ eine virtuelle Öffentlichkeit<br />

für Fragen, die weit über die Kölner Belange hinausgehen.<br />

Auf ganz anderen Wegen, aber genauso intensiv, haben<br />

unterschiedliche Baukulturengagierte in Essen im Jahr 2002<br />

ein intensives Diskussions- und Veranstaltungsprogramm<br />

gestaltet, das sowohl die Architektur- als auch die Kunstvereinigungen<br />

vor Ort in die Debatte und Gestaltung einbezogen<br />

hat.


Einige Projekte, die in Kooperation mit der Initiative Stadt-<br />

BauKultur <strong>NRW</strong> entstanden sind, haben sich ganz bewusst<br />

den kommenden Generationen zugewandt. Denn letztendlich<br />

werden es die jetzigen Kinder und Jugendlichen sein,<br />

die mit den heute geschaffenen baulichen Strukturen umgehen<br />

müssen und diese weiter gestalten werden. Das Projekt<br />

„Türme für PISA“ der Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong> ist auf<br />

besonders kreative Weise auf die technisch-gestalterischen<br />

Fähigkeiten der Jugendlichen zugegangen und hat deren<br />

Begeisterung für Ingenieurbauwerke geweckt. Im Rahmen<br />

von „Architektur macht Schule“ der Architektenkammer<br />

NW wurden gemeinsam mit Eltern und Schülern Schulbauten<br />

und -höfe in Lernräume der Zukunft umgebaut. Auf<br />

dem Kongress „Stadt(T)räume“ hat das Städte-Netzwerk<br />

<strong>NRW</strong> deutlich gemacht, wie wichtig und fruchtbar es ist,<br />

Kinder und Jugendliche von Anfang an bei Planungs- und<br />

Bauprozessen zu beteiligen.<br />

Eine ganz andere Zielgruppe hat der alljährlich stattfindende<br />

„Tag der Architektur“ in Nordrhein-Westfalen. Hier reisen<br />

baukulturell interessierte Bürgerinnen und Bürger durch das<br />

ganze Land, um sich über aktuelle Bauwerke zu informieren.<br />

Architekten nutzen diesen Tag, um ihre Leistungen zu<br />

präsentieren. Diese dezentrale Architekturausstellung geht<br />

einen ganz anderen Weg als zum Beispiel die Ausstellung<br />

„RheinRuhrCity“ im <strong>NRW</strong>-Forum Düsseldorf. Hier wurde versucht,<br />

die komplexe urbane Zukunft zwischen Rhein und<br />

Ruhr zu visualisieren und deutlich zu machen, dass die Entwicklungsperspektiven<br />

zwar global beeinflusst, aber regional<br />

steuerbar sind.<br />

Baukultur zu verbessern heißt immer auch, sich in ein Diskussionslabor zu<br />

begeben und Inspirationen von außen zu suchen. Dies ist im Workshop<br />

„Mögliche Orte“ geschehen und gelungen. Studierende der Architektur und<br />

der Planung, der Fotografie und des Fotodesigns haben sich in Gelsenkirchen<br />

gemeinsam auf die Suche nach Orten gemacht, die eine besondere<br />

Aufmerksamkeit verdienen, weil ungeahnte Möglichkeiten in ihnen schlummern.<br />

Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Expedition wurden in Projektvorschlägen<br />

und einer Ausstellung verarbeitet, die durch ihren frischen Blick<br />

auf scheinbar verfahrene Situationen überrascht hat.<br />

Bei aller Notwendigkeit, eine breitere Öffentlichkeit in die Baukulturdebatten<br />

einzubeziehen, ist es immer wieder Aufgabe der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong>, auch für die Fachleute im Land, eine Diskurs- und Verständigungsplattform<br />

zu bieten. Dies wird besonders deutlich in den „Baupolitischen<br />

Zielen des Landes <strong>NRW</strong>“, mit denen ein grundlegender Rahmen für die Entwicklung<br />

und Gestaltung von Bauwerken geschaffen wurde. Dies wird aber<br />

auch alljährlich offensichtlich, wenn sich die Baukultur-Interessierten zum<br />

<strong>Jahre</strong>skongress der Initiative treffen. Denn dort werden Schnittstellenthemen<br />

aufgegriffen, die auch für die nähere Zukunft der gemeinsamen Arbeit<br />

bestimmend sein können. Die bisherigen Kongresse zu den Themen<br />

„<strong>NRW</strong>urbanism“ und „Realität Bauen“ haben gezeigt, dass gerade in den<br />

scheinbaren Randbereichen der Baukultur Verständigungsbedarf besteht<br />

und Entwicklungspotenziale existieren, die über Werkstattgespräche für die<br />

Zukunft erschlossen werden können.<br />

Alle Kommunikationsaufgaben der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> laufen<br />

in einer Schnittstelle – dem Europäischen Haus der Stadtkultur und dem<br />

stadt.bau.raum in Gelsenkirchen – zusammen. Ihre Tätigkeit als Herausgeber,<br />

Veranstaltungsplaner und -organisator, Kommunikationsmanager und<br />

Themensucher schafft eine zentrale Klammer für die gesamte Initiative.<br />

81


Christof Rose<br />

82<br />

Architektur macht Schule!


„Die breite Öffentlichkeit interessiert sich kaum für Fragen<br />

der Architektur und des Städtebaus!“ – Wie kann es gelingen,<br />

dieser oft beklagten Tatsache wirksam und nachhaltig entgegen<br />

zu wirken? Ausgehend von dieser Frage initiierte die<br />

Architektenkammer Nordrhein-Westfalen schon vor zwölf<br />

<strong>Jahre</strong>n das Programm „Kammer in der Schule“ (KidS). Im<br />

Rahmen dieser Aktion wurden an Schulen in <strong>NRW</strong> Projekte<br />

angeregt und durchgeführt, bei denen die Schülerinnen<br />

und Schüler gemeinsam mit ihren Lehrern und mit örtlichen<br />

Architekten Lösungen für konkrete bauliche Probleme an<br />

der jeweiligen Schule erarbeiteten. So wurden zum Beispiel<br />

zuvor asphaltierte Schulhöfe aufgebrochen und begrünt,<br />

Innenräume mit Farbkonzepten und Einbauten belebt, Pavillons<br />

und neue Räumlichkeiten für Schülerinnen und Schüler<br />

geschaffen.<br />

„Dass wir so viel verändern können, hätte ich wirklich nicht<br />

gedacht!“ – Aussagen wie diese werden häufig von Schülern<br />

(und nicht selten auch von Lehrern und Schulleitern) am<br />

Ende eines KidS-Projektes geäußert. Die Idee des KidS-Konzeptes<br />

ist ebenso einfach wie zwingend: Wer nachhaltig ein<br />

Bewusstsein für Fragen des Wohnens und der Architektur,<br />

des Städtebaus und der gebauten Umwelt erreichen will,<br />

muss bei den Kindern ansetzen. Nur wer schon in frühen<br />

Lebensjahren erfährt, dass die gebaute Umwelt kein vorgegebenes<br />

Faktum ist, sondern durch aktive Einmischung positiv<br />

beeinflusst werden kann, entwickelt ein Gespür und Interesse<br />

dafür, selber aktiv zu werden und unsere künstlich<br />

generierte Umwelt nicht passiv hinzunehmen.<br />

„Architektur ist echt cool!“ – Die mittlerweile elf realisierten<br />

Projekte der KidS-Reihe zeigen: Kindern und Jugendlichen<br />

macht es Spaß, sich mit planerischen Aufgaben ihrer Alltagsumwelt<br />

zu beschäftigen und sich an Lösungsprozessen<br />

zu beteiligen.<br />

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat deshalb<br />

das KidS-Konzept im Rahmen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> strukturell ausgeweitet. Wo die KidS-Reihe an lokalen<br />

Beispielen vor Ort Lösungen anbietet und Bewusstsein schafft,<br />

stellte sich nun die Frage, wie flächendeckend und dauerhaft<br />

eine Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern<br />

erzielt werden kann. Die Architektenkammer <strong>NRW</strong> entwickelte<br />

dazu ein breites Spektrum an Angeboten, die von<br />

Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Interessierten aktiv<br />

aufgenommen werden. Zu den Instrumentarien gehören<br />

folgende Projekte:<br />

• Architektenpool: Die Architektenkammer hat über Kolloquien einen Kreis<br />

von Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten<br />

und Stadtplanern etabliert, die sich für die ehrenamtliche Arbeit in<br />

Schulen zur Verfügung stellen. Schulen, die Architekten als Gesprächspartner<br />

für Berufsinformationstage suchen, können auf diese Weise ebenso zuverlässig<br />

und flächendeckend bedient werden wie Lehrer, die sich kompetente<br />

Partner für Projektwochen oder Themenreihen wünschen.<br />

• Schulmaterial: Das Themenfeld Architektur eignet sich – als interdisziplinäres<br />

Fach – ideal für projektorientiertes Arbeiten in Schulen. Die Architektenkammer<br />

Nordrhein-Westfalen hat deshalb Schulmaterial entwickelt, mit<br />

dessen Hilfe Pädagoginnen und Pädagogen schnell und sicher Projektwochen<br />

entwickeln können. Das Schulbuch „Wie gewohnt?!“ des renommierten<br />

Fachautors Prof. Gert Kähler thematisiert das Wohnen in all seinen historischen,<br />

soziologischen und städtebaulichen Facetten. Die Arbeitsmappe<br />

„Alles nur Fassade?“ bietet Material für eine spannende Projektwoche oder<br />

Unterrichtsreihe, bei der die Schülerinnen und Schüler hinter die Fassaden<br />

ihres Quartiers blicken sollen.<br />

• Best-practice-Sammlung: Auch das Aktionsprogramm „Architektur macht<br />

Schule!“ selbst machte sehr schnell nach seiner Eröffnung im Herbst 2002<br />

Schule. Viele Architekten und Stadtplaner zeigten sich interessiert, an Schulen<br />

ihrer Kommune oder den Schulen ihrer Kinder entsprechende Projekte zu<br />

initiieren. Auch Lehrer und Leiter der verschiedensten Bildungseinrichtungen<br />

fragten bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen nach, wie solche<br />

Schulprojekte initiiert werden können und wie sie konkret ablaufen. Eine<br />

schnelle Antwort gibt es darauf nicht, denn für Schulprojekte über Architektur<br />

gilt wie für Architektur allgemein: Jedes Projekt ist ein Unikat, das von<br />

den Beteiligten, den baulichen Gegebenheiten, der Schulform, den eingebundenen<br />

Schülern und zahlreichen weiteren Faktoren abhängt. Die Architektenkammer<br />

Nordrhein-Westfalen hat deshalb eine Sammlung ihrer eigenen<br />

Schulprojekte sowie weiterer Aktionen, die im Rahmen des Aktionsprogramms<br />

„Architektur macht Schule!“ von Kammermitgliedern initiiert<br />

wurden, angelegt und diese für alle Interessierten im Internet öffentlich<br />

gemacht: Unter www.architektur-macht-schule.de können Konzepte, Projektabläufe<br />

und Erfahrungen der Beteiligten abgerufen werden.<br />

„Architektur macht Schule!“ – Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen<br />

versteht den Titel ihres Aktionsprogramms als motivierendes Statement<br />

und zugleich als Appell. Solange Architektur und Städtebau nicht fest in die<br />

Curricula der nordrhein-westfälischen Schulen integriert sind, stellen die<br />

vielfältigen Aktionen in Schulen vor Ort sicher, dass Kinder und Jugendliche<br />

mit diesem wichtigen Thema in Berührung kommen und ein Bewusstsein<br />

für ihre gestaltete Umwelt entwickeln können. Denn Architektur ist eine<br />

Bereicherung – für den Unterricht, für die jungen Leute und für die Gesellschaft<br />

insgesamt.<br />

83


Birgit Frey<br />

84<br />

Stadt(T)räume


In Gelsenkirchen planen Jugendliche auf einem ehemaligen<br />

Zechengelände eine moderne Trendsportanlage, während<br />

in Bochholt Kinder ein Konzept für neue Bewegungs-, Kommunikations-<br />

und Kunsträume in der Innenstadt erarbeiten<br />

und umsetzen. In Castrop-Rauxel sorgen engagierte Mädchen<br />

dafür, dass Angsträume aus der Stadt verschwinden, und im<br />

Berliner Viertel in Monheim beteiligen sich Kinder, Jugendliche<br />

und deren Familien aktiv an der Verbesserung ihrer<br />

Wohn- und Lebenssituation im Stadtteil.<br />

Eine kinder- und jugendgerechte Stadt ist eine lebenswerte<br />

Stadt. Sie ist eine Stadt der kurzen Wege: zum Treffpunkt<br />

mit anderen Jugendlichen, zur Stadtteilbibliothek oder zum<br />

Schwimmbad. Sie ist eine anregende Stadt, in der Kinder<br />

Natur, Kultur, Technik und vieles mehr entdecken und erleben.<br />

Sie ist eine Stadt mit Wohnvierteln, in denen sich junge Menschen<br />

zu Hause fühlen. Sie ist schließlich eine Stadt, in der<br />

Jugendliche ihre Freude, ihre Ängste und ihre Wünsche artikulieren<br />

und in den Alltag der Stadt einbringen. Eine junge Stadt<br />

ist eine vitale Stadt, in der sich alle Menschen wohl fühlen.<br />

Stadt(T)räume will auf das Engagement und kreative Gestaltungspotenzial<br />

von Kindern und Jugendlichen für eine zukunftsorientierte<br />

Stadtentwicklung aufmerksam machen<br />

und zugleich Wege aufzeigen, wie dem Rückzug junger<br />

Familien aus städtischen und stadtnahen Quartieren entgegen<br />

gewirkt werden kann.<br />

Hintergrund der Initiative ist der demographische und strukturelle<br />

Wandel in Nordrhein-Westfalen, der den interkommunalen<br />

Wettbewerb um die junge Generation immer weiter<br />

anheizt. Kinder- und Familienfreundlichkeit wird zu einer<br />

Standortfrage und es zeigt sich schon heute, dass nur eine<br />

kinder- und jugendgerechte Stadt in Zukunft die wirtschaftlich<br />

erfolgreichere und attraktivere Stadt sein wird.<br />

Um ein drastisches Schrumpfen und Aushöhlen der Innenstädte<br />

zu vermeiden, müssen öffentliche Räume und Ein-<br />

richtungen, das Wohnumfeld und Freizeitflächen für junge Menschen und<br />

deren Familien attraktiver werden. Dies geht jedoch nicht ohne die umfassende<br />

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden<br />

kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozessen.<br />

Damit aus Stadträumen Stadtträume werden, setzt die Initiative auf drei<br />

Säulen:<br />

Stadt(T)räume recherchiert vorbildliche und kreative Projekte, deren Verfahren<br />

und Methoden relevante Aspekte einer erfolgreichen Beteiligung von<br />

Kindern und Jugendlichen in der Stadtentwicklung abdecken. Diese Projekte<br />

sollen anderen Kommunen wertvolle Anregungen für ihre eigenen Planungen<br />

geben und Basis für differenzierte Handlungsempfehlungen in weiteren<br />

Projekten sein.<br />

• Stadt(T)räume führt Expertenwissen aus Wissenschaft und kommunaler<br />

Praxis in einem landesweiten Workshop zusammen. Unter Stadtforschungs-,<br />

demographischen, architektonischen und ökonomischen Gesichtspunkten<br />

ebenso wie aus Sicht der Jugendforschung, anhand von Leitfragen und konkreten<br />

Methoden- und Praxiserfahrungen in Beteiligungsprojekten werden<br />

wesentliche Rahmenbedingungen und Handlungsfelder der Beteiligung skizziert<br />

und Handlungsempfehlungen formuliert.<br />

• Stadt(T)räume präsentiert in einem landesweiten Kongress und Projektmarkt<br />

kommunales Erfahrungswissen aus so unterschiedlichen Handlungsfeldern<br />

wie Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport, um zu verdeutlichen,<br />

dass es gelingen kann, Jugendliche auf vielfältige Weise für Stadtentwicklungsfragen<br />

zu begeistern und sich für „ihre“ Stadträume zu engagieren.<br />

• Alle aktuellen Studien zeigen, dass Jugendliche bereit sind, sich an kommunalen<br />

Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen und Verantwortung<br />

zu übernehmen. Der Bezug zu ihrer direkten räumlichen Umwelt<br />

– ihrer Stadt, ihrem Stadtteil und ihrem Wohnbereich – spielt hierbei eine<br />

zentrale Rolle. Jetzt ist es an den Kommunen, diese Erkenntnisse in ein<br />

kinder- und familienfreundliches Stadtentwicklungskonzept zu integrieren.<br />

Stadt(T)räume liefert hierfür mit breit aufgearbeitetem Expertenwissen<br />

und gut recherchierten Beispielen aus der kommunalen Praxis wertvolle<br />

Anregungen.<br />

85


Andrea Wilbertz<br />

Technik und Gestaltung stehen nicht im Widerspruch zueinander. „Türme<br />

für Pisa“ ist die Antwort der Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong> auf den Technikfrust<br />

von Schülerinnen und Schülern. Als außergewöhnliches Projekt mit<br />

Wettbewerbscharakter stellt es Schüler auf spielerische Weise vor bautechnische<br />

Fragen und lässt sie ingenieurtechnische Gesetzmäßigkeiten erkunden.<br />

Für viele Jugendliche ist dies der erste Kontakt zum Bauingenieurwesen.<br />

Nach den großen Einstiegserfolgen in den <strong>Jahre</strong>n 2002 und 2003 wurde der<br />

Schülerwettbewerb 2004 und 2005 gemeinsam mit neun Hochschulen aus<br />

<strong>NRW</strong> für die Jahrgangsstufen zehn bis zwölf an Gymnasien, Gesamtschulen<br />

und Berufskollegs neu ausgeschrieben.<br />

Auch diesmal war es Aufgabe des Wettbewerbs, einen möglichst stabilen,<br />

aber kreativ gestalteten Turm aus Pappe zu bauen, der im Verhältnis zu<br />

seinem Eigengewicht eine größtmögliche Last tragen kann. Dies musste<br />

gebaut und in schriftlicher Form dokumentiert werden. Die Parameter der<br />

Konstruktion waren jeweils genau definiert und mussten zentimetergenau<br />

eingehalten werden: Der Turm sollte 120 cm hoch sein, die Spitze durfte<br />

nur eine Bierdeckelgröße breit sein und eine Aufstellfläche von nicht mehr<br />

als 50 cm x 50 cm einnehmen.<br />

Zum Bau des Turms wurde den Schülern jeweils eine PISA-Box zur Verfügung<br />

gestellt. Sie enthielt nahezu alles, was angehende Ingenieure brauchen, um<br />

Türme zu bauen - vom Geodreieck über Scheren, Zirkel, Falzbeine, Büroklammern<br />

bis zum großen Stahllineal und natürlich die entscheidenden sechs<br />

Bögen Bastelpappe. In der Planungs- und Bauphase mussten die Jugendlichen<br />

ihrer eigenen Kreativität folgen und ihr Wissen aus dem Mathematik- und<br />

Physikunterricht einbringen. Für ganz spezielle Fachfragen standen dann<br />

jedoch Ansprechpartner der beteiligten Hochschulen (RWTH Aachen,<br />

FH Bielefeld, Ruhr-Universität Bochum, Universität Duisburg-Essen, FH Lippe<br />

und Höxter, FH Köln, FH Münster, Universität Siegen, Bergische Universität<br />

Wuppertal) zur Verfügung.<br />

86<br />

Türme für Pisa<br />

Was bedeutet Biegung? Wie reagiert ein Stab auf Zug? Was<br />

kann ich tun, damit der Druck auf die Pappe erhöht werden<br />

kann? Die Professoren für Baustatik und Baudynamik der<br />

beteiligten Hochschulen hatten sich mit ihren Teams für die<br />

Kick-Off-Veranstaltungen einen anschaulichen Einführungsunterricht<br />

überlegt und kleine Versuchsanlagen aufgebaut.<br />

Mit diesem Grundwissen ausgestattet, bastelten und tüftelten<br />

bis heute rund 230 Schülergruppen mit circa 1.500<br />

Schülerinnen und Schüler aus fünf Regierungsbezirken<br />

in den drei durchgeführten Wettbewerben um den Titel<br />

des besten Turmbauers. Bis zu 60 Stunden in drei Monaten<br />

investierten sie in ihre Bauwerke, bis sie zu den großen<br />

Regionalentscheidungen an die Hochschulen zurückkehrten.<br />

Mit unbestechlichen Abdrückmaschinen wurde geprüft,<br />

welcher Turm im Verhältnis zum Eigengewicht die meiste<br />

Last trägt. Gebannt fieberten die Teilnehmer beim großen<br />

Turm-Test den Ergebnissen entgegen, denn den Siegern<br />

winkte schließlich die Teilnahme am jeweiligen Landeswettbewerb<br />

an der Universität Duisburg-Essen. Den bis heute<br />

überraschendsten Erfolg trug der Landessieger von 2003<br />

davon: Der Turm des Siegers trug bei nur 699 Gramm<br />

Gewicht sage und schreibe 378,9 Kilogramm!<br />

Aber nicht nur die Turmbauer fieberten den Ergebnissen<br />

entgegen. Auch die Medien waren jedes Jahr mit Reportern<br />

vor Ort. Ob Zeitung, Hörfunk oder Fernsehen, alle Veranstaltungen<br />

wurden mit ausführlicher Berichterstattung in<br />

ganz Nordrhein-Westfalen begleitet. Für 2003 resultierte<br />

dies in fast 200 Printartikeln, über 20 Hörfunk- und elf zum<br />

Teil landesweit ausgestrahlten Fernsehbeiträgen.


Michael von der Mühlen<br />

Mit dem Europäischen Haus der Stadtkultur und dem stadt.bau.raum haben zwei wichtige<br />

Einrichtungen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> eine Heimat in Gelsenkirchen gefunden.<br />

Damit ist unsere Stadt – auch nach der Internationalen Bauausstellung Emscher Park – ein<br />

Zentrum für die Baukultur Nordrhein-Westfalens.<br />

Im Europäischen Haus der Stadtkultur laufen wichtige Fäden der Initiative zusammen, dort<br />

werden Projekte initiiert und begleitet, es werden Veranstaltungen konzipiert und durchgeführt,<br />

die die Diskussionen zum Thema <strong>StadtBauKultur</strong> vorantreiben. Das Europäische<br />

Haus der Stadtkultur gibt mit seinen Partnern vor Ort der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> ein<br />

öffentlich wahrnehmbares Gesicht und ist dabei weit über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus<br />

aktiv.<br />

Es versteht sich als Moderator der Initiative und Initiator neuer Partnerschaften und Projektideen.<br />

Die bis dato circa 70 Projekte der Initiative werden dort gebündelt und zum Beispiel<br />

auf der Internetseite www.stadtbaukultur.nrw.de öffentlich präsentiert.<br />

Die Publikationen der „Blauen Reihe der <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>“ werden vom Europäischen<br />

Haus der Stadtkultur herausgegeben und sind mittlerweile auch bundesweit ein anerkanntes<br />

Medium für Baukulturfragen geworden. Hierfür stehen – neben vielen anderen – natürlich<br />

die Publikationen zu „Temporärer Architektur“, zu „Gartenkunst in Nordrhein-Westfalen“<br />

und zum Wettbewerb „Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze“.<br />

88<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur<br />

und stadt.bau.raum


Die Projekte, die die Initiative gemeinsam mit dem Europäischen<br />

Haus der Stadtkultur anstößt und durchführt, zeichnen<br />

sich immer wieder durch ihre neuen Partnerschaften<br />

und qualitätvollen Ergebnisse aus. Dabei nimmt es sich besonders<br />

der Aufgabe an, die Themen, die in den klassischen<br />

Baukulturdebatten keine Heimat finden, mit der Inspiration<br />

der europäischen Nachbarn in Nordrhein-Westfalen zu verankern.<br />

Gemeinsam mit den Projektpartnern spürt es zum<br />

Beispiel herausragende Beispiele für Handelsarchitektur,<br />

Gewerbegebiete und Straßenbau auf und versucht, die<br />

Diskussion unter anderem mit der wiederkehrenden Reihe<br />

„Kunst trifft Stadt“ in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen.<br />

Das Europäische Haus der Stadtkultur verdeutlicht als Moderator<br />

der Initiative, dass <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> mehr sein muss,<br />

als eine fachspezifische Diskussion über „gutes Bauen“.<br />

<strong>StadtBauKultur</strong> wird hier als kritischer Prozess zwischen<br />

Machern und Betroffenen begriffen. <strong>StadtBauKultur</strong> bedeutet<br />

aber immer auch, die alltäglichen Selbstverständlichkeiten<br />

im Planungs- und Bauprozess zu hinterfragen und baukulturell<br />

reicher zu gestalten.<br />

Der stadt.bau.raum ist auf dem Gelände der ehemaligen<br />

Zeche Oberschuir in Gelsenkirchen eine zentrale öffentliche<br />

Plattform für Baukulturdebatten geworden. Insbesondere<br />

die Ausstellungen, Workshops und Vortragsabende machen<br />

dies vor Ort und im Ruhrgebiet deutlich. Ob nun in der<br />

Studentenausstellung „mehr oder weniger“ über die baukulturellen<br />

Auswirkung des Stadtumbaus diskutiert oder die<br />

international anerkannte Ausstellung „Deutschlandschaft“<br />

als Anregung für das alltägliche Bauen in der Peripherie präsentiert<br />

wurde: Der stadt.bau.raum ist eine lebendige Plattform<br />

für die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> und ein wichtiger<br />

Bestandteil der Baukulturdebatten im Ruhrgebiet.<br />

Darüber hinaus hat sich der stadt.bau.raum zum Ort der<br />

Begegnung zwischen Fachleuten und interessierten Bürgern<br />

entwickelt und leistet damit eine wichtige Vermittlungsaufgabe<br />

in die Gesellschaft hinein.<br />

Dabei sind seine 500 Quadratmeter große Halle und die Sitzungszimmer<br />

offen für alle an Baukultur Interessierten. Und<br />

ich freue mich sehr, dass dieses Angebot mittlerweile von<br />

Berufsverbänden und Hochschulen, von Kommunen und<br />

Ministerien intensiv genutzt wird.<br />

89


Martin Gerth<br />

90<br />

Baupolitische Ziele<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Der Staat ist der bedeutsamste Immobilieneigentümer und Bauherr in Nordrhein-Westfalen.<br />

Das staatliche Bauen hat bereits eine große Tradition. In<br />

dieser besonderen Verantwortung, seiner Verpflichtung gegenüber dem<br />

Gemeinwohl, muss es Anliegen des Staates sein, hohe baukulturelle Qualitätsansprüche<br />

und -maßstäbe zu artikulieren. Die Verpflichtung aller Ressorts<br />

auf die baupolitischen Ziele des Landes ist somit ein wichtiger Baustein<br />

auf dem Wege, die ambitionierten Qualitätsansprüche der <strong>Landesinitiative</strong><br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> umzusetzen.<br />

Zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s 2001 ist das staatliche Bauen im Rahmen der Modernisierung<br />

der Landesverwaltung und der Errichtung des Sondervermögens<br />

„Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen“ in ein<br />

betriebswirtschaftlich organisiertes Immobilienmanagement übergegangen.<br />

Um die auch zukünftig relevante baukulturelle Vorbildfunktion des Staates<br />

zu stärken, sind in kommunikativer Auseinandersetzung mit den Kammern<br />

und Verbänden des Landes die baupolitischen Ziele formuliert worden.<br />

Durch Verabschiedung im Landtagsausschuss sind sie bindende Maßgaben<br />

geworden. In einer Broschüre der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />

wurden die Qualitätsanforderungen an die staatliche Bautätigkeit erstmals<br />

veröffentlicht, so dass sie auch anderen öffentlichen und privaten Bauherrn<br />

sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern als wegweisende Vorgabe<br />

dienen.<br />

Die dort formulierten Qualitätsanforderungen, die neun unterschiedlichen<br />

programmatischen Zielen zugeordnet sind,<br />

reichen von Aspekten der Bauinnovation und Nachhaltigkeit<br />

bis zur Energieeinsparung und Kunst am Bau. Ein besonderes<br />

Augenmerk liegt, nicht zuletzt als Ausdruck demokratischer<br />

Planungskultur, auf Wettbewerben. Das Land konnte<br />

in den letzten <strong>Jahre</strong>n zahlreiche Realisierungswettbewerbe<br />

unter anderem für Justiz- und Finanzamtszentren, Hochschulbauten<br />

und Kliniken ausloben. Diese vermeintlich teuren<br />

Prozesse haben erneut bewiesen, dass der finanzielle<br />

Aufwand für die Wettbewerbsdurchführung in der Regel<br />

deutlich geringer ist als der wirtschaftliche Nutzen, der aus<br />

dem bestmöglichen Gebäudeentwurf resultiert. Unterstützt<br />

wurde die Beurteilung und Auswahl der Entwürfe durch<br />

neueste energetische Simulationsberechnungen.


Um diese Wettbewerbskultur in Nordrhein-Westfalen weiter<br />

zu fördern, hat das Bauministerium mit der Architektenund<br />

der Ingenieurkammer im <strong>Jahre</strong> 2001 zunächst neue<br />

„Regeln für die Auslobung von Wettbewerben (RAW)“ erprobt.<br />

Seit 2004 kommen diese bei Landesbauten dauerhaft<br />

und verbindlich zur Anwendung. Dies war ein wichtiger<br />

Schritt, durch die Vereinfachung des Wettbewerbsverfahrens<br />

und die Senkung der dazugehörigen Kosten die Zahl<br />

der Auslobungen deutlich zu erhöhen – auch bei Projekten<br />

anderer Bauherren in Nordrhein-Westfalen.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der baupolitischen Ziele liegt in<br />

der ganzheitlichen Gebäudebetrachtung zur Energieeinsparung<br />

und Emissionsminderung. In der Umsetzung dieser<br />

Aspekte finden umweltpolitische Ziele und betriebswirtschaftlicher<br />

Nutzen, insbesondere bei der Bewirtschaftung<br />

von Gebäuden, eine gegenseitige Ergänzung. Beispielhaft<br />

für diese Bestrebungen stehen zahlreiche Fotovoltaik- und<br />

Solarthermieanlagen. Im Falle fassadenintegrierter Module<br />

konnten diese Maßnahmen sogar neue gestalterische<br />

Impulse für zukunftsweisende Gebäudearchitektur<br />

geben. Auch andere innovative<br />

Entwicklungen wie zum Beispiel im Bereich<br />

neuer Fassaden- oder Tragwerkskonstruktionen<br />

wurden angestoßen und können an Pilot-<br />

projekten bewundert werden. Als ein Projekt, das nicht nur durch singuläre<br />

Aspekte besticht, sondern in der Gesamtheit innovativer Aspekte<br />

vorbildliche Lösungen zeigt, steht die neue Vertretung des Landes <strong>NRW</strong> in<br />

Berlin. Sie wurde sowohl mit dem Holzbau- als auch mit dem Stahlbaupreis<br />

ausgezeichnet.<br />

Dies sind einige erfreuliche Beispiele, derer es zahlreiche zu nennen gäbe und<br />

die für die Kommunikation baukultureller Anliegen so bedeutsam sind.<br />

Auch in anderen Themenfeldern wie der Pflege des baulichen Erbes, die<br />

eine dauerhafte Verpflichtung des Bauministeriums ist, oder auch der künstlerischen<br />

Gestaltung von Bauwerken sind die baupolitischen Ziele des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen auf wegweisende Art manifestiert worden. Insgesamt<br />

tragen über 200 Einzelmaßnahmen, die bis zum <strong>Jahre</strong>sende 2004<br />

realisiert werden konnten, entscheidend zur Profilierung der Baukultur bei.<br />

Natürlich gerät in Zeiten wirtschaftlicher und haushaltspolitischer Engpässe<br />

auch die besondere Finanzierung dieser Maßnahmen aus dem Landeshaushalt<br />

auf den Prüfstand. Vor diesem Hintergrund wird es eine große Herausforderung<br />

sein, gemeinsam mit allen Akteuren und der <strong>Landesinitiative</strong><br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> sich für eine ständige Fortentwicklung der Baukultur<br />

zu engagieren.<br />

91


Karin Bandow<br />

und Volker Katthagen<br />

Ein Experiment, so beschreibt es das Lexikon, ist ein Wagnis – ein gewagtes,<br />

unsicheres Unternehmen. Es ist der Versuch, Neues zu entdecken und sichtbar<br />

zu machen oder Zusammenhänge, Relationen aufzuzeigen, die bislang<br />

nicht gesehen wurden. Immer geht es um Erkenntnisgewinn…<br />

Take 1 – Expertengespräch<br />

Das Europäische Haus der Stadtkultur und Pixelprojekt_Ruhrgebiet, eine<br />

Kooperation freier Fotografen, diskutieren Fragen eines möglichen gemeinsamen<br />

Projekts: Wie lassen sich, am Beispiel des Ruhrgebiets, Potenziale von<br />

Gebäuden, Stadträumen und Landschaften mit Fotografie entdecken und<br />

kommunizieren, und wie lässt sich Baukultur anders als im Format der klassischen<br />

Architekturfotografie vermitteln? Sie debattieren im Rahmen eines<br />

ganztägigen Expertengesprächs mit Lehrenden von neun Hochschulen die<br />

unterschiedlichen Arbeits- und Sichtweisen von Architekten und Planern<br />

92<br />

Mögliche Orte – Bildwelten, Planerwelten?!<br />

Ein experimenteller interdisziplinärer Studentenworkshop<br />

einerseits, von Fotografen und Fotodesignern auf der anderen<br />

Seite. Was erhoffen sich Architekten und Ingenieure<br />

von einer Zusammenarbeit mit Fotografen? Mit welchen<br />

Erwartungen begeben sich Fotodesigner in eine im besten<br />

Sinne „bedingungslose” Kooperation mit Planern? Gemeinsam<br />

vereinbaren sie einen Praxistest, einen interdisziplinären<br />

Studentenworkshop zu einem frei zu wählenden Thema –<br />

mitten im Ruhrgebiet.


Take 2 – Workshop<br />

Mitten im Ruhrgebiet – da liegt der stadt.bau.raum. Von<br />

hier aus starten im Mai 2005 zehn paritätisch mit Architekten/Planern<br />

sowie Fotografen/Fotodesignern besetzte Studentengruppen<br />

– ausgestattet mit Kompass und Kamera –<br />

ihre Expeditionen ins Ruhrgebiet. Ihnen vorgegeben sind<br />

einzig die Himmelsrichtung und die Dauer ihrer Expedition;<br />

Themen und Orte ihrer Arbeit finden sie auf ihrem Weg<br />

selbst. Die 37 Studenten entdecken geheime Orte, die man<br />

besser nicht fotografiert – schließlich sollen sie geheim bleiben<br />

– und manipulieren das betreffende Kartenmaterial, um<br />

das Auffinden der Orte zu erschweren. Sie dokumentieren<br />

den Insel-Urbanismus des Ruhrgebiets, das enge Nebeneinander<br />

unterschiedlicher Lebenswelten und die Vielzahl von<br />

Grenzlinien, Schnittstellen und Rändern. Sie intervenieren<br />

in den monofunktionalen Alltagsräumen durch temporäre<br />

Aneignungen und inszenieren vermeintliche Un-Orte zu<br />

Möglichkeitsräumen – und sie erproben schließlich ganz<br />

eigene, schon fast situationistisch anmutende Formen der<br />

Zusammenarbeit wie jene beiden Gruppen, die im ständigen<br />

gegenseitigen Wechsel an ihren Themen und Orten arbeiten.<br />

Nach einer Woche geht der Workshop zu Ende: Entstanden<br />

ist nicht nur ein besseres Verständnis für die Sichtweisen<br />

und „Motive” des anderen, sondern ein vorbehaltwie<br />

schonungsloser Einblick in die städtischen Wirklichkeiten<br />

und Möglichkeiten Gelsenkirchens.<br />

Take 3 – Ausstellung<br />

Der Studentenworkshop wird zur „schulschau“: Die Studierenden aus Bochum,<br />

Bielefeld, Dortmund, Essen, Hamburg, Wismar und Wuppertal präsentieren<br />

ihre zehn Arbeiten im Rahmen einer Ausstellung im stadt.bau.raum, dem<br />

base camp ihrer Workshoparbeit und Ausgangspunkt ihrer Expeditionen.<br />

Auch die Ausstellung selbst hat ihr base camp: ein den Raum durchquerender<br />

Leuchttisch veranschaulicht die Kernaussagen des Projekts und erlaubt<br />

anhand hunderter frei arrangierter Dias jedem Besucher einen individuell<br />

zusammengestellten Einblick, vorausgesetzt, er nutzt die Möglichkeit, sich<br />

auf diese Weise sein eigenes Bild zu machen. Jede der zehn Gruppen hat<br />

darüber hinaus ihren eigenen „Claim”, an dem sie ihre Ergebnisse präsentiert:<br />

lange, von der Decke abgehängte Stoffbahnen mit Grafiken und Bildern,<br />

die jeder noch so kleine Windstoß zu „bewegten Bildern” macht, und<br />

große Plattformen mit genau jenem Oberflächenmaterial, das die Gruppen<br />

an „ihren” Orten vorgefunden haben. Wer sich also über Rasen, Ziegelsteine,<br />

Schilfrohr, Betonplatten, Rindenmulch und „Lidl”-Pflaster durch die Ausstellung<br />

bewegt, erlebt die „möglichen Orte” Gelsenkirchen auf eine Weise,<br />

wie es die Bilder dann doch nicht ermöglichen.<br />

…ein Experiment ist dann besonders erfolgreich, wenn es nicht nur ein<br />

solches Resultat, sondern einen Zuwachs an Erkenntnis und Einsicht für die<br />

Beteiligten erzielt. Die Fotografen und Fotodesigner haben während des<br />

Workshops erfahren können, wie sehr ihre Fotografien zu dem Bild von<br />

Stadt beitragen, das gerade in schrumpfenden Städten neu entwickelt wird.<br />

Und die angehenden Planer und Architekten haben erlebt, dass professionelle<br />

Unvoreingenommenheit in solchen Städten häufig weiterführt als ein<br />

Beharren auf den Prinzipien eines traditionellen Städtebaus. Bild- und Planerwelten<br />

– sie haben an diesen möglichen Orten der Stadt zusammengefunden.<br />

93


Hans-Ulrich Ruf<br />

94<br />

Tag der Architektur in <strong>NRW</strong>


Bauen fasziniert die Menschen seit jeher, wie sich kulturhistorisch<br />

zweifelsfrei belegen lässt. Um aber diese eher stille<br />

Faszination in ein bewusstes und dauerhaftes Interesse<br />

an Architektur und Stadtentwicklung weiter zu entwickeln,<br />

müssen Menschen von Architektur bewegt und für sie begeistert<br />

werden; und zwar nicht nur für die Architektur besonderer<br />

Bauwerke, sondern auch für „Alltagsarchitektur“, für<br />

die gebaute Umwelt, die unser Leben Tag für Tag beeinflusst.<br />

Um interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Architektur<br />

ihrer Stadt und ihrer Region nahe zu bringen, hat die Architektenkammer<br />

Nordrhein-Westfalen vor zehn <strong>Jahre</strong>n den<br />

„Tag der Architektur“ ins Leben gerufen. Am jeweils letzten<br />

Wochenende im Juni stehen seitdem Jahr für Jahr mehrere<br />

hundert neue oder erneuerte Gebäude und Objekte der<br />

Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung<br />

für alle Interessierten offen. Architekten und Bauherren<br />

laden gemeinsam dazu ein, neue Bauten und neu gestaltete<br />

Freiräume, Gärten, Parks und Plätze zu begehen und mit<br />

Fachleuten vor Ort zu diskutieren.<br />

Der Tag der Architektur bietet Einblicke sowohl in Gebäude selbst als auch<br />

in das Leistungsspektrum der Architekten und die persönlichen Motive und<br />

Erfahrungen der Bauherren. Der Tag der Architektur lädt dazu ein, Gebäude,<br />

die sonst verschlossen sind, zu besichtigen, in lockerer Atmosphäre Gespräche<br />

mit Architekten und Bauherren zu führen und Ideen für eigene Vorhaben<br />

zu sammeln. Eine einmalige Gelegenheit, die immer mehr Menschen nutzen:<br />

Seit dem ersten Tag der Architektur ist die Zahl der Besucherinnen und<br />

Besucher kontinuierlich gestiegen, auf mittlerweile über 30.000 allein in<br />

Nordrhein-Westfalen!<br />

Der große Erfolg des Tags der Architektur, der sich bundesweit in der<br />

öffentlichen und medialen Resonanz widerspiegelt, beruht auf dem Zusammenspiel<br />

von menschlicher Neugier und dem Wunsch nach Kommunikation.<br />

Das Bedürfnis nach einem Austausch über konkrete Projekte vor Ort,<br />

aber auch über grundsätzliche Fragen des Planens und Bauens ist dabei am<br />

Tag der Architektur ein gegenseitiges: Die Besucherinnen und Besucher<br />

können – ganz nach individuellem Interesse – Anregungen für eigene Projekte<br />

sammeln, mit den Fachleuten diskutieren oder ganz einfach Architektur<br />

hautnah erleben. Den beteiligten Architektinnen und Architekten ihrerseits<br />

bietet sich ein Forum, ihre jüngsten Arbeiten öffentlich zu präsentieren,<br />

ihr Leistungsprofil darzustellen und Kontakte zu Interessierten und potenziellen<br />

Bauherren knüpfen zu können. Bauherren und Investoren sind in der<br />

Regel gerne bereit, ihr Objekt dem interessierten Publikum zu präsentieren.<br />

Hier wird der Bauherren-Stolz ergänzt um den Wunsch, sich mit anderen<br />

Architektur-Interessierten auszutauschen und Erfahrungen weiterzugeben.<br />

Am Tag der Architektur wird ein öffentlicher Diskurs über Architektur in<br />

einer Breite erreicht wie an keinem anderen Tag im Jahr. Damit rührt die<br />

Veranstaltung an den Kern der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>, die den Tag<br />

der Architektur zu einem ihrer Leitprojekte ernannt hat. Das gemeinsame<br />

Ziel ist, eine breite öffentliche Diskussion rund um die Themen Architektur,<br />

Wohnen und Stadtentwicklung in Gang zu bringen und die Menschen für<br />

ihre gebaute Umwelt zu sensibilisieren. Dies gelingt am besten, wenn Menschen<br />

in ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt angesprochen werden. Die<br />

Vielfalt des Tags der Architektur ist deshalb seine große Stärke. 2005 waren<br />

in <strong>NRW</strong> über 500 Objekte zu besichtigen: private Wohnhäuser und öffentliche<br />

Einrichtungen, Bürogebäude und Gewerbebauten, Garten- und Grünanlagen<br />

sowie Plätze und Freiflächen – und zwar überall in Nordrhein-Westfalen,<br />

in den Ballungsräumen wie in den dünn besiedelten Regionen, in den<br />

Großstädten wie auf dem Land.<br />

Der Tag der Architektur ergänzt damit die vielfältigen Leitprojekte und<br />

Projekte, mit denen die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> das Bewusstsein für Architektur<br />

in <strong>NRW</strong> schärfen will, um ein zentrales Element: den Diskurs über<br />

„Alltagsarchitektur“ im besten Sinne!<br />

95


Dörte Gatermann<br />

96<br />

koelnarchitektur.de


Wann hören wir in den Medien in Deutschland etwas über<br />

Architektur? Sehr selten! Und wenn es denn einmal geschieht,<br />

dann handelt es sich um gut gemeinte „Bildbesprechungen”<br />

im Feuilleton, die mit der Realität und der Bedeutung von<br />

Architektur für unser aller Leben herzlich wenig zu tun<br />

haben und häufig weder diesem Aspekt noch einer Annäherung<br />

an Architektur als Kulturbeitrag gerecht werden. Im<br />

Wirtschaftsteil unter Immobilien ist schon eher ab und zu<br />

ein Beitrag zu finden, der sich dann aber fast ausschließlich<br />

mit der Vermarktbarkeit von Gebautem beschäftigt und<br />

selten mit deren Qualitätskriterien.<br />

Natürlich erfährt die Öffentlichkeit etwas über die reißerischen<br />

Projekte, die, bei denen es um tatsächliche oder mögliche<br />

große Schäden geht. Denn „nur eine schlechte Nachricht<br />

ist eine gute Nachricht” für die Medien. So wurde der<br />

Schürmann-Bau in Bonn nach der Hochwasserkatastrophe<br />

und den anstehenden hohen Millionensanierungen zur<br />

traurigen Berühmtheit. Und natürlich ist die mögliche Streichung<br />

des Kölner Domes von der Liste der Weltkulturerbestätten<br />

aufgrund des Baus von Hochhäusern auf der dem<br />

Dom gegenüberliegenden Rheinseite zum medialen Dauerbrenner<br />

geworden. Aber werden hier tatsächlich inhaltliche<br />

Diskussionen geführt und fundiert dargestellt? Dabei ist das<br />

Interesse, auch über kleinere lokale Architekturbeiträge zu<br />

sprechen, durchaus vorhanden.<br />

Die Notwendigkeit einer öffentlichen und möglichst fundierten<br />

Diskussion ist keine neue Erkenntnis und wurde vielfach<br />

von unseren Architekturvätern, insbesondere im Bund Deutscher<br />

Architekten BDA, angeregt. Aus diesen Überlegungen<br />

heraus entstand 1991 in Köln der Gedanke, über ein anschauliches<br />

Stadtmodell den baulichen Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten<br />

der Stadt deutlich zu machen und<br />

mit diesem Instrument eine breite Diskussion anzufachen.<br />

Über ein Public-Private Partnership wurde ein Konzept für das Zusammenwirken<br />

von Privatwirtschaft und kommunaler Verwaltung erstellt. Gemeinsam<br />

mit dem Stadtplanungsamt und unter Schirmherrschaft des Bürgermeisters<br />

und des Stadtdirektors wurden Sponsoren in der Kölner Wirtschaft<br />

gesucht, wobei die Struktur Kölns als einer kunst- und kulturinteressierten<br />

Bürgerstadt von großem Vorteil war. In <strong>Jahre</strong>n darauf wuchs das Modell<br />

ständig und fand seinen Platz im Jahr 2004 in der öffentlich zugänglichen<br />

und zugleich politiknahen glasgedeckten Halle des Rathauses. Obwohl das<br />

Modell eine gute Arbeitsbasis für Architekten und eine anschauliche Grundlage<br />

für die Diskussion um Veränderungen der Stadt bot, war die kontinuierliche<br />

Auseinandersetzung mit Baukultur hierdurch allein nicht gegeben.<br />

Dieses Vakuum war auch anderen, aus Sicht von Architekten eher Fachfremden<br />

wie den Kommunikationsdesignern Thomas Hebler und Oliver<br />

Schwarz aufgefallen. Gemeinsam mit der Initiative Kölner Stadtmodell entstand<br />

im Jahr 2000 die Überlegung, die Diskussion um Architektur auf einer<br />

anderen Ebene zu führen, nämlich in einem „Haus der Architektur im Internet”.<br />

So entstand „koelnarchitektur.de“, ein Internetportal, das die Diskussion<br />

um Baukultur in Köln auf sehr vielfältige Weise anregen will. Da ein solches<br />

Portal nicht allein von der Idee lebt, wurde hierfür eine Kooperation<br />

aus mehr als zehn Initiativen gebildet, die sich in Köln auf unterschiedlichste<br />

Weise mit Baukultur beschäftigen.<br />

Über die ersten und stetig erweiterten Module eines modernen Architekturführers<br />

und eines aktuellen Pressespiegels hinaus wurde die Plattform kontinuierlich<br />

weiter ausgebaut und stellt heute ein umfangreiches Spektrum<br />

an Themen zur Architektur in Köln dar. Die Kombination aus Informationen<br />

sowohl für Fachleute als auch für interessierte Laien über verschiedene<br />

Module, die einen weiten Blick auch auf die Kultur des Bauens bieten, führte<br />

zu hohen Besucherzahlen des Portals. Gerade in Zeiten anderer Aktivitäten<br />

wie der jährlichen Architekturwoche „plan” wird das Internetportal besonders<br />

stark frequentiert.<br />

Natürlich ersetzt diese Plattform nicht die direkte Auseinandersetzung über<br />

Baukultur in Form von Gesprächen, Ausstellungen, Diskussionsforen und<br />

Berichterstattungen. Aber sie ist eine weitere Möglichkeit, die insbesondere<br />

auch jüngere Interessierte anspricht, eine Auseinandersetzung über unsere<br />

gebaute Umwelt zu führen und diese möglichst positiv zu beeinflussen.<br />

Schließlich ist die Architektur die „Mutter aller Künste” und dieser Bedeutung<br />

gemäß sollten alle Bevölkerungsgruppen ein aktives Interesse an bestmöglicher<br />

Qualität von Architektur entwickeln und einbringen können.<br />

Vielleicht werden auch die klassischen Medien sich dann verstärkt einer<br />

kontinuierlichen, fundierten Auseinandersetzung mit dem so wichtigen<br />

Thema Baukultur widmen.<br />

97


Kay von Keitz und Sabine Voggenreiter<br />

plan – Forum aktueller Architektur in Köln<br />

98


Worum ging es uns, als wir 1998 die ersten Überlegungen<br />

anstellten zu unserem „Forum aktueller Architektur in Köln”,<br />

dem wir dann den Namen „plan” gegeben haben? Wir wollten<br />

eine Plattform, eine Bühne schaffen, auf der sich gegenwärtige<br />

Architektur in einem angemessen weit gefassten<br />

Verständnis – schließlich kennen wir alle die Dehnungskräfte,<br />

denen dieser Begriff ausgesetzt ist – darstellen kann. Physisch<br />

sollte die Stadt selbst mit ihrer Vielzahl von unterschiedlichen<br />

Schauplätzen jene Bühne sein, auf der temporär ein<br />

Ausstellungs-, Installations- und Veranstaltungsnetzwerk<br />

kreiert wird – und somit zugleich ein Parcours, der durch<br />

das „Hyperexponat” Stadt führt. Ein in dieser Form neuartiges<br />

Konzept mit zwei primären Zielen: erstens, das direkte<br />

und inspirierende Kommunizieren zwischen den professionellen<br />

Akteuren, den „Architekturmachern”, zu ermöglichen<br />

oder zu intensivieren und zweitens, ein Vermittlungsinstrument<br />

zu entwickeln, um das große kulturelle und alltagskulturelle,<br />

ja zivilisatorische Thema Architektur einem breiten<br />

Publikum nahe zu bringen. Dass Architektur als „Allgemeinbildungsgut”<br />

in Deutschland zu wenig Beachtung findet,<br />

wird ja inzwischen kaum noch bestritten. Unsere Überzeugung<br />

in der Sache, unser Know-how und eine gute<br />

Portion gesunder Naivität sorgten dafür, dass wir tatsächlich<br />

innerhalb eines <strong>Jahre</strong>s die erste Ausgabe von plan auf die<br />

Beine stellen und bis heute auch jedes Jahr eine weitere<br />

plan-Woche realisieren konnten.<br />

Seit der plan1999 haben wir selbstverständlich einiges dazugelernt<br />

und uns bei einer Reihe von Partnern großes Vertrauen<br />

erworben. Bei allen Verbesserungen und Weiterentwicklungen,<br />

die wir in den letzten <strong>Jahre</strong>n – resultierend aus<br />

den eigenen Erfahrungen, aber auch aufgrund von vielen<br />

produktiven Rückmeldungen und Kommentaren – vorgenommen<br />

haben, sind wir doch im Kern unseres Projektansatzes<br />

nachhaltig bestätigt worden. Mehr denn je sind offene Diskussions-<br />

und Erprobungsräume, wie wir sie mit plan herzustellen<br />

versuchen, vonnöten, da die allgemeine politische<br />

Tendenz, sämtliche Lebensbereiche ausschließlich durch die<br />

Brille ökonomischer Verwertbarkeit zu betrachten, natürlich<br />

Architektur und Stadtentwicklung mit einschließt. Symptomatisch<br />

hierfür ist, dass seit ein paar <strong>Jahre</strong>n Marketing nun<br />

auch in gebeutelten Architektenkreisen zum Schlüsselbegriff mit eingebautem<br />

Heilsversprechen avanciert. Und wenn hier von Kommunikation und<br />

Vermittlung die Rede ist, sind in der Regel mehr oder weniger fragwürdige<br />

Werbestrategien gemeint – entsprechende Agenturen schießen derzeit wie<br />

Pilze aus dem Boden. Wie gesagt, dass eine breit angelegte Vermittlungsarbeit<br />

und die Entwicklung hierfür geeigneter Kommunikationsformen notwendig<br />

sind, um die vielfältigen Potenziale von Architektur und Architektenkompetenz<br />

bewusst zu machen, das entspricht auch unseren Erkenntnissen.<br />

Dieser Aufgabe wird man jedoch in ihrer gesellschaftlich-kulturellen Dimension,<br />

die sie nun mal hat, nicht durch simples Imagestyling und Officebranding<br />

gerecht. Das Gleiche gilt übrigens genauso für die Städte: Der reflexartige<br />

Ruf nach „wirkungsvollen” Marketingkonzepten klingt oft genug wie<br />

der nach billigen Wunderkuren.<br />

Ganz bewusst haben wir für die <strong>Jahre</strong> 2004 bis 2006 das Thema Wohnen<br />

mit seinen unterschiedlichen Facetten zum dreiteiligen plan-Schwerpunktthema<br />

bestimmt, um gleichermaßen „auf der anderen Seite”, beim sogenannten<br />

Laienpublikum, das Bewusstsein für das Alltägliche und Allgegenwärtige<br />

von Gebautem, sprich: eben für das alles, was tatsächlich mit dem<br />

Begriff Architektur bezeichnet wird, zu schärfen. Denn die Vorstellung, dass<br />

mit Architektur lediglich spektakuläre Museumsbauten, Regierungssitzkulissen<br />

im Rücken von Fernsehjournalisten oder umstrittene Hochhaustürme<br />

gemeint seien, ist leider immer noch weit verbreitet. Dabei geht es doch bei<br />

jedweder baulichen Gestaltung oder auch Nichtgestaltung um die mehr<br />

oder weniger prägende Beschaffenheit unserer Lebenswelt. Ganz unmittelbar<br />

bildet sich das ab im Bereich der Wohnarchitektur und ihren Antwortversuchen<br />

auf einschneidende strukturelle und soziale Veränderungen –<br />

immer mal wieder kombiniert mit zaghaften oder auch mutigen Modellen<br />

der Bewohnerbeteiligung. Das sich verstärkende soziale Gefälle, ein gewandeltes<br />

Zentrum-Peripherie-Verhältnis, der zunehmende Umnutzungsdruck<br />

und die inzwischen vieldiskutierten Stadtschrumpfungen bezeugen die<br />

gesellschaftlichen, demographischen und auch ästhetischen Brüche, die hier<br />

zum Tragen kommen. Fragen nach der Demokratisierung architektonischer<br />

und städtebaulicher Entwicklungen werden heute neu gestellt. Die anschauliche<br />

Darstellung dieser Phänomene im Rahmen von plan trägt dazu bei,<br />

dass die alltagskulturelle Bedeutung von Architektur, Städtebau und Stadtplanung<br />

breiter wahrgenommen und erfahren werden kann. In diesem<br />

Sinne ist plan ein Forum und ein Festival, das dem Thema Architektur eine<br />

möglichst flexible Spielstätte zur inhaltlichen Vertiefung und zur kulturellen<br />

Popularisierung bereiten will.<br />

99


100<br />

Peter Brdenk<br />

Essen erlebt Architektur


Am Anfang war „Essen erlebt Architektur“ ein fast unmögliches<br />

Projekt – wie viele andere Projekte, die mit ungewöhnlichen<br />

Ideen beginnen. Nachdem der Bund Deutscher Architekten<br />

(BDA) Essen 1998 seinen neuen Vorstand gewählt<br />

hatte, begannen in darauffolgenden Sitzungen sehr intensive<br />

Überlegungen, wie man jenseits der üblichen, aber notwendigen<br />

Öffentlichkeitsarbeit eines Architektenverbandes seine<br />

zentralen Anliegen – Stadtgestalt, Architektur, Baukultur,<br />

und zwar bezogen auf die eigene Stadt – besser und wirksamer<br />

als bisher thematisieren könne. Es sollte ein Format<br />

gefunden werden, das nicht nur die eigene Klientel und<br />

ein paar Kulturbeflissene der Stadt, sondern die städtische<br />

Öffentlichkeit als Ganzes anspricht: Die Bürger Essens sollten<br />

für die Gestaltung ihres eigenen Lebensraums, für das Bild<br />

ihrer Stadt sensibilisiert werden. Sie sollten die Ästhetik ihrer<br />

Stadt erkennen, nein, „erleben” und ein Bewusstsein für<br />

Gestaltung von Gebäuden, Straßenräumen und Plätzen in<br />

ihrer Stadt entwickeln können.<br />

Ein halbes Jahr später, im Sommer 1999, war es dann soweit:<br />

Wir konnten das Projekt „Essen erlebt Architektur“ der<br />

Öffentlichkeit vorstellen. Es war allerdings weniger ein Projekt,<br />

mehr eine ganze Projektreihe, die über mehrere <strong>Jahre</strong><br />

insgesamt 23 unterschiedliche Themen- und Veranstaltungsschwerpunkte<br />

umfasste. Bei aller Begeisterung begegnete<br />

uns auch ein wenig Skepsis ob der Fülle des Programms. Es<br />

war keine Kritik an den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen –<br />

ganz im Gegenteil; sondern es gab Bedenken, ob das Projekt<br />

überhaupt durchführbar sei. So falsch lagen die damaligen<br />

Skeptiker – auch aus heutiger Sicht – nicht: Die Projektreihe<br />

hat allen Beteiligten über mehrere <strong>Jahre</strong> ein enormes<br />

und sehr zeitintensives Engagement abverlangt, ein Engagement,<br />

das wohl nicht beliebig wiederholbar ist. Es hätte<br />

trotz des hohen Engagements aber nicht funktioniert ohne das stringente<br />

Management der gesamten Programmreihe und die eine oder andere spontane<br />

Eingebung von Aktiven, die über schwierige Situationen hinweggeholfen<br />

hat.<br />

Von 2000 bis 2002, also über die Dauer von drei <strong>Jahre</strong>n, fand die Reihe<br />

dann mit ihren 23 Programmpunkten und ca. 150 Sonderveranstaltungen<br />

statt. Das Rundumprogramm mit Ausstellungen, Diskussionen, Filmen,<br />

Kunstinstallationen, Stadtteilprojekten und interessanten Führungen wurde<br />

zu einem großen Erfolg: Architektur, Stadtgestaltung, Baukultur sind zu<br />

einem öffentlichen Thema in der Stadt geworden, manchmal zum regelrechten<br />

Tagesgespräch. Das ist vor allem dann gelungen, wenn wie in den<br />

Projekten „BauKunst” oder „Das verrückte Stadtteilding” konkrete Objekte<br />

entstanden sind; Projekte also, die sich nicht allein in der Diskussion um das<br />

Stadtbild erschöpften, sondern reale Interventionen im Stadtraum zum<br />

Gegenstand hatten. Sie haben die Wahrnehmung der Orte verändert, an<br />

denen diese Aktionen und Installationen stattfanden.<br />

In den drei <strong>Jahre</strong>n haben mehr als 100.000 Interessierte die Veranstaltungen<br />

besucht, das Medienecho und die zahlreichen Berichterstattungen<br />

brachten jedoch noch sehr viel mehr Menschen mit „Essen erlebt Architektur“<br />

in Berührung. Es sind kreative Netzwerke geknüpft worden, es haben<br />

sich neue Kooperationen entwickelt, die auch heute noch Architektur und<br />

Baukultur in Essen als lebendiges Kulturgeschehen in der Stadt erfahrbar<br />

machen. Zu nennen ist hier zum Beispiel das „Forum Kunst und Architektur”,<br />

das im Jahr 2002 gemeinsam vom BDA Essen, dem Ruhrländischen<br />

Künstlerbund, dem Wirtschaftsverband Bildender Künstler gegründet wurde<br />

und seither als Plattform und Impulsgeber für den Diskurs um Architektur,<br />

Stadtgestalt und Kunst in der Stadt Essen fungiert. Das „Forum Kunst und<br />

Architektur” nimmt – drei <strong>Jahre</strong> nach dem Abschluss des Veranstaltungszyklus‘<br />

„Essen erlebt Architektur“ – an anderen Projekten der Initiative<br />

<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> teil und ist heute Kooperationspartner in der landesweiten<br />

Veranstaltungsreihe „KunsttrifftStadt”.<br />

101


Henrik Sander<br />

Wohnen in Dortmund, arbeiten in Essen, in Bochum ins Theater gehen, der<br />

Geschäftspartner sitzt in Köln, zum Kaffee nach Düsseldorf und am Wochenende<br />

ins Emschertal oder gleich nach Holland an die Nordsee. Das alltägliche<br />

Leben im Rhein-Ruhr-Raum spielt sich irgendwo zwischen Köln und<br />

Dortmund ab. Dieser alltäglichen Erfahrung fehlt jedoch eine tiefgreifende<br />

regionale Perspektive, eine Perspektive, die den Stolz der Menschen zum<br />

Ausdruck bringen könnte: den Stolz, dass Rhein-Ruhr die größte europäische<br />

Stadtregion ist, größer als Paris, London oder die Randstad.<br />

Die bescheidene Verbundenheit seiner Bewohner ist die große Stärke der<br />

Region: Sie erzeugt dezentrale Strukturen, eine Vielfalt an Orten und Städten<br />

mit eigenen Identitäten und unterschiedlichsten Strategien im Umgang<br />

mit dem Strukturwandel. Vielfalt ist eine der wesentlichen Stärken, aber<br />

auch die entscheidende Schwäche der Region. Denn Vielfalt alleine erzeugt<br />

keine Außenwirkung. Es fehlt die „Story”, die aus Rhein-Ruhr mehr macht<br />

als ein Patchwork an Teilräumen. Dies bestätigte kürzlich auch noch einmal<br />

Saskia Sassen auf dem Metropolenkongress Rhein-Ruhr.<br />

102<br />

RheinRuhrCity<br />

Die Ausstellung RheinRuhrCity suchte eine Story für diese<br />

einzigartige europäische Metropolregion. Sie wagte einen<br />

Perspektivenwechsel, der nicht mehr die Innenwahrnehmung<br />

mit den regionalen Besonderheiten des Karnevals<br />

oder der unterschiedlichen Bundesligatraditionen in den<br />

Mittelpunkt stellte, sondern der Frage nachging, wie sich<br />

der Ballungsraum als zusammenhängende regionale Einheit<br />

beschreiben und nach außen hin darstellen läßt. Das Projekt<br />

sollte provozieren und auch irritieren. Ein „Nachdenken bei<br />

gelockerter Vernunft”, so Minister Michael Vesper, sollte<br />

die Phantasie anregen: Was ist die zentrale Perspektive des<br />

Ballungsraums und wie grenzt er sich eigentlich ab? Liegt<br />

die Zukunft darin, die räumlichen und politischen Zentren zu<br />

stärken oder eher in noch mehr Polyzentralität?<br />

Gemeinsam mit Hochschulen aus der Region und den Niederlanden<br />

unternahm das niederländische Büro MVRDV eine<br />

fiktive Reise in die Zukunft der Region und entwarf für das<br />

heterogene Agglomerat Rhein-Ruhr nicht das eine Zukunftsbild<br />

– sondern vier ganz unterschiedliche Szenarien. Nach<br />

dem Prinzip der Extremisierung, für das MVRDV international<br />

bekannt ist, wurde jeweils eine klar konturierte Entwicklungsperspektive<br />

für die gesamte Region durchgespielt. Im<br />

Park-Szenario verwandelte sich die geschrumpfte Region in<br />

einen Neo-Urwald, das Archipel-Szenario beschrieb die ökonomische<br />

Spezialisierung von Teilräumen mit Essen als


Mega- und Düsseldorf als Airport-City, das Campus-Szenario<br />

machte die Region zu einer unendlichen Wissenschaftslandschaft,<br />

eingebettet in Wälder und Weltraumbahnhöfe, und<br />

das Netzwerk-Szenario befreite Rhein-Ruhr mit doppelstöckigen<br />

Autobahnen, Metrorapid und Luftschiffen von<br />

seinen Verkehrsproblemen.<br />

Aus der Vogelperspektive erlebten die Ausstellungsbesucher<br />

die kontinuierliche Mutation der Region. Durch die Überlagerung<br />

von real gefilmten und künstlich eingefügten<br />

Elementen wurden immer neue Zustände der RheinRuhrCity<br />

komponiert. Im war room konnte darüber hinaus jeder Besucher<br />

seine eigene Metropole basteln. Technische Grundlage<br />

all dieser Szenarien war die Software RegionMaker. Mit<br />

ihr ließen sich Einflüsse unterschiedlicher Faktoren auf die<br />

strukturelle Entwicklung der Region simulieren. Gefüttert<br />

wurde das Programm mit allen Daten, die zu einem Raum<br />

und seiner Gesellschaft gehören: Wohnen, Industrie, Straßen,<br />

Grünflächen, Kriminalität, Stadtwachstum, Landnutzung<br />

und so weiter.<br />

Der RegionMaker ist ein dynamisches Anschauungsmittel,<br />

er suggeriert mit seiner empirischen Datengrundlage Machbarkeit<br />

und Rationalität und repräsentiert doch „mehr einen<br />

Traum, als eine anwendbare Realität”, so MVRDV. Dieser<br />

Zwiespalt gab der Ausstellung ihren gewollt irritierenden Charakter, machte<br />

sie aber gleichzeitig auf merkwürdige Art ungreifbar.<br />

Im Rückblick wirkt sie für den ersten Moment wie ein schöner Traum, der<br />

schnell wieder verblasst. Dabei beschrieb RheinRuhrCity latent Vorhandenes,<br />

und wer sich durch die Vielzahl der Szenarien nicht verwirren ließ, der<br />

konnte in ihnen bestehende regionale Strukturen wiedererkennen. Häufig<br />

waren die Bilder unscharf verortet. Die Bürogebäude wachsen nun mal im<br />

Duisburger Innenhafen und nicht, wie das Campus-Szenario suggeriert, im<br />

Duisburger Hafen. Aber diese Form der Realitätsnähe war auch nicht Ziel<br />

der Ausstellung und eine gewisse Unschärfe der einkalkulierte Preis für den<br />

unvoreingenommenen Blick von außen.<br />

Die Leistung der Ausstellung besteht darin, dass sie grundlegende räumliche<br />

Strukturen sichtbar gemacht hat; sie hat mögliche Stories aufgezeigt, die<br />

die unübersichtliche Vielfalt der Region beschreiben können. Nun liegt es an<br />

uns, aus diesen „Träumen” eine „anwendbare Realität” werden zu lassen,<br />

aus den Szenarien eine (konsistente) Story zu formulieren. Diese Story wird<br />

sicherlich nicht nur auf einem der vier Szenarien basieren, denn RheinRuhr-<br />

City ist schon heute Park, Archipel, Campus und Netzwerk – nicht überall,<br />

nicht gleichermaßen, und natürlich nicht in dieser extremen Form. Die Szenarien<br />

ermöglichen aber eine produktiv-kritische (Selbst-)Reflexion der Region:<br />

Wo ist RheinRuhrCity Park, wo Archipel, wo Campus, wo Netzwerk und<br />

wo etwas gänzlich anderes? Aus dieser Differenzierung, die zugleich Selbstund<br />

Fremdbild der Region und ihrer Teilräume berücksichtigt, ließe sich die<br />

Story entwickeln, die die Vielfalt dieser Metropolregion zu einer nach innen<br />

und außen überzeugenden Botschaft macht: Diversity is the message und<br />

RheinRuhrCity war nur der Anfang.<br />

103


Thorsten Schauz, Yasemin Utku und Angela Uttke<br />

Im September 2004 fand in der Abtei Brauweiler in Pulheim<br />

der Fachkongress „<strong>NRW</strong>urbanism” der <strong>Landesinitiative</strong><br />

Stadtbaukultur <strong>NRW</strong> statt. Inhaltlich wurde die eintägige<br />

Veranstaltung vom Europäischen Haus der Stadtkultur in<br />

Kooperation mit der Universität Dortmund vorbereitet.<br />

Intention war, mit dem Reizthema „New Urbanism” eine<br />

Diskussion über städtebauliche Probleme und Handlungsfelder<br />

in Nordrhein-Westfalen anzustoßen. Drei der Mitorganisatoren<br />

des Kongresses, Yasemin Utku (Institut für Raumplanung,<br />

Universität Dortmund), Thorsten Schauz und Angela<br />

Uttke (beide Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung,<br />

Universität Dortmund), trafen sich im Januar 2005 zu einer<br />

Nachlese des Kongresses.<br />

Schauz: Gibt es ein „Lernen von Pulheim”?<br />

Uttke: Von konkreten Ergebnissen eines Kongresses zu sprechen,<br />

ist kaum möglich. Die intensive Beschäftigung mit dem<br />

Thema der Übertragbarkeit des New Urbanism auf Nordrhein-Westfalen<br />

hat Antworten auf unterschiedlichen Ebenen<br />

geliefert. Das Thema und die Beiträge haben viele Diskussionen<br />

angeschoben und vor allem Denkanstöße gegeben. Das<br />

würde ich schon als einen Erfolg bezeichnen, von dem man<br />

lernen kann.<br />

Utku: Meiner Meinung nach hat während der Diskussionen<br />

eine Entmystifizierung des Begriffs New Urbanism stattgefunden.<br />

Wir sind ja schon im Vorfeld des Kongresses auf<br />

zum Teil heftige, oft ablehnende Reaktionen gestoßen.<br />

Allgemein betrachtet verbinde ich mit „Lernen von Pulheim”<br />

die Erkenntnis, dass man einen fruchtbaren Diskurs stiften<br />

kann, wenn man mit einem guten Thema einen möglichst<br />

breiten Personenkreis anspricht.<br />

Uttke: Ja, die Bandbreite der Teilnehmer war schon beeindruckend:<br />

von Stadtbauräten über Verwaltungsmitarbeiter,<br />

Vertretern aus der Immobilienbranche, Planern, Vertretern<br />

von Universitäten bis hin zu vielen weiteren Akteursgruppen.<br />

Ich denke, das hat entscheidend zu der Diskussionskultur<br />

von Pulheim beigetragen.<br />

104<br />

<strong>NRW</strong>urbanism<br />

<strong>StadtBauKultur</strong>-Kongress 2004<br />

Schauz: Auch die sorgfältige und vielschichtige Beleuchtung des Themas<br />

spielte dabei eine große Rolle, gewissermaßen die Dramaturgie des Kongresses<br />

...<br />

Utku: ... wobei die Eröffnung des Kongresses mit der Einführung in das<br />

Thema „New Urbanism” und die Präsentation unterschiedlicher Standpunkte<br />

wie üblich im Plenum stattfand. Die anschließende Vertiefung und Diskussion<br />

in den vier Arbeitsgruppen anhand konkreter Projekte war auch spannend –<br />

schon in der Vorbereitung haben wir ja von einem „Feuerwerk der Projekte”<br />

gesprochen. Die Stellungnahmen im abschließenden Plenum machten den<br />

großen Diskussionsbedarf dann erneut deutlich. Der Reader mit einer Artikelsammlung<br />

zum Tagungsthema, der jedem Teilnehmer schon im Vorfeld<br />

zur Verfügung stand, war sicherlich ein gutes Fundament für den Kongress<br />

und dient vielen vermutlich auch als Nachschlagewerk über die Veranstaltung<br />

hinaus. Insgesamt denke ich, dass durch die unterschiedlichen Informations-<br />

und Diskussionsebenen schließlich eine Einordnung des Themas in<br />

den nordrhein-westfälischen Alltag ermöglicht wurde.<br />

Schauz: Für die die Abtei Brauweiler mit ihren Räumlichkeiten einen gelungenen<br />

Rahmen bildete! Könnte man aus der großen Resonanz auf den Kongress<br />

in Pulheim schließen, dass ein Nachholbedarf und dementsprechend<br />

ein großes Interesse am Austausch über Fragen des Planens und Bauens in<br />

Nordrhein-Westfalen besteht?<br />

Uttke: Aus meinen Erfahrungen und den Pausengesprächen während des<br />

Kongresses würde ich das unbedingt bestätigen. Mir wurde mehrfach<br />

gesagt, dass es kein Forum in Nordrhein-Westfalen gäbe, in dem anhand<br />

konkreter Projekte über Planungs- und Baukultur in Nordrhein-Westfalen<br />

diskutiert wird. Über das Vehikel „New Urbanism“ ist uns das in Pulheim<br />

gelungen.<br />

Schauz: Das hieße, ein jährlich stattfindender Kongress zu einem planungsrelevanten<br />

Thema wäre ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zu mehr<br />

Kommunikation und einer beständigen Diskussionskultur in Nordrhein-<br />

Westfalen – eigentlich eine zentrale Aufgabe der <strong>Landesinitiative</strong> StadtBau-<br />

Kultur <strong>NRW</strong>. Wobei die Kongressthemen streitbar sein sollten, so wie das<br />

Thema „New Urbanism – <strong>NRW</strong>urbanism” ein Streitthema war.<br />

Utku: Ein Ziel zur Durchführung solcher <strong>Jahre</strong>skongresse sollte es auch sein,<br />

für neue Themen oder „Nischenthemen” zu sensibilisieren, Dogmen abzubauen<br />

und Kommunikation und Diskurs zu stiften.<br />

a


nrw urbanism<br />

nrw urbanism<br />

Uttke: Dabei müssten die Themen aber so aufbereitet werden, dass sie eine<br />

möglichst breite Zielgruppe unter den im weitesten Sinne mit Bau- und Planungsfragen<br />

Beschäftigten ansprechen. Auch die Kooperation der <strong>Landesinitiative</strong><br />

mit einer in Nordrhein-Westfalen angesiedelten forschenden Institution<br />

wie einer Hochschule oder einem Institut halte ich für sinnvoll.<br />

Utku: Wenn man an die Abtei Brauweiler zurückdenkt, die für viele Kongressteilnehmer<br />

eine positive Neuentdeckung war, ist auch der Ort für<br />

einen künftigen Kongress sorgfältig auszuwählen. Es wäre eine Chance,<br />

„neue” und weniger bekannte Orte in <strong>NRW</strong> zu entdecken und zu bespielen.<br />

Schauz: Was könnte denn Gegenstand eines Kongresses an so einem „noch<br />

zu entdeckenden” Ort sein?<br />

Uttke: Sicherlich ist die Zugkraft eines internationalen Themas samt internationalen<br />

Gästen nicht zu unterschätzen. So willkommen ein Blick über den<br />

Tellerrand auch ist, ich hatte besonders in den Arbeitsgruppen in Pulheim<br />

den Eindruck, dass ein „Herunterbrechen” internationaler Themen auf den<br />

Bezugsraum Nordrhein-Westfalen in dem begrenzten Zeitrahmen, den ein<br />

Kongress nun einmal besitzt, schwer fällt und kaum zu leisten ist.<br />

Utku: Wie wäre es, die IBA Emscherpark aus der Versenkung zu holen und<br />

den aufgebauten und immer wieder zitierten Mythos zu hinterfragen? Aus<br />

dieser „Revision” könnten sicherlich Ansätze für eine qualitätsvolle „Stadt-<br />

BauKultur <strong>NRW</strong>” abgeleitet werden.<br />

nis 105<br />

Uttke: Wobei für mich ein Thema wie „den Alltag planen” auch seinen Reiz<br />

hat. Wie gehen wir mit den alltäglichen Planungsaufgaben im Wohnungsund<br />

Gewerbebau um und wo liegen hier Spielräume für mehr Qualität und<br />

Varianz? Dieses Thema hat der Biennale-Beitrag „Deutschlandschaft” sehr<br />

gut angeschnitten, doch fehlt hier in Nordrhein-Westfalen bis jetzt noch<br />

eine weitergehende Diskussion anhand konkreter Projekte.<br />

Schauz: Faszinierende Themen gibt es wirklich mehr als genug. Entscheidend<br />

ist bei der Themenwahl sicherlich, vor allem die Balance zu halten zwischen<br />

„Publikumswirksamkeit” und praktischer Relevanz für Nordrhein-<br />

Westfalen.<br />

Utku: „Lernen von Pulheim” bedeutet also unter dem Strich, dass sich ein<br />

Städtebaukongress als Medium für das Stiften einer Diskussionskultur in<br />

Nordrhein-Westfalen bewährt hat. Eine Fortsetzung als feste jährliche Veranstaltungsgröße<br />

der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> mit wechselnden<br />

Kooperationspartnern wäre wirklich eine gute Sache. Ich bin schon<br />

heute gespannt auf die kommenden Kongresse.


Frauke Burgdorff<br />

Die Realität ist nicht einheitlich. Sie setzt sich – wenn man es so formulieren<br />

will – aus unterschiedlichen Wirklichkeiten zusammen. Obwohl die jeweilige<br />

Wirklichkeit aus mess- und fassbaren Dingen besteht, wird sie wahlweise<br />

von unterschiedlichen Parteien anders wahrgenommen oder Teile von ihr<br />

werden bewusst ausgeblendet und nicht beachtet.<br />

Daraus resultiert nicht selten, dass Bauträger und Immobilienentwickler<br />

staunend vor den extravaganten Entwürfen von Architekten und Stadtplanern<br />

stehen und keine Realisierungschance in dem Vorgedachten sehen.<br />

Daraus resultiert aber auch, dass Investitionen nur kurzfristig die gewünschte<br />

Rendite erbringen und auf der Basis von scheinbar effizienten Kriterien<br />

schon nach wenigen <strong>Jahre</strong>n Verluste zu verzeichnen sind.<br />

Der <strong>Jahre</strong>skongress 2005 der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> „Realität [Bauen]”<br />

hatte sich diesem komplexen Zusammenhang gestellt und sich vorgenommen,<br />

abgegrenzte Wirklichkeiten der Baukultur miteinander zu konfrontieren<br />

und die Sicht auf scheinbar fest gefügte Dinge durch den Blick des<br />

jeweilig anderen zu bereichern. Dies hieß konkret, dass wir Macher und Forscher,<br />

Entwerfer und Bauträger, Entwickler und Denker eingeladen hatten,<br />

die sich mit unterschiedlichen Feldern des Planens und Bauens beschäftigen.<br />

Das Konzept für diesen Kongress wurde mit Bernd Kniess diskutiert und von<br />

Yasemin Utku, Leonhard Lagos und mir entwickelt. Die Absicht war, in der<br />

Gegenüberstellung der unterschiedlichen Interpretationen der Realität einen<br />

geschärfteren Blick auf das Realisierbare innerhalb der scheinbar engen<br />

Grenzen der eigenen Wirklichkeit zu schaffen.<br />

Eine Phänomenologin (Susanne Hauser), ein Projektentwickler und Bauträger<br />

(Burkhard Drescher) und einen Architekt (Jean Philippe Vassal) stellten<br />

zum Einstieg ihre jeweilige Position der Alltagswahrnehmung und -praxis<br />

dar. Susanne Hauser hat deutlich gemacht, dass die Orte der Peripherie für<br />

die Wahrnehmung von baukultureller Qualität bestimmend sind und – auch<br />

wenn sie keine wachsende Zukunft haben – sein werden. Burkhard Drescher<br />

hat die Herausforderungen dargestellt, denen sich ein Unternehmen<br />

stellen muss, das in einem schrumpfenden Markt Wohn- und Gewerbestandorte<br />

entwickelt, baut und pflegt. Und schließlich hat Jean Philippe<br />

Vassal Konzepte seines Büros vorgestellt, die das Wohnen mit wenigen<br />

106<br />

Realität [Bauen]<br />

<strong>StadtBauKultur</strong>-Kongress 2005


Mitteln aus dem Bestand oder als Neubau qualitätvoll und an den gegenwärtigen<br />

Lebensweisen orientiert gestalten.<br />

Die Themenfelder, die in den Arbeitsgruppen des Kongresses im Mittelpunkt<br />

der Diskussionen standen, haben wir am Rande der allfälligen Baukulturdebatten<br />

gefunden und ganz bewusst gesetzt. Denn die Beschäftigung mit<br />

Straßen und Einfamilienhäusern, mit Gewerbegebieten und Quartiersentwicklungen<br />

steht leider nur selten auf der Tagesordnung der Baukultur.<br />

Doch gerade diese Bau- und Planungsanlässe, die scheinbar nebensächlichen<br />

urbanen oder disurbanen Bauereignisse machen das Gros der Entwicklung<br />

aus. Sie prägen unsere Räume nachhaltig – im Guten wie im Schlechten.<br />

In allen Arbeitsgruppen kristallisierte sich das heraus, was schon in der<br />

Podiumsdiskussion thematisiert wurde: Bau- und Planungsfachleute müssen<br />

sowohl untereinander als auch gegenüber den Bewohnern einer Stadt ihre<br />

Sprachfähigkeit zurückgewinnen oder besser kultivieren. In den hoch spezialisierten<br />

Handlungsfeldern der Planungslandschaft scheint es zunehmend<br />

schwieriger, Qualität als Basis für eine stabile ökonomische Entwicklung<br />

darzustellen. Und daran ist weniger die Wirtschaftslage als die interne und<br />

externe Kommunikation schuld. Offenbar ist die Vermittlung, dass es sich<br />

mittel- und langfristig für alle Renditeinteressierten lohnt, in Qualität zu<br />

investieren, ein erster wesentlicher Schritt.<br />

Wir haben mit diesem Kongress eine Auseinandersetzung begonnen, die<br />

wohl auch in Zukunft die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> prägen wird. Denn<br />

es ist deutlich geworden, dass die konstruierten Feindschaften zwischen<br />

baukulturell Gutmeinenden und Missetätern so nicht haltbar sind. Der<br />

Dialog zwischen den Positionen, das vorbehaltlose „kennen lernen” der<br />

Arbeits- und Wirkmechanismen des jeweilig anderen sind essenziell, um in<br />

Zukunft das heimliche Motto des Kongresses Wirklichkeit werden zu lassen:<br />

Jammern verboten, Pragmatismus erwünscht!<br />

107


108


Traditionen (er)finden<br />

109


Jörn Rüsen<br />

Was ist Tradition?<br />

Tradition ist eine Frage der historischen Kultur. Nahezu alle Gruppen, Länder,<br />

sogar ganze Zivilisationen haben ihre besonderen Traditionen und legen<br />

großen Wert darauf, sie zu kultivieren. Tradition wird sichtbar in Monumenten,<br />

in Gebäuden, in Straßennamen, in Museen, in Lehrbüchern, in öffentlichen<br />

Reden und in vielen anderen Formen öffentlicher Präsentation.<br />

Gemeinsames Ziel dieser Repräsentationen ist es, zu bekräftigen, dass man<br />

sich an etwas gebunden fühlt, das in der Vergangenheit geschah und für<br />

die Zukunft normative Bedeutung hat. Nationen zelebrieren den Tag ihrer<br />

Gründung; die damit verbundenen Feierlichkeiten bestätigen zumeist, dass<br />

die Menschen sich heute jenen Normen und Werten verpflichtet fühlen, die<br />

in dem seinerzeit neu gegründeten politischen System Realität geworden<br />

sind. Weit verbreitet sind Werte wie „Unabhängigkeit“ und „Freiheit“;<br />

indem Menschen sich gemeinsam daran erinnern, wie diese Werte in ihre<br />

Form des Zusammenlebens, ihre gesellschaftliche Formation, aufgenommen<br />

wurden, werden sie von den Menschen gegenwärtig – und erfolgreich –<br />

als Tradition wiedergegeben.<br />

Tradition ist die Idee einer unveränderlichen Essenz in den ansonsten wechselhaften<br />

Bedingungen und Umständen des Lebens. Tradition steht nicht<br />

nur für Kontinuität, sondern trägt die Dimension des ewig Gültigen in sich.<br />

Ein simples Beispiel aus dem Alltag internationaler Werbekampagnen:<br />

Mitsubishi wirbt für sein Hochtechnologieprodukt „Automobil“, indem der<br />

Konzern sich auf die alte Tradition japanischer Handwerksperfektion bei<br />

der Herstellung von Samuraischwertern bezieht. „Der Geist der Perfektion“<br />

weht als unveränderte Tradition durch die jahrtausendealte japanische<br />

Geschichte bis zu den neuesten Automodellen von Mitsubishi.<br />

Anerkannte Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sind gleichzeitig<br />

empirisch und normativ; sie sind darüber hinaus spezifisch für einzelne<br />

Nationen oder Gruppen. Daher unterscheiden sie sich substanziell voneinander.<br />

Sie spielen eine wichtige Rolle im kulturellen Leben, hauptsächlich als<br />

Grundlage für allgemein akzeptierte Prinzipien. Auf ihnen basiert das<br />

110<br />

Tradition und Identität<br />

Theoretische Reflexionen und<br />

das europäische Beispiel<br />

Im Übrigen mag das Wesentliche einer Tradition,<br />

ihre letzte Rechtfertigung darin bestehen,<br />

in dem Moment, wo kein Ausweg, keine Zuflucht mehr erkennbar sind,<br />

Trost zu spenden, ein Stückchen Traum,<br />

einen kurzen Augenblick der Illusion herbeizuzaubern.<br />

Saul Friedländer<br />

Gefühl, dass man im täglichen und im öffentlichen Leben<br />

die gleichen Haltungen teilt und sich an gemeinsame Grundregeln<br />

halten sollte. Menschen sind daher sehr bemüht, ihre<br />

gemeinsamen Traditionen immer wieder zu bestätigen.<br />

Traditionen sind deshalb immer Gegenstand kultureller Aktivitäten<br />

und kommunikativer Strategien, die sie lebendig und<br />

wirkungsvoll halten sollen.<br />

Man kann vier Ebenen unterscheiden, auf denen Tradition<br />

und ihre Wirkungsweise sichtbar wird:<br />

(1) Die grundlegende Ebene ist die der „unbewussten Dispositionen<br />

und Determinierungen“ des täglichen Lebens. Hier<br />

erscheint und wirkt Tradition als Selbstverständlichkeit.<br />

(2) Auf der Ebene der „alltäglichen Kommunikation“ werden<br />

selbstverständliche Traditionen zur Diskussion gestellt und<br />

auf neue und ungewöhnliche Situationen angewendet.<br />

(3) Diese „reflektierende Legitimation“ von Tradition findet<br />

auch noch auf einer anderen Ebene statt, nämlich dort, wo<br />

Formen des Zusammenlebens normativ verhandelt werden.<br />

Tradition wird dort reflektiert, kritisiert, legitimiert, Vergleichen<br />

unterzogen und schließlich sogar verändert. Obwohl<br />

Menschen zumeist denken, dass Tradition etwas Unveränderliches<br />

und Festes sei, ist sie dennoch Weiterentwicklungen<br />

und Veränderungen unterworfen.<br />

(4) Auf einer anderen Ebene erscheint Tradition als allgemein<br />

akzeptierter Gegenstand offizieller Gedenkfeiern. Hier ist<br />

sie ein fest etabliertes und machtvolles Element historischer<br />

Kultur, das man als „explizite Selbstverständlichkeit einer<br />

verpflichtenden Vergangenheit“ bezeichnen könnte. Im akademischen<br />

Diskurs wird dies als „kulturelles Gedächtnis“<br />

bezeichnet (Assmann, J. 1992; Assmann; J. 1995; Assmann,<br />

A. 1999).


Was ist Identität?<br />

Identität ist die Antwort auf die Frage, wer jemand ist. Diese<br />

Antwort kann durch eine Person, eine Gruppe, eine Nation,<br />

eine ganze Zivilisation gegeben werden. Tatsächlich ist Identität<br />

eine kulturelle Notwendigkeit für jede soziale Einheit<br />

im menschlichen Zusammenleben. Sie ist ein Gefühl und<br />

eine Überzeugung von Zugehörigkeit, von Zusammengehörigkeit;<br />

gleichzeitig ist diese Zugehörigkeit eine Unterscheidung<br />

von anderen. Identität bedeutet nicht unbedingt,<br />

uniform zu sein. Anstatt von Uniformität sollte man vielmehr<br />

von Gemeinschaftlichkeit mit und Verschiedenheit zu<br />

anderen sprechen. Sie ist eine Art verinnerlichter Kohäsion –<br />

oder Kohärenz – in sozialen Beziehungen, eine Frage von<br />

Subjektivität.<br />

Wandel ist eine elementare Herausforderung für Identitätsbildung,<br />

denn Wandel widerspricht dem grundlegenden<br />

menschlichen Bedürfnis nach Beständigkeit und sozialer<br />

Zugehörigkeit (Müller 1987). Deshalb befassen sich Prozesse<br />

der Identitätsbildung immer mit „Zeit“. Sie versuchen, Zeit<br />

eine Form zu geben, in der Identität überleben, bestehen<br />

oder sich entwickeln kann. Das menschliche Selbst erhält<br />

seine Gestalt in einem komplexen Wechselspiel aus Erinnerung<br />

an die Vergangenheit und Projektion in die Zukunft,<br />

indem Vergangenheit im Hinblick auf das Bedürfnis nach<br />

Fortsetzung interpretiert wird.<br />

Historische Identität ist eine äußerst elaborierte Form dieser<br />

gewissermaßen „zeitlichen Gestalt“ des menschlichen<br />

Selbst. Die kulturelle Strategie, diese zeitliche Gestalt des<br />

menschlichen Selbst hervorzubringen, besteht darin, eine<br />

Geschichte zu erzählen. Geschichten, die die Identität der<br />

Menschen in einer zeitlich erweiterten Perspektive erzählen,<br />

bezeichnet man als „Meta-Erzählungen“. Starke Erzählungen,<br />

die die historische Identität der Menschen repräsentieren,<br />

sind aber genauso zerbrechlich wie die menschliche<br />

Identität selbst, sie sind gleichermaßen vom Wandel der<br />

Lebensumstände bedroht und herausgefordert.<br />

Das Wechselspiel zwischen Tradition und Identität<br />

Tradition ist die grundlegende Form, durch die Identität geprägt wird. Die<br />

Menschen werden in ein bestehendes kulturelles System hineingeboren, das<br />

bestimmt, wer sie sind. Und sie haben diese Vorausbedingungen in ihren<br />

mentalen Körpern verinnerlicht, in ihrem Selbst-Sein – als Vermittlungsfeld<br />

zwischen ihren persönlichen Interessen und Zielen auf der einen und den<br />

gesellschaftlichen Ansprüchen und Pflichten auf der anderen Seite. Ohne<br />

eine solche traditionelle Grundlage gibt es keine Identität. Tradition stellt<br />

Identität als selbstverständlich dar, als feste Größe in einer sich verändernden<br />

Welt menschlicher Beziehungen. Um diese Dauerhaftigkeit und Stabilität<br />

des Eigenen geht es auf allen Ebenen, bei denen Tradition eine Rolle im<br />

menschlichen Leben spielt.<br />

(1) Auf der „elementaren Ebene der unbewussten Selbstverständlichkeit“<br />

erhält das menschliche Selbst seine erste Form von Selbstwahrnehmung<br />

und Selbstachtung und die ersten Überzeugungen über Zusammengehörigkeit<br />

und Verschiedenheit zu anderen.<br />

(2) Diese Grundmuster geraten auf der zweiten Ebene in „eine kommunikative<br />

Bewegung“, wenn die Menschen ihre Selbst-Erfahrung interpretieren<br />

müssen – also die Art und Weise, wie ihnen andere begegnet sind und wie<br />

sie mit ihrem Konzept ihres Selbst anderen begegnen.<br />

(3) Auf der dritten Ebene, dort wo „Traditionen explizit thematisiert“ werden,<br />

wird Tradition zum Gegenstand mehr oder weniger systematischer Reflektion.<br />

Die stärkste Form von Kommunikation ist hier die Frage „Wer bin ich?“<br />

oder „Wer sind wir?“– unausweichliche Fragen, weil das menschliche Leben<br />

von Zeit zu Zeit mit einer Situation konfrontiert wird, in der die Stabilität<br />

bestehender Identitätskonzepte radikal herausgefordert, angegriffen und<br />

gefährdet wird.<br />

(4) Auf der vierten Ebene, auf der „obligatorische Modelle und Paradigmen<br />

historischer Identität“ sich etabliert haben, wird Tradition permanent kultiviert,<br />

heraufbeschworen und legitimiert. Dort werden die Ursprünge nach<br />

wie vor gültiger Lebensweisen zelebriert. <strong>Jahre</strong>stage und Jubiläen bestätigen<br />

und festigen die gemeinsamen Wertesysteme und Modelle von Selbst-<br />

Verständnis und historischer Repräsentation.<br />

Meta-Erzählungen und Grundsatzdiskurse über historische Identität finden<br />

auf all diesen Ebenen statt, sie werden jeweils an neue Situationen angepasst,<br />

die durch neue Erfahrungen und Erwartungen gekennzeichnet sind.<br />

Hier ist traditionelle Identität eine Frage von zeitlichem Wandel. Gerade<br />

wenn die Umstände sich ändern, muss sich auch traditionelle Identität verändern,<br />

um die Vorstellung von Stabilität und eine Kontinuität von Verpflichtung,<br />

die sich aus traditioneller Identität ergibt, aufrechterhalten zu<br />

können.<br />

Modernität steht in einem grundsätzlichen Gegensatz zur Idee der unveränderbaren<br />

Gültigkeit von Lebensweisen. Sie betont den Wandel als Voraussetzung<br />

für Kontinuität. Die Kategorie des Fortschritts, die typisch für das<br />

moderne historische Denken und seine Logik ist, widerspricht der Art, wie<br />

historische Identität durch Tradition geformt wird. Aber dennoch ist die<br />

Überzeugung, dass sich die Grundlagen der eigenen Identität nicht verändern,<br />

sondern stabil bleiben, ein machtvolles Element moderner historischer<br />

Kultur. So erhält Tradition ihre spezifischen modernen Formen, z.B. eine<br />

innere zeitliche Dynamik, wenn es um die Darstellung von Stabilität und<br />

Kontinuität geht (Assmann, A. 1999).<br />

111


Konstruktion und Konstruiertheit<br />

Historische Identität ist immer eine Synthese aus Erfahrung aus der Vergangenheit<br />

und Erwartungen an die Zukunft. Sie wird von den beiden konstituierenden<br />

Motiven des menschlichen Denkens über Zeit bestimmt. Husserl<br />

hat sie „Retention“ und „Protention“ genannt (Husserl 1980). In der Alltagssprache<br />

können wir von Gedächtnis und Erwartung sprechen. Das „Gedächtnis“<br />

bezieht sich auf Erfahrungen und die „Erwartung“ steht in Beziehung<br />

zu Zielen, Werten und Normen. Wir alle wissen, dass das Gedächtnis die<br />

Vergangenheit, auf die es sich bezieht, so verändert, dass sie den Interessen<br />

der Person oder der Menschen entspricht, die sich erinnern. Das ist der<br />

Effekt der Erwartung in ihrer Synthese mit dem Gedächtnis. Auf der anderen<br />

Seite ist Identität mehr als das, was Menschen sein wollen. Sie müssen<br />

diesen Wunsch und diese Projektion mit ihrer Selbsterfahrung in Einklang<br />

bringen, und das trifft auf Individuen ebenso zu wie auf Gruppen, Nationen<br />

und Zivilisationen.<br />

So entsteht ein enger Zusammenhang von Tradition und Identität; konstituiert<br />

durch eine sehr spannungsreiche Mischung und Synthese aus Erfahrung<br />

und Normen und Werten, von faktischen Bedingungen und fiktionalen Vorstellungen.<br />

Das menschliche Leben als kultureller Prozess ist eine Errungenschaft<br />

dieser Synthese, die durch die Kräfte des menschlichen Verstandes<br />

hervorgebracht wird. Der Verstand strebt danach, die Beziehung eines Menschen<br />

zu den Anderen unter sich verändernden Bedingungen zu begreifen.<br />

112<br />

Europäische Identität: eine Forderung für die Zukunft<br />

Der andauernde Prozess der europäischen Vereinigung ist<br />

ein faszinierendes Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen<br />

des Schaffens von Traditionen, um neue Identitäten zu<br />

formen. Der Ausgangspunkt für diesen Prozess ist die traditionelle<br />

Dominanz nationaler Identität in nahezu allen<br />

europäischen Ländern. Die verschiedenen europäischen<br />

Nationen zu vereinen bedeutet überhaupt nicht, die Vielfältigkeit<br />

und die Unterschiede der nationalen Identitäten<br />

zugunsten einer einzigen europäischen Identität aufzugeben.<br />

Europäisch zu sein ist etwas ganz anderes. Es ist eine<br />

wechselseitige Beziehung der Nationalitäten, eine Kommunikation<br />

zwischen sehr unterschiedlichen nationalen und<br />

regionalen Traditionen. Damit in Europa ein Gefühl der<br />

Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit entstehen kann,<br />

muss diese Vielfalt integriert werden. Das Motto dieser Integration<br />

ist von großer Bedeutung: Einheit durch Vielfalt.<br />

Die entstehende historische Identität ist supranational, aber<br />

nicht anti-national. Sie integriert Unterschiede, ohne sie aufzulösen.<br />

Integration bedeutet, dass diese Merkmale und<br />

Strukturen der nationalen Identität, die eine stark exklusive<br />

Natur haben, so verändert werden müssen, dass die nationalen<br />

Traditionen eine supranationale Gemeinsamkeit<br />

einschließen. Diese europäische Zusammengehörigkeit muss<br />

eine starke normative Logik aufweisen, wenn sie zu einer<br />

allgemein gültigen Logik von Identitätsbildung, die an Tradition<br />

gekoppelt ist, heranreifen soll. Was passiert in diesem<br />

Integrationsprozess auf der Ebene der identitätsbildenden<br />

Traditionen?<br />

Zuerst muss die aggressive Exklusivität der traditionellen<br />

nationalen Identität zugunsten eines inklusiven Nationalismus<br />

überwunden und verändert werden. Dies ist ein sehr<br />

wichtiger Aspekt in der Logik historischer Sinngenerierung<br />

und Identitätsbildung (Rüsen 2000). Exklusiver Nationalismus<br />

ist ein sehr eindrucksvolles Beispiel für die weit verbreitete<br />

und tief verwurzelte Art der historischen Sinngenerierung<br />

und Identitätsbildung, die man als „Ethnozentrismus“<br />

bezeichnen kann. Die Bedrohung durch den Ethnozentrismus<br />

und seine permanente Gefahr resultieren aus kulturellen<br />

Prozessen, die problematische, störende, irritierende,<br />

unterdrückte Elemente dem Bild der Anderen zuschreiben.<br />

Indem man die negativen Elemente des eigenen Selbst in<br />

die Andersartigkeit der Anderen exterritorialisiert, wird die<br />

identitätsbildende Vorstellung vom eigenen Volk untrennbar<br />

auf die Andersartigkeit der Anderen fokussiert.


Der europäische Vereinigungsprozess ist ein bemerkenswertes<br />

Beispiel für den Versuch, diesen Ethnozentrismus zu<br />

überwinden, der durch traditionelle Konzepte von Nationalität<br />

verkörpert wird. Europäisierung kann nur dann ein<br />

überzeugendes Konzept für eine transnationale Identität<br />

werden, wenn es die zerstörerischen Elemente des exklusiven<br />

Ethnozentrismus überwindet, der die europäische Geschichte<br />

für eine lange Zeit beeinflusst und letztlich in zwei<br />

Weltkriege geführt hat. Historisches Denken kann zu dieser<br />

Überwindung des Ethnozentrismus durch die „Aufnahme<br />

der negativen historischen Erfahrungen in das Selbstbild der<br />

historischen Identität“ beitragen. Dies ist in Europa definitiv<br />

der Fall. Eines der deutlichsten Beispiele, das den deutschen<br />

Ethnozentrismus betrifft, ist die Entscheidung des deutschen<br />

Parlaments, im Zentrum der deutschen Hauptstadt ein<br />

Monument zum Gedenken an die Millionen der von Deutschen<br />

ermordeten Juden zu errichten (Kirsch 2003).<br />

Es gibt Tendenzen in anderen europäischen Nationen, in<br />

denen diese wachsende Ambivalenz in der eigenen Identitätsbildung<br />

ebenfalls beobachtet werden kann. In Schweden<br />

hat eine Studie über die europäische Dimension des Holocaust<br />

bemerkenswerte Resultate hervorgebracht (Karlsson<br />

und Zander 2003; van Vree 2002) und die Nachbarn Deutschlands<br />

haben erkannt, dass es in ihren Ländern bemerkenswert<br />

viel Kollaboration von Nicht-Deutschen mit den Nazis<br />

gegeben hat, ohne die den Nazis das ganze Ausmaß des<br />

Holocaust nicht möglich gewesen wäre.<br />

Aber nicht nur der Holocaust ist eine schwierige und herausfordernde<br />

historische Erfahrung, die aus dem historischen<br />

Selbstbild der Deutschen und ihrer Nachbarn langfristig nicht<br />

exterritorialisiert werden kann, sondern auch der europäische<br />

Imperialismus: Er wird zu einer Bürde in der europäischen<br />

historischen Identität und löst auf diese Weise das traditionelle<br />

westliche Gefühl der Überlegenheit gegenüber nichtwestlichen<br />

Zivilisationen auf. Die Katastrophe des Zweiten<br />

Weltkrieges demonstriert die verheerenden Konsequenzen<br />

exklusiver Formen von Tradition und traditioneller Identität.<br />

Niemand kann vorhersagen, wie erfolgreich die Versuche sein werden, den<br />

tief verwurzelten Ethnozentrismus in den kulturellen Praktiken traditioneller<br />

Identitätsbildung in Europa zu überwinden. Für allzuviel Optimismus gibt<br />

es wenig Anlass: Es ist nicht zu übersehen, dass der Ethnozentrismus als<br />

bedeutendes Element selbst in der akademischen Welt noch nicht ausreichend<br />

reflektiert wurde: Ein einflussreicher Spenglerismus ist in vielen Versuchen<br />

des interkulturellen Vergleichs immer noch gültig. Sehr oft werden<br />

Kulturen oder Zivilisationen als semantische Ganzheiten definiert, die nur in<br />

einer externen Beziehung zueinander stehen. In diesem Fall geht die Idee<br />

der Menschheit nicht über kulturelle Unterschiede hinaus. Vielmehr sollte<br />

sie aber die verschiedenen Traditionen in eine lebendige Kommunikation<br />

führen, in der das Erkennen von Unterschieden eine gemeinsame, alltägliche<br />

Angelegenheit ist.<br />

Der Ethnozentrismus und sein Ansatz, Welt-Kulturen und ihre wechselseitigen<br />

Beziehungen in vergleichenden akademischen Studien zu thematisieren,<br />

widerspricht eigentlich der methodischen Rationalität der Kulturwissenschaften.<br />

Er verstößt grundsätzlich gegen den Anspruch auf Wahrheit, der<br />

für alle gilt, die gemeinsam versuchen, kulturelle Unterschiede zu verstehen<br />

und zu erkennen. Dies geschieht – und das gilt wohl für eine Vielzahl von<br />

Sphären, in denen unterschiedliche Traditionen und Identitäten begründet<br />

werden und in Beziehung zueinander treten – auf der Basis universeller<br />

Gleichheit. Gerade für die akademische Welt sollte ein solcher „Geist der<br />

Vernunft“ selbstverständlich sein.<br />

Übersetzung aus dem Englischen: Heike Reintanz-Vanselow<br />

Literatur:<br />

Assmann, A.: Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer.<br />

Beiträge zur Geschichtskultur Bd. 15. Köln 1999<br />

Assmann, A.: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses.<br />

München 1999<br />

Assmann, J.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen<br />

Hochkulturen. München 1992<br />

Assmann, J.: „Collective Memory and Cultural Identity.“ in New German Critique<br />

No 65. 1995, S. 125-133<br />

Friedländer, S.: Wenn die Erinnerung kommt.<br />

Stuttgart 1979, S. 74f.<br />

Husserl, E.: Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins.<br />

herausgegeben von Heidegger, M. (Zweite Auflage) Tübingen 1980<br />

Karlsson, K., Zander, U. (Hg.): Echoes of the Holocaust.<br />

Historical cultures in contemporary Europe. Lund 2003<br />

Kirsch, J.: Nationaler Mythos oder historische Trauer?<br />

Der Streit um ein zentrales „Holocaust-Mahnmal“ für die Berliner Republik.<br />

Beiträge zur Geschichtskultur Bd. 25. Köln 2003<br />

Müller, K. E.: Das magische Universum der Identität. Elementarformen sozialen Verhaltens.<br />

Ein ethnologischer Grundriss. Frankfurt am Main 1987<br />

Rüsen, J.: „Cultural Currence. The Nature of Historical Consciousness in Europe.“<br />

in Macdonald, S. (Hg.): Approaches to European Historical Consciousness:<br />

Reflections and Provocations. Hamburg 2000, S. 75-85<br />

van Vree, F.: „Auschwitz and the Origins of Contemporary Historical Culture.<br />

Memories of World War II in a European Perspective.“<br />

in Pok, A., Rüsen, J., Scherrer, J. (Hg.): European History: Challenge for a Common<br />

Future. Eustory Serie, Shaping European History Bd. 3.<br />

Hamburg 2002, S. 202-220.<br />

113


Friedrich Achleitner<br />

114<br />

Regionalismus – Zwischen Tradition<br />

und Erfindung<br />

Die Skepsis ist berechtigt, ob es sich heute beim Thema „Regionalismus”<br />

nicht letzten Endes doch nur um eine Debatte um Scheinfragen handelt.<br />

Welchen Sinn haben regionale Begrenzungen in einer totalen Informationsgesellschaft,<br />

in einer sich mehr und mehr global organisierenden Welt?<br />

Was leisten regionale Bauformen in einer sich immer mehr gleichenden<br />

Produktions- und Dienstleistungswelt? Wird nicht das Regionale auf Folklore<br />

und damit auf den Tourismus beschränkt, auf die Darstellung und den Ausverkauf<br />

von Regionen, auf Einkleidung und die Inszenierung von „Events“,<br />

also auf eine sehr flüchtige Veranstaltungskultur?<br />

Ich möchte zu Beginn eine alte These wiederholen: Es handelt sich um den<br />

Antagonismus von regionalem Bauen und regionalistischer Architektur.<br />

Was beide trennt, ist vor allem auch eine zeitliche Distanz, ein Vor und<br />

Danach. Das regionale Bauen scheint jenen arglosen „paradiesischen“ Zustand<br />

zu zeigen, in dem die einfachen (nicht minder komplexen) Dinge<br />

ihren natürlichen Platz haben, es erscheint künstlerisch absichtslos, es orientiert<br />

sich an den Lebensumständen (der Arbeitswelt, dem Klima, den ökonomischen<br />

Ressourcen, den meist unreflektierten kulturellen Traditionen etc.),<br />

es dient dem Leben in der Region und ist oft arglos offen für das Neue,<br />

soweit es brauchbar ist, es denkt a priori rational, praktisch, ist schweigsam,<br />

an sachliche Bedingungen gebunden.<br />

Dieses regionale Bauen, fälschlich auch als anonyme Architektur bezeichnet,<br />

ist eben keine Architektur ohne Autoren, sondern es ist ein Bauen, das<br />

lange Zeit aus der architektonischen Wahrnehmung ausgeschlossen war.<br />

Natürlich kann man auch von Architektur reden, wenn man es in einem<br />

architektonischen Kontext betrachtet. Aber das ist ein anderes Thema. Und<br />

Autoren hatte die anonyme Architektur allemal, nur hatten sie als Handwerker<br />

eine andere Rolle als die Künstler in der Gesellschaft und sie wurden<br />

nicht von der „Kunstwelt“ wahrgenommen.<br />

Die regionalistische Architektur ist ein Kind des Historismus, der Verfügbarkeit<br />

über historische Formen, ein akademisches Phänomen der Wahrnehmung<br />

von baulichen Traditionen in einem architektonischen Kontext. Sie<br />

lebt von der städtischen Entdeckung der Regionen, sie kommt von außen,<br />

ist von urlaubendem und sommerfrischelndem Interesse. Die regionalistische<br />

Architektur ist die fortgesetzte Einkleidung einer Region mit vermeintlichen<br />

Formen ihrer selbst. Sie ist a priori selbstbespiegelnd, inszeniert, theatralisch,<br />

semantisch, ja narrativ und voll von Absichten, ist erprobt in der<br />

Selbstdarstellung von Ort- und Talschaften, spekulativ, kulturpolitisch und<br />

touristisch gesteuert, sie ist ein Bauen nach Stilmerkmalen und Formklischees.<br />

Die regionalistische Architektur ist aus dem Paradies, das sie im besten Falle<br />

noch verherrlicht, vertrieben.<br />

Natürlich muss ich einsehen, dass man zwar solche Gegensätze<br />

konstruieren kann, dass sie aber praktisch nicht mehr<br />

existieren, also keiner kulturellen Realität entsprechen. Wir<br />

müssen uns damit abfinden, dass auch der paradiesische<br />

Zustand, die Feier der einfachen Dinge, Konstrukte sind,<br />

Ergebnisse höchster Konzentration und geistiger Anstrengung.<br />

Die Jungfräulichkeit des absichtslosen Denkens, diese<br />

platonischen Existenzen gibt es nicht oder nicht mehr. Alles,<br />

was heute gebaut wird, findet vor dem Hintergrund unserer<br />

kulturellen Standards und höchsten Ansprüche statt. Ich<br />

begebe mich also auf das Glatteis von Verdächtigungen.<br />

Wenn auch niemand Regionen beschreiben, definieren oder<br />

gar ihre Merkmale, Grenzen, Eigenschaften, Charakteristika<br />

beschreiben kann, so existieren sie doch. Regionen können<br />

sich geographisch, ethnisch, sprachlich, religiös oder alles in<br />

einem definieren. Jeder, der in eine Region kommt – und je<br />

größer die Distanz zu seinem Herkommen ist, umso besser –<br />

nimmt diese wahr. Und was wäre ein Europa ohne seine<br />

Regionen?<br />

In den Regionen steckt auch ein subversives Element etwa<br />

gegenüber den Nationalstaaten, den kulturellen und politischen<br />

Zentren, gegenüber den oft beliebigen Grenzziehungen<br />

(über Regionen hinweg). Regionen, etwa in den Alpen,<br />

zerfallen selbst wieder in regionale Zonen, Täler zum Beispiel,<br />

und deren Bewohner können oft – gepaart mit hartnäckigen<br />

„Feindschaften“ – Dörfer einander ausgrenzen. So<br />

sind auch Regionen zufällige Produkte eines sehr komplexen<br />

zeitlichen und territorialen Gemenges. Die Art ihrer Wahrnehmung<br />

hängt nicht zuletzt von der Distanz zu ihnen ab.<br />

Der architektonische Historismus, die Aufarbeitung, Dokumentation<br />

und Bewertung der Architekturgeschichte, die<br />

Entdeckung, Beschreibung und damit auch Konstruktion<br />

von Stilen, ihre zeitliche „Verortung“ hat zu einem neuen<br />

und vor allem bewussten Umgang mit architektonischen<br />

Phänomenen geführt. Mit der Entwicklung und Konsolidierung<br />

der europäischen Nationalstaaten entstand die Frage<br />

„In welchem Style sollen wir bauen“ (Heinrich Hübsch,<br />

1828). Der Überblick und die Verfügbarkeit über historische<br />

Formen – einschließlich ihrer Transformation – haben zu


einem sehr bewussten, semantischen Umgang mit diesen<br />

geführt. Analog zur Sprachensituation diskutierte man<br />

Architektursprachen mit inhaltlichen Fixierungen und Zusammenhängen.<br />

So gesehen war eigentlich das 19. Jahrhundert,<br />

der Historismus, schon die Revolution der Moderne.<br />

Die Heimatschutzbewegungen, die sich gegen die erste<br />

Phase der Industrialisierung, der bautechnischen und typologischen<br />

Entwicklung und angeblichen architektonischen<br />

Gleichmacherei im 19. Jahrhundert wandten, haben nicht<br />

nur nationale Traditionen entdeckt – und wenn sie nicht<br />

vorhanden waren, konstruiert –, sondern auch regionale.<br />

Analog zu den zahlreichen Uniformen, die die Strukturen<br />

der Gesellschaft sichtbar machten (nicht nur im Militär),<br />

kamen die Trachten der Talschaften, der Stände und „Landmannschaften“.<br />

Analog wurde auch die regionalistische<br />

Architektur eingekleidet, so dass von Gottfried Semper bis<br />

Adolf Loos ein „Prinzip der Bekleidung“ diskutiert werden<br />

konnte.<br />

Die eigentliche Frage liegt also eher auf einer Wahrnehmungs-<br />

und Interpretationsebene: Was passt in eine Region<br />

und was passt nicht? Und solche Interpretationen sind natürlich<br />

abhängig von Denkweisen, Ideologien, politischen<br />

Absichten oder einfachen ökonomischen Interessen. Wenn<br />

eine Region für den Tourismus aufbereitet wird, werden selten<br />

echte, also meist falsche Interpretationen einer Region<br />

ins Spiel gebracht. Es werden leicht kopier- und multiplizierbare<br />

Klischees, plakative Elemente erzeugt, die mit der Vielfalt<br />

traditioneller Bauformen und -strukturen nichts mehr zu<br />

tun haben. So wurde der Regionalismus in Europa zu einem<br />

internationalen Phänomen, das – paradoxerweise – über<br />

die Regionen hinweg gerade das Gegenteil von dem produzierte,<br />

was es erreichen wollte: statt Vielfalt und kulturellen<br />

Landschaftsbezug eine öde Gleichmacherei.<br />

Deshalb geht es heute nicht mehr um die formale Interpretation von Regionen,<br />

um stilistische Einkleidung, um die Interpretation von kulturellen Situationen,<br />

sondern um ihre Erneuerung aus den heutigen Bedingungen. Die<br />

Moderne des 20. Jahrhunderts, obwohl aus einer Ablehnung des Stildenkens<br />

des 19. Jahrhunderts geboren, ist immer wieder, angefangen vom Heimatstil,<br />

Expressionismus, Funktionalismus, Internationalen Stil bis zur Post- und<br />

Spätmoderne, in die stilistische Falle getappt. Erfindungen, neue Gedanken<br />

und Entwicklungen wurden fast gleichzeitig formal repetiert, das heißt, der<br />

Historismus ist ein „systemimmanentes Phänomen“ der Moderne. Vielleicht<br />

wissen wir auch zu viel über das Medium Architektur, so dass uns immer<br />

wieder die Erinnerung einen Streich spielt, dass uns Sehgewohnheiten und<br />

das damit verbundene Zitieren den klaren Blick auf die Probleme verdecken.<br />

Außerdem sind unsere Erinnerungen in Bildern gespeichert, in Bildserien,<br />

und diese sind von ihren formalen Strukturen (also den „Stilen“) nicht zu<br />

trennen.<br />

Obwohl in Österreich, abgesehen von Tourismuszonen in den Alpen, der<br />

Begriff der Region kein aktuelles (modernes) Thema war, ist in der architektonischen<br />

Entwicklung nach 1945 eine merkwürdig vitale Regionalisierung<br />

festzustellen. Ein Impuls lag sicher in den vier Besatzungszonen von 1945-55,<br />

in denen die Besatzer – Amerikaner, Engländer, Franzosen und „Russen“<br />

(die Sowjetunion) – eine sehr unterschiedliche Kulturpolitik betrieben. Langzeitwirkung<br />

hat aber die politische Struktur Österreichs, wobei die Kulturpolitik<br />

Ländersache ist, sich also sehr unterschiedlich in den neun Bundesländern<br />

entwickelt. In vier Bundesländern gibt es Architekturhochschulen<br />

(Wien, Graz, Linz und Innsbruck), und inzwischen gibt es in allen Bundesländern<br />

sehr unterschiedlich strukturierte und benannte „Architekturhäuser“,<br />

die wesentlichen Anteil an der Erforschung, Aufarbeitung und permanenten<br />

Verbreitung von Architektur auf allen möglichen Ebenen haben. Allen Ländern<br />

gemeinsam ist, dass der Regionsbegriff ein offener, zeitzugewandter,<br />

nicht selbstdarstellerischer oder gar rückwärtsgewandter, formal inszenierter<br />

ist. Die regionalen Unterschiede entwickeln sich nicht entlang touristischer<br />

Selbstdarstellungsprogramme – so sehr dies der Tourismus beständig<br />

versucht –, sondern aufgrund der ökonomischen und kulturellen Ressourcen,<br />

unter den Bedingungen der Länder und vor allem aufgrund der personellen<br />

Aktivitäten in der Architektenschaft. Dazu gehört auch eine langsam anwachsende<br />

öffentliche Architekturrezeption (ständige Berichte in den<br />

Tageszeitungen, Ausstellungen, Besichtigung von Baustellen und sehenswerten<br />

Bauten, Atelierbesuche etc.), die in den verschiedenen Bundesländern,<br />

unseren „Regionen”, sehr unterschiedlich ausgebildet ist.<br />

115


Carl Fingerhuth<br />

Mein psychologisches Wörterbuch bezeichnet „Pubertät”<br />

als „eine Zeit der Selbstorientierung und Selbstfindung”.<br />

Sie sei verbunden mit einer „Entwicklung von Gefühlen und<br />

Intelligenz”. In der Pubertät werde nach „Zielen und Zwecken<br />

gefragt” und es komme zu einem „Nachdenken über die<br />

Sinnhaftigkeit traditioneller Rollen und Institutionen”. So<br />

scheint mir dieser Begriff hervorragend geeignet, unsere<br />

heutige Situation beim Umgang mit der ständigen Transformation<br />

der Stadt zu beschreiben. Wir erleben eine Zeit des<br />

Nachdenkens über sich verändernde Ziele der Gesellschaft<br />

und müssen neue Instrumente, Methoden und Verfahren<br />

für eine Betreuung dieser Transformation der Stadt finden.<br />

Ich möchte versuchen, dieses Nachdenken zu begünstigen.<br />

Dafür verwende ich „Zeugen”, die von Wahrnehmungen<br />

berichten, die mit meinen Vermutungen übereinstimmen.<br />

Zeuge Nr. 1: der französische Philosoph François Jullien in<br />

seinem im <strong>Jahre</strong> 2002 erschienenem Buch „Der Umweg<br />

über China – Ein Ortswechsel des Denkens”<br />

„Das Denken den Ort wechseln lassen, um andere Arten<br />

von Intelligibilität zu berücksichtigen, um durch einen<br />

Umkehreffekt die Ausgangsbedingungen der europäischen<br />

Vernunft zu hinterfragen”: So beschreibt der französische<br />

Philosoph François Jullien den Sinn seiner zwölfjährigen<br />

Studienzeit in China und Japan. In meinem Buch „Learning<br />

from China” habe ich einen ähnlichen Ansatz gewählt. Ich<br />

habe versucht, mithilfe des Taoismus einen „Ortswechsel<br />

des Denkens” zu vollziehen, um Hinweise für das Betreuen<br />

der Transformation unserer westlichen Stadt zu suchen.<br />

Ich will hier noch einen weiteren Versuch wagen, um den<br />

Diskurs über den Umgang mit der Stadt jenseits der Moderne<br />

zu fördern; wieder mit einem Ortswechsel, dieses Mal aber<br />

nicht in eine fremde Kultur, sondern mit einem Ortwechsel<br />

in Erfahrungsbereiche, die zwar direkt nichts mit der Stadt<br />

zu tun haben, aber mit den gleichen kulturellen Themen<br />

wie die Stadt konfrontiert sind – um auf diese Weise andere<br />

„Arten von Intelligibilität” zu aktivieren. Daraus ergeben sich<br />

Vermutungen für ein erfolgreicheres Betreuen der Stadt jenseits<br />

der Moderne; ich spreche ganz bewusst nicht von<br />

„planen”, sondern von „betreuen”.<br />

116<br />

Von der Pubertät der Stadt<br />

jenseits der Moderne<br />

Und ich rede bewusst provokativ von der Stadt „jenseits der Moderne”,<br />

weil ich überzeugt bin, dass gerade für den Diskurs über die Stadt die klassische<br />

Moderne zu einer schwierigen Altlast geworden ist. Die sogenannte<br />

„Europäische Stadt” gibt es als Residuum, als alte Schicht im geologischen<br />

Aufbau der Stadt. Diese Schicht muss mit Sorgfalt und Respekt behandelt<br />

werden, ohne Zweifel. Sie ist aber im ständigen Prozess der Transformation,<br />

im ständigen Wandel der Stadt heute nur noch beschränkt tragfähig. Und<br />

ihr Hauptproblem besteht darin, dass sie aggressiven Widerstand leistet gegen<br />

Bemühungen, das Denken den Ort wechseln zu lassen, andere Arten von<br />

Intelligibilität zu berücksichtigen, um durch den von Jullien skizzierten Umkehreffekt<br />

„die Ausgangsbedingungen der europäischen Stadt zu hinterfragen.”<br />

Seit zwei <strong>Jahre</strong>n werde ich zu den Sitzungen des Kölner Gestaltungsbeirats<br />

eingeladen. Ein Haupttraktandum ist immer wieder das neue Stück Stadt,<br />

das am rechten Ufer des Rheins gegenüber dem Dom im Entstehen begriffen<br />

ist. Der Ort wäre eine phantastische Chance, eine neue gemeinsame<br />

„Intelligibillität” zu entwickeln, zumindest zu erproben. Es scheint sich<br />

jedoch vorläufig nicht mehr als eine chaotische Addition autistischer Stadtbausteine<br />

auszubilden. Der Gestaltungsbeirat hatte empfohlen, möglichst<br />

rasch zumindest ein Konzept für den öffentlichen Raum des neuen Stückes<br />

Stadt zu suchen. Der Wettbewerb für die Neugestaltung des Außenraumes<br />

um den Deutzer Bahnhof soll jetzt weiterhelfen. Wenn sich dann aber zeigen<br />

sollte, dass die Messe sich eigentlich nicht für die Qualität des Zugangs zu<br />

ihrem Haupteingang interessiert und dass nach dem Bau des Hochhauses<br />

von Helmut Jahn am Deutzer Bahnhof für die zentrale Fußgängerachse<br />

Dom – Rathaus an dieser Stelle nur noch einige wenige Meter übrig bleiben,<br />

dann werden die Beschwörungen der „Europäischen Stadt” zum reinen<br />

Schlangenzauber.


Zeuge Nummer 2: der polnische Philosoph Jean Gebser in<br />

seinem 1973 erstmals publizierten Buch „Ursprung und<br />

Gegenwart”<br />

Jean Gebsers Thema ist – zusammen mit Teilhard de Chardin<br />

und Ken Wilber – die Evolution des menschlichen Bewusstseins.<br />

Er beschreibt in einer faszinierenden Berichterstattung,<br />

wie der Mensch in kontinuierlichen Schritten das<br />

Potenzial seines Bewusstseins erweitert hat. Wie dies auch<br />

in der aktuellen Wissenschaftstheorie – im Speziellen durch<br />

Thomas S. Kuhn in „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen”<br />

– gezeigt wird, erfolgt dies nicht in vielen kleinen<br />

Schritten, sondern in periodischen intensiven Transformationssprüngen,<br />

die Kuhn mit „Paradigmenwechsel” bezeichnet<br />

hat. Jean Gebser identifiziert vom Ursprung bis zur Gegenwart<br />

vier grose Paradigmen: die Archaische, die Magische,<br />

die Mytische und die Mentale Struktur. Die Mentale Struktur<br />

entspricht dem, was auch als „die Moderne” bezeichnet<br />

wird. Damit soll nicht die architektonische oder städtebauliche<br />

Moderne verstanden sein, sondern die Moderne als kulturelle<br />

Epoche. Sie beginnt für Europa vor 2500 <strong>Jahre</strong>n mit<br />

der klassischen griechischen Philosophie. Sie erhält immer<br />

wieder neue Impulse über verschiedene „Ortswechsel des<br />

Denkens” in den unterschiedlichsten Disziplinen wie der<br />

Kunst, der Wissenschaft, der Religion oder der Politik.<br />

Für mein Thema sind Jean Gebsers Texte vor allem dort<br />

interessant, wo er von der „Integralen Struktur” spricht. Er<br />

meint damit die sich jetzt in den vielfältigsten Formen manifestierende,<br />

neue Zeitepoche. Ich habe früher dafür den<br />

Begriff der Postmoderne verwendet. Er wurde jedoch im<br />

formalen Architekturdiskurs derart diskreditiert, dass er<br />

nahezu unbrauchbar geworden ist, obwohl er in der zeitgenössischen<br />

Philosophie einen festen Platz hat. Ich habe<br />

deshalb auf eine andere Bezeichnung gewechselt und<br />

schreibe von der Periode, respektive der Stadt „jenseits der<br />

Moderne”.<br />

Jean Gebser interpretiert die Phänomene unserer Zeit, ihre Interdependenzen,<br />

und zeigt ihre Bedeutung für die Zeit jenseits der Moderne. Er dokumentiert<br />

diesen Wandel in den verschiedensten Aspekten dieser neuen<br />

„Integralen Struktur”: Raum- und Zeitbezogenheit, Bewusstseinsgrad, Denkformen<br />

oder soziale Bezüge. Ich greife ein Thema heraus, das für unseren<br />

Umgang mit der Transformation der Stadt von wesentlicher Bedeutung ist.<br />

Es geht dabei um die Dimensionalität der Stadt im Bewusstsein der Menschen.<br />

Hier postulierte Gebser schon vor 50 <strong>Jahre</strong>n eine dramatische Evolution<br />

von einem dreidimensionalen in ein vierdimensionales Verständnis von<br />

Raum. Was mit Albert Einstein für die Physik jenseits der Moderne selbstverständlich<br />

geworden ist, nämlich dass sich der Raum mit der Integration der<br />

Zeit zu einem wesentlich komplexeren Phänomen erweitert, das hat auch<br />

ein radikal neues Verständnis der Stadt entstehen lassen.<br />

Im Übergang von der mythischen in die mentale (moderne) Epoche wurde<br />

aus der flachen Stadt die dreidimensionale Stadt. Sie wird zuerst in der Kunst,<br />

bei Giotto und Piero della Francesco, sichtbar. Mit der perspektivischen Darstellung<br />

des Raumes in der Malerei positioniert sich der Betrachter an einem<br />

Punkt des dreidimensionalen Raumes. Zu Beginn durften nur die Allmächtigen,<br />

die Herrscher und die Kirche, in den dreidimensionalen Raum eintreten;<br />

mit der Erfindung des Lifts und des Flugzeugs wurde die dritte Dimension<br />

gewissermaßen demokratisiert und für alle selbstverständlich.<br />

Bei der Recherche über diesen Aspekt der Moderne ist mir aufgefallen, dass<br />

praktisch alle Modelle und Visionen für die Neue Stadt der Moderne finale,<br />

dreidimensionale Vorstellungen sind: von der Zeichnung des himmlischen<br />

Jerusalems von Albrecht Dürer bis hin zu der Garden City von Ebenezer<br />

Howard, von der Vision Holleins und seinen „Stadtwolken” über Wien bis<br />

zu den Konstruktionen Buckminster Fullers. Die Dimension „Zeit” war für<br />

die Neue Stadt nicht relevant; sie war es aber auch nicht in Bezug auf die<br />

vorhandene Stadt: Diese konnte auf den Plänen ausgekratzt und in der Realität<br />

abgerissen werden.<br />

Das neue vierdimensionale Verständnis der Stadt zwingt zu neuen Visionen<br />

für die Stadt. Um sie wirksam werden zu lassen, müssen andere Instrumente,<br />

Verfahren, Methoden und Haltungen bei der Betreuung der Transformation<br />

der Stadt gefunden werden. An einem praktischen Beispiel: Die Hochtief<br />

Projektentwicklung GmbH veranstaltete einen Wettbewerb auf dem Areal<br />

der Commerzbank an der Komödienstraße in Köln. Hans Kollhoff hat den<br />

Wettbewerb nicht gewonnen, weil er klassizistische Elemente in seinen Entwurf<br />

integriert hat, sondern weil er die Geschichte und die spezielle Qualität<br />

des Ortes in Zeit und Raum ernst genommen hat. Alle anderen Teilnehmer<br />

hatten auf dem Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Dom ein großes<br />

Haus projektiert. Hans Kollhoff hat respektvoller und sorgfältiger hingeschaut<br />

und ein Ensemble von fünf Häusern vorgeschlagen, das der Morphologie<br />

dieses Ortes gerecht wird.<br />

117


Zeuge Nummer 3: der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung in seinem<br />

1928 erschienenem Buch „Psychologische Typologie”<br />

Carl Gustav Jung hat ein Leben lang über den Menschen nachgedacht und<br />

dabei immer wieder auf die Tiefe und Breite seiner Essenz aufmerksam<br />

gemacht. Immer wieder hat er auch vor der Reduktion des Menschen auf<br />

seine Rationalität gewarnt, die, wenn sie übermächtig wird, zum „Schädiger<br />

der Seele” werde. Das Denken, als eines der großen Potenziale des Menschen,<br />

darf die anderen Potenziale nicht ausgrenzen und diskrimieren. Dies<br />

ist die schwierige Seite der Moderne. Es ist auch die schwierige Seite der<br />

modernen Stadt. Die Moderne hat die Stadt demokratisiert, sie hat sich<br />

bemüht, sie zu einer sozialen Stadt zu machen, für ihre ökonomische Entwicklung<br />

günstige Voraussetzungen zu schaffen, die Mobilitätsbedürfnisse<br />

der Menschen zu befriedigen. In der radikalisierten Suche nach den letzten<br />

Grenzen des technisch Machbaren hat sie aber die Emotionalität, die Sinnlichkeit<br />

und die Spiritualität des Menschen nicht mehr ernst genommen.<br />

Nur zusammen geben diese Potenziale des Menschen „dem Ich eine Art von<br />

Grundorientierung im Chaos der Erscheinungen”, so Jung.<br />

Die Emotionalität, die Sinnlichkeit und die Spiritualität des Menschen wurden<br />

in der Moderne privatisiert und diskriminiert. Ihre Reintegration in unser<br />

kollektives Sein und damit auch in die Stadt ist aber mittlerweile zu einem<br />

wichtigen Motiv geworden. Dies zeigt sich bereits mit aller Kraft in anderen<br />

Bereichen unserer Kultur. Wir werden in den Medien – und in der Stadt –<br />

mit einer Flut von sinnlichen und emotionalen, aber zumeist groben Bildern<br />

überschwemmt. Unsere Aufgabe als Gestalter ist es, ihre Energie zu sublimieren.<br />

Die Transformation von Energie auf eine höhere Ebene ist die Essenz<br />

jeder kulturellen Anstrengung. So wie sich sexuelle Lust in Erotik und nicht<br />

in Pornographie darstellen soll, muss aus der banalen und auf Rationalität<br />

reduzierten Stadt wieder eine erotische und komplexe Stadt entstehen.<br />

Sonst wird sie nicht zur Stadt der Menschen unserer Zeit. Diese „Transformation<br />

auf eine höhere Ebene” ist ein Akt der Verfeinerung und Sublimation.<br />

Dazu braucht es im architektonischen Entwurf Sensibilität und Innovation –<br />

Qualitäten, wie sie in Köln zum Beispiel in Bauten von Heinz Bienefeld,<br />

Gottfried Böhm, Arno Brandlhuber, Bernd Kniess oder Peter Zumthor zu finden<br />

sind.<br />

Zeuge Nummer 4: der amerikanische Philosoph Ken Wilber in seinem 1979<br />

erschienenem Buch „Wege zum Selbst”, auf Englisch „No Boundary”<br />

Ken Wilber ist einer der ganz großen Universalgelehrten unserer Zeit. Er versucht<br />

seit vielen <strong>Jahre</strong>n und in vielen Publikationen, die Ansätze von Gebser<br />

und Jung zu vertiefen und sie mit östlichen Weisheitslehren zu verknüpfen.<br />

Er macht immer wieder auf die großen Spaltungen im Bewusstsein des<br />

modernen Menschen aufmerksam: zwischen Körper und Seele, zwischen<br />

Mensch und Erde. Ich bin überzeugt, dass die Reintegration der Spiritualität<br />

des Menschen eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit jenseits der Moderne<br />

geworden ist. Es geht um die wieder deutlicher werdene Ahnung von<br />

der Einheit von Körper, Seele und Geist. Weil die gebaute Stadt letztlich die<br />

Transformation gesellschaftlicher Bedürfnisse, Ziele und Träume ist, müssen<br />

auch Emotionalität, Sinnlichkeit und Spiritualität in die Gestalt der Stadt eingebracht<br />

werden.<br />

118<br />

Dies geschieht gegenwärtig auf eine sehr intensive, spezielle<br />

Art und Weise beim Thema Ökologie und Nachhaltigkeit.<br />

Der Diskurs ist aber in erster Linie von Wissenschaftlichkeit<br />

und Verrechtlichung geprägt. Der zentrale Aspekt, nämlich<br />

die Spaltung von gebauter Stadt und Natur – entsprechend<br />

der Spaltung von Körper und Geist, wird in Raumplanung,<br />

Städtebau und Architektur außerordentlich zögerlich angegangen.<br />

Häufig werden ja die Prinzipien der „Europäischen<br />

Stadt” angeführt, wenn etwa in städtebaulichen Konzepten<br />

berühmter Kollegen scharf gezogene Linien die „graue” von<br />

der „grünen” Stadt trennen, wenn im Wohnungsbau aus<br />

ästhetischen Motiven auf private Außenräume verzichtet<br />

werden soll oder mit Bebauungsdichten gearbeitet wird,<br />

die der Natur keinen Raum mehr lassen. So verstanden, ist<br />

die „Europäische Stadt” eine schwierige Altlast im Prozess<br />

zur Überwindung dieser modernen Spaltung von Stadt und<br />

Natur.<br />

Bei der Suche nach städtebaulichen Konzepten für die Voroder<br />

die Zwischenstadt, also dort, wo bis heute nur addiert<br />

und nicht strukturiert worden ist, taucht dieses Verhältnis<br />

von Stadt und Natur jedoch immer häufiger als bestimmendes<br />

Thema auf. Die Entwurfswerkstatt für die Umwandlung<br />

des Areals der Reitzenstein-Kaserne in Düsseldorf war für<br />

mich ein faszinierendes Beispiel für die Suche nach einer zeitgemäßen<br />

Vorstadt-Vision „jenseits der Moderne”. Der 1. Preis<br />

und die Empfehlung zur Weiterbearbeitung ging an das<br />

Stuttgarter Büro Auer und Weber. In ihrem städtebaulichen<br />

Konzept war der Freiraum das bestimmende strukturelle<br />

Element und die vorgesehene Wohnüberbauung wurde wie<br />

ein neues Stück Stadt behandelt. Dahinter steht jener „Ortswechsel<br />

des Denkens”, mit dem die Dogmen der „Europäischen<br />

Stadt” hinterfragt werden: Wie kann eine Neue Vor-<br />

Stadt aussehen, die sich nicht der alten Entgegensetzung<br />

von gebauter Stadt und unbebautem Freiraum bedient?


Zeuge Nummer 5: Laotse in seinem wahrscheinlich im<br />

sechsten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verfassten<br />

Text „Tao Te King”<br />

In Vers 60 des „Tao Te King” schreibt Laotse: „Eine grosse<br />

Stadt zu regieren ist wie das Braten von kleinen Fischen.”<br />

In der taoistischen Praxis heisst das: Handeln mit hoher<br />

Achtsamkeit. Damit ist für mich in ganz wenigen Worten<br />

gesagt, was die Essenz des Städtebaus ist: Aufmerksamkeit<br />

in Bezug auf die Bedürfnisse der Menschen, aber auch in<br />

Bezug auf die Qualitäten des Ortes. Wir können und müssen<br />

die Stadt nicht neu erfinden. Wir können und müssen uns<br />

aber darum kümmern, dass sie nicht dumpf und banal oder<br />

agressiv und autistisch wird. Dazu brauchen wir Innovation<br />

und Kreativität, verknüpft mit Methoden, Verfahren und<br />

Instrumenten, die für diese Haltung günstige Voraussetzungen<br />

schaffen. Das sind Methoden und Verfahren, die von einem<br />

Dialog zwischen verschiedenen Partnern bestimmt sind. Das<br />

sind Instrumente, die Produkte eines Dialoges sind, die so<br />

weit als möglich offen bleiben und nicht primär verrechtlichen,<br />

sondern Visionen konsolidieren. Ich erwähne als Beispiel<br />

ein Verfahren in Gummersbach für das ehemalige Produktionsgelände<br />

der Kesselbauschmiede Steinmüller, das<br />

im Rahmen der Regionale 2010 zum Wettbewerb „Stadt<br />

macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze” durchgeführt wurde.<br />

Mit der Umstrukturierung des Geländes verfolgt die Stadt<br />

Gummersbach das Ziel, hier einen neuen, unverwechselbaren<br />

Entwicklungsschwerpunkt zu etablieren. Der Wettbewerb<br />

war Bestandteil eines intensiven öffentlichen Prozesses,<br />

in dem die Öffentlichkeit immer wieder beteiligt und<br />

ernst genommen wurde.<br />

Ich habe im Titel unsere Situation als „pubertär” bezeichnet.<br />

Damit will ich darauf hinweisen, das wir mit radikal Neuem<br />

konfrontiert werden; Neues, das komplexer und anspruchsvoller<br />

zu sein scheint, dass aber auch auf tiefgreifende Transformation<br />

hinweist. Um die Angst und Unsicherheit über die<br />

Veränderung in Vertrauen und Mut zu Neuem zu verwandeln,<br />

braucht es in erster Linie einen intensiven Dialog zwischen<br />

den Partnern. Gestaltungsbeiräte, konkurrierende<br />

Verfahren mit klugen Preisgerichten, Auszeichnung guter<br />

Bauten, Zusammenarbeit mit den Medien sind wichtige Träger<br />

eines solchen Dialogs. Der Dialog kann aber nur entstehen,<br />

wenn zwischen den Partnern ein gegenseitiges Vertrauen<br />

existiert. Da haben sich in der Vergangenheit häufig tiefe<br />

Gräben aufgetan, die es gilt wieder zuzuschütten. Wenn<br />

zum Beispiel in einem Jahrbuch des BDA die Rede davon<br />

ist, „dass es unerlässlich sei, das Heft wieder in die Hand zu<br />

nehmen”, weil die Politik unfähig sei, die gegenwärtige<br />

Situation zu bewältigen, dann zeugt das für mich – zurückhaltend<br />

formuliert – von einem sehr überholten Verständnis<br />

der Aufgabe und Rolle des Architekten.<br />

Und schließlich die Zeugen Nummer 6 und 7: Kaiser Fuchi in seinem vor<br />

fünftausend <strong>Jahre</strong>n verfasstem „Buch der Wandlungen”, auch „I Ging”<br />

genannt, und Rem Koolhaas in seinem 1995 erschienenen Buch „S,M,L,XL”<br />

Das Hexagramm 10 Kien/Dui handelt vom Verhalten und gibt folgendes<br />

Urteil: „Auftreten auf des Tigers Schwanz. Er beisst den Menschen.”<br />

In einer neuen Übersetzung des „I Ging“ wird dieses Hexagramm folgendermaßen<br />

kommentiert: „Kosmisch verstanden bedeutet ‚einfaches Auftreten’,<br />

auf Situationen zu antworten anstatt ihr Urheber zu sein.”<br />

Oder in der Sprache von Rem Koolhaas: „Und wenn wir nun ganz einfach<br />

erklärten, die Krise existiere nicht, und unser Verhältnis zur Stadt neu definierten,<br />

um viel mehr ihre Unterstützer und einfache Subjekte als ihre<br />

Schöpfer zu sein?”<br />

Literatur<br />

Jullien, F.: Der Umweg über China. Berlin 2002<br />

Gebser, J.: Ursprung und Gegenwart. München 1988<br />

Jung, C.G.: Psychologische Typologie. Bd. 3 Typologie<br />

der elfbändigen Jung-Kassette. München 2001<br />

Wilber, K.: Wege zum Selbst. München 1986<br />

Laotse: Tao Te King. München 1996<br />

Anthony, C. K., Moog, H.: Buch der Wandlungen. I Ging. 2004<br />

Koolhaas, R.: S,M,L,XL. Rotterdam 1995<br />

119


Frauke Burgdorff<br />

In zahlreichen Veranstaltungen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> haben wir<br />

erfahren, dass die Suche nach urbaner Identität und nach den eingeschriebenen<br />

baulichen Traditionen Konjunktur hat. Sie wird flankiert von einer<br />

Diskussion, in der der so genannte traditionalistische Städtebau dem zeitgenössischen<br />

gegenübergestellt wird. Diese Auseinandersetzung ist wenig<br />

produktiv, wenn wir uns bewusst machen, dass in den kommenden <strong>Jahre</strong>n<br />

vor allem der Umbau und die Pflege unserer Städte anstehen.<br />

Diese Auseinandersetzung ist aber ebenfalls wenig hilfreich, wenn wir die<br />

zahlreichen gestalterischen und städtebaulichen Traditionen betrachten,<br />

die Bestandteil der baukulturellen Landschaft in Nordrhein-Westfalen sind.<br />

Es gibt keine eine, eindeutige Tradition auf die wir uns berufen können; es<br />

existiert keine Epoche, die als allein gültiger Maßstab gelungenen Städtebaus<br />

für die Gegenwart gelten kann.<br />

Dies wurde in Nordrhein-Westfalen früher als in anderen Regionen Deutschlands<br />

erkannt. Die historischen Parks des Niederrheins und des Rheinlandes<br />

stehen mittlerweile genauso für baukulturelle Tradition wie das Ständehaus<br />

in Düsseldorf, das Musiktheater in Gelsenkirchen, die Essener Margarethenhöhe<br />

oder die Altstadt Lemgos. Die reiche denkmalpflegerische Landschaft<br />

geht einher mit der inhaltlichen Vorreiterschaft im Feld der Industriedenkmalpflege.<br />

Gerade die Internationale Bauausstellung Emscher Park hat<br />

gezeigt, dass die behutsame Weiterentwicklung der baulichen Substanz ein<br />

wesentlicher Bestandteil der Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier<br />

und ihrer Stadt ist, dass diese aber durchaus durch zeitgenössische architektonische<br />

Formen ergänzt werden kann. Denn Städte und Quartiere, die keinen<br />

Anschluss an eine wie auch immer begründete urbane Tradition finden<br />

und die Form und das Bild der Stadt nicht respektvoll weiter entwickeln,<br />

werden ganz objektiv im Standortwettbewerb nicht erfolgreich sein.<br />

120<br />

Traditionen (er)finden<br />

Welche Maßstäbe – bewahrende oder entwickelnde, erhaltende<br />

oder pflegende – man an die Gestaltung unserer baulichen<br />

Vergangenheit anlegt, muss bei jedem Bauvorhaben<br />

im Bestand neu diskutiert werden. Diese Diskussion hat die<br />

Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> von Anfang an geführt. Dass<br />

Nordrhein-Westfalen eher vor einer diskursiven als vor einer<br />

juristischen denkmalpflegerischen Herausforderung steht,<br />

hat bereits im Jahr 2002 der Abschlussbericht der Denkmalkommission<br />

Nordrhein-Westfalen gezeigt. Die hier festgelegten<br />

Grundsätze regen eine Diskussion an und erweitern<br />

das Denkmalschutzgesetz des Landes.<br />

An dieser Stelle setzt das Kölner Projekt „Liebe deine Stadt“<br />

an. Auf private Initiative wurde gemeinsam mit vielen Partnern<br />

in der Stadt aufgezeigt, welche Bedeutung die Architekturen<br />

und Parks der 1950er <strong>Jahre</strong> in der Rheinmetropole<br />

haben und welche identifikatorische Kraft auch diese „jungen<br />

Denkmäler“ bereits heute für die Bürger der Stadt entwickeln.<br />

Eines der Lehrbeispiele für die andauernde Auseinandersetzung<br />

um Tradition und Zukunft ist das Weltkulturerbe Zollverein.<br />

Dieses Projekt wird von der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> als außergewöhnliches Laboratorium der Baukultur<br />

zwischen industriellen Traditionen und zukunftsweisenden<br />

Architekturen beobachtet und begleitet. Die Strategien und<br />

Wege, die auf Zollverein beschritten werden, um das Neue<br />

aus dem Alten zu entwickeln, werden international diskutiert<br />

und sind ein zentraler Beitrag zur Präsentation der<br />

außergewöhnlichen Baukulturlandschaft Nordrhein-Westfalens<br />

in der Welt.


In die praktische Präsentation des Zusammenwirkens von<br />

Vergangenheit und Gegenwart eingestiegen sind die<br />

„Straßen der Gartenkunst“. Die Dokumentation dieses landesweiten,<br />

dynamischen Prozesses zur Pflege, Entwicklung<br />

und Entdeckung der Gartenlandschaft in der „Blauen Reihe<br />

<strong>StadtBauKultur</strong>“ ist zu einer der am meisten nachgefragten<br />

Broschüren der Initiative geworden. Die Auseinandersetzung<br />

mit dem zunächst traditionell erscheinenden Thema<br />

und die Einbindung zeitgenössischer Gartenlandschaften in<br />

die vorhandenen Denkmäler zeigen exemplarisch, wie produktiv<br />

die Beschäftigung mit der jeweilig spezifischen Vergangenheit<br />

sein kann.<br />

Ebenfalls für die Verbindung von Tradition und Erneuerung<br />

steht die Arbeit der zahlreichen Beiräte für Stadtgestaltung<br />

in Nordrhein-Westfalen. Die lokalen Gremien, die sich im<br />

Rahmen bürgerschaftlichen Engagements immer wieder<br />

kompetent und hartnäckig in die lokalen baukulturellen<br />

Geschicke einmischen, sind eine wichtige Basis für die<br />

Anschlussfähigkeit des Neuen an die Substanz und für die<br />

Vermittlung neuer Entwicklungen in die Bevölkerung. Die<br />

Dokumentation dieser Arbeit in der „Blauen Reihe StadtBau-<br />

Kultur“ dient neuen Initiativen als Leitfaden und Entwicklungsgrundlage<br />

für eigene Aktivitäten.<br />

Und schließlich haben insgesamt zehn Partner der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> gemeinsam eine Veranstaltungsreihe entwickelt, die diese und weitere<br />

Themen der Denkmalpflege und der Entwicklung von Baukultur im Bestand<br />

aufgegriffen hat. In insgesamt sieben Städten wurde mit sieben europäischen<br />

Partnern darüber diskutiert, welche Bedeutung unterschiedliche<br />

Aspekte baukultureller Traditionen (vom Ingenieurbauwerk bis zum Ensemble)<br />

jeweils haben und welche Unterschiede im strategischen Umgang mit<br />

dieser lebendigen Tradition in den europäischen Nachbarländern zu finden<br />

sind.<br />

121


Eberhard Grunsky<br />

Im März 2000 fand im Bundestag eine Anhörung zum Thema Denkmalschutz<br />

statt. Im Mittelpunkt stand dabei ein Gutachten, das die Fraktion Bündnis 90/<br />

Die Grünen auf Initiative von Antje Vollmer bei Dieter Hoffmann-Axthelm<br />

in Auftrag gegeben hatte. Hoffmann-Axthelm forderte in seinem Gutachten<br />

„Entstaatlichung der Denkmalpflege? Eine Streitschrift“ eine Neuordnung<br />

der Denkmalpflege, die vor allem Folge einer radikalen Revision der Aufgaben<br />

sein müsse. Nicht mehr historische Substanz als Geschichtszeugnis,<br />

sondern „Schönheit als Denkmalkern“ habe im Zentrum zu stehen.<br />

Die alte Hierarchie der Baugattungen mit Kirchen und Schlössern an der<br />

Spitze müsse bei der Denkmälerauswahl wieder zur Geltung kommen, Bauwerke<br />

aus dem späten 19. und dem 20. Jahrhundert, insbesondere Industriebauten,<br />

seien aus einer zivilgesellschaftlich getragenen Denkmalpflege<br />

auszuschließen, weil sie nur bei wenigen Spezialisten Interesse fänden.<br />

Die Nähe zu anderen, an den Gesetzen des Marktes orientierten Forderungen<br />

nach einer Modernisierung der Denkmalpflege ist offensichtlich. Der Wunsch,<br />

die Denkmalpflege den Mechanismen von Angebot und Nachfrage anzupassen,<br />

hat das Konzept einer bildorientierten Denkmalpflege entstehen<br />

lassen; sie soll – im Unterschied zur international gültigen, substanzorientierten<br />

– möglich machen, auf aktuelle Bedürfnisse der Gesellschaft mit<br />

ganz neuer Flexibilität zu reagieren, gerade auch auf das Bedürfnis nach<br />

einem perfekt „historischen“ Erscheinungsbild, das jederzeit hergestellt und<br />

immer wieder verbessert werden könne.<br />

Während in anderen Bundesländern die Streitschrift kaum offizielle Reaktionen<br />

auslöste, nahm in Nordrhein-Westfalen Michael Vesper als einziger<br />

„grüner Denkmalminister“ die Initiative auf. Er lud zu einem „Denkmal-<br />

Forum“ nach Düsseldorf, um mit Antje Vollmer, Dieter Hoffmann-Axthelm<br />

und renommierten Fachleuten nach Perspektiven für den Denkmalschutz im<br />

21. Jahrhundert zu fragen. In seiner damaligen Rede betonte er: „Wir müssen<br />

die Fenster und Türen aufmachen, um uns dem Wind, manchmal nur<br />

der heißen Luft, aber eben auch dem eisigen Sturm von Modernisierung,<br />

Beschleunigung, Globalisierung, Kommerzialisierung und Internationalisierung<br />

stellen zu können.“<br />

Als Ergebnis dieser Veranstaltung wurde eine aus 20 Mitgliedern bestehende,<br />

international besetzte Kommission aus Denkmalpflegern, Stadtplanern<br />

und Architekten, Museumsexperten, Juristen, Ökologen, Kommunalpolitikern<br />

und Vertretern der Wirtschaft berufen, um Denkmalschutz und Denkmalpflege<br />

in Nordrhein-Westfalen unter die Lupe zu nehmen und ein Konzept<br />

für die Zukunft des Aufgabenfeldes zu entwickeln. Die Kommission hat<br />

122<br />

Denkmalkommission


jeweils unter der Leitung des Ministers, erstmals im Mai<br />

2001, getagt. Ihren Abschlussbericht hat sie 2002 verabschiedet;<br />

das Europäische Haus der Stadtkultur hat ihn anschließend<br />

in seiner „Blauen Reihe“ veröffentlicht.<br />

Die Kommission hat nach eingehender Erörterung beschlossen,<br />

keine Änderung des Denkmalschutzgesetzes aus dem<br />

<strong>Jahre</strong> 1980 anzuregen. Im Hinblick auf die laufende Debatte,<br />

den bestehenden Begriff des Denkmals als geschichtlich<br />

zeugnishaftes Objekt zugunsten der „Schönheit als Denkmalkern“<br />

aufzugeben, hat die Kommission ohne Wenn und<br />

Aber für den bestehenden Denkmalbegriff votiert, der sich<br />

in den letzten 150 <strong>Jahre</strong>n als Antwort auf den sprunghaften<br />

Wandel unseres kulturellen Umfeldes herausgebildet und<br />

gefestigt hat. Auch eine Unterscheidung in Denkmäler<br />

erster, zweiter oder dritter Klasse hat die Kommission deshalb<br />

eindeutig abgelehnt. Der bestehende Denkmalbegriff<br />

hat den Vorzug, dass sich Denkmäler im nachdenklichen<br />

Umgang mit ihnen als „soziales Gedächtnis“ erschließen,<br />

als unerschöpfliches Reservoir an Einsichten und Erfahrungen<br />

aus der Vergangenheit. Wenn Denkmäler in diesem Sinne<br />

als Belege dafür gesehen werden, was Menschen möglich<br />

war, sind sie auch immer neu befragbare Bezugspunkte<br />

für die Zukunft, also wesentliche Faktoren von Baukultur.<br />

Mit Blick auf die konkrete denkmalpflegerische Praxis ist von der Kommission<br />

und den dort zusammengeführten Fachdisziplinen unterstrichen worden,<br />

dass sich Probleme im Alltag der Denkmalpflege oftmals durch eine Isolierung<br />

denkmalpflegerischer Aufgaben von ihrem jeweiligen gesellschaftlichen<br />

und planerischen Kontext ergeben. Deshalb sollten bestehende, mehr<br />

oder weniger enge Verbindungen der Denkmalpflege zur Stadtplanung, zur<br />

neuen Architektur, zum Umweltschutz, zur Wirtschaftsförderung usw. gefestigt,<br />

ausgebaut und besser nutzbar gemacht werden. Daraus könnte<br />

sich, so heißt es im Bericht, eine Debatte über Baukultur im Allgemeinen,<br />

eine neue kollektive Verantwortung für Planen und Bauen im Besonderen<br />

entwickeln, bei der die Denkmäler aus ihrer passiven Sonderrolle herausfinden.<br />

Als verbindende Klammer für die unterschiedlichen Aufgaben und<br />

Interessen hat die Kommission das Leitziel der Nachhaltigkeit herausgestellt.<br />

Dies könnte eine Perspektive eröffnen, die weit über die aktuelle Praxis hinausreicht.<br />

Das Gleiche gilt für die im Bericht enthaltenen Empfehlungen zum „Denkmalmanagement“.<br />

Weil die knappe Personaldecke von Fachämtern und<br />

Denkmalbehörden kontinuierliche Baustellenüberwachungen als Instrument<br />

der Qualitätssicherung weitgehend ausschließt, empfiehlt die Kommission,<br />

Architekten, Ingenieuren, Handwerkern, Restauratoren usw. die Möglichkeit<br />

zu geben, durch spezielle Qualifikationen künftig eigenverantwortlicher<br />

arbeiten zu können und zu dürfen. Damit soll die herkömmliche, in der täglichen<br />

Praxis immer noch virulente Vorstellung überwunden werden, dass<br />

staatliche Denkmalpfleger vorgeben, was am Denkmal wie zu machen ist,<br />

und dass die „Baustellenakteure“ anschließend für die penible Umsetzung<br />

dieser Vorgaben zu sorgen haben. Für die Modernisierung der Denkmalpflege<br />

wäre es ein epochaler Fortschritt, wenn es gelänge, in der Praxis zwischen<br />

den gutachterlichen und beratenden Aufgaben der Fachämter, der<br />

Funktion der Denkmalbehörden als Genehmigungsinstanz und den speziellen<br />

Fachkompetenzen von Architekten, Ingenieuren, Handwerkern und<br />

Restauratoren präzise Trennlinien zu ziehen – damit könnte die konkrete<br />

Utopie einer gleichberechtigten und eigenverantwortlichen Arbeit aller<br />

Beteiligten bei jedem Denkmalvorhaben ein großes Stück näher rücken.<br />

Die Denkmalkommission hat in ihrem Bericht bewusst darauf verzichtet,<br />

einen Paradigmenwechsel in der Denkmalpflege zu verkünden oder zu fordern.<br />

Sie hat stattdessen, aufbauend auf den international anerkannten<br />

Grundlagen des Denkmalschutzes, weitreichende Entwicklungspotenziale für<br />

die Modernisierung der denkmalpflegerischen Praxis skizziert. Es liegt nun an<br />

den Beteiligten, diese Potenziale im Interesse einer lebendigen Baukultur<br />

auszuschöpfen.<br />

123


Udo Mainzer<br />

Im Rahmen der <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> spielt neben innovativer<br />

und kreativer Architektur sowie der Qualitätssteigerung des öffentlichen<br />

Raums namentlich die Weiterentwicklung des baukulturellen Erbes eine<br />

entscheidende Rolle. Dabei geht es vor allem um den Umgang mit dem vorhandenen<br />

Bestand im Allgemeinen und der sinnvollen Nutzung und Umnutzung<br />

von Baudenkmälern im Besonderen. Die Gründe für eine solche<br />

Schwerpunktbildung innerhalb der <strong>Landesinitiative</strong> liegen auf der Hand. Da<br />

Denkmäler fester Bestandteil jeglicher gebauter Kultur sind, kann nur deren<br />

angemessene Berücksichtigung innerhalb von Stadtentwicklungsprozessen<br />

Gewähr bieten für eine neue Kultur im architektonischen wie städtebaulichen<br />

Schaffen. Überdies sind Denkmäler offensichtlich im allgemeinen Bewusstsein<br />

am stärksten als Leistungen der Baukultur verankert.<br />

Um diesem besonderen Anliegen, der Verankerung des historischen Bestandes<br />

in zukunftsfähigen Aktivitäten von Baukultur, den erhofften Erfolg<br />

zu sichern, erschien es sinnvoll, die vor Ort verantwortlichen Entscheider in<br />

Politik und Administration für das Thema zu sensibilisieren. Diesem Ziel<br />

diente die in sieben Städten in allen Regionen des Landes durchgeführte<br />

Veranstaltungsreihe „DenkMalStadt!“, ein gemeinsames Projekt des Ministeriums<br />

für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport <strong>NRW</strong> (jetzt Ministerium<br />

für Bauen und Verkehr), des Europäischen Hauses der Stadtkultur, der Landschaftsverbände<br />

Rheinland und Westfalen-Lippe, der Architektenkammer<br />

NW, der Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong>, des Städtetages <strong>NRW</strong> und des Städte-<br />

und Gemeindebundes <strong>NRW</strong>. Projektträger war der Landschaftsverband<br />

Rheinland, der den Anstoß zu diesem Vorhaben gab.<br />

Die Adressaten der Veranstaltung waren vorrangig Ratsmitglieder anderer<br />

kommunaler Gebietskörperschaften, Bau- und Planungsdezernenten, aber<br />

auch bürgerschaftliche Initiativen und Verbände, Architekten, Ingenieure,<br />

Stadt- und Landschaftsplaner. Die Einladungen an diese Zielgruppen wurden<br />

ergänzt durch eine überregionale Öffentlichkeitsarbeit, mit der die Themen<br />

und Anliegen der einzelnen Veranstaltungen auch einem breiteren<br />

Publikum nahegelegt wurden. Es sollte ein intensiver gesellschaftlicher Dialog<br />

über das Verhältnis von Denkmalpflege und Stadtentwicklung iniitiert<br />

werden, ein Dialog, der durch die Einbeziehung von Erfahrungen aus Nachbarländern<br />

auch zu einem europäischen Dialog wurde.<br />

124<br />

DenkMalStadt!<br />

Ein europäischer Dialog über Denkmalpflege<br />

und Stadtentwicklung<br />

Seit März 2005 fanden sieben Veranstaltungen in sieben<br />

verschiedenen Städten <strong>NRW</strong>s statt, die sich im Rahmen des<br />

Gesamtprogramms jeweils einem für den Veranstaltungsort<br />

charakteristischen Aspekt von Denkmalpflege und Stadtentwicklung<br />

widmeten. Verbunden mit dem Anspruch,<br />

einen europäischen Dialog führen zu wollen, war jeder der<br />

nordrhein-westfälischen Städte eine weitere deutsche oder<br />

europäische Komplementärstadt zugeordnet, um so einen<br />

breiten Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch zu ermöglichen<br />

und Strategien, Erfolge und Misserfolge bei der Bewahrung<br />

und Weiterentwicklung des historischen Bauerbes, wie sie<br />

in anderen Regionen und Ländern gemacht werden, zu<br />

diskutieren und in <strong>NRW</strong> nutzbar zu machen. Die sieben<br />

Tandems waren Krefeld/Graz, Lemgo/Stendhal, Wuppertal/<br />

Hamburg, Münster/Krakau, Siegen/Leeds, Gelsenkirchen/<br />

Cottbus sowie Aachen/Maastricht.<br />

In den Veranstaltungen wurden sehr unterschiedliche, aber<br />

allesamt wichtige Aspekte der Wechselbeziehung von städtebaulicher<br />

Denkmalpflege und künftiger Stadtentwicklung<br />

diskutiert. In Krefeld wurde die Bedeutung von historischen<br />

Gärten und Parks für die Entwicklung der Städte thematisiert,<br />

die Veranstaltungen in Lemgo und Münster befassten<br />

sich mit der Integration neuer Architektur und neuer räumlicher<br />

Maßstäbe in das Stadtbild und den Stadtgrundriss<br />

historischer Städte, in Wuppertal wurde die Rolle von historischen<br />

Ingenieur- und Verkehrsbauwerken diskutiert. Wie<br />

Umnutzung vorhandener Substanz zum Impuls für die weitere<br />

Stadtentwicklung werden kann und wie sich generell<br />

das Verhältnis von Stadtumbau und Denkmalpflege darstellt,<br />

das waren die bestimmenden Themen der beiden Veranstaltungen<br />

in Siegen und Gelsenkirchen. Der letzte der<br />

sieben Vortrags- und Diskussionsabende fand schließlich in<br />

Aachen statt: In Aachen schließlich stand das für die Zukunft<br />

der Stadt so wichtige Wohnen in historischen Städten im<br />

Vordergrund.


DenkMalStadt!<br />

Ein europäischer Dialog über Denkmalpflege und Stadtentwicklung<br />

Die Veranstaltungsreihe hat deutlich gemacht, wie sehr trotz<br />

der zunehmenden ökonomischen und kulturellen Globalisierung<br />

das architektonische und städtebauliche Erscheinungsbild<br />

unseren Städten und Regionen nach wie vor Identität<br />

und Unverwechselbarkeit zu sichern vermag. Denkmäler<br />

sind dabei ein wichtiges Ferment für die Stadtentwicklung<br />

und zugleich ein essenzieller Wirtschafts- und Standortfaktor;<br />

Denkmalpflege ist deshalb auch Zukunftssicherung und<br />

Daseinsvorsorge. Namentlich vor dem Hintergrund der Globalisierung<br />

gewinnen die historisch gewachsenen Regionen<br />

zunehmend an Bedeutung. Deren Besonderheiten wurzeln<br />

in ihrer Kultur und Tradition. Diese beiden Elemente, die<br />

den Menschen eine lebenswichtige Orientierung geben<br />

können, erfordern, dass neben der Bewahrung geschichtlicher<br />

Baukultur auch das zeitgenössische Bauen gebotene<br />

Rücksicht nehmen muss auf das, was die kulturelle Tradition<br />

regionaler Architektur ausmacht. Ein Aufbegehren gegen<br />

eine internationale Egalisierung in der Architektur redet<br />

dabei keinesfalls einer heimattümelnden architektonischen<br />

Kleinkariertheit das Wort, sondern fordert baukünstlerische<br />

Innovationen ein, die sich einem überzeugenden gestalterischen<br />

Miteinander verpflichtet fühlen. Denn nur so kann der<br />

wachsenden Anonymität unseres Lebensumfeldes nachhaltig<br />

begegnet werden.<br />

Das baukulturelle Erbe gehört deshalb nicht der Vergangenheit<br />

an, sondern ist ein lebendiger und rücksichtsvoll fortzuschreibender<br />

integraler Bestandteil unserer Städte. Erst der<br />

Respekt vor der baulich manifesten Geschichte ermöglicht<br />

die Wahrung von Urbanität im Hinblick auf Maßstab, Identität<br />

und emotionale Bindung. Die Pflege und Weiterentwicklung<br />

des historischen Bestandes wird angesichts der<br />

sozioökonomischen und demographischen Entwicklung<br />

unserer Gesellschaft künftig eine noch bedeutsamere Rolle<br />

in der Stadtpolitik spielen müssen.<br />

125


Michael Arns<br />

Als öffentlichste aller Künste unterliegt die Baukunst naturgemäß einer breiten<br />

Beachtung und Diskussion in der Bevölkerung. Denn im Gegensatz zu<br />

den bildenden Künsten unterscheidet sich die Baukunst durch ihre Anwendungs-<br />

bzw. Funktionsbedingtheit; auch dadurch, dass jedes individuelle<br />

architektonische Gestalten öffentliche Auswirkungen hat – und zwar direkte<br />

Auswirkungen auf den Einzelnen, die Nachbarschaft, die Allgemeinheit der<br />

Bürger, auf die Stadt insgesamt.<br />

Die Stadt als soziales und kulturelles Projekt setzt ein hohes Maß an Engagement<br />

voraus. Die Qualität der Stadtgestalt wird von den Bürgerinnen und<br />

Bürgern zunehmend als Mehrwert, als Standort- und Wettbewerbsvorteil<br />

erkannt.<br />

Architektur und Stadtplanung bedürfen einer qualifizierten Beurteilung,<br />

geschichtlicher Kontinuität und bestimmter Formen der Institutionalisierung.<br />

Der Begriff „Baukultur“ beschreibt deshalb nicht nur das realisierte Objekt,<br />

sondern gleichrangig auch den gesamten Planungsprozess. In derart komplexen<br />

Verfahren gilt es, alle Beteiligten und nach Möglichkeit auch eine<br />

breite Öffentlichkeit einzubinden. Hierbei ist die Beratung und Begleitung<br />

durch qualifiziertes Fachwissen unerlässlich.<br />

Ein zentrales diskursives Instrument dazu können die so genannten „Beiräte<br />

für Stadtgestaltung“ (besser und umfassender: „Beiräte für Stadtplanung“)<br />

sein. Inzwischen haben sich diese ehrenamtlich tätigen Gremien in vielen<br />

Städten Nordrhein-Westfalens zu einem effektiven und bewährten Instrument<br />

entwickelt. Der Grundgedanke seit Einführung der ersten Gestaltungsbeiräte<br />

in <strong>NRW</strong> in den 1970er <strong>Jahre</strong>n ist nach wie vor, externes Expertenwissen<br />

und die Erfahrung von Fachleuten in kommunale Planungsprozesse<br />

einzubringen. Der Beirat kann das kommunale Planungsgeschehen auf<br />

mehrfache Weise beleben:<br />

Der Gemeinderat, seine Ausschüsse und die Verwaltung erhalten kompetente,<br />

unabhängige Beratung. Die kontinuierliche Außensicht auf interne<br />

Planungsprozesse eröffnet großzügigere Chancen, Perspektiven und Entscheidungskriterien<br />

und unterstützt deren Transparenz.<br />

Allgemein bestehen die Aufgaben von Gestaltungsbeiräten in der Diskussion<br />

und Urteilsfindung über vorgelegte Projekte mit dem Ziel, Empfehlungen für<br />

die Fachausschüsse, den Rat und die Verwaltung zu erarbeiten. Ihre Kompetenz<br />

beschränkt sich also ausschließlich auf Beratungsleistungen. Eine wünschenswerte<br />

Beratung der Architekten und Bauherren kann bei früher Vorlage<br />

eines Projektes Bestandteil des Verfahrens sein, ist aber nicht die Regel.<br />

Gerade in diesem Punkt setzen seitens der Mitglieder vieler Beiräte aktuell<br />

die häufigsten Kritikpunkte an.<br />

126<br />

Planungs- und Gestaltungsbeiräte in <strong>NRW</strong><br />

Die Beratung erfolgt sowohl zu Einzelvorhaben als auch zu<br />

städtebaulichen Projekten: Flächennutzungs- und Bebauungspläne,<br />

Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen; Hochbauprojekte,<br />

aber auch Grün- und Freianlagen, Verkehrsbauten<br />

bis hin zu Public-Design-Maßnahmen wie Stadtmöblierung,<br />

Beleuchtungs- und Leitsysteme, in Einzelfällen<br />

sogar Werbeanlagen. Entscheidend ist in aller Regel die<br />

besondere Bedeutung des Vorhabens für das Stadtbild.<br />

Empfehlungen sind weiter üblich zur Art der Planungsverfahren,<br />

zu Architektenwettbewerben. Allgemeiner Konsens<br />

ist, dass Projekte, die die Umsetzung von Wettbewerben<br />

darstellen, im Beirat nicht weiter behandelt werden.<br />

Ob die Arbeit der Gestaltungsbeiräte bzw. Beiräte für Stadtplanung<br />

erfolgreich ist, hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen<br />

und Faktoren ab, die in der Regel in einer<br />

Geschäftsordnung festgelegt sind: Auswahlverfahren, Qualifikation<br />

und Herkunft der Mitglieder des Beirates, der ihnen<br />

zugestandene Aufgabenbereich und ihre Kompetenzen, der<br />

(möglichst frühe) Zeitpunkt ihrer Beteiligung. Jede Kommune,<br />

jeder Beirat wird diese Fragen neu stellen müssen; auch<br />

wird es individuelle, lokal unterschiedliche Antworten geben<br />

können, gar müssen. Wichtigste Voraussetzung ist und<br />

bleibt aber ein positives Klima unter allen Beteiligten und<br />

das gemeinschaftlich getragene Ziel, die Baukultur in der<br />

Kommune auf ein höheres Niveau zu heben.<br />

Gestaltungsbeiräte und Beiräte für Stadtplanung sind seit<br />

der Erstgründung in Bielefeld 1975 inzwischen in 18 Großund<br />

Mittelstädten des Landes <strong>NRW</strong> etabliert – mit steigender<br />

Tendenz, zuletzt hinzu gekommen sind Beiräte in<br />

Castrop-Rauxel, Mülheim an der Ruhr und im Kreis Soest.<br />

Die Architektenkammer <strong>NRW</strong> lädt ihre Repräsentanten<br />

regelmäßig zu einem Erfahrungsaustausch ein.


Zweifellos kann es kein Patentrezept für die richtige formale<br />

Form eines solchen Gremiums geben: In die Beiräte Dortmund,<br />

Wesel und Wuppertal sind zum Beispiel ausschließlich<br />

externe Architekten berufen worden. Dies mag in Einzelfällen<br />

Voraussetzung für eine höhere Qualifikation bedeuten,<br />

stärkt auf jeden Fall aber die Unabhängigkeit des Beirates<br />

von lokalen politischen und wirtschaftlichen Zwängen und<br />

somit auch die Akzeptanz für die Kollegenschaft. Die übrigen<br />

<strong>NRW</strong>-Beiräte setzen sich in aller Regel aus Fachkollegen<br />

der jeweiligen Stadt zusammen (mit einigen Ausnahmen),<br />

entsprechend ihrem traditionellen Verständnis für ein<br />

bürgerschaftliches Engagement für „ihre“ Stadt. Als Argumente<br />

für dieses Besetzungsverfahren werden oft eine bessere<br />

Ortskenntnis und größere Bürgernähe genannt; auch<br />

Kostengründe sprechen dafür, da eine nicht entschädigte,<br />

ehrenamtliche Beratungsleistung von Externen schwerlich<br />

zu erwarten ist. Günstig für die Zusammenarbeit wirkt sich<br />

das Einbeziehen von Fachleuten aus den Bereichen Landschaftsarchitektur,<br />

Denkmalpflege oder Kunst aus – wenn<br />

das Gremium nicht zu groß wird und arbeitsfähig bleibt.<br />

Die Erfahrung zeigt: Aktive Gestaltungsbeiräte können eine verstärkte Aufmerksamkeit<br />

lokaler Medien für städtebauliche Fragen bewirken, die öffentliche<br />

und politische Diskussion fördern und die lokalen Politiker langfristig<br />

sensibilisieren. Sie sind insofern auch ein Beitrag zur Kommunikationskultur<br />

einer Stadt. Zwar können Spitzenleistungen<br />

nicht erzwungen, „Wildwüchse“ aber (wenn<br />

nicht verhindert) zumindest gemildert werden.<br />

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen empfiehlt allen Kommunen<br />

und Landkreisen, das Instrument „Planungsbeirat“ für sich zu entdecken<br />

und zu nutzen. Hier bietet die Architektenschaft an, ihr Fachwissen im Interesse<br />

der Region kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der Beirat gibt einen<br />

Rat – kein demokratisch legitimiertes Gremium muss diesen annehmen,<br />

aber: Es kann sich davon anregen lassen. Davon kann die regionale Baukultur<br />

nur profitieren!<br />

127


Merlin Bauer<br />

128<br />

Die Kampagne „Liebe deine Stadt“


Die Diskussion um den Fortbestand von Bauten der Nachkriegsmoderne<br />

wird in diesem Land vielerorts geführt. Häufig argumentieren Lokalpolitiker,<br />

neue Bauvorhaben hätten die Aufwertung der Innenstädte zur Folge. Mit<br />

diesem Argument wurde in Köln im Jahr 2002 die Josef-Haubrich-Kunsthalle<br />

mit dem angegliederten Gebäude des Kölnischen Kunstvereins gegen große<br />

Widerstände vieler Bürger abgerissen. Ein Neubau wird an dieser Stelle folgen.<br />

Knapp zwei <strong>Jahre</strong> später stand das nächste öffentliche Gebäude zur Disposition.<br />

Die Lokalpresse forcierte die Diskussion um den Abriss des Opern-Ensembles<br />

von Wilhelm Riphahn, das an anderer Stelle durch einen modernen<br />

Neubau ersetzt werden sollte, um damit das Ansehen der Stadt zu mehren.<br />

Diese Debatte sollte zum Ausgangspunkt eines Projekts in Köln werden, das<br />

im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung daran erinnert, dass Gebäude<br />

Bedeutungsträger sind.<br />

Was genau lieben die Kölner eigentlich an ihrer Stadt? Den Karneval, das<br />

Kölsch, ihr Veedel, die Brauhäuser, die Sprache und natürlich die Kölner<br />

selbst – also vor allem die Atmosphäre. Atmosphäre ist flüchtig, in Köln<br />

aber ist sie beständig. Das vermeintlich Dauerhafte einer Stadt, nämlich das<br />

Gebaute, aber ist flüchtig und befindet sich in einem ständigen Prozess.<br />

Wenn man das Verhältnis der Kölner zu ihrer gebauten Stadt betrachtet,<br />

scheint es sich auf den Dom zu beschränken. Der Dom wird geliebt, vielleicht<br />

noch die romanischen Kirchen und das Römisch-Germanische Museum.<br />

Doch hier endet oft die Identifikation.<br />

„Liebe deine Stadt“ will den Blick für die jüngere Geschichte des Prozesses<br />

schärfen und widmet sich der Architektur der 1950er und 1960er <strong>Jahre</strong>. Das<br />

Projekt versucht, das Selbstbewusstsein, das Köln in Bezug auf seine Atmosphäre<br />

und die in ihr lebenden Menschen besitzt, auf Köln als gebaute Stadt<br />

zu übertragen. Köln ist stolz auf seinen Liberalität, seine Warmherzigkeit<br />

und seinen Optimismus. Und genau diese menschlichen Werte sind auch in<br />

den Gebäuden wiederzufinden.<br />

„Man muss die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen bringen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt.“<br />

Karl Marx, zitiert nach Bazon Brock: Der Hang zum Gesamtkunstwerk, (Katalog) Aarau und Frankfurt a.M.,1983<br />

„Liebe deine Stadt“ wird über einen Zeitraum von zwei <strong>Jahre</strong>n herausragende<br />

Gebäude der 50er, 60er und 70er <strong>Jahre</strong> mit einer überdimensionalen<br />

Preisschleife auszeichnen. In regelmäßigen Abständen findet eine Preisverleihung<br />

statt, zu der ein Laudator sich der Frage nach der Kölnischen Identität<br />

stellt. Bisher sind u.a. der Architekt Hans Schilling, Kasper König, Bazon Brock<br />

sowie der Kölner Diözesanbaumeister Martin Struck als Laudatoren aufgetreten.<br />

Ausgezeichnet wurden zum Beispiel das Ensemble Hotel- und Parkgarage<br />

an der Cäcilienstraße, das Afri-Cola-Haus an der Turinerstraße und<br />

das Haus Wefers an der Burgmauer. Am Ende des Projektes soll ein Parcours<br />

entstehen, der die Kraft und Vielschichtigkeit dieser Gebäude verdeutlicht.<br />

„Liebe deine Stadt“ wird von zahlreichen Galerien und Institutionen unterstützt,<br />

wie der Galerie Monika Sprüth, der Galerie Daniel Buchholz, der Galerie<br />

Christian Nagel, der Galerie Frehrking Wiesehöfer, der Galerie Gabriele<br />

Rivet, dem Museum Ludwig, der Imhoff-Stiftung, dem Kölnischen Kunstverein<br />

und dem Kulturamt der Stadt Köln. Als Projektträger fungiert ein gleichnamiger<br />

Verein, gegründet von Künstlern, Kulturproduzenten und Architekten.<br />

„Liebe deine Stadt“ ist ein Projekt von Merlin Bauer in Zusammenarbeit<br />

mit Anne-Julchen Bernhardt, Manu Burghart, Robert Elfgen, Albrecht Fuchs,<br />

Veit Landwehr, Jörg Leeser und Tom May.<br />

129


Hans-Dieter Collinet<br />

Eine zivile Gesellschaft zeichnet sich durch die kritische Reflexion im Umgang<br />

mit ihrem kulturellen Erbe aus. Diese Fähigkeit – auch in der kulturellen Auseinandersetzung<br />

mit aktuellen sozioökonomischen Prozessen wie dem vielgestaltigen<br />

Strukturwandel – formt ihr kulturelles Profil, ihre Identität, vor<br />

allem in Konfliktsituationen. Mit dem Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes <strong>NRW</strong> 1980 erlangte zwar die Bau- und Bodendenkmalpflege<br />

schon sehr früh ein hohes Ansehen und eine breite öffentliche Akzeptanz, die Gartendenkmalpflege<br />

aber musste um ihre Rolle erst noch kämpfen. Der Wert des Gartens als Kunstwerk und Objekt der<br />

Geschichte wurde immer wieder durch gesellschaftliche Interessen für opportune Nutzungen oder durch<br />

einseitige ökologische Maximen zurückgedrängt. Das gartenkulturelle Erbe in unserem Land schien fast<br />

in Vergessenheit zu geraten, denn die gestalterische Idee der Raumkunst mit der Natur kann man nur so<br />

lange erkennen, wie man sie pflegend und hegend erhält. Und genau das war in den „wachsenden<br />

Monumenten“, wie der Landeskonservator Prof. Mainzer sie bezeichnet hat, in den letzten beiden Jahrzehnten<br />

der Biotopisierung unserer Um- wie Gedankenwelt fast verpönt. Vernachlässigung, Verwahrlosung<br />

und schließlich Entwertung waren dann die logische Folge. Dabei hat doch beides, das Ökologische<br />

wie das Ästhetische, seine Rechtfertigung, ja seinen Sinn. Wir leben mehr in einer von Menschenhand<br />

geschaffenen Kulturlandschaft als in einer natürlichen Landschaft. Und für die Kulturlandschaft sind wir<br />

selbst verantwortlich: für ihren ökologischen Wert, aber auch für ihr Bild. Das unverwechselbare typische<br />

Stadt- und Landschaftsbild erst ermöglicht Wertung und Auseinandersetzung, schafft Identität oder<br />

Heimat. Vor allem dort, wo neue Räume etwa im Zuge des Strukturwandels entstehen, sind wir aufgefordert,<br />

den Gestaltungsauftrag anzunehmen.<br />

Dies war das Leitmotiv der Internationalen Bauausstellung Emscher Park im<br />

nördlichen Ruhrgebiet. Sie führte in den 1990er <strong>Jahre</strong>n ingeniös Natur mit<br />

Kunst und Industriebaukultur synergetisch zusammen. Sie knüpfte aus einem<br />

tiefen ökologischen Anliegen an die Tradition des Gestaltungswillens<br />

europäischer Gartenkunst und Landschaftskultur mit einer eigenen, der Zeit<br />

und dem Raum gemäßen Übersetzung an. Kommuniziert wird der 320 qkm<br />

große Emscher Landschaftspark, das größte Landschaftsbauwerk unserer<br />

Zeit, über herausgehobene, gestaltete Orte. Kunst ist an diesen Orten nicht<br />

additives Beiwerk, sondern – als Landmarken überhöht – Wächterin dieser<br />

neuartigen Industriekulturlandschaft. Der Emscher Landschaftspark ist ein<br />

weltweit beachtetes Beispiel einer gelenkten Rückeroberung der Stadt durch<br />

die Natur in einer schrumpfenden Industrieregion – selbst dort, wo „Urwald“<br />

geplant ist. Er wird zum stadträumlichen Rückgrat des Strukturwandels im<br />

Ruhrgebiet. Mit den Routen der Industrienatur und Industriekultur wird diese<br />

künstlerische Transformation einer Industrielandschaft zum Alleinstellungsmerkmal,<br />

zur Basis eines umfassenden touristischen Konzeptes für das<br />

nördliche Ruhrgebiet; einer Region im Übrigen, in der Tourismus bis vor<br />

wenigen <strong>Jahre</strong>n noch ein Fremdwort war.<br />

130<br />

Gartenkunst in <strong>NRW</strong><br />

Zur Kultur des gestalteten Freiraums


Der Dreiklang aus der kulturellen, städtebaulichen und touristischen Dimension<br />

von Garten- und Landschaftskunst zieht sich denn auch wie ein roter<br />

Faden durch die REGIONALEN „Kultur- und Naturräume in <strong>NRW</strong>“, die, aus<br />

der IBA abgeleitet, seit dem Jahr 2000 alle zwei <strong>Jahre</strong> in verschiedenen Teilregionen<br />

des Landes durchgeführt werden. In allen REGIONALEN wurden<br />

und werden die kulturlandschaftlichen und gartenkünstlerischen Schätze in<br />

die regionale Thematik eingebunden und im Geist der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong><br />

<strong>NRW</strong> für stadträumliche Qualifizierungs- und touristische Profilierungsstrategien<br />

– auch über das jeweilige Präsentationsjahr hinaus – genutzt. Das gartenkulturelle<br />

Erbe, in <strong>NRW</strong> gibt es allein 3000 bis 5000 potenzielle Gartendenkmäler,<br />

und das Grün als Teil des öffentlichen Raumes in der Stadt sind<br />

seither wieder stark in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Was man schätzt,<br />

das schützt man auch.<br />

Als ein zentrales Strategieelement ist gemeinsam mit dem Tourismusverband <strong>NRW</strong>, den beiden<br />

Landschaftsverbänden und den regionalen Akteuren das Konzept der vier regionalen<br />

„Straßen der Gartenkunst in <strong>NRW</strong>“ entwickelt worden. Diese Bemühungen sind eingebunden<br />

in das Interreg-Projekt „European Garden Heritage Network“ um das Zentrum für Gartenkunst<br />

und Landschaftskultur Rheinland der Stiftung Schloss und Park Dyck als Leadpartner<br />

und weiteren Partnerregionen in Mittelengland und Westfrankreich. Unter den vier europäischen<br />

Themen „Geschichte der Gartenkunst“, „Gärten berühmter Persönlichkeiten“, „Fruchtbare<br />

Gärten“ und „Zeitgenössische Gärten“ werden die regionalen Routen in Frankreich im<br />

westlichen Loire-Tal, in Großbritannien in den Provinzen Surrey, Sommerset und Cheshire<br />

sowie die Routen in <strong>NRW</strong> zusammengestellt.<br />

Als erste Route in <strong>NRW</strong> ist die „Gartenroute der kulturellen<br />

Ereignisse“ in Ostwestfalen-Lippe (OWL) im Juni 2005 eröffnet<br />

worden, in deren Mittelpunkt das Gartenreich OWL mit der<br />

jährlich wieder kehrenden Kulturreise „Wege durch das<br />

Land“ steht. Danach folgen die Route der „Gärten in der<br />

Münsterländer Schloss- und Parklandschaft“, deren Idee im<br />

neuen Museum im Tiergarten von Schloss Raesfeld einfühlsam<br />

erklärt wird, die Route der „Parks und Gärten als Elemente<br />

von Städtebau und regionaler Identität“ im Ruhrgebiet<br />

– im Spannungsfeld zwischen der gartenkünstlerischen<br />

Transformation einer Industriebrache in Duisburg-Meiderich<br />

und dem Eroberungsprozess der Natur auf der Kokerei Hansa<br />

in Dortmund – und schließlich die grenzüberschreitende<br />

Route zwischen Maas und Rhein „Ein- und Ausblicke in Garten,<br />

Architektur und Landschaft“ im Rheinland um die Stiftungen<br />

Schloss und Park Dyck und Schloss und Park Benrath<br />

in Düsseldorf mit dem eindrucksvollen Museum der Europäischen<br />

Gartenkunst. Beide Stiftungen haben jüngst in Partnerschaft<br />

mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen<br />

Hochschule Aachen und der Heinrich-Heine-Universität in<br />

Düsseldorf das Internationale Institut der Gartenkunst und<br />

Landschaftskultur zur gradualen wie postgradualen Ausbildung<br />

von Landschaftsplanern und Gartendenkmalpflegern<br />

gegründet. Die Wiederentdeckung der Gartenkunst in <strong>NRW</strong> ist also kein „nur“ denkmalpflegerisches<br />

Thema: Der Blick in die gartenkünstlerische Vergangenheit des Landes, aber auch die Auseinandersetzung<br />

mit zeitgenössischen Gärten sind verbunden mit der Aufforderung, die<br />

künftigen Chancen in den freiwerdenden Räumen einer sich wandelnden Stadtlandschaft zu<br />

erkennen und sie mit einem hohen Gestaltungsanspruch für mehr Qualität und Qualitätsbewusstsein<br />

in Stadt und Landschaft zu nutzen. Diese neu entstehenden und neu gestalteten<br />

Freiräume formen gemeinsam mit dem schon vorhandenen gartenkulturellen Erbe die künftige<br />

kulturelle Identität des „Gartenlandes <strong>NRW</strong>“.<br />

131


Roland Weiss<br />

Die industrielle Kulturlandschaft Zollverein trägt seit dem 14. Dezember 2001<br />

als erster und einziger Ort im Ruhrgebiet den Ehrentitel eines UNESCO-Weltkulturerbes.<br />

Schon in der Einleitung des Aufnahmeantrags formulieren die<br />

Autoren bezüglich der Schachtanlage XII: „Auf diese Weise entstand die<br />

damals größte Zechenanlage als technische, baukulturelle und organisatorische<br />

Spitzenleistung des deutschen Steinkohlebergbaus.“<br />

Die Rolle Zollvereins für den gesamten Essener Norden, der sich seit 1847<br />

um die Zechen und Kokereien herum entwickelte, lässt sich damit jedoch<br />

nur skizzenhaft erfassen.<br />

Die stadtlandschaftlich prägenden Zechentürme waren nur die sichtbaren<br />

Zeichen des unterirdischen „Grubengebäudes“, das in seiner Ausdehnung<br />

um ein vielfaches größer ist als die noch vorhandenen Übertage-Anlagen.<br />

Die unterirdische Ausdehnung über die Stadtgrenzen hinaus zeigt die Handlungslogik<br />

des Bergbaus, die heute aktueller nicht sein kann. Wirtschaftliche,<br />

soziale und technische Logik orientierten sich nicht an kommunalpolitischen<br />

Grenzen, sondern an der Geologie der Kohle, den Transportwegen<br />

und der Verfügbarkeit von Grund und Boden. Der Zusammenhang von Kohlevorkommen<br />

und Industrieansiedlung, der den Ursprung des Ruhrgebiets<br />

darstellt, füllt meterweise Bibliotheksregale. Die vorhandenen Anlagen,<br />

Straßen, Siedlungen erzählen bildreich die Geschichte der Region. Aber sie<br />

sind auch gleichzeitig der Raum, in dem sich die Zukunft entwickelt.<br />

Die zukünftigen Entwicklungen haben, wie vor mehr als 150 <strong>Jahre</strong>n, ihren<br />

Ursprung auf dem Zollverein-Areal. Ihre Reichweite hingegen ist nicht mehr<br />

nur lokal oder regional, sondern europäisch. Das gemeinsame Engagement<br />

der Europäischen Union, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt<br />

Essen zeigen diese politische Dimension. Die baukulturelle Aufgabe besteht<br />

darin, nicht nur das Gelände infrastrukturell für eine zukünftige Nutzung zu<br />

erschließen, sondern auch eine programmatische Orientierung der Entwick-<br />

132<br />

Zollverein<br />

Symbol im Wandel und Erbe für die Zukunft<br />

lung anzubieten, die den komplexen Bedürfnissen verschiedener<br />

Nutzergruppen einen attraktiven Rahmen bietet. Vier<br />

Strukturelemente des Zukunftsstandortes Zollverein werden<br />

bis 2007 die weitere Entwicklung zu einem Wirtschaftsstandort<br />

mit Fokus auf Architektur, Design und Kultur unterstützen:<br />

- Die „Zollverein School of Management and Design“, mit<br />

ihrem von dem japanischen Büro Sanaa entworfenen<br />

34 m x 34 m Kubus greift das architektonische Thema<br />

Zollvereins auf und bietet eine zukunftsorientierte Qualifizierungsplattform<br />

für zeitgemäßes Management designorientierter<br />

Unternehmen und Organisationen.<br />

- Die Kohlenwäsche als größtes Gebäude der Anlage wird<br />

nach den Plänen von Rem Koolhaas (OMA) und Heinrich<br />

Böll und Hans Krabel zu einer Ausstellungsfläche für die<br />

ENTRY 2006, einem internationalen Forum für Design<br />

und Architektur, umgestaltet. In fünf Bereichen werden<br />

die Zukunft des Wohnens, Benutzens, Berührens, Erholens<br />

und Erlebens in der postindustriellen Gesellschaft<br />

thematisiert.<br />

- Nach der ENTRY wird 2007 das Ruhrmuseum als naturund<br />

kulturhistorisches Gedächtnis der Region das Gebäude<br />

der Kohlenwäsche nutzen. Erweitert wird dieses Angebot<br />

durch ein touristisches Besucherzentrum, ein Portal für<br />

die Besucher der gesamten Region.<br />

- Das vierte Element, die „designstadt zollverein“, steht als<br />

Entwicklungsfläche für Unternehmensansiedlungen zur<br />

Verfügung und ist eine ideale Ergänzung zur Umnutzung<br />

der Bestandsgebäude.


Das von Lord Norman Foster umgestaltete Kesselhaus beherbergt<br />

mit dem Design Zentrum Nordrhein Westfalen<br />

eine international bekannte Institution, die schon seit 1997<br />

Zollvereins außerordentliche architektonische Atmosphäre<br />

nutzt, um mit dem „Red dot“-ausgezeichnete Produkte zu<br />

präsentieren. Im PACT (Performing Arts Choreographisches<br />

Zentrum <strong>NRW</strong> – Tanzlandschaft Ruhr), das in einer Waschkaue<br />

sein Heim gefunden hat, wird zeitgenössische Bühnenund<br />

Tanzkunst entwickelt und inszeniert.<br />

Die vier Zukunftsbausteine – ENTRY, Ruhrmuseum, Designstadt<br />

Zollverein und Zollverein School – werden quintessenziell<br />

durch viele museale und kreative Angebote ergänzt.<br />

Tradition und Innovation verbinden sich zu einer einmaligen Atmosphäre<br />

von Kreativität. Die baulichen und institutionellen Elemente des Wandels<br />

auf Zollverein werden wiederum ergänzt durch vielfältige Veranstaltungen<br />

wie Konzerte, Kongresse, Kulturveranstaltungen und Events.<br />

Fritz Schupp, einer der beiden Architekten der Anlage, formulierte schon<br />

1930 etwas, das heute, 75 <strong>Jahre</strong> später, wie ein Schlüssel zum Verständnis<br />

der neuen Rolle Zollvereins verstanden werden kann: „Wir müssen erkennen,<br />

dass die Industrie mit ihren gewaltigen Bauten nicht mehr ein störendes<br />

Glied in unserem Stadtbild und in der Landschaft ist, sondern ein Symbol<br />

der Arbeit, ein Denkmal der Stadt, das jeder Bürger mit wenigstens ebenso<br />

großem Stolz dem Fremden zeigen soll wie seine öffentlichen Gebäude.”<br />

133


134


Baukultur persönlich<br />

135


der garten der erinnerungen – ein ort der freiheit,<br />

ein ort zum tief durchatmen,<br />

ein ort, an dem sich der schritt, die haltung, die bewegung ändern,<br />

ein ort, an dem die energie fließt, die gedanken andere richtungen nehmen,<br />

ein ort der erhabenheit und des zerbrechlichen,<br />

ein fundamental säkularer raum der verinnerlichung,<br />

ein ort der ehrfurcht vor geschichte und ihrer bescheidenheit zugleich,<br />

ein ort der relativität, der uns die möglichkeit gibt, uns in ständiger bewegung zu verorten<br />

Söke Dinkla<br />

Garten der Erinnerungen,<br />

Duisburg<br />

136


Dieser Ort steht wohl exemplarisch für unzählige seinesgleichen im Land. Einst Edeka-Supermarkt, dann türkischer Gemüseladen, verfiel das Ladenlokal mit<br />

dem wunderbaren Blick auf den Schlossgarten in einen Dornröschenschlaf. „Unvermietbar“, so hieß es. Wir küssten es wach! H20 – nun ist es ein urbaner<br />

Salon, ein Showroom, ein Büro, eine Galerie, manchmal ein Club oder auch ein Café. Ein Raum, der uns geradezu auffordert, ihn immer wieder neu zu beschreiben.<br />

Ein Optionsraum für den unerwarteten Zwischenfall, das Splittern und Klirren des Augenblicks oder auch nur die Merkwürdigkeiten des Alltags.<br />

Marc Günnewig, Fabian Holst, Jan Kampshoff<br />

H20, Münster<br />

137


138<br />

Mein Ort ist das Rheinufer,<br />

den großen Fluss im Blick<br />

und die altehrwürdige<br />

Tonhalle, die mir als Musikmacher<br />

natürlich sehr viel<br />

bedeutet, im Rücken.<br />

Der Rhein gibt mir das<br />

Gefühl, nicht in der Stadt<br />

gefangen zu sein und<br />

immer wieder neue Orte<br />

erreichen zu können.<br />

Eigentlich ist es schade,<br />

dass die Düsseldorfer den<br />

Rhein nur aufsuchen, um<br />

sich zu entspannen – und<br />

nicht, um über den Rhein<br />

in andere großartige Städte<br />

zu reisen.<br />

Das Rheinufer ist ein Ort,<br />

um den uns viele auswärtige<br />

Besucher beneiden;<br />

er könnte für mich aber<br />

noch sehr viel mehr bieten,<br />

nämlich eine tolle, öffentliche<br />

Plattform für Jugendkultur<br />

in Düsseldorf.<br />

Zwischen all den Inlineskatern<br />

und Rasensportlern<br />

ist da Platz genug für mehr<br />

Kultur am Rhein!<br />

Henry Storch<br />

Rheinufer, Düsseldorf


Ein architektonisches Highlight der Bauhaus-Epoche setzt in Oberhausen entlang der Essener Straße Akzente:<br />

Der klassische Verwaltungsbau – ein architektonisches Denkmal aus dem <strong>Jahre</strong> 1913 – zeugt von der Großindustrie<br />

vergangener Zeit. Heute bildet das Ensemble um das von Carl Weigle erbaute ehemalige Thyssen-<br />

Werksgasthaus ein Entree zur Allee der Industriekultur. Historischer Charme ergänzt sich durch zeitgemäße<br />

Architektur der Pariser Architekten Reichen et Robert. In der Blütezeit der Montanindustrie war der Traditionsbau<br />

eine Begegnungsstätte, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park sensibel<br />

umgebaut und sinnvoll erweitert wurde, schließlich zu einem modernen Dienstleistungsstandort<br />

erwuchs. Das gestalterisch wie funktional gelungene Projekt um den historischen Kern stellt heute eine prägende<br />

Landmarke dar und gleichzeitig bildet die gebogene Form des Neubaus den Ausgangspunkt für die<br />

städtebauliche Spiralstruktur des Gesamtprojektes Neue Mitte Oberhausen.<br />

Burkhard Ulrich Drescher<br />

Technologiezentrum Umweltschutz TZU, Oberhausen<br />

139


Der Ort, an dem ich bin, ist mein Schreibtisch. Hier bin ich in der Gegenwart; umgeben von Räumen, Gebäuden, Landschaft. Getragen von der Geschichte, die<br />

ich erleben und mitgestalten durfte. Meine Augen sehen die Architekturen von Bruno Reichlin, Santiago Calatrava, Johannes Schilling und David Chipperfield, eingebunden<br />

in die Landschaft von Peter Wirtz: der Campus von Ernsting’s family in Coesfeld-Lette.<br />

Meine Gedanken gehen in die Zukunft: Die nächsten drei <strong>Jahre</strong> sind exakt geplant, weitere sieben <strong>Jahre</strong> sind gut vorstellbar. Danach beginnen Ideen, die sich zu<br />

Visionen entwickeln. Grundgedanke aller Zukunftspläne ist Optimismus, ist Vertrauen in die eigene Gestaltfähigkeit und Freiheit.<br />

Der Ort, an dem ich bin, ist unser Campus, ist Ernsting’s family, ist unsere Familie. Hier leben und erleben wir Gegenwart und gestalten die Zukunft. Wir, das sind<br />

alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Unternehmens, meine Frau und ich, unsere Kinder und Enkelkinder, alle Menschen, die mit uns Kontakt haben, die<br />

uns vertrauen und mit uns leben. Und dieser Campus gibt uns den Raum zu diesem Leben, das uns glücklich macht, das uns Freude bringt. Dafür sind wir dankbar<br />

– auch und besonders den Architekten.<br />

Kurt Ernsting<br />

Campus Ernsting’s family, Coesfeld-Lette<br />

140


Ein gelungenes Werk ist, wenn man nichts mehr wegnehmen kann!<br />

Die Insel Hombroich – ebenso wie die Raketenstation Hombroich – leisten einen einzigartigen Beitrag zur Baukultur.<br />

Architektur, Kunst und Landschaft treten in einem angenehmen Gleichgewicht auf.<br />

Die Landschaft ist in ihrer natürlichen Erscheinung erhalten. Nur an ausgewählten Orten wird durch Hinzufügung<br />

von künstlichen Landschaftselementen die Erlebnisfähigkeit der Natur unterstrichen.<br />

Die Architektur ergänzt – ganz selbstverständlich – die Landschaft mit einfachen Kuben und reduzierter Materialität.<br />

Überzeugende Proportionen und Lichtführungen verschaffen den Innenräumen eine<br />

überraschende Erlebniskraft.<br />

Die Kunst, insbesondere auch die Mischung aus benutzbarer und wahrnehmbarer<br />

Kunst, kann in diesen klaren Räumen genauso wie in der Landschaft ihre volle Wirkung<br />

entfalten. Dabei ist die Kunst sogar zum Anfassen.<br />

Die gleichberechtigte Parallelität und das selbstverständliche Zusammenwirken dieser<br />

drei „Kulturen“ – ohne überzogene Ambitionen und zwanghafte Inszenierungen –<br />

machen diesen Ort zu etwas ganz Besonderem. Wenn die Gesetzmäßigkeiten eines<br />

überzeugenden Raumerlebnisses so einfach sind, warum schaffen wir es eigentlich<br />

nicht, diese Regeln verstärkt in der Gestaltung unserer Umwelt anzuwenden?<br />

Christa Reicher<br />

Insel Hombroich, Neuss<br />

141


Baukultur in <strong>NRW</strong> – das sind für mich vor allem die monumentalen Industrieanlagen, denen die Künste einen neuen Sinn gegeben haben. Am meisten fasziniert mich<br />

die ehemalige Waschkaue auf dem Gelände des Weltkulturerbes Zollverein. Mit der Stilllegung der Zeche 1986 entwidmet, beherbergt das fast hundertjährige zweigeschossige<br />

Backsteinhaus seit 2000 PACT Zollverein, das Choreographische Zentrum <strong>NRW</strong>. Hier hat die Tanz-Avantgarde ein inspirierendes Ambiente gefunden. Das<br />

Gebäude, das von Prof. Christoph Mäckler mit großem Einfühlungsvermögen revitalisiert wurde, bringt eine besondere Begabung für die Neunutzung mit. Seine langen<br />

Gänge ermöglichen – heute wie damals – den schrittweisen Übergang von der Arbeit zur Muße und umgekehrt. Sie erzeugen eine meditative Ruhe, die mir der Ort trotz<br />

seiner Lebendigkeit mitteilt. Die Bühnenscheinwerfer nehmen den Platz der Metallkörbe ein, in denen die Bergleute ihre Freizeitkleidung aufbewahrten, um sie nach der<br />

Schicht gegen die Kluft einzutauschen: Kontinuität im Wandel, das gefällt mir.<br />

Oliver Scheytt<br />

PACT Zollverein, Essen<br />

142


Mit der Hauptverwaltung auf Nordstern hat die<br />

THS ein markantes Zeichen für eine <strong>StadtBauKultur</strong><br />

des Ruhrgebiets gesetzt. Ausschlaggebend<br />

für meine Wahl ist die auf Nordstern spürbare<br />

Bauherrenrolle, die bei Auszeichnungen zu oft<br />

hinter großen Architektennamen versteckt<br />

wird. Die THS hat hier ihre Unternehmensphilosophie:„Erhalten.Ergänzen.Neudefinieren.Erfinden“<br />

konsequent mit der Sprache<br />

des Bauens zum Ausdruck gebracht.<br />

Sichtbar für die Menschen, die dort<br />

arbeiten; sichtbar für die Menschen der<br />

Region. Die Wahl von Nordstern als Ort<br />

bietet neben Platz zugleich Geschichte<br />

und Identität: ein modernes Bekenntnis<br />

zur Region. Der gestaltete Raum<br />

schafft Wohlgefühl.<br />

Dahinter verbirgt sich ein Bauherrenwillen, ein sich Einmischen im Kreis der<br />

beauftragten Architekten, Ingenieure, Farbgestalter mit Durchsetzungskraft.<br />

Nordstern ist ein Zeichen von Verantwortung für den Verband der Wohnungswirtschaft<br />

Rheinland Westfalen mit seinen rund 480 Wohnungsgesellschaften<br />

und Genossenschaften. Mit kleinen wie mit großen Investitionen<br />

nehmen sie fast täglich auch die Rolle von Bauherren wahr.<br />

Burghardt Schneider<br />

THS-Hauptverwaltung auf Nordstern, Gelsenkirchen<br />

143


144<br />

Stadt bedeutet immer auch Wohnen.<br />

Also heißt Stadtbaukultur auch: die Stadt<br />

fürs Wohnen, zum Wohlfühlen und damit<br />

zum Leben wieder zu entdecken.<br />

In Duisburg-Hamborn, einem eher vergessenen<br />

Stadtteil, wurde eine ebenso vergessene zentrale<br />

Wohnbebauung mit 161 Wohnungen des Kölner<br />

Architekten Emil Rudolf Mewes aus den <strong>Jahre</strong>n 1929/30<br />

vom Bauherrn und Eigentümer THS Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten<br />

Essen als Beitrag zur Stadtentwicklung und<br />

Standortsicherung des Stadtteils Hamborn für eine neue Zukunft<br />

durch Erhalt und wieder gestaltende Rückbesinnung nach intensiver<br />

Spurensuche wie Material, Details, Ausstattung und Farbgebung nachhaltig<br />

modernisiert.<br />

Dieser Wohnkomplex gilt aus architekturgeschichtlichen, städtebaulichen<br />

und sozialgeschichtlichen Gründen als signifikantes Beispiel der industrieorientierten<br />

Urbanisierung des nördlichen Ruhrgebiets im Stil des zeitgenössischen<br />

„Neuen Bauens und Wohnens“.<br />

Große Wohnungen durch Zusammenlegung von kleinen Wohnungen<br />

mit großen Fenstern in der üblichen Sprossenteilung zur Gartenseite und<br />

angebauten Balkonen bieten zukunftsorientierten Wohnkomfort.<br />

Die zum öffentlichen Raum gewandten Fassaden blieben oder wurden<br />

wieder im ursprünglichen Stil hergestellt, ebenso die vier vorgelagerten<br />

Plätze im Kreuzungsbereich der Straßen. Im <strong>Jahre</strong> 1991<br />

auf Initiative der THS unter Denkmalschutz gestellt,<br />

wurde hier in produktiver Kooperation mit den Vertretern<br />

der Denkmalschutzbehörden ein modernes Verständnis<br />

von Denkmalschutz praktiziert.<br />

Stadtbaukultur durch intensive Spurensuche zur Erhaltung<br />

der Vergangenheit, als dem Gedächtnis von Orten,<br />

ausgerichtet auf eine neue Zukunft des Wohnens in<br />

der Stadt. Hier profitieren alle: der Eigentümer, die<br />

Bewohner und die Stadt. Stadtmarketing für und durch<br />

einen wieder entdeckten Stadt-Ort mit neuem Namen<br />

als Markenzeichen: „BauhausKarree“<br />

Karl-Heinz Cox<br />

BauhausKarree, Duisburg


Wenn ich es ehrlich zugebe, habe ich den Satz „form follows function“ nie wirklich<br />

verstanden. Folgt aus einer Funktion genau eine Form? Was ist denn überhaupt<br />

die Funktion, aus der eine Form folgt? Was macht die Form, wenn die Funktion<br />

sich ändert? Ändert sich die Funktion nicht mit der Perspektive? Wenn ich die<br />

Architektur der Moderne, wie sie mir landauf, landab begegnet, wahrnehme,<br />

komme ich zu dem Schluss, dass der Satz den modernen Architekten auch<br />

nicht sehr geholfen hat und Baukultur wohl doch mehr sein muss, als<br />

dieser viel zitierte Grundsatz der Moderne.<br />

Baukultur hat für mich mit mehr als der eindimensionalen Logik von<br />

„wenn-dann-Beziehungen“ zu tun. Ich freue mich über das, was<br />

unter der Oberfläche steckt und über den Dingen steht, über<br />

Schönheit und Haltung. Der Kanzlerbungalow, den Sep Ruf als<br />

Wohnhaus für Ludwig Erhard 1963/64 realisierte, hat mich<br />

begeistert. Das feine Gefühl für Proportionen, das intelligente<br />

Zusammenspiel von Außen- und Innenraum, die<br />

sensible Verwendung und Verarbeitung der Materialien<br />

und die stille Großzügigkeit des Grundrisses zeigen,<br />

wie viel Reichtum sich in der Architektur verbergen<br />

kann.<br />

Es mag sein, dass „form follows function“ ein<br />

Leitsatz der Modernen Architektur ist. Bei<br />

den Bauten von Mies van der Rohe, Sep Ruf<br />

und Richard Neutra habe ich das Gefühl,<br />

das sie deshalb zur Baukultur gehören,<br />

weil sie darüber hinaus gehen.<br />

Johannes Busmann<br />

Bundeskanzlerbungalow,<br />

Bonn<br />

145


In der Dunkelheit strahlt sie wie ein farbiger Edelstein und am Tage ist sie das kulturelle Zentrum der nördlichen City: Die Philharmonie für Westfalen, unser Dortmunder<br />

Konzerthaus, ist mein baukultureller Favorit. Unter schwierigen Bedingungen hat sich das Gebäude als gewaltiger Solitär in ein dicht bebautes City-Quartier eingefügt<br />

und seine Umgebung zu neuem Leben erweckt. Optisch spiegelt das Konzerthaus mit seiner beleuchteten Fassade die Stimmungen der Musik aus seinem Inneren<br />

wider, programmatisch hat es der gesamten Region ein neues Glanzlicht aufsetzen können.<br />

Monika Block<br />

Konzerthaus Dortmund – Philharmonie für Westfalen,<br />

Dortmund<br />

146


Als im damaligen Lenkungsausschuss der IBA das Projektmodell<br />

von Mont Cenis vorgestellt wurde, gab es einen ersten Zwischenruf<br />

„Gigantomanie!“<br />

In der Tat sind die Dimensionen der Glashülle gigantisch –<br />

176 Meter lang, 72 Meter breit, 15 Meter hoch. Von<br />

„Manie“ kann jedoch keine Rede sein. Vielmehr handelt es<br />

sich um die Umsetzung eines visionären Architekturkonzeptes,<br />

das standortbezogene Baukultur mit technologischer<br />

Innovation und Nachhaltigkeit verbindet. Standortbezogen<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang, die<br />

Großstruktur der ehemaligen Schachtanlage mit neuem<br />

Inhalt und neuer Form wieder aufzunehmen. Gleichzeitig<br />

drängt sich der Eindruck des Außergewöhnlichen,<br />

Besonderen auch im Verhältnis zum Umfeld<br />

auf. Gerade solche Brechungen sind Teil der „neuen“<br />

Stadtbaukultur im Ruhrgebiet. Sie werden bei<br />

Mont Cenis in der Innenraumgestaltung bis zu<br />

einer mediterranen Atmosphäre vorangetrieben,<br />

die keine sterilen Erlebniswelten vorgaukelt, sondern<br />

real aus dem Zusammenhang von Wasser,<br />

der Tragwerkskonstruktion und den verschachtelten<br />

Wohneinheiten entsteht.<br />

Tillmann Neinhaus<br />

Fortbildungsakademie Mont Cenis,<br />

Herne<br />

147


Was ist eigentlich eine Bramme?<br />

Das Wörterbuch machts knapp:<br />

Bramme: Eisenstück.<br />

Und tatsächlich, hat man sich über lange schmale Fußwege bis zum Hochplateau der Halde (65 m) hochgekämpft, dann<br />

steckt es da, das Eisenstück.<br />

Schlicht und schlank, ebenso nüchtern wie geheimnisvoll. Nach dem Aufstieg durch das verwilderte Grün wirkt die steinige,<br />

schwarze Öde oben besonders karg. Eine riesige Fläche, eine ins Negativ gekehrte Oase, und mittendrin die Bramme in<br />

einem rostigen Rotbraun, gleichzeitig verloren und zentral.<br />

Es ist eine laute Stille da oben, im Blick die Anlagen der Zeche Zollverein, das Tetraeder und die Schalke-Arena.<br />

Viel Industrie, noch mehr Grün. Die Autobahn beängstigend nah.<br />

Kein Busparkplatz, keine Hinweistafeln. Kein Fernglas, keine Getränkebude.<br />

Ein Geheimtipp?<br />

Die Schurenbachhalde, ebenso Industrie wie Kultur, mittendrin und doch darüber, ist von einer kantigen Eleganz, die eben<br />

nur das Ruhrgebiet hat.<br />

Es ist ein Ort mit Spannung, voll von Vergangenheit und Gegenwart, unspektakulär und gleichzeitig einzigartig.<br />

Eine Oase eben.<br />

148<br />

Henrietta Horn<br />

Schurenbachhalde, Essen


Architekturaussagen in unserer Zeit werden immer<br />

ausdrucksloser, angepasster und uneigenständiger.<br />

Nicht so hier in dieser ehemaligen Industriehalle,<br />

die nicht in erster Linie schön sein wollte,<br />

sondern vor allem ihrem Anspruch als Gehäuse für<br />

industrielle Aufgaben entsprechen sollte. So blieb<br />

es bis heute möglich, die Neugierde offen zu<br />

halten. Hier wird der Ort wieder zum Ereignis,<br />

hier kann man Proportion und Harmonie erleben,<br />

ohne auf eine bestimmte Art der Wahrnehmung<br />

festgelegt zu sein.<br />

Deshalb haben wir den Begriff der „Montagehalle<br />

für Kunst“ geprägt. Montage steht vor allem dafür,<br />

aus verschiedenen Teilen wieder ein neues Ganzes entstehen<br />

zu lassen. Das bezieht sich auf die künftigen Inszenierungen<br />

in den Räumen, aber auch auf das Konstruktionsprinzip selbst,<br />

sowohl der aus mehreren Bauteilen zusammengefügten historischen<br />

Halle als auch auf die Ergänzung durch raffinierte,<br />

technologische und reaktivierende Elemente, die einen Erhalt,<br />

eine sinnvolle Nutzung überhaupt erst möglich machen.<br />

So bleiben das Alte innen und das Neue außen klar ablesbar.<br />

Die Jahrhunderthalle behält, auch als Spielstätte der Triennale,<br />

einen Erinnerungswert von großer Qualität.<br />

Karl-Heinz Petzinka<br />

Jahrhunderthalle, Bochum<br />

149


Auf der kleinen Plattform im Vierungsturm des<br />

Kölner Doms steht man etwa 68 Meter über<br />

dem Roncalliplatz. Man hat dort einen wunderbaren<br />

Blick über die Stadt, bei günstigem<br />

Wetter sogar bis zum Siebengebirge und<br />

nach Bensberg. Vor allem sieht man den<br />

Rhein und seine Ufer. Man erkennt, wie<br />

die Kirchen Kölns noch immer ihre „Veedel“<br />

dominieren: Groß St. Martin, St. Severin,<br />

Pantaleon, St. Aposteln, St. Ursula,<br />

St. Kunibert usw... Immer, wenn ich so<br />

über der Stadt stehe, hoffe ich, dass das<br />

so bleibt. Inmitten der oft zufällig<br />

wirkenden, ungeordneten Bebauung<br />

der letzten Jahrzehnte bilden die Kirchen<br />

die einzig klare, noch vorhandene<br />

Struktur. Hier oben, umgeben von<br />

der großartigen Architektur des<br />

Doms, fühlt man sich den Alltagssorgen<br />

enthoben, alles Kleinliche<br />

fällt von einem ab.<br />

Deshalb ist dies mein Lieblingsort<br />

in der Stadt.<br />

150<br />

Barbara Schock-Werner<br />

Dom und<br />

Blick über Köln


Einen Ort, ein Bauwerk, eine Situation,<br />

die für mich die Baukultur in<br />

Nordrhein-Westfalen verkörpern<br />

würden, kann ich leider nicht nennen,<br />

wohl aber drei:<br />

· die handwerkliche Qualität des<br />

Bauens, die mir bei meinem ersten<br />

Besuch im Münsterland im Jahr<br />

1968 ins Auge fiel, von der Akkuratesse,<br />

mit der das Mauerwerk zusammengefügt<br />

war, über die Präzision,<br />

mit der Fenster und Türen eingepasst<br />

waren, bis zu dem satten Ton,<br />

mit dem die Türen dann ins Schloss<br />

fielen;<br />

· die drückende Enge der langen<br />

Gänge in den Institutsbauten der<br />

Universität Bochum, die mich, als<br />

ich, selbst frisch nach Dortmund berufen,<br />

dort einen Kollegen besuchte,<br />

derart beklemmte, dass ich wohl<br />

einen Ruf dorthin nie hätte annehmen<br />

können;<br />

· der Tetraeder bei Bottrop, dessen<br />

filigrane Eleganz seine Verankerung<br />

in einer ganz ordinären Halde zunächst<br />

vergessen, dann aber als<br />

Signal eines neuen Typs von Landschaft<br />

erkennen ließ.<br />

Erika Spiegel<br />

Drei Orte<br />

151


152


Anhang<br />

153


154<br />

Autorenverzeichnis<br />

Friedrich Achleitner, Wien<br />

em. o. Univ. Prof. mag. arch. Dr. tech, Architekturpublizist und Schriftsteller<br />

Michael Arns, Düsseldorf<br />

Dipl.-Ing., Vizepräsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen<br />

Karin Bandow, Gelsenkirchen<br />

Dipl.-Ing. (FH), Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Merlin Bauer, Köln<br />

Künstler und Kulturproduzent, Stipendiat des Kölnischen Kunstvereins<br />

und der Imhoff-Stiftung<br />

Monika Block, Dortmund<br />

Geschäftsführerin Galeria Kaufhof Dortmund<br />

und Vorsitzende City-Ring Dortmund<br />

Peter Brdenk, Essen<br />

Dipl.-Ing., Planwerk<br />

Stefanie Bremer, Essen<br />

Dipl.-Ing., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Stadtplanung<br />

und Städtebau Universität Duisburg-Essen<br />

Christoph Brockhaus, Duisburg<br />

Prof. Dr., Direktor Wilhelm Lehmbruck-Museum<br />

Frauke Burgdorff, Gelsenkirchen<br />

Dipl.-Ing., Leiterin Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. (bis 2005)<br />

Johannes Busmann, Wuppertal<br />

Prof. Dr., Verlag Müller+Busmann KG<br />

Wolfgang Christ, Weimar/Darmstadt<br />

Prof. Dipl.-Ing. Entwerfen und Städtebau 1,<br />

Institut für Europäische Urbanistik (IfEU) Bauhaus-Universität Weimar<br />

Hans-Dieter Collinet, Düsseldorf<br />

Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Karl-Heinz Cox, Gelsenkirchen<br />

Prof. Dr.-Ing., ehem. Vorsitzender der Geschäftsführung der THS GmbH<br />

Söke Dinkla, Duisburg<br />

Dr., Kuratorin Festivalbüro Duisburg<br />

Burkhard Ulrich Drescher, Essen<br />

Mitglied des Vorstandes der RAG Immobilien AG<br />

Peter Dübbert, Düsseldorf<br />

Dipl.-Ing., Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen<br />

Kurt Ernsting, Coesfeld<br />

Firmengründer Ernsting’s family<br />

Francesca Ferguson, Berlin<br />

Kuratorin und Journalistin, urban drift productions Ltd.<br />

Carl Fingerhuth, Zürich<br />

Dipl. Arch., Honorarprofessor Technische Universität Darmstadt<br />

Birgit Frey, Unna<br />

Städte-Netzwerk Nordrhein-Westfalen e.V.<br />

Dörte Gatermann, Köln<br />

Prof.’in Dipl.-Ing., Gatermann+Schossig Architekten Generalplaner<br />

Martin Gerth, Düsseldorf<br />

Dr.-Ing., Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Achim Großmann, Berlin<br />

MdB, Parlamentarischer Staatssekretär<br />

beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

Eberhard Grunsky, Münster<br />

Prof. Dr., Landeskonservator i. R., Leiter des Westfälischen Amtes<br />

für Denkmalpflege Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

Marc Günnewig, Münster<br />

M.A. (Arch.), modulorbeat - ambitious urbanists & planners / freihaus ms<br />

Dirk Haas, Essen<br />

Dipl.-Geogr., RE.FLEX architects_urbanists<br />

Ulrich Hatzfeld, Düsseldorf<br />

Dr., Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Jochen Heufelder, Köln<br />

Kurator<br />

Fabian Holst, Münster<br />

M.A. (Arch.), modulorbeat - ambitious urbanists & planners / freihaus ms<br />

Henrietta Horn, Essen<br />

Prof.’in, Moderner Tanz und Folkwang Tanzstudio Folkwang Hochschule<br />

Ernst Hubeli, Zürich<br />

Prof. Dipl.-Arch. ETH, Architekturbüro Herczog Hubeli<br />

Jan Kampshoff, Münster<br />

M.A. (Arch.), modulorbeat - ambitious urbanists & planners / freihaus ms<br />

Volker Katthagen, Bochum<br />

Cand.-Ing. (FH), Freie Mitarbeit Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Kay von Keitz, Köln<br />

Dipl.-Kulturwissenschaftler, Kurator und Publizist<br />

Hans-Dieter Krupinski, Düsseldorf<br />

Dr.-Ing., Ministerium für Bauen und Wohnen<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Petra Lindner, Münster<br />

Freie Kuratorin


155<br />

Udo Mainzer, Pulheim<br />

Prof. Dr., Landeskonservator,<br />

Leiter des Rheinisches Amtes für Denkmalpflege<br />

Hartmut Miksch, Düsseldorf<br />

Dipl.-Ing., Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen<br />

Martin zur Nedden, Bochum<br />

Dipl.-Ing., Stadtbaurat der Stadt Bochum<br />

Tillmann Neinhaus, Bochum<br />

Dipl.-Kfm., Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer<br />

im mittleren Ruhrgebiet zu Bochum<br />

Franz Pesch, Herdecke<br />

Prof. Dr.-Ing., Pesch und Partner Architekten Stadtplaner<br />

Karl-Heinz Petzinka, Gelsenkirchen<br />

Prof. Dipl.-Ing., Vorsitzender der Geschäftsführung der THS GmbH<br />

Christa Reicher, Dortmund<br />

Prof.’in Dipl.-Ing., Fachgebiet für Städtebau und Bauleitplanung<br />

Universität Dortmund<br />

Frank Roost, Berlin<br />

Dipl.-Ing., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Planungs- und<br />

Architektursoziologie Technische Universität Berlin<br />

Christof Rose, Düsseldorf<br />

Dipl.-Journalist, Pressesprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen<br />

Jörn Rüsen, Essen<br />

Prof. Dr., Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts<br />

Hans-Ulrich Ruf, Düsseldorf<br />

Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Henrik Sander, Dortmund<br />

Dipl.-Ing., orangeedge urban research + marketing<br />

Thorsten Schauz, Dortmund<br />

Dipl.-Ing., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet für Städtebau und<br />

Bauleitplanung Universität Dortmund<br />

Oliver Scheytt, Essen<br />

Dr., Beigeordneter für Bildung, Jugend und Kultur der Stadt Essen<br />

J. Alexander Schmidt, Essen<br />

Prof. Dr.-Ing., Institut für Stadtplanung und Städtebau<br />

Universität Duisburg-Essen<br />

Burghard Schneider, Düsseldorf<br />

Staatssekretär a. D., Vorstandssprecher Verband der Wohnungswirtschaft<br />

(VdW) Rheinland Westfalen e. V.<br />

Barbara Schock-Werner, Köln<br />

Prof.’in Dr. Dipl.-Ing., Dombaumeisterin Dombauverwaltung Köln<br />

Klaus Selle, Aachen<br />

Prof. Dr.-Ing., Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtplanung RWTH Aachen<br />

Erika Spiegel, Heidelberg<br />

em. Prof.’in Dr., Stadtsoziologin<br />

Dietmar Steiner, Wien<br />

Mag. Arch., Direktor des Architekturzentrums Wien<br />

Henry Storch, Düsseldorf<br />

Musikverleger und DJ, Betreiber von Unique Records & Verlag<br />

Yasemin Utku, Dortmund<br />

Dipl.-Ing., Wissenschaftliche Mitarbeiterin,<br />

Institut für Raumplanung Universität Dortmund<br />

Angela Uttke, Dortmund<br />

Dipl.-Ing., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachgebiet für Städtebau<br />

und Bauleitplanung Universität Dortmund<br />

Sabine Voggenreiter, Köln<br />

M.A., Kuratorin und Publizistin<br />

Michael von der Mühlen, Gelsenkirchen<br />

Dipl.-Ing., Stadtdirektor der Stadt Gelsenkirchen<br />

Kunibert Wachten, Aachen<br />

Prof. Dipl.-Ing., Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung RWTH Aachen<br />

Wilfried Wang, Berlin<br />

Prof. Dipl.-Arch., Hoidn Wang Partner<br />

Udo Weilacher, Hannover<br />

Prof. Dr. sc. ETH, Institut für Landschaftsarchitektur und Entwerfen<br />

Universität Hannover<br />

Roland Weiss, Essen<br />

Dipl.-Ing., Geschäftsführer Entwicklungsgesellschaft Zollverein mbH<br />

Andrea Wilbertz, Düsseldorf<br />

Dipl.-Geogr., Leiterin Referat Marketing und Kommunikation<br />

der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen<br />

Oliver Wittke, Düsseldorf<br />

Minister für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen


156<br />

Bildnachweis<br />

Innentitel<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Seite 11<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Seite 24<br />

Deutschlandschaft<br />

Ausstellung Deutschlandschaft, Gelsenkirchen<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Elke Torges)<br />

Seite 25<br />

Ausstellung Deutschlandschaft, Gelsenkirchen<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Elke Stamm)<br />

Seite 27<br />

1000 Baulücken<br />

links oben: Baulücke, Essen<br />

links unten: 1. Preis „Kindergarten Am Frommen Josef“, Essen<br />

(Entwurf: Walter Gebhardt)<br />

rechts oben: 2. Preis „Bürgerbühne“, Dortmund<br />

(Entwurf: Kirstin Jotzo)<br />

rechts unten: Baulücke, Dortmund<br />

unten (kleines Bild): 1. Preis „Stapelhaus“ Dortmund<br />

(Entwurf: Marko Heinzdorff und Kollegen)<br />

(Quelle: Architektenkammer <strong>NRW</strong>)<br />

Seite 28<br />

Temporäre Architektur<br />

links oben: The Massive Penal Colony, Arata Isozaki + Yoko Ono<br />

(Foto: Ville Kostamoinen)<br />

links mitte: „blow“ (Entwurf: Hans-Peter Nünning, Dennis Petricic)<br />

links unten: Ralf (Foto: Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.)<br />

rechts oben: 1. Preis „mein platz!“<br />

(Entwurf: Verena Gerdesmeier und Patrik Stührenberg)<br />

rechts unten: Installation eines temporären Besitzers (Foto:Till Engels)<br />

Seite 29<br />

„weitblick“ (Entwurf: Anja Carina Hilsmann und Silke Strotkamp)<br />

Seite 30/31<br />

Der Traum vom Turm<br />

von links nach rechts: Petronas Towers (Cesar Pelli und Associates),<br />

Chrysler Building (William van Alen), Kölner Dom (versch. Dombaumeister),<br />

Burj Al Arab (W.S. Atkins und Partner) (alle Modellfotos: Joop Greypink)<br />

Seite 32<br />

Innovationspreis Wohnungsbau<br />

1. Preis WohnreWir Tremonia, Dortmund (Architektur: Post und Welters)<br />

Seite 33<br />

Hintergrund: 1. Preis WohnreWIR Tremonia, Dortmund<br />

(Architektur: Post und Welters)<br />

von links nach rechts:<br />

Wohnanlage Rheinfährstraße, Neuss (Architektur: Böttger)<br />

Wohnquartier „Breul/Tibusstraße“, Münster<br />

(Architektur: Schröder und Partner, Wohn-und Stadtbau GmbH,<br />

Plan.Werkarchitekten)<br />

Wohnen im Hochbunker, Köln (Architektur: Luczak)<br />

Seite 34<br />

Shopping Center Stadt und Vorbildliche Handelsarchitektur in <strong>NRW</strong><br />

mitte: (Foto: Axel Boesten)<br />

links : Projektlogo (Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.)<br />

unten: Shopping Center (Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.)<br />

Seite 36/37<br />

Orte der Arbeit<br />

(Grafiken: Institut für Stadtplanung und Städtebau Universität Duisburg-Essen)<br />

Seite 38/39<br />

Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010<br />

Arbeitsmodell, Werkstattdiskussionen (Fotos: Stefan Bayer)<br />

Seite 41<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Seite 54<br />

Stadt macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze<br />

Hintergrund: (Foto: Thomas Serres)<br />

links oben: Licht- und Luftbad, Pulheim (Künstlerin: Sigrid Lange)<br />

mitte oben: Streulicht (Künstler: Maik und Dirk Löbbert)<br />

rechts oben: Wettbewerbsjury<br />

mitte links: Rheinbraunplatz, Wesseling (Entwurf: Pesch und Partner)<br />

mitte rechts: Wallstraße, Ahaus (Entwurf: Reicher Haase Architekten)<br />

unten links: Rheinbraunplatz, Wesseling (Entwurf: Pesch und Partner)<br />

Seite 57<br />

Kunst trifft Stadt<br />

links oben: Partitur Stadtgarten, Aachen<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

links mitte: un-built cities, Bonn<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

links unten: Brückenreisetag des Kunstvereins Mülheim,<br />

Station Schloss Moyland<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Julia Pasalk)<br />

rechts oben: Die Baulücke als Möglichkeitsort, stadtraum.org, Düsseldorf<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Julia Pasalk)<br />

rechts mitte: Kunst am Wegesrand, Düsseldorf<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

rechts unten: stadtraum.org, Düsseldorf und Brückenreisetag, Mülheim<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Julia Pasalk)


Seite 58/59<br />

Privatgrün<br />

links oben: (Künstler: Bogomir Ecker)<br />

links mitte: (Künstler: Michael Munding)<br />

links unten: (Künstler: Beat Zoderer)<br />

rechts oben: (Künstler: Chin Yusen)<br />

rechts mitte: Baumhaus (Künstler: Timm Ulrichs / Foto: Friedrich Rosenstiel)<br />

rechts unten: Kunstobjekt Atelier van Lieshout<br />

(Quelle: alle Fuhrwerkswaage Kunstraum e.V.)<br />

Seite 60<br />

Lichtatlas – Lichtkunst und Lichtprojekte im öffentlichen Raum<br />

Xenon for Duisburg, Fließtextprojektion auf die Glashalle der Stiftung<br />

Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg<br />

(Künstlerin: Jenny Holzer / Videoproduktion: Jochen Renz)<br />

Seite 61<br />

oben: Landschaftspark, Duisburg-Nord (Foto: Werner J. Hannappel)<br />

links unten: Glitzerbaum, Temporäre Lichtinstallation und Lichtaktion,<br />

Entwurf für den Skulpturenhof der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum,<br />

Duisburg (Künstlerin: Claudia Wissmann / Computermontage: Stiftung<br />

Wilhelm Lehmbruck Museum)<br />

rechts unten: Fluxus, Beitrag für das Werkstattverfahren „Lichtboulevard<br />

Friedrich-Wilhelm-Straße, Duisburg“ (Künstler und Foto: Stefan Sous)<br />

unten (kleines Bild): Lichtinstallation Kant Park, Duisburg<br />

(Künstler: Francois Morellet / Foto: Werner J. Hannappel)<br />

Seite 63<br />

Herbstakademie und Stadt der Geschwindigkeit<br />

Hintergrund: B1 / A 40<br />

links oben: Billboard Lichtburg, Essen<br />

links unten: Arbeitsmodell B1<br />

rechts oben: McDonalds Drive-In<br />

rechts unten: Mittelstreifen mit Busspur<br />

(Quelle: Bergische Universität Wuppertal und RWTH Aachen)<br />

Seite 65<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Seite 82<br />

Architektur macht Schule<br />

links oben: Unterrichtsmaterial „Alles nur Fassade?“ (Autor: Gert Kähler)<br />

mitte oben: Schulbuch „Wie gewohnt?“ (Autor: Gert Kähler)<br />

rechts oben, links unten, rechts unten: (Quelle: Architektenkammer <strong>NRW</strong>)<br />

Seite 84<br />

Stad(T)räume<br />

links oben: (Quelle: Städte-Netzwerk <strong>NRW</strong>)<br />

rechts oben: (Illustration: Petra Raffelsiefer)<br />

großes Foto: Kongress im stadt.bau.raum (Quelle: Städte-Netzwerk <strong>NRW</strong>)<br />

Seite 85<br />

links: Kongress im stadt.bau.raum (Quelle: Städte-Netzwerk <strong>NRW</strong>)<br />

rechts: Kongress im stadt.bau.raum (Quelle: Städte-Netzwerk <strong>NRW</strong>)<br />

Seite 86/87<br />

Türme für PISA<br />

Ausstellung der Türme (Quelle: Ingenieurkammer-Bau <strong>NRW</strong>)<br />

Seite 88<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur Gelsenkirchen<br />

(Umbau: Böll und Krabel Architekten / Fotos: Rainer Lautwein)<br />

Seite 89<br />

stadt.bau.raum, Maschinenhalle, Gelsenkirchen<br />

(Restaurierung: Pfeiffer, Ellermann und Preckel / Foto: Günter Lintl)<br />

stadt.bau.raum, Anbau, Gelsenkirchen (Architektur: Pfeiffer,<br />

Ellermann und Preckel / Foto: Günter Lintl)<br />

Seite 90<br />

Baupolitische Ziele des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Landesvertretung <strong>NRW</strong>, Berlin<br />

(Architektur: Petzinka Pink / Foto: Taufik Kenan)<br />

Seite 91<br />

links oben: FH Gelsenkirchen, Abteilung Bocholt (Architektur: Heinrich,<br />

Wörner u. Vedder / Lichtinstallation: Jan van Munster / Foto: Michael Rasche)<br />

rechts oben: Schloss Augustusburg, Brühl (Quelle: Bildarchiv Monheim)<br />

mitte: Ständehaus / Museum K 21, Düsseldorf<br />

(Umbau: Kiessler u. Partner / Foto: Günter Lintl)<br />

unten: Ständehaus / Museum K 21, Düsseldorf<br />

(Umbau: Kiessler u. Partner / Foto: Günter Lintl)<br />

Seite 92<br />

Mögliche Orte – Bildwelten, Planerwelten?!<br />

Workshopgruppe „Süd“ – „Nutze die Möglichkeiten“<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Frauke Burgdorff)<br />

Seite 93<br />

links: Ausstellung im stadt.bau.raum<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Volker Katthagen)<br />

rechts oben: Workshop im stadt.bau.raum<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Frauke Burgdorff)<br />

rechts unten: Ausstellung im stadt.bau.raum<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Volker Katthagen)<br />

157


158<br />

Seite 94<br />

Tag der Architektur<br />

von links oben nach rechts unten:<br />

Neubau Verwaltungsgebäude Stadtwerke, Bochum<br />

(Architektur und Foto: Gatermann und Schossig)<br />

Bürogebäude auf dem Gelände der ehemaligen Zementfabrik, Bonn<br />

(Architektur: Schommer / Foto: Tomas Riehle)<br />

Neubau eines Einfamilienhauses, Bochum<br />

(Architektur und Foto: Heiderich Hummert Klein)<br />

Schloss Bensberg / Wohnen im Schlosspark, Bergisch Gladbach<br />

(Landschaftsarchitektur und Foto: Jürgen Schubert)<br />

Bürohaus "Spherion", Düsseldorf<br />

(Architektur: Deilmann Koch / Foto: H. G. Esch)<br />

Landtag Nordrhein-Westfalen/Umbau, Düsseldorf<br />

(Architektur und Foto: Eller und Eller)<br />

Eifel-Therme-Zikkurat, Mechernich<br />

(Architektur: RSP-Architekten / Foto: Willebrand)<br />

Zentrum für Kommunikations- und Informationstechnologie, Essen<br />

(Architektur: Schröder und Kamm / Foto: Bertram Schröder)<br />

Neubau eines gemeinschaftsorientierten Mehrfamilienhauses, Dortmund<br />

(Architektur: Norbert Post, Hartmut Welters / Foto: Cornelia Suhan)<br />

Aufstockung und Umbau der Dorma-Hauptverwaltung, Ennepetal<br />

(Architektur: KSP Engel und Zimmermann / Foto: Stefan Schilling)<br />

Seite 95<br />

oben: Neubau eines Einfamilienhauses, Marl<br />

(Architektur: Ansgar Huster / Foto: Martin Schmüdderich)<br />

links: Wohnhaus, Bielefeld<br />

(Architektur und Foto: Poggenhans und Mühl, Bielefeld)<br />

rechts: Neubau eines Bürogebäudes mit Gewerbebetrieb, Gütersloh<br />

(Architekt und Foto: Arnd Zumbansen)<br />

rechts unten: Essener Philharmonie – Konzertsaal im Saalbau<br />

(Architektur: Busmann und Haberer / Foto: Herr Richter)<br />

Seite 96/97<br />

koelnarchitektur.de<br />

Hintergrund: Logomobile<br />

links: Architaxi<br />

rechts: Homepage<br />

rechts unten: Logomobile<br />

(Quelle: alle koelnarchitektur.de)<br />

Seite 98<br />

plan<br />

Wohnmodell, Köln<br />

(Entwurf: Andreas Fritzen und Joerg Rekittke / Foto: plan project, Burat)<br />

Seite 99<br />

links: How to be a Perfect guest (Künstler: Wim Salki)<br />

rechts: Parkdeck Restaurant “Bitumen Palace” (Künstler: Boris Sieverts)<br />

(Fotos: alle plan project, GrawBöckler)<br />

Seite 100<br />

Essen erlebt Architektur<br />

Stattwald (Künstler: Frank Ahlbrecht, Dorothee Bielfeld / Foto: BDA Essen)<br />

Seite 101<br />

oben links und rechts: Ungestörtes Wachstum<br />

(Künstler: Eckhard Schlichten, Matz Schulten / Foto: BDA Essen)<br />

unten links: Capsule<br />

(Künstler: Miriam Giessler und Hubert Sandmann / Foto: BDA Essen)<br />

unten rechts: Stadtwunde<br />

(Künstler: Werner Ruhnau, Astrid Bartels / Foto: BDA Essen)<br />

Seite 102<br />

RheinRuhr City<br />

Netzwerk-Szenario: Duisburger Hafen<br />

(Entwurf: MVRDV / Installationsshots: <strong>NRW</strong> Forum Düsseldorf)<br />

Seite 103<br />

Campus-Szenario: Duisburger Hafen<br />

(Entwurf: MVRDV / Installationsshots: <strong>NRW</strong> Forum Düsseldorf)<br />

Seite 105<br />

<strong>Jahre</strong>skongress 2005: <strong>NRW</strong>urbanism<br />

Einladungsflyer (Gestaltung: serres design)<br />

Kongress-Diskussionen<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Elke Torges)<br />

oben rechts: Abtei, Brauweiler<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Foto: Elke Torges)<br />

Seite 106<br />

<strong>Jahre</strong>skongress 2005: Realität Bauen<br />

Einladungsflyer (Gestaltung: serres design)<br />

Seite 107<br />

Kongress-Diskussionen<br />

(Europäisches Haus der Stadtkultur e.V. / Fotos: Stefan Bayer)<br />

Seite 109<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Seite 122<br />

Denkmalkommission<br />

von oben nach unten:<br />

Bagno-Park, Konzertgalerie, Steinfurt-Burgsteinfurt<br />

Ehemaliges Heeresverpflegungsamt Münster<br />

Schloss Horst, Gelsenkirchen (Foto: Dr. Birgitta Ringbeck)<br />

Ehemaliger Überwasser-Friedhof in der Umgebung des Schlossgartens,<br />

Münster (Quelle: Westfälisches Amt für Denkmalpflege)<br />

Seite 123<br />

Lagerhaus der Textilfabrik Gebr. Laurenz, Ochtrup<br />

(Quelle: Rheinisches Amt für Denkmalpflege)


Seite 125<br />

DenkMalStadt!<br />

Einladungsflyer (Gestaltung: serres, design.)<br />

Diskussionsabend Gelsenkirchen (Fotos: Pesch und Partner)<br />

Seite 127<br />

Planungs- und Gestaltungsbeiräte <strong>NRW</strong><br />

links: Platzgestaltung, Bielefeld (Quelle: Stadt Bielefeld )<br />

links unten: Umbau Wohn-/Geschäftshaus, Aachen<br />

(Architektur: Prof. Dr.-Ing. Kahlen Planungsgesellschaft)<br />

rechts: Bahnhofsvorplatz mit Radstation, Münster<br />

(Architektur: Brandt und Böttcher / Foto: Jürgen Tölle, Olaf Mahlstedt)<br />

Seite 128<br />

Liebe deine Stadt<br />

Collage (Gestaltung: Merlin Bauer)<br />

Seite 129<br />

Panoramapavillon an der Hohenzollernbrücke<br />

(alle Fotos: Merlin Bauer, Albrecht Fuchs, Veit Landwehr)<br />

Seite 130<br />

Gartenkunst in <strong>NRW</strong><br />

oben: Schloss Lembeck, Dorsten (Foto: Wolfgang Gaida)<br />

mitte: Ausschnitt Botanischer Garten Schloss Clemensruh, Bonn<br />

(Foto: Dorina Herbst)<br />

unten: Schloss Benrath, Düsseldorf<br />

(Quelle: Stiftung Schloss und Park Benrath)<br />

Seite 131<br />

oben: Schloss Dyck, Jüchen (Quelle: Stiftung Schloss Dyck)<br />

links mitte: „Maman“, Schlosspark Wendlinghausen<br />

(Künstlerin: Louise Bourgois / Foto: Nic Tenwiggenhorn)<br />

rechts mitte: Industrienatur Kokerei Hansa, Dortmund<br />

(Foto: Michael Schwarze-Rodrian)<br />

Seite 132<br />

Zeche Zollverein Schacht XII, Essen<br />

(Foto: Thomas Mayer)<br />

Seite 133<br />

oben: Rohbau Zollverein School of Management and Design, Essen<br />

(Architektur: SANAA)<br />

links unten: Modell Zollverein School of Management und Design<br />

rechts unten: Modell Umbau Kohlenwäsche<br />

(Umbau: O.M.A., Böll und Krabel)<br />

(alle Fotos: Thomas Mayer)<br />

Seite 135<br />

Schurenbachhalde, Essen (Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 136<br />

Garten der Erinnerungen, Duisburg<br />

(Gestaltung: Dani Karavan / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 137<br />

Wohn-/Geschäftshaus H20, Münster (Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 138<br />

Rheinufer Düsseldorf (Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 139<br />

TZU Oberhausen (Neubau: Reichen und Robert / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 140<br />

Campus Ernsting’s Family, Coesfeld<br />

(Architektur: Reichlin, Schilling / Landschaftsarchitektur: Wirtz / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 141<br />

Insel Hombroich, Neuss (Gestaltung: Heerich / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 142<br />

PACT Zollverein, Essen (Umbau: Mäckler Architekten / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 143<br />

THS-Hauptverwaltung, Zeche Nordstern, Gelsenkirchen<br />

(Umbau: PASD-Feldmeier und Wrede / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 144<br />

BauhausKarree, Duisburg (Architektur: Mewes / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 145<br />

Bundeskanzlerbungalow, Bonn (Architektur: Sepp Ruf / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 146<br />

Neues Konzerthaus, Dortmund<br />

(Architektur: Schröder, Schulte-Ladbeck und Strothmann / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 147<br />

Fortbildungsakademie Mont Cenis, Herne<br />

(Architektur: Jourda und Perraudin / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 148<br />

Schurenbachhalde, Essen (Künstler: Serra / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 149<br />

Jahrhunderthalle, Bochum (Umbau: Petzinka Pink Architekten / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 150<br />

Kölner Dom (verschiedene Dombaumeister / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 151<br />

Ruhruniversität, Bochum (verschiedene Architekten / Foto: Birgit Hupfeld)<br />

Seite 153<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

159


160<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

im Auftrag für das<br />

Ministerium für Bauen und Verkehr<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Konzeption<br />

Karin Bandow<br />

Frauke Burgdorff<br />

Dirk E. Haas<br />

Dr. Ulrich Hatzfeld<br />

Dr.-Ing. Juliane Pegels<br />

Redaktion<br />

Dirk E. Haas<br />

Dr.-Ing. Juliane Pegels<br />

Lektorat<br />

Karin Bandow<br />

Dirk E. Haas<br />

Dr.-Ing. Juliane Pegels<br />

Marion Kress<br />

Gestaltung<br />

Thomas Serres, serres, design.<br />

Fotografie „Baukultur persönlich“<br />

Birgit Hupfeld<br />

Druck<br />

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Übersetzung<br />

Heike Reintanz-Vanselow<br />

(Text Prof. Dr. Jörn Rüsen)<br />

Kontakt<br />

Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.<br />

Leithestraße 33<br />

D-45886 Gelsenkirchen<br />

www.stadtbaukultur.nrw.de<br />

Dr. Ulrich Hatzfeld<br />

Ministerium für Bauen und Verkehr<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Fürstenwall 25<br />

D-40219 Düsseldorf<br />

www.mbv.nrw.de<br />

© 2006 Europäisches Haus der Stadtkultur e.V.;<br />

Autoren, Fotografen, Künstler und ihre Rechtsnachfolger<br />

ISBN 3-9809564-8-2<br />

Printed in Germany<br />

<strong>StadtBauKultur</strong> ist eine Initiative der Landesregierung<br />

Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit der Architektenkammer,<br />

der Ingenieurkammer-Bau, der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Kommunalen Spitzenverbände, der Vereinigung<br />

der Industrie- und Handelskammern, den Verbänden der<br />

Bau- und Wohnungswirtschaft und den Künstlerverbänden<br />

in Nordrhein-Westfalen.<br />

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Neuss GmbH bestellt werden. Bitte senden Sie Ihre<br />

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GWN GmbH - Schriftenversand<br />

Am Henselsgraben 3<br />

D-41470 Neuss<br />

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Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von<br />

Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines<br />

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gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist<br />

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