Einer sagt: "Beim Kaugummi hört die Freundschaft auf", anderer erwidert: "Würdest du mich im Grabe rumdrehen?" Gewiss ist, dass sich beide nicht in die Quere kommen werden. Denn wo nicht einmal Kommunikation funktioniert, können erst recht keine Streitereien entstehen. Nur was steckt hinter diesem vermeintlich grenzdebilen Dialog? Erheblich mehr, als man zunächst vermuten sollte. Er gehört zu einem Spätwerk, das über mehrere Dekaden hinweg formprägend eine Ambition verfolgt, nämlich gängige Sinnkonstruktionen zu unterlaufen. Seit den Fünfzigerjahren verdichtete der Lyriker Franz Mon gemeinsam mit Dichtern wie Ernst Jandl und Eugen Gomringer das, was man unter konkreter Poesie versteht, zum Programm. Experimentell zertrümmerte er Sprachbausteine, verfugte sie neu und führte die Idee eines schöpferischen Dichtertums ad absurdum.

Dazu entwickelte der Frankfurter eine Art vordergründiger Nonsens-Ästhetik. Doch selbst Verse aus seinem Lesebuch (1972) wie "geschieden immergrün gewichen gelegen allein allem alle als es / geschieden leichten gewesen allein einem sahn als es" weisen über gefällige Sprachspielereien hinaus. Ihnen liegt eine manifeste, kulturkritische Auseinandersetzung zugrunde, die in die frühe Nachkriegszeit zurückreicht. Nachdem die Nazipropaganda Wörter ideologisch umzudeuten wusste, stellte sich bei Mon, geboren 1926, eine tiefe Skepsis gegenüber dem Wahrheitsanspruch allem Gesagten und Geschriebenen ein. "Versuche, dich an alle namen zu erinnern, die je für dich verwendet wurden, denen du irgendwann / einmal ausgesetzt warst, die du dir selbst einmal ausgedacht hast, die du den tatsächlich benutzten / namen vorgezogen hättest; die sich als täuschungen erwiesen haben", hält er in einer seiner worttaktik[en] fest. Nur wie lässt sich mit dem Trug der Buchstaben und Zeichen umgehen?

Erstens nahm sich der Autor selbst nicht allzu zu ernst, weswegen er die Selbstironie zum heiligen Prinzip erhob. Zweitens scheute sein Schreiben keine Vieldeutigkeit. Insbesondere in dem Band herzzero (1968) veranschaulicht der Schriftsteller sein poetisches Verfahren. Bestehend aus zwei nebeneinander angeordneten Spalten, forderte das Buch von Anfang an die aktive Mitarbeit der Leserschaft heraus. Zwar lud Mons Vorbemerkung dazu ein, mit Stiften Sinnverbindungen zwischen einzelnen Begriffen grafisch darzustellen. Gleichzeitig konterkarierte der Schluss des Bandes vollends den Eindruck einer irgendwie gearteten Kohärenz: "zu ziehen / haben lange beine / einen bessren findst du nit / wie ein ruf von donnerhall / wie man reinschreit / wie ein held / wie nicht recht gescheit". Wer glaubt, den Bausatz der Volksweisheiten zu kennen, bemerkte nun im Durcheinanderwirbeln der Phrasen, was mit Worten passiert, sobald man sie aus ihren Kontexten reißt. Sie werden frei, autonom und widerstreben jedweder zweckmäßigen Vereinnahmung.

Der promovierte Germanist und Lektor Mon hat für diesen Emanzipationsprozess im Laufe seines Lebens mit zahlreichen Medien und Gattungen experimentiert. Neben Gedichten entstanden Textbilder und Bildtexte, Collagen und nicht zuletzt zahlreiche mit irritierenden Silbentonungen versehene Hörspiele. Sprachkunst sollte sich trotz aller verfremdenden Praxis als ein sinnlicher Genuss für sämtliche Wahrnehmungskanäle erweisen – mit einem ausgeprägten Gespür für Komik und das überraschende Moment. So sorgen seine Gedichte für ein Stocken und führen die Leserinnen und Leser immerzu vom sicheren Pfad der Deutung in ein Tal verschlungener Seiten- und Irrwege. Mons Sätze sind auch über seinen Tod hinaus in steter Bewegung. Franz Mon starb im Alter von 95 Jahren.